2009-02:Widerstand gegen Boehringer-Tierversuchslabor in Hannover

Aus grünes blatt
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Widerstand gegen Boehringer-Tierversuchslabor in Hannover

Boehringer - eine Mords-Geschichte

Floh Boehringer ist Deutschlands größter forschende Pharmakonzern und hinter Bayer der zweitgrößte überhaupt. Mensch kann nicht unbedingt sagen, der Konzern würde speziesistisch handeln, wenn er Labore baut, um Tiere zu quälen und zu töten. Denn da kennt der Konzern keine Unterschiede zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Tieren, Antispeziesismus à la Boehringer. Beispielsweise lieferte Boehringer das Dioxin für das Agent Orange welches im Vietnam eingesetzt wurde und verheerende Auswirkungen hatte. 1984 in Hamburg, hatte der Konzern Kenntnisse über Dioxin-Ausstöße aus einem Werk und stoppte die Produktion trotzdem nicht. Somit ist der Konzern verantwortlich für die schlimmen Erkrankungen vieler ArbeiterInnen, welche zum großen Teil bis heute nicht entschädigt wurden (was für eine Annahme, dass mensch die Gesundheit mit etwas Kohle entschädigen könnte). In neuester Zeit behinderte der Konzern den Zugang von Nevirapine-Sirup (welches entscheidend für die HIV-Behandlung infizierter Kinder ist) an bedürftige Menschen.

Lebewesen, ob menschliche oder nicht, werden von Boehringer also als beliebig zur Profitsteigerung einzusetzende Objekte angesehen. Dazu muss mensch vielleicht sagen, dass das nicht eine Eigenart Boehringers ist, sondern bedingt ist durch das Spiel: Kapitalismus. Positiv über Boehringer könnte mensch nun sagen, dass sie dieses Spiel vorzüglich beherrschen. Negativ bleibt zu sagen, dass jede/r der dieses Spiel zusammen mit Boehringer mitspielt, verantwortlich für das Weiterlaufen dieser Mords-Maschinerie ist.

Hintergründe über das geplante Tierversuchszentrum

Boehringer will in Hannover-Kirchrode ein Tierversuchszentrum bauen. AnwohnerInnen und AntispeziesistInnen wollen das nicht.

Hier sollen nicht Medikamente oder Kosmetika an den Tieren getestet werden, bevor sie für Menschen verkauft werden, was schon Irrsinn genug ist, denn dies ist Manifestion einer extrem speziesistischen Denkweise und zudem sinnlos, weil Tierversuche nicht aussagekräftig sind über menschliche Reaktionen auf getestete Substanzen. Hier geht der Irrsinn aber noch einen Schritt weiter: An Schweinen und Kühen sollen Impfstoffe für dieselben getestet werden. Aus menschlicher Sicht sehr uneigennützig, und passender Weiße heißt diese Branche dann auch „Tiergesundheitsbranche“ . In Wirklichkeit geht es aber nicht um die Gesundheit der Tiere, denn in der Massentierhaltung, für welche die Impfstoffe entwickelt werden, werden die Tiere bewusst krank gemacht. Ihnen wird jede Möglichkeit auf Bewegung genommen, damit sie möglichst schnell Fett ansetzen. Die Tiere bekommen nie das Tageslicht zu sehen und können in keinem Bereich ihres Lebens selbstbestimmt handeln. Essen und Trinken ist maschinell geregelt. Aber vor allem ist der einzige Grund, warum diese Tiere leben, dass sie sterben sollen, sobald sie genug Fleisch angesetzt haben. Wer kann vor diesem Hintergrund also von „Tiergesundheit“ reden?

Aktionen gegen das Tierversuchslabor

Es gab zwar schon länger eine „Bürgerinitiative gegen Massentierversuche in Wohngebieten“, wirklicher Widerstand kam aber erst auf mit der Bauplatzbesetzung am 2. Juni. Die alten Kleingartenhütten welche dort noch standen wurden widerbelebt, in einer alten Eiche wurden Plattform und Hängematten gehängt, und eine Infohütte wurde gezimmert. Fast 3 Monate lebten hier bis zu 50 Menschen. Neben der Plattform für den Widerstand war der Ort auch ein Freiraum, in dem Solidarität und Selbstorganisation, Fähigkeiten, welche in der bürgerlichen Welt bis zur unkenntlichkeit verstümmeln, ausprobiert werden konnten. Mit den vielen Hütten, der Wiese und dem Gestrüpp, hätte sich dieser wunderschöne Ort ideal geeignet für alternatives Leben und unkommerzielle Kultur. Aber natürlich geht es in dieser Welt ja nicht um Konzepte die einen Nutzen für Menschen haben, wo kämen wir da hin?

Die Presse schrieb anfangs positiv, aber inhaltsleer. Als es dann Farbanschläge auf das Haus des Bürgermeisters und der Tierärztlichen Hochschule (mit dessen Kooperation Boehringer das Labor bauen will) gab, wendete sich das Blatt: Das gehetze der Lokalzeitungen unterschied sich kaum noch von dem des Bild-Lokalteils. So war es auch möglich, dass Bullen und Presse plötzlich konstruierten, dass der „friedliche Charakter nicht mehr gegeben sei.“ Grund dafür: Die Chaoten gruben Fallgruben aus und legten Steindepots an. Berichtigungen, dass aus dem Steindepot, ein Steinofen gebaut werden sollte, und dass die „Fallgruben“ nur Vorkehrungen gegen die Räumfahrzeuge der grünen Horden ohne friedlichem Charakter waren, um deren Gewalt abzuwehren, ignorierte die Presse natürlich. Geräumt wurde dann mit einem 1000 BeamtInnen starkem Bullenaufgebot. Anstatt die strukturelle Gewalt zu sehen, wie mit Repressionsorganen von den AnwohnerInnen und Anderen ungewollte Projekte durchgedrückt werden, drehte sich die Diskussion nur darum, ob der Polizeieinsatz überzogen gewesen sei. So als ob es Polizeieinsätze gäbe, die nicht überzogen wären.

Nach der Räumung (seit der gegen mehrere AktivistInnen, die festgekettet waren, oder auf Dächer und Bäume geklettert waren, Ermittlungen wegen Hausfriedensbruch oder (und und)Widerstand gegen die Staatsgewalt laufen) entlud sich die Wut, über die strukturelle Gewalt des Staates auf vehemente Art und Weiße. Nach einer Demonstration, am Tag nach der Räumung, an der etwa 200 Menschen teilnahmen, und wo erstmals ein Großteil Hannovers linker Szene sich an den Protesten beteiligte, fanden den Abend über immer wieder Flashmob-Aktionen statt. Etwa 50 AktivistInnen tauchten auf einer Verkehrskreuzung auf, blockierten diese, riefen Parolen, feierten eine Reclaim the Streets Party, und bauten teilweiße Materialblockaden auf, bis die Polizei auftauchte. Dann verteilte sich die Masse um an anderer Stelle wieder aufzutauchen. So ging das den ganzen Abend über. Am nächsten morgen, waren am Rathaus die Fensterscheiben eingeworfen (Sachschaden 30000€) sowie Zerstörungen, farbliche Verschönerungen und Sprüche an einem Konsumzentrum, einem Schwimmbad, und der Parteizentrale der Grünen („Wir sind grün – was seid ihr?“ - Die Günen stimmten für den Bau des Labors). Innerhalb der nächsten Tage wurden mehrere Metzgereien und Apotheken angegriffen, und der erste von insgesamt 3 Fleisch-Kühltransportern brannte aus.

Wenige Tage später fand die Wiederbesetzung des Bauplatzes statt. Schwarz Vermummte SEK-Kletterer räumten 17 AntispeziesistInnen von den Dächern der noch stehenden Gartenhütten.

Mitte September fand dann die Aktionswoche gegen Tierversuche und Boehringer statt. Über 30 AktivistInnen starteten über eine Woche lang täglich kreative Aktionen. So wurde zum Beispiel das Rathaus besetzt und Transparente gehängt, Ärzte trieben eine Horde von Schweinen und Kühen durch die Innenstadt um sie an zentralen Stellen mit überdimensionierten Spritzen tot zu spritzen, die Abrissfirma Gysin, welche den Bauplatz vorbereitet wurde von Schweinen besucht, und teilweise besetzt, eine Boehringer AUS-stellung wurde aufgebaut, bei der interessierte PassantInnen an Standbildern vorbeigeführt wurden, die auf „Knopfdruck“ eine Szene spielten, und so wurde die Geschichte von Boehringer, des Labors und des Widerstandes erzählt.

Auswertung – Wie geht’s weiter?

Die große Stärke des Anti-Boehringer-Widerstandes war/ist es, z.B. verglichen mit dem Hüttendorf in Kelsterbach, dass er von einer lokalen, gut funktionierenden Szene getragen wurde, sowie dass die lokale autonome Szene sich größtenteils mit dem Widerstand solidarisierte, und ihn teilweise praktisch unterstützten. Außerdem gab es aus der antispeziesistischen Szene Soliaktionen- und Demonstartionen in anderen Städten (Berlin, Hamburg, Rostock, Biberach). In Ingelheim (wo sich der Hauptsitz Boehringers befindet) wurde (laut Allgemeiner Zeitung, Mainz) von Unbekannten eine Fake-Mitteilung von Boehringer verteilt, auf der der Konzern mitteilte, dass Labor nun in Ingelheim bauen zu wollen.

Antispeziesistische Inhalte konnten über die Aktivitäten teilweise verbreitet werden. Die bürgerliche Presse, schrieb wenig bis gar nichts zu den dahinterstehenden Theorien. Trotz mehrmaliger Richtigstellung, bezeichnete sie die AktivistInnen durchgehend als „Tierschützer“.

Ein Begriff, den die meisten der AktivistInnen ablehnen, weil TierschützerInnen Tiere schützen wollen, vor Misshandlungen oder besonders grausamen Haltungs- oder Schlachtmethoden, aber nicht das Herrschaftsverhältniss angreifen, dass Tiere zu benutzende Objekte für eine menschliche Gesellschaft sind. Dieses Herrschaftsverhältniss anzugreifen ist das Ziel von AntispeziesistInnen und auch der meisten in Hannover beteiligten AktivistInnen.

So mussten die AktivistInnen zurückgreifen auf eigene Inhaltsvermittlung, zum Beispiel über mehrere zehn tausend verteilte Flyer. Eine Zeitung die in alle Briefkästen Hannovers geworfen werden soll, ist in Planung.

Die Aktionen fanden zwar große Sympathie innerhalb der Hannoveranischen Bevölkerung (auch nach den Brandanschlägen noch), aber der Zustrom zu den Aktivitäten war eher gering, genauso wie die Antispeziesistische Szene keinen besonders großen Zulauf durch die Aktivitäten bekommen hat. Auch in Hannover gelang es nicht, eine Bewegung aufzubauen, die eine relevante Stärke, über den spontanen Moment hinaus hätte. Die Ursachen dafür liegen aber anders als in Kelsterbach. Denn dort gab es eine breite Grundstimmung in den umliegenden Gemeinden gegen den Flughafen, die einfach nicht genutzt wurde, da innerhalb des Hüttendorfes, sowie in den Bürgerinitiativen und bei sonstigen AusbaugegnerInnen sowieso, eine starke Lethargie und Ideenlosigkeit herrschte. Eine Gruppe, oder Szene, die mit ständigen kreativen und direkten Aktionen die Öffentlichkeit in Atem hält, hätte es dort ev. schaffen können, eine breite Bewegung aufzubauen mit genügend gesellschaftlicher Relevanz, um das Projekt zum Kippen zu bekommen.

Ideen und kreative Aktionen waren in Hannover nicht Mangelware. Eine kleine Szene schaffte es dieses Thema zum lokalen Thema Nummer 1 zu machen über den gesamten Sommer (der Autor hat übrigens keinen blassen Schimmer von wem und aus welcher Szene die nächtlichen Anschläge und Verschönerungen kamen, und wenn er einen hätte würde er tun, als hätte er keinen). Gründe warum dennoch keine größere Szene entstand, spektrenübergