2016-01:Rechtspopulist Strohm verliert Klage gegen kritischen Film: Unterschied zwischen den Versionen

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=== Der Weg nach ganz rechts ===
 
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Die Auseinandersetzung um den kurzen Film mit kommentierten Ausschnitten aus Strohms Werk „Friedlich in die Katastrophe“ basierte vor allem auf urheberrechtlichen Fragen. Insbesondere für solche Themen und damit für den investigativen und Recherchejournalismus insgesamt beantwortete das Landgericht Hamburg im Urteil vom 25.2.2016 ''(Az.: 310 O 354/14)'' wichtige Fragen. Es lehnte Strohms Klage gegen den Filmemacher und Buchautor Jörg Bergstedt vollständig ab: ''„Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung, Auskunft oder Schadensersatz betreffend das öffentliche Zugänglichmachen des Verletzungsmusters zu.“'' Mit Verletzungsmusters war der kritische Film über „Friedlich in die Katastrophe“ gemeint. Der belegte die Kritik damit, dass die problematischen Passagen original eingebaut wurden. Da es vor allem um diese kritischen Passagen ging, bestand der Film über den Film vor allem aus solchen Ausschnitten. Das aber, so das Landgericht, sei zulässig, wenn es dem Zweck des Belegs, also dem klassischen Sinn eines Zitats entspricht: ''„Eventuelle Eingriffe in Filmherstellerrechte sind nämlich gem. § 94 Abs. 4 i.V.m. § 51 UrhG durch das Zitatrecht des Beklagten gerechtfertigt. Die Regelung des § 51 UrhG ist gem. § 94 Abs. 4 UrhG auch bei Eingriffen in Filmherstellerrechte anzuwenden. Nach § 51 UrhG ist (u.a.) die öffentliche Wiedergabe (§§ 19 ff. UrhG) eines Klagemusters zulässig, sofern die Nutzung zum Zwecke des Zitats erfolgt und in ihrem Umfang durch diesen besonderen Zweck gerechtfertigt ist.“'' Genau das sah das Gericht als gegeben an: ''„Vorliegend sind Teile des Klagemusters nicht um ihrer selbst willen öffentlich zugänglich gemacht worden. Der Beklagte stellte vielmehr eine innere Verbindung mit eigenen Gedanken und Aussagen her, um Kritik an den Aussagen und der „Machart" des Klagemusters zu äußern und zu belegen. Durch das Verletzungsmuster will der Beklagte nämlich zeigen, dass (nach seiner Ansicht)''
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Die Auseinandersetzung um den kurzen Film mit kommentierten Ausschnitten aus Strohms Werk „Friedlich in die Katastrophe“ basierte vor allem auf urheberrechtlichen Fragen. Insbesondere für solche Themen und damit für den investigativen und Recherchejournalismus insgesamt beantwortete das Landgericht Hamburg im Urteil vom 25.2.2016 ''(Az.: 310 O 354/14)'' wichtige Fragen. Es lehnte Strohms Klage gegen den Filmemacher und Buchautor Jörg Bergstedt vollständig ab: ''„Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung, Auskunft oder Schadensersatz betreffend das öffentliche Zugänglichmachen des Verletzungsmusters zu.“'' Mit Verletzungsmuster war der kritische Film über „Friedlich in die Katastrophe“ gemeint. Der belegte die Kritik damit, dass die problematischen Passagen original eingebaut wurden. Da es vor allem um diese kritischen Passagen ging, bestand der Film über den Film vor allem aus solchen Ausschnitten. Das aber, so das Landgericht, sei zulässig, wenn es dem Zweck des Belegs, also dem klassischen Sinn eines Zitats entspricht: ''„Eventuelle Eingriffe in Filmherstellerrechte sind nämlich gem. § 94 Abs. 4 i.V.m. § 51 UrhG durch das Zitatrecht des Beklagten gerechtfertigt. Die Regelung des § 51 UrhG ist gem. § 94 Abs. 4 UrhG auch bei Eingriffen in Filmherstellerrechte anzuwenden. Nach § 51 UrhG ist (u.a.) die öffentliche Wiedergabe (§§ 19 ff. UrhG) eines Klagemusters zulässig, sofern die Nutzung zum Zwecke des Zitats erfolgt und in ihrem Umfang durch diesen besonderen Zweck gerechtfertigt ist.“'' Genau das sah das Gericht als gegeben an: ''„Vorliegend sind Teile des Klagemusters nicht um ihrer selbst willen öffentlich zugänglich gemacht worden. Der Beklagte stellte vielmehr eine innere Verbindung mit eigenen Gedanken und Aussagen her, um Kritik an den Aussagen und der „Machart" des Klagemusters zu äußern und zu belegen. Durch das Verletzungsmuster will der Beklagte nämlich zeigen, dass (nach seiner Ansicht)''
 
* ''sich das Klagemuster verschwörungstheoretischer und sonstig vereinfachter Welterklärungen bediene,''
 
