2013-01:Hambach-Räumung - Interview mit dem Tunnelaktivisten

Aus grünes blatt
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Die Tunnel-Räumung

Interview mit dem „Maulwurf“

(dr) Die Räumung des Hambacher Forstes im Herbst 2012 hat insgesamt vier Tage gedauert und war damit die bislang längste und aufwändigste Räumung einer Besetzung im deutschsprachigen Raum. Hauptgrund, warum es so lange dauerte, war ein 15 Meter langes Tunnelsystem, an dessen Ende sich ein Aktivist verschanzt hatte. Ein Gespräch mit dem „Maulwurf“.


Grünes Blatt: Wie seid ihr denn eigentlich auf die Idee gekommen, einen Tunnel als Blockademittel anzulegen?

Maulwurf: Konkret ist die Idee vor allem aus der Vernetzung mit Aktivisten aus Großbritannien hervorgegangen. Dort haben solche Tunnel schon eine gewisse Tradition im Widerstand und sind regelmäßig verantwortlich, dass sich Räumungen nicht nur über Tage sondern zum Teil über mehrere Wochen hinziehen. Das sollte hier auch geschehen!


Mehrere Wochen sagst du. Letztlich hat euer Tunnel ja „nur“ vier Tage standgehalten. Hat es euch da noch an Know-how gefehlt?

Der Hauptgrund, weshalb die mich so verhältnismäßig schnell da raus geholt haben, lag in der Vorgehensweise der Polizei. Im UK haben die für so etwas eine Spezialeinheit, die den ganzen Tunnel vom Einstieg bis zu der blockierenden Person nachgräbt. Also du musst dir vorstellen, so ein Tunnel ist ja kein Gang, wo du drin herumlaufen kannst, sondern ein ziemlich kleiner Gang. Im Hambacher Forst waren die Gänge teilweise nur einen halben auf einen halben Meter groß. Im UK läuft die Räumung also so ab, dass das Spezialteam den Tunnel zuerst verbreitert und dann die Leute drinnen durch den Tunnel rausschleppt. Das dauert, ist aber ziemlich sicher. Im Hambacher Forst hat sich die Polizei einfach mit einem Bagger von oben in die Kammer runtergegraben, in der ich war. Geht schneller, nimmt aber in Kauf, dass der ganze Tunnel über mir zusammenstürzt. Es gab ja dann auch tatsächlich Ablösungen von der Tunneldecke in die Kammer hinein, in der ich mich aufhielt.


Ok. Das passt ja nicht so ganz zur offiziellen Propaganda, der zufolge du nicht ganz bei Trost seist und „gerettet“ werden müsstest …

Wie du sagst, das ist Propaganda, mit der sie die Medien gefüttert haben. Viele haben das wie so oft unhinterfragt geschluckt. Aber selbstverständlich wollte ich garnicht raus. Mir ging es gut. Ich war in keiner Gefahr, aus der ich hätte gerettet werden können. Die einzige Gefahr ging die ganze Zeit über von den Polizeiaktionen aus, die ausschließlich darauf abzielten, mich schnellstmöglich zu räumen.


Wie würdest du denn eure Konstruktion in baulicher Hinsicht einschätzen? In den Medien wurde ja teilweise suggeriert, der Tunnel als solcher habe eine Gefährdung sowohl für dich, als auch für die räumenden Einsatzkräfte bedeutet?

Das ist Blödsinn. Der Tunnel war durchgehend mit Balken abgestützt und mit Holzplatten ausgekleidet. Die Sicherheit war auch allen Beteiligten wichtig, wir sind doch nicht lebensmüde, weder ich, noch die Leute, die am Bau beteiligt waren.


Wie ging denn der Bau von statten? Habt ihr euch da vorher einen Plan gemacht, so und so lang soll es werden, da oder da wollen wir ankommen? Oder habt ihr einfach drauf los gebaut?

Dazu kann ich nicht viel sagen. Doch bei Bauten auf der Besetzung waren immer Leute dabei, die Erfahrung hatten und diese auch weiter gegeben haben. So war ein gegenseitiges Lernen und Unterstützen gegeben.


15 Meter muss Mensch erstmal buddeln. Wie lange habt ihr denn dafür gebraucht?

Also die Grubenwehr hat die Bauzeit auf 4 Monate geschätzt. Aber ja – Zeit ist wohl ein großer Nachteil bei dieser Aktionsform.


Ok, ich merk schon, heikle Fragen …

Na, die Gegenseite liest ja auch mit. Was ich sagen kann, ist, dass es halt stark auf die Art der Konstruktion ankommt. Schon deshalb ist die Frage nach der Bauzeit im konkreten Fall gar nicht so interessant …


Was für Konstruktionsarten gibt es denn?

Vor allem den sogenannten Tagebau und eben den Tiefbau. Beim Tagebau wird ein großes Loch in die Erde gegraben, worin die Stützwände des Tunnels gebaut werden. Anschließend wird das Loch wieder zugeschüttet. Beim Tiefbau wird, wie im Bergbau unter Tage, ein Stollen direkt in die Erde getrieben.


So war ja auch der Tunnel im Hambacher Forst gebaut.

Ja. Der wäre schon aufgrund seiner Tiefe und Länge als Tagebau kaum möglich gewesen. Er war ja auch sechs Meter tief.


Hattet ihr irgendwelche Extra-Hindernisse für die Polizei in den Tunnel eingebaut oder war das einfach ein 15 Meter langer Schacht?

Keinesfalls. Es wurde sich von Anfang an Gedanken gemacht, wie die Polizei möglichst lange aufgehalten werden könnte, dazu war das Ding ja schließlich da! Der Tunnel war sehr verwinkelt und auch die sechs Meter ging es nicht in einem Satz hinunter, sondern über mehrere Höhenstufen verteilt. Vor allem aber waren insgesamt sechs Türen verbaut, die alle von innen verriegelt werden konnten. Manche waren aus massivem Holz, durch das sie ja auch erstmal durch mussten. Andere Türen mussten erst einmal gefunden werden, so dass die Polizei auf einmal plötzlich in der Sackgasse stand und gar nicht wusste, wo es weiter geht, weil sie die Tür einfach gar nicht erkannt haben. Das alleine hat sie einen halben Tag aufgehalten.


Wie lange hat es dann gedauert bis die ersten Polizisten bei dir ankamen?

Die erste Person, das war allerdings keine Person von der Polizei sondern einer von der Grubenwehr, kam nach etwa 36 Stunden bei mir an. Auf Nachfrage von mir, wie weit die Arbeiten sind, hat er behauptet, dass es schon eine Räumungsgrabung gäbe, die schon fast bei mir unten sei und ich in ein paar Stunden eh raus geholt werde. Tatsächlich hatten sie da noch gar nicht entschieden, wie sie das überhaupt angehen wollen.


Wie war denn eigentlich deine Sauerstoffversorgung sichergestellt?

Es gab parallel zum Tunnel einen Lüftungsschlauch. Am Ende konnte ich dann mit einer batteriebetriebenen Luftpumpe Frischluft ansaugen. Durch den Überdruck und die im Vergleich zur Umgebung höhere Temperatur im Tunnel strömt die Abluft dann durch den Schacht nach draußen. Und für den Notfall hatte ich außerdem noch eine Taucherflasche dabei.


Hattest du Kontakt zur Außenwelt?

Ja, mehr oder weniger die ganze Zeit. Anfangs über den Lüftungsschlauch, später dann über ein Telefon, das die Grubenwehr runter gebracht hatte.


Mehr oder weniger?

Nun ja. Die Polizei war im Prinzip immer erreichbar. Mit denen wollte ich aber ja gar nicht reden. Die Verbindung nach draußen lief über eine mir bekannte Kontaktperson. Dreimal hat die Polizei keine Kontaktperson zugelassen, somit gab es in der Zeit keinen Kontakt nach oben. Ich denke, sie wollten mich mürbe machen, damit ich aufgebe.


'Magst du erzählen, wie es dir da unten ging? Ich stelle mir das ja ziemlich anstrengend vor, da alleine in der Dunkelheit zu sitzen …

Also die Dunkelheit war jetzt weniger ein Problem. Ich hatte zwei Lampen und genügend Batterien mit. Der reine Aufenthalt als solcher auch nicht. Am Ende des Tunnels war eine Kammer, zwei Meter lang, einen breit und hoch. Da konnte ich ausgestreckt liegen und aufrecht sitzen. Das Alleinesein, das hab ich schon gemerkt, dass das ganz schön zehrend sein kann. Es sollte sich schon gut überlegt werden, ob solch eine Aktion alleine gemacht wird oder doch besser zu zweit. Ich hab mich dann tatsächlich sogar ein wenig gefreut, als nach zwei Tagen der Grubenwehrler runter kam, einfach dass ich mal wieder einen Menschen sah. Auch wenn der natürlich nicht in meinem Sinne handelte. Vor allem die Langeweile sollte nicht unterschätzt werden. Es ist echt wichtig, Möglichkeiten zu haben, sich da zu beschäftigen.


Hast du mitbekommen, was um dich herum bei der Räumung passierte?

Am Anfang schon, es waren nämlich direkt über dem Tunneleingang noch vier Personen in einem Betonblock angekettet. Deren Bezugsperson hat das Gespräch zwischen mir und der Polizei vermittelt. Nachdem die geräumt waren, hatte ich aber erstmals eine Weile keinen Kontakt mehr nach draußen, bis sie dann endlich meiner Kontaktperson erlaubten, mit mir zu reden.


Wusste die Polizei schon vom Tunnel, als der Betonblock geräumt wurde?

Ja. Die haben das schon ziemlich am Anfang gesagt bekommen. Als sie begannen, mit schwerem Gerät auf das Campgelände zu fahren, das war so nach den ersten 2-3 Stunden. Am Anfang haben sie sich aber geweigert, überhaupt Kenntnis zu nehmen. Erst nachdem sie meine Stimme von mir hörten, wurden sie vorsichtiger.


Wie haben sie dich dann letztendlich da raus geholt?

Irgendwann haben sie entschieden, einfach von oben ein Loch zu mir zu graben. Der Presse haben sie erzählt, sie würden einen Meter neben mir graben, um dann am Ende von der Seite zu kommen, wenn sie die entsprechende Tiefe hätten. Tatsächlich haben sie direkt über mir gegraben. Als sie dann soweit waren, dass Sichtkontakt bestand, habe ich mich in Richtung Eingang zurückgezogen – also von dem Loch aus gesehen in den Tunnel hinein. Dann hat sich die Grubenwehr vom Ende hinter mir her gegraben. Als sie näher kam, bin ich weiter in Richtung Eingang gegabgen. Von der Seite aus kamen dann zwei Polizisten, die sich aber als Leute von der Grubenwehr ausgaben. Das hab ich denen leider geglaubt, sie trugen mir bis dato unbekannte Uniformen. Ich hab mich dann auch mit denen auf ein Gespräch eingelassen und nach einer Weile bin ich denen auch ein Stück entgegengekommen. Um zu zeigen, dass ich nicht der schlimme Verbrecher war, als der ich in der Öffentlichkeit dargestellt wurde. Ich muss aber sagen, dass ich zu dem Zeitpunkt ganz schön erschöpft war. Sie haben eine günstige Gelegenheit abgepasst, mich zu packen und zu versuchen, mich aus dem Tunnel zu schleifen. Das war immer noch ziemlich schwierig, der Tunnel war eng, es ging zusätzlich noch um eine Kurve und ich hab mich regungslos gemacht. Sie haben dann angefangen zu drohen, dass sie ein Spezialteam holen und es dann noch schmerzhafter werden würde, oder sogar einen Arzt, der mich betäuben sollte. Ich habe mich davon nicht beeindrucken lassen. Sie haben noch eine Weile weiter gezerrt und hatten mich dann irgendwann soweit, dass sie mich nur noch den Eingangsschacht hoch bekommen mussten. Da haben sie mir einen Rettungsgurt angelegt und mich mit einem Seil an den Händen hochgezogen.


