2011-01:Ticker Gentechnik und ihre Seilschaften

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Stoppt die Diktatur im Gerichtssaal!

(jb) Politische AktivistInnen vor Gericht sind eher selten ... viele landen da nicht, weil die Angst davor sie schon von einem widerständigen Leben abhält. Sich nie erwischen zu lassen und keine Spuren zu hinterlassen, hilft nur beschränkt, denn erstens reduziert es die mögliche Aktionswirkung und zweitens braucht der staatliche Verfolgungsapparat die konkreten Handlungen nicht, um Menschen zu schikanieren. Viele AktivistInnen sehen sich mit frei erfundenen und/oder äußert platten Vorwürfen überzogen - von Widerstand gegen die Staatsgewalt über Beleidigung bis Hausfriedensbruch. Das lässt sich schnell ausdenken. Doch Willkür, Desinteresse, sozial diskriminerende oder politisch gerichtete Justiz sind nicht auf den Bereich politischer Aktionen beschränkt. Wer schon einmal von Strafverfolgung betroffen war oder Betroffene kennt, wird einiges aus dem folgenden Horrorkabinett der Strafjustiz kennen:

  • Angeklagte erhalten Strafbefehle wie vom Fließband. Versäumen sie die Widerspruchsfrist, sind sie rechtskräftig verurteilt. Dabei dürfen Strafbefehle nur ausgesprochen werden, wenn nach Aktenlage keine Zweifel an der Schuld bestehen. Doch die Akten haben sich die RichterInnen meist gar nicht angeguckt ...
  • Verhandlungstermine werden ohne Angeklagte festgelegt. Können sie dann nicht, erhalten sie Ordnungsstrafen, Haftbefehle oder sind, falls ein Strafbefehl vorwegging, verurteilt. Sind sie erkrankt, so nützt selbst ein Attest nicht. Mitunter werden sie, obwohl krank, sogar verhaftet.
  • Die Steigerung: Die Justizwachtmeister lassen einen erschienenen Angeklagten nicht in den Gerichtssaal - und der Strafbefehl wird gültig. Alle weiteren Instanzen lehnen die Befassung ab - rechtskräftig verurteilt.
  • Ständig wird Angeklagten die Akteneinsicht verweigert - ganz oder teilweise, obwohl die Akteneinsicht eindeutig vorgeschrieben ist.
  • Anträge von Angeklagten werden gar nicht zur Kenntnis genommen, dürfen nicht gestellt werden oder es wird keine Pause zum Stellen der Anträge gewährt. Zahlenrekord: In Gießen stellte ein Angeklagter fast 300 Anträge - alle schriftlich, weil das Vortragen nicht erlaubt wurde. Sie wurden pauschal, d.h. alle zusammen, als bedeutungslos zurückgewiesen. Der Richter verzählte sich um 9 Anträge, d.h. diese neun wurden nie beschieden. Revisions- und Verfassungsgericht schauten sich die Beschwerden darüber aber gar nicht an.
  • Fragen, z.B. an ZeugInnen, werden verboten.
  • Mehrfach wurden Angeklagte schon aus ihren eigenen Prozessen geworfen und ohne sie verhandelt. Die Angeklagtenbank war dann einfach leer. Das ist nicht zulässig. Wird aber einfach gemacht. Die JustizwachtmeisterInnen gehorchen den RichterInnen, nicht dem Gesetz.
  • Wird dann oder wegen anderer gravierender Fehler Revision eingelegt, kommt die Staatsanwaltschaft mit einer Berufung um die Ecke - nur um die Rechtsfehlerüberprüfung zu verhindern.
  • Es ist erlaubt, rechtskundige Menschen als Rechtsbeistand zu wählen. Sind diese keine zugelassenen AnwältInnen, so muss das Gericht den Beistand genehmigen. Eine Ablehnung muss gut begründet sein. Viele Gerichte lehnen aber einfach pauschal ab. Andere schmeißen die VerteidigerInnen einfach wieder raus, wenn sie merken, dass sie mit ihren skurrilen Anklagen nicht mehr durchkommen oder zumindest das Aburteilen im Akkord nicht mehr funktioniert.

