2017-01:Aus der Waldorfschule geplaudert

Aus grünes blatt
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Sybille-Christin Jacob / Detlef Drewes

Aus der Waldorfschule geplaudert

fb Dies ist nicht die erste Besprechung eines waldorfkritischen Buches im grünen blatt. Aber es scheint, dass jedes davon andere Blickwinkel auf das Thema wirft und neue erschreckende Informationen zutage bringt. In der vorliegenden Veröffentlichung aus dem Alibri-Verlag kommt mit Sybille-Christin Jacob die Mutter dreier Waldorf-Schulkinder zu Wort. Sie und ihr Partner waren als nicht-anthroposophische Eltern an der Errichtung einer neuen Waldorf-Schule in ihrer Stadt beteiligt und erhielten somit Einblicke spezieller Art. Besonders wertvoll wird das Buch durch die Wiedergabe und Erörterung der Wahrnehmung von Waldorf-Eltern dazu, wie es geschehen kann, dass sich für aufgeklärt und intelligent haltende Menschen über eine lange Zeit die vielen Hinweise darauf, dass dort etwas nicht mit rechten Dingen vorgeht, übersehen oder relativieren können und erst ziemlich spät den Absprung schaffen - nachdem die Kinder längere Zeit Symptome beklagt und sogar den Schulwechsel gefordert hatten. Neben solchen sehr konkreten Erfahrungen von Jacob fließen in das Buch weitere Analysen und Hintergrundinformationen ein, an denen Ko-Autor Detlef Drewes mitgewirkt hat.

Angesichts dessen, dass auch heute noch Eltern, teils aus linken, alternativen Kreisen, ihre Kinder auf diese Schule schicken, ist eine Analyse der Beweggründe solcher Menschen wichtig. Damit kann das Buch "Aus der Waldorfschule geplaudert. Warum die Steiner-Pädagogik keine Alternative ist" einen wertvollen Beitrag leisten, um nicht noch mehr Autoritätsgläubigkeit, Esoterik und Okkultismus entstehen zu lassen. Diese drei Themen waren wichtige Bestandteile von Rudolf Steiners Wirken, also des Begründers der Waldorfpädagogik und der religiös-esoterischen Anthroposophie. Er selbst bezeichnete seine Ideologie immer wieder als okkult und esoterisch; aus seiner Sicht positiv besetzte Begrifflichkeiten. Und auch die Forderung, dass die Kinder zu absoluter Unterordnung unter Autoritäten zu erziehen seien, betonte er wiederholt.

Warum sich Waldorf-Eltern trotz aufkommender Widersprüche lange von dieser Schule einlullen lassen, versucht Detlef Drewes zu erklären: "Eine derart von anderen Einflüssen isolierte Familiengemeinschaft ist am Ende total auf das System hin ausgerichtet. Zunächst aus zeitlichen Gründen, weil man vor lauter Aktivitäten für die Schule (man sagt natürlich für das Kind) zu nichts anderem mehr kommt. Aber dass diese Bindung vielleicht Strategie sein könnte, deren Ziel das Nicht-mehr-Infragestellen des Systems ist, wird nur denen klar, die sich einen letzten Freiraum erhalten. Derart ausgegrenzt und abgeschottet sind alle Tore offen für einen blinden Gehorsam, den man noch gerne auf sich nimmt, weil man ja das Gefühl pflegen kann, etwas Anderes (soll heißen: etwas Besseres) zu sein. Dass sich, wenn man von den druckvoll durchgesetzten Leitlinien abweicht, nur noch schlechtes Gewissen breitmacht, weil man seine Persönlichkeit plötzlich im Geheimen ausleben muss, wird zwar von vielen so erlebt, aber nur von wenigen zugegeben. Kein Wunder: Man müsste ja offenbaren, dass man sich für diese, selbst gewählte Elite offenbar noch nicht qualifiziert hat. Auf diese Weise erhält und reguliert sich das System selbst und zwar auf die denkbar perfideste Weise: Es nutzt nämlich das offenbar bei vielen Eltern vorhandene Bedürfnis nach gesellschaftlicher Sonderstellung, um sie erst hineinzuziehen und dann dafür zu sorgen, dass man nicht mehr herausfällt, weil man sich eingestehen müsste, für eine solche Elite ungeeignet zu sein."[1]

Wenn mensch sich den Unfug, der den Schüler*innen von der Waldorfschule als "Erkenntnisse" eingeimpft wird, vor Augen hält, erscheint es unglaublich, dass solche Schulen in der Öffentlichkeit immer noch als fortschrittlich, positiv oder irgendwie im Sinne der Kinder betrachtet werden. Die Autor*innen erläutern eindrücklich wie verschiedene Aspekte von Steiner-Glauben im Schulalltag eingebaut werden. Dabei wird deutlich, dass oft die Begrifflichkeiten an gängige wissenschaftliche Dinge anlehnen, aber da sie anthroposophisch gedeutet werden, etwas völlig anderes, mystisches, überirdisches meinen. Es geht dabei zum Beispiel um die Magie von Zahlen, Vermengung historischer Ereignisse mit Legenden, die aber als solche nicht gekennzeichnet werden, die Verarbeitung grausamer Details in Märchen und anderen Erzählungen, um schließlich junge Menschen zu formen, die nicht mehr nachfragen, sondern einfach glauben, was ihnen durch Autoritäten vermittelt wird und sich bedingungslos unterordnen. Steiner geht dabei soweit zu behaupten, dass Denken schädlich sei und über den Großteil der Schulzeit zu vermeiden wäre. Er behauptet andernfalls würden sich organische Krankheiten entwickeln oder das Kind in seiner nächsten Inkarnation großes Leiden erfahren.