Wir haben ja oben schon mal kurz die polizeiliche Öffentlichkeitsarbeit angesprochen. Willst du nochmal Stellung nehmen zu dem, was da über dich verbreitet wurde?

Die Polizei hat wohl alles getan, um ihr Gesicht in der Öffentlichkeit zu wahren. Fakt war, dass es eine Situation war, von der sie eigentlich keine Ahnung haben. So hat es angefangen mit der Lüge, aus der Räumung sei eine Rettung geworden. Dies war wohl vonnöten um die ganzen Rettungskräfte zu legitimieren, die für so eine Aufgabe eigentlich gar nicht zuständig wären. Bis dahin, mich als verrückt darzustellen mit der Aussage, ich hätte absichtlich Stützbalken umgeschmissen, um Einsatzkräfte zu gefährden. Die Grubenwehr hat nach der Räumung bei der Staatsanwaltschaft klargemacht, dass es so nicht war. Doch in den Medien war es natürlich trotzdem. Oder ich sei ein vorbestrafter Gewalttäter. Das einzig Haltbare, was da immer wieder kommt, ist eine Blockadeaktion gegen einen Castortransport, die auch friedlich war.


Solch eine Verleumdungspolitik gab es ja schon vor der Räumung gegenüber der Waldbesetzung …

Ja. Nachdem RWE gemerkt hat, dass die Proteste nicht von alleine aufhörten und sie diese auch nicht einfach ignorieren konnten, haben sie versucht, die Waldbesetzung zu kriminalisieren. So kursierten auf einmal 60 Straftaten, die bis zur Räumung auf über 100 anstiegen. Interessant daran ist, dass nur ein einziger dieser Vorwürfe je bei der Staatsanwaltschaft gelandet und bei den Restlichen nicht nachvollziehbar ist, ob es ein Ermittlungsverfahren überhaupt gegeben hat. Das einzige Ermittlungsverfahren, das bei der Staatsanwaltschaft in Zusammenhang mit dem Kohlewiderstand bislang geführt wird, ist wegen einer öffentlichen Blockadeaktion an der Kohlebahn im Sommer 2013, bei der sich drei Menschen an die Schienen der Kohlebahn angekettet haben.


Was würdest du beim nächsten Mal anders machen? Bzw. was würdest du Anderen, die so etwas vor haben, mit auf den Weg geben?

Wie schon gesagt, sollte sich gut überlegt werden, ob diese Aktion alleine gemacht wird. Mir hätte es auf jeden Fall gut getan – so im Nachhinein betrachtet – zu zweit zu sein.

Was ich auf jeden Fall auch noch gelernt habe, ist, gar nichts zu glauben, was die Polizei oder Grubenwehr oder sonstige Räumungskräfte mir in so einer Situation erzählen. Die haben ihr Informationsmonopol komplett dazu genutzt, mich durch Fehlinformationen in die Irre führen zu wollen, um so die Räumung zu beschleunigen.


Rechnest du mit irgendwelchen Repressalien im Nachhinein?

Hausfriedensbruch und Nötigung standen im Raum. Wobei die Staatsanwaltschaft von der Nötigung Abstand genommen hat, da selbst die nicht in der Lage war, sich auszudenken, wer da genötigt worden sein soll. Für den Hausfriedensbruch müssten sie noch prüfen, ob das Gelände umfriedet war.


Wie ging es jetzt nach der Räumung mit dem Widerstand weiter?

Fast unmittelbar danach wurde eine Wiese am Waldrand besetzt, die auch weggebaggert werden soll. Da hat sich die Polizei auch sehr bemüht, möglichst offensiv als Handlanger von RWE aufzufallen. Das Camp dort stört sie natürlich und sie wollten es gleich räumen. Den Besetzern sagten sie, der Eigentümer habe eine Räumung veranlasst. Als der dann aber ankam und versuchte, mit der Polizei zu reden, wurde er verhaftet, weil er eine polizeiliche Maßnahme störe … Und vor Kurzem wurde wieder ein Stück Wald besetzt, allerdings auch nach zwei Tagen schon wieder geräumt. Es wurde dann dort gleich gerodet, obwohl ja Vegetationsperiode ist und das somit gar nicht erlaubt ist.