Viele Menschen sind der Maschinerie von Polizei und Justiz machtlos ausgeliefert. Wer Sinn für ein schönes Leben hat, wird sich auch nicht freiwillig mit Paragraphen und den miesen Tricks der ParagraphenreiterInnen auseinandersetzen wollen. Doch die rechtsprechende Gewalt ist formal die höchste Gewalt im Staat. Es ist daher notwendig, dieser nicht hilflos gegenüberzutreten. Das geht einerseits mit AnwältInnen. Da ist auch nichts gegen zu sagen - nur leider sind viele AnwältInnen selbst in einer Art Fließbandarbeit tätig, d.h. sie bearbeiten viele Fälle und können sich nicht intensiv in einen hineinarbeiten. Zudem sind viele mit einer ähnlichen Arroganz wie fast die gesamte JuristInnenschar behaftet, d.h. sie gucken auf ihreN „MandantIn“ herab wie auf ein unmündiges Wesen. Und raten nicht oft zum Nichtstun, während sie selbst sich als fitte AnwältInnen inszenieren (was sie manchmal auch sind). Bei der Selbst- und Laienverteidigung vor Gericht geht es aber um eine Stärkung der eigenen Handlungsfähigkeit, um das Überwinden von Ohnmacht und Ausgeliefertsein einem durch und durch widerlichen System der Moralsetzung. Diese Stärkung soll durch Eigenermächtigung und durch gegenseitige Hilfe erfolgen. Um die Willkür in Gerichtssälen und die Abhängigkeiten der Angeklagten zu verringern, entstand ein Aufruf zur Gründung eines Laien-VerteidigerInnen-Netzwerks - als Teil einer Antirepressionsvernetzung, die mehr ist als Verteidigung und Vermeidung des Schlimmsten. Es geht darum, Angeklagte, UnterstützerInnen und Interessierte selbst zu stärken durch Trainings, Infos in schriftlicher Form (auf Papier oder im Internet) und gegenseitigen Austausch. Und es geht darum, gegenseitige Hilfe zu organisieren - ein Netz von möglichst vielen Menschen, die als LaienverteidigerInnen andere unterstützen können vor Gericht, in der Vorbereitungsphase, die Trainings durchführen usw. Ziel ist, dass wie in einem Schnellballsystem am Ende viele Leute aus ihrer Ohnmacht vor den Uniform- und RobenträgerInnen herauskommen. Das wäre wichtig, um uns den Spaß und den Mut zu einem widerständigen Leben zu erhalten. Es wäre aber auch schön, um die heiligen Hallen der arroganten Selbstgefälligkeit in Robe und Uniform in Frage zu stellen - das Phallussymbol des Rechtsstaatlichkeitsgetues zu beugen!


Der Aufruf ist auf www.laienverteidigung.de.vu zu finden. Hier folgen Auszüge:

Vorrang Selbstermächtigung

Wichtiges Ziel ist, möglichst viele oder sogar alle Beteiligten zur Selbstverteidigung zu ermächtigen. Das schließt gegenseitige Hilfe nicht aus, sondern macht sie sogar einfacher, weil wer sich selbst verteidigen kann vor Polizei und Gericht, wird auch anderen leichter helfen können. Grundlage ist daher die Vermittlung von Basiswissen zur Selbstverteidigung bei Polizei und Gericht. Es soll Ziel des LaienverteidigerInnen-Netzwerkes sein, Beratung (direkt oder in Form von Schriften, Internetseiten usw.) und Trainings anzubieten. Möglichst oft und viel. Laien-VerteidigerInnen sind keine Ersatz-AnwältInnen, denen eingeschüchterte oder denkfaule Angeklagte die Arbeit rüberschieben können mit dem Vorteil, dass es nichts kostet. Die politischen AkteurInnen, also vor allem die angeklagte(n) Person(en), das unterstützende Publikum usw. sind die Quelle der inhaltlichen Vermittlung. EinE LaienverteidigerIn kann die Handlungsmöglichkeiten erweitern und selbst eigene Impulse einbringen, aber sollte niemals die angeklagte Person in den Hintergrund drängen, wie es beim AnwältIn-MandantIn-Verhältnis leider üblich ist und auch von Rechtshilfegruppen oft propagiert wird. Emanzipation bedeutet die Ermächtigung von Menschen zum selbständigen Handeln. Laien-Verteidigung soll Emanzipation befördern.

VerteidigerInnentätigkeit

Wer das Grundtraining zur Selbstverteidigung besucht und mindestens einen Gerichtsprozess miterlebt hat, ist eingeladen, das eigene Wissen weiterzuentwickeln und weiterzugeben - als Laien-VerteidigerIn. Dafür soll es spezielle Schulungen als Aufbaukurse auf das Grundtraining, zudem aber auch laufenden Austausch und gegenseitige Unterstützung für diese Tätigkeit geben. Es ist zu erwarten, dass Spezialisierungen in Einzelthemen entstehen, so dass der gegenseitige Kontakt bei konkreten Prozessen nützlich ist. Daher sollten sich die Laien-VerteidigerInnen untereinander erreichen können und wissen, wer sich wo auskennt. Eine Koordinierung ist auch nötig, wenn AktivistInnen die Unterstützung suchen.

Zudem soll mit einer politisch klaren Öffentlichkeitsarbeit versucht werden, das positive Image, welches die Gerichte und Staatsanwaltschaften als Fabriken des Elends unverständlicherweise bei vielen Menschen haben, zu brechen. Eine Idee ist ein Buch mit schaurig-absurden Anekdoten, wie RobenträgerInnen ganz bewusst fälschen, Recht verbieten, Angeklagte belügen, Beweismittel und Straftaten erfinden.