* ''sich das Klagemuster verschwörungstheoretischer und sonstig vereinfachter Welterklärungen bediene,''
 
* ''quellenfreie Behauptungen im Klagemuster enthalten seien, die z.B. als böse bezeichnete Regierungen oder Nationen mit Ereignissen wie Atomkatastrophen in Verbindung bringen,''
 
* ''quellenfreie Behauptungen im Klagemuster enthalten seien, die z.B. als böse bezeichnete Regierungen oder Nationen mit Ereignissen wie Atomkatastrophen in Verbindung bringen,''

Aktuelle Version vom 15. Mai 2016, 13:08 Uhr

In unserer Winterausgabe 2015/2016 berichteten wir über die Klage des vom Anti-Atom-Kämpfer zum rechten Verschwörungsgläubigen gewandelten Holger Strohm gegen einen kritischen Film. Inzwischen ist das Verfahren vorbei.

Rechtspopulist Strohm verliert Klage gegen kritischen Film

jb Erst war es nur ein kleiner Film, um rechtspopulistische und verschwörungsgläubige Inhalte im Film „Friedlich in die Katastrophe“ öffentlich zu machen. Originalszenen mit entsprechenden Kommentierungen sollten verhindern, dass ökologisch interessierte Menschen, die vielleicht das Buch gleichen Titels oder den Auftraggeber schon kannten, den Film unkritisch schauen und die Untertöne nicht bemerken würden. Der warnende Zusammenschnitt entstand im Filmstudio der Saasener Projektwerkstatt und fand sich dann öffentlich zugänglich unter anderem auf Youtube. Doch das war dem Filmemacher Marcin El und dem Autor Holger Strohm schon zu viel. Sie versuchten die Löschung auf Youtube – vergebens. Dann klagte Strohm vor dem Landgericht Hamburg – und verlor. Der angegriffene Film und inzwischen auch eine längere Fassung, die Strohm als typischen Hetzer z.B. gegen Juden, Israel und die USA sowie als Gläubigen an fast alle gängigen Verschwörungstheorien zeigt, sind damit dauerhaft im Internet zugänglich.

Der Weg nach ganz rechts

Die Auseinandersetzung um den kurzen Film mit kommentierten Ausschnitten aus Strohms Werk „Friedlich in die Katastrophe“ basierte vor allem auf urheberrechtlichen Fragen. Insbesondere für solche Themen und damit für den investigativen und Recherchejournalismus insgesamt beantwortete das Landgericht Hamburg im Urteil vom 25.2.2016 (Az.: 310 O 354/14) wichtige Fragen. Es lehnte Strohms Klage gegen den Filmemacher und Buchautor Jörg Bergstedt vollständig ab: „Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Unterlassung, Auskunft oder Schadensersatz betreffend das öffentliche Zugänglichmachen des Verletzungsmusters zu.“ Mit Verletzungsmuster war der kritische Film über „Friedlich in die Katastrophe“ gemeint. Der belegte die Kritik damit, dass die problematischen Passagen original eingebaut wurden. Da es vor allem um diese kritischen Passagen ging, bestand der Film über den Film vor allem aus solchen Ausschnitten. Das aber, so das Landgericht, sei zulässig, wenn es dem Zweck des Belegs, also dem klassischen Sinn eines Zitats entspricht: „Eventuelle Eingriffe in Filmherstellerrechte sind nämlich gem. § 94 Abs. 4 i.V.m. § 51 UrhG durch das Zitatrecht des Beklagten gerechtfertigt. Die Regelung des § 51 UrhG ist gem. § 94 Abs. 4 UrhG auch bei Eingriffen in Filmherstellerrechte anzuwenden. Nach § 51 UrhG ist (u.a.) die öffentliche Wiedergabe (§§ 19 ff. UrhG) eines Klagemusters zulässig, sofern die Nutzung zum Zwecke des Zitats erfolgt und in ihrem Umfang durch diesen besonderen Zweck gerechtfertigt ist.“ Genau das sah das Gericht als gegeben an: „Vorliegend sind Teile des Klagemusters nicht um ihrer selbst willen öffentlich zugänglich gemacht worden. Der Beklagte stellte vielmehr eine innere Verbindung mit eigenen Gedanken und Aussagen her, um Kritik an den Aussagen und der „Machart" des Klagemusters zu äußern und zu belegen. Durch das Verletzungsmuster will der Beklagte nämlich zeigen, dass (nach seiner Ansicht)

  • sich das Klagemuster verschwörungstheoretischer und sonstig vereinfachter Welterklärungen bediene,
  • quellenfreie Behauptungen im Klagemuster enthalten seien, die z.B. als böse bezeichnete Regierungen oder Nationen mit Ereignissen wie Atomkatastrophen in Verbindung bringen,
  • und mehrfach Relativierungen von Naziverbrechen erfolgt seien (durch Vergleich dieser mit den Gefahren der Atomkraft) bzw. der Kläger rechtspopulistische Positionen eingenommen habe.

Durch Wiedergabe von Bild- und Tonausschnitten des Klagemusters bezweckt der Beklagte, diese Kritik am Klagemuster zu belegen. Auch wenn der Beklagte umfangreich Teile des Klagemusters nutzt, ist die Nutzung gemäß § 51 UrhG in ihrem Umfang noch durch den Zitatzweck gerechtfertigt.“ Für Medienschaffende dürften die Ausführungen zum Umfang des Zitierens interessant sein: „Ein Zitat ist in dem Umfang zulässig, der für den Zitatzweck erforderlich ist (Dustmann in: Fromm/Nordemann, UrhG, 11. Auflage, § 51 Rn. 18). Die Grenzen des Zulässigen sind durch eine Abwägung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Zitatzwecks, der Besonderheiten und des Umfangs des zitierten und zitierenden Werkes zu bestimmen (vgl. zu § 51 S. 2 Nr. 2 UrhG: BGH, GRUR 1986, 59 - Geistchristentum). Aus dem Wesen des zitierten Werkes und den Erfordernissen des Zitatzwecks kann sich ergeben, dass sich auch längere Wiedergaben, die einen wesentlichen Teil des zitierten Werkes ausmachen, noch im Rahmen der Zitierfreiheit halten (vgl. BGH, GRUR 1986, 59 - Geistchristentum; BGHZ 28, 238 - Verkehrskinderlied). Es ist nicht darauf abzustellen, ob das Zitat "zwingend erforderlich" ist. Es genügt vielmehr, dass es sich bei dem (Gesamt-)Zitat nach der Natur der Dinge und nach Maßgabe aller Umstände unter Berücksichtigung der Üblichkeit um eine vernünftige, sachgerechte Wahrnehmung des Zitatzwecks handelt (vgl. Spindler in Schricker/Loewenheim, UrhR, 4. Auflage, § 51 Rn. 19). ... Dass der Beklagte die Bildspur des Klagemusters in dem Verletzungsmuster zeigt, ist zum Beleg seiner Aussagen zwar nicht zwingend erforderlich. Auch hätte der Beklagte nicht zwingend die Tonspur als Originalton verwenden müssen, sondern zum Beispiel eine Tafel mit dem Text des Klagemusters anzeigen können. Auf die zwingende Erforderlichkeit kommt es aber im Rahmen von § 51 UrhG nicht an. Insoweit ist dem Zitierenden, hier dem Beklagten, zur Ausübung seiner künstlerischen Freiheit und Meinungsfreiheit ein jedenfalls nicht zu enger Gestaltungsspielraum zuzubilligen.“

Holger Strohms Weg nach ganz rechts

Seit Veröffentlichung des Films „Friedlich in die Katastrophe“ sind einige Jahre vergangen. Gegenüber den damaligen Andeutungen hat sich Holger Strohm stark nach rechts orientiert. Heute gehört er zu den beliebtesten Gästen bei radikalen Rechtspopulisten und Verschwörungsgläubigen. Und er haut alles raus, was dort gefragt ist: Hetze gegen Flüchtlinge, platte Hinweise auf jüdische Weltverschwörungen, alle Formen des Anti-Amerikanismus und die gesammelten Mythen über den Zustand der BRD. Der von ihm erfolglos angegriffene Filmemacher Jörg Bergstedt hat einen neuen Film über Strohm gemacht und dabei umfangreiches Material ausgewertet. Der Streifen „Empörung und Verschwörung“ (auf Youtube und http://www.projektwerkstatt.de/filme einzusehen) bietet beste Anschauung, wie aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit krasse Gut-Böse-Schemata entstehen können.

Reaktionen von rechts

Die Niederlage vor Gericht wird von Rechtspopulisten und Verschwörungsgläubigen als weiterer Beweis für ihre Verschwörungsphantasien und die vermeintlich allgegenwärtige Zensur gewertet. Zudem denunziert z.B. der in diesen Szenen mitprägende Parteigründer Christoph Hörstel den beklagten Filmemacher als Verfassungsschutzagenten. Doch tatsächlich zeigen sie sich selbst als Menschen, die Kritik nicht abkönnen … und zensieren. Denn ein richtigstellender Eintrag des so denunzierten Filmemachers wurde aus den Kommentarspalten von Hörstels Seite einfach gelöscht. Dessen Seite wirkt nun so, als hätte es nur Zustimmung zu seiner Denunziation gegeben. So geht vereinfachtes Denken: Mensch wähnt sich im Besitz der Wahrheit und denunziert alle anderen als von bösen Mächten gesteuert. Mensch selbst sei auf der Seite der Guten, unterdrückt und zensiert jedoch. Zweifel an diesen simplen Welterklärungen sind nicht zulässig. Es sind die Verschwörungsgläubigen selbst, die vor Gericht ziehen, um Kritik an ihnen verbieten zu lassen. Und wer sie kritisiert, wird von ihnen zensiert. Sprich: Sie sind genau diejenigen, die sie in ihren Gegner_innen sehen.

Kritische Seite zu sogenannten Verschwörungstheorien: