2013-02:Gentech-Geldgeber wollen sich nicht in die Karten gucken lassen ... Organisierte Intransparenz

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Organisierte Intransparenz:

Gentech-Geldgeber wollen sich nicht in die Karten gucken lassen ...

jb Das folgende ist eine Pressemitteilung zum zugespitzten Streit um die Akteneinsicht ins Gentechnik-Förderprogramm „BioSicherheit“. Die lagern beim Forschungszentrum Jülich, früher: Kernforschungszentrum.

Wurde mit einem bundesweiten Förderprogramm für die Agrogentechnik betrogen? Der Buchautor und Aktivist Jörg Bergstedt erhebt diesen Vorwurf seit Jahren. Nach seinen Recherchen entwickelten Firmen und Institute unter dem Deckmantel vermeintlicher Risikoforschung neue Pflanzen oder Technologien, die kommerziellen oder anderen Zielen dienten. Als Finanzquelle dienten aber Förderprogramme des Bundesforschungsministeriums, für die in Förderanträgen und Genehmigungsbescheiden Ziele und Vorhaben falsch angegeben worden seien. Die geldvergebenden Stellen hätten bei diesem vermeintlichen Betrug sogar noch beraten. Diese Erkenntnisse bauen auf intensiven Beobachtungen der Versuchsfelder, der Auswertung von Fachzeitschriften, universitären Archiven und Seminarangeboten sowie etlichen Gesprächen mit Beteiligten an den Forschungen auf. Doch die wichtigste Quelle konnte Bergstedt bis heute nicht nutzen: Das Forschungszentrum Jülich (früher: Kernforschungszentrum) verweigerte ihm bis heute die Akteneinsicht in die Förderunterlagen. Dabei ist die gesetzlich vorgeschrieben: „Die wähnen sich offenbar in einem rechtsfreien Raum“, kritisiert der Journalist das Verhalten des Jülicher Gentechnik-Geldgebers. Mehrere Gerichtsentscheide hat Bergstedt schon gewonnen, doch die staatlich beauftragte Stelle mauert weiter. Gegen das Urteil des Gießener Verwaltungsgerichts (Az. 1 K 1581/11.GI), in dem die Akteneinsicht binnen einem Monat angeordnet wurde, hat das Forschungszentrum jetzt Antrag auf Berufung eingelegt. Bergstedt: „Eine Chance haben die nicht - aber sie verzögern, solange es geht.“ Über vier Jahre läuft der Streit jetzt schon, der einen doppelt brisanten Hintergrund hat. Zum einen könnte die Akteneinsicht, sollte sich die bisherigen Recherchen bestätigen, etliche oder sogar systematische Betrügereien aufdecken. „Die bereits angerufenen Staatsanwaltschaften haben zwecks Schutz der Gentechnikseilschaften bislang nie ermittelt“, weiß Bergstedt zu berichten. Zum anderen dürfte ein Gerichtsverfahren von Bedeutung sein, welches am 16. September vor dem Oberlandesgericht Saarbrücken weiter verhandelt wird. Dort versuchen einige der betroffenen GentechniklobbyistInnen, per Klage den Vorwurf des Betrugs verbieten zu lassen. Bergstedt vermutet daher eine doppelte Absicht hinter den Verzögerungen: „Offenbar wird zum einen die Taktik verfolgt, mir in Saarbrücken leichter einen Maulkorb verhängen zu lassen, wenn die eigenen Lobbynetzwerke die Herausgabe der Daten blockieren. Zum anderen könnte es aber auch darum gehen, die Betrügereien solange zu vertuschen, bis alles verjährt ist.“


Viele Jahre Auseinandersetzungen

Bergstedt hat Erfahrung mit politischen Kämpfen dieser Art. Für Recherchen über Fälschungen bei Polizei und Justiz wollten ihn die hessischen Verfolgungsbehörden unter Beteiligung des damaligen Innenministers und heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier durch fingierte Vorwürfe hinter Gitter bringen. Damals retteten ihn nachträglich interne Fehler der Polizei - die Sache flog auf und erreichte als peinlicher Polizei- und Justizskandal die hessische Landespolitik. Weitere Bücher, in denen er Verflechtungen von Umweltverbänden, Ökogruppen und -parteien mit Wirtschaft, Behörden oder rechten Gruppen aufdeckte, machten ihn dort zu einer unerwünschten Person.

Bei den aktuellen Recherchen unter anderem für sein inzwischen weit verbreitetes Buch „Monsanto auf Deutsch“ stieß der auch als Feldbefreier und Feldbesetzer bekannte Aktivist auf eine Mauer des Schweigens. Mehrere Behörden, darunter die Bundesgenehmigungsbehörde, zwang er mit dem Gang vors Gericht zur Einsicht in Akten. Ebenso deckte er etliche Verflechtungen, umfangreiche Verstöße gegen Sicherheitsauflagen und Schummeleien bei Anträgen und Ergebnissen der Versuche auf. Der Blick in die Förderakten, da ist sich der Autor sicher, würde letzte Zweifel an diesen Rechercheergebnissen nehmen. Genau deshalb, so vermutet er, werde das mit allen Mittel verhindert oder zumindest verzögert. Nun muss der hessische Verwaltungsgerichtshof entscheiden, ob eine neue, wahrscheinlich monate- oder jahrelange Prüfphase vor dem nächsten Gericht hinzukommt.

Das Saarbrücker Oberlandesgericht hingegen verhandelt am 16. September zunächst ohne Einsicht in die Förderakten. Kläger sind die LobbyistInnen Uwe Schrader (FDP) aus Sachsen-Anhalt sowie Kerstin Schmidt aus Mecklenburg-Vorpommern. Vertreten werden sie von der Anwaltskanzlei des Saarbrücker FDP-Politikers und Gentechniklobbyisten Horst Rehberger. Geladen sind zwei renommierte Professoren der Universitäten in Gießen und Erlangen. Bei deren umstrittenem Gengerstenversuch hatte Bergstedt etliche Unsauberkeiten aufgedeckt und unter anderem damit die Betrugsvorwürfe begründet. „Dem Gericht steht frei, die rechtswidrig vorenthaltenen Förderakten einfach selbst beizuziehen“, kündigt Bergstedt einen entsprechenden Vorschlag für das Gericht in Saarbrücken an.