Dies ist ein weiterer Aspekt der Waldorfpädagogik: Karma und Reinkarnationen gehören zum Menschenbild, auf dem diese Lehre aufbaut. Praktisch bedeutet das, dass ein Unglück nicht etwa den Umständen geschuldet ist, sondern von den Fehlern, die die Betroffene in einem früheren Leben begangen haben müssen, hergeleitet wird. Die Karmalehre bewirkt, dass es kaum einen Grund gibt sich gegen die herrschenden Verhältnisse zu wehren, denn einerseits ist sowieso alles vom Karma vorgegeben, andererseits sind individuelle Leiden selbst verschuldet. Im Buch wird ein Beispiel aus dem Waldorf-Alltag beschrieben: Da wurde ein Waldorfgebäude ausgebaut und die Baustellenfahrzeuge über einen Behelfsweg über das Kindergartengelände direkt am Sandkasten vorbeigeführt - es gab keinen Zaun und keine besonderen Vorsichtsmaßnahmen. Auf das besorgte Drängen der Mutter hin wurde erklärt, dass jedes Kind einen Schutzengel habe und schon nichts passieren würde. Von den Autor*innen wird hier ergänzt, dass im Falle eines Unfalles dann argumentiert werden könnte, es habe am Karma des Kindes gelegen und nicht an der mangelnden Baustellensicherung durch die Waldorfschule.

Dramatisch geschildert werden auch die Methoden, mit denen die Kinder von klein auf für die Anthroposophie konditioniert werden. Das beginnt mit ständig wiederholten Sprüchen, die so steinersch-verwurschtelt klingen, dass ihre Bedeutung kaum zu verstehen ist, insbesondere nicht für die jungen Menschen, die damit konfrontiert werden. Es geht weiter mit ausgesuchten Märchen, die ein krasses Schwarz-Weiß-Bild der Welt zeichnen, blutrünstig sind und dann auch noch in diversen Formen wiederholt und verinnerlicht werden sollen. Dabei wird gezielt die Unterscheidung von Wirklichkeit und Märchenwelt verwischt, so dass den Kindern schwer fallen muss zu erkennen, welche Teile der Geschichten Phantasie sind und was der Realität entspricht. Die Grausamkeit der Geschichten wird durch Steiner gerechtfertigt, indem er behauptet erst durch diese Konfrontation seien die Kinder in der Lage "gut" und "böse" zu unterscheiden. Interessant am vorliegenden Buch ist ein Exkurs über Märchen in der Waldorfschule, wo erörtert wird, wie gezielt ein rassistisches anthroposophisches Weltbild gezeichnet werden soll.

Da Denken, besonders eigenständisches kritisches Denken, von der Waldorfpädagogik als sehr schädlich betrachtet wird, werden die Kinder in dieser Schule damit bis zur siebten Klasse nicht belastet. Erstmal ist der Unterricht von Legenden und Märchenerzählungen, magischen Zahlen und geometrischer Magie gefüllt. Hier soll nachgesprochen, abgezeichnet, abgeschrieben, aber nichts selbst entwickelt werden. Wenn dann ab der 9. Klasse der Fachunterricht beginnt, ist die Grundlage auch für offenere anthroposophische Indoktrination gelegt. Wenn nun die esoterische Denkweise mit fachlichen Themen vermengt wird, fällt das nicht so sehr auf, weil die Schüler*innen sich erinnern können, schonmal davon gehört zu haben.

Das Ziel der anthroposophischen Waldorf-Pädagogik ist die Schaffung obrigkeitshöriger, an Geister und Engel glaubender, die herrschenden Verhältnisse nicht infragestellender Menschen. Steiner zufolge soll damit eine Menschheit geformt werden, die bereit für die Inkarnation bedeutender Seelen, wie der von Jesus, ist; sogar mystische Gottheiten erwartete der Guru dieser Erziehungseinrichtung in die anthroposophische Gemeinde hineinzuinkarnieren...

Zuletzt befasst sich das Buch mit der Nähe von Rudolf Steiners Menschen- und Weltbild mit der Naziideologie. Zunächst wird betont, dass zwar Hinweise darauf bestehen, dass Hitler in einigen Formulierungen in den 1920er Jahren aus Steiners Publikationen Rat bezog, aber dass eine derartige Intention auf Steiners Seite nicht erkennbar sei. Vielmehr seien die Denkweisen der beiden recht ähnlich gewesen und fatalerweise habe die NS-Ideologie sich der autoritären Logik der Anthroposoph*innen einfach bedient. Das deutet allerdings schon darauf hin, dass die Schule der Anthroposophie für eine demokratische Gesellschaft gefährlich ist. Das von Anthroposoph*innen gern bediente Argument, für sie und ihre Distanz zum Faschismus spräche ja allein, dass ihre Einrichtungen im Nazireich verboten wurden, weisen die Autor*innen zurück. Hier handele es sich nicht um eine inhaltliche Ablehnung durch die Nazis, sondern um die Ausschaltung einer Konkurrenz, die mit ihrem eigenen Führerkult ideologisch zu nahe war.

  • Sybille-Christin Jacob / Detlef Drewes: "Aus der Waldorfschule geplaudert. Warum die Steiner-Pädagogik keine Alternative ist"
  • Alibri Verlag, Aschaffenburg, 2004
  • ISBN 3-932710-84-3
  • 267 Seiten, Taschenbuch


  1. Sybille-Christin Jacob / Detlef Drewes: "Aus der Waldorfschule geplaudert. Warum die Steiner-Pädagogik keine Alternative ist"; Alibri Verlag, Aschaffenburg, 2004; ISBN 3-932710-84-3; S. 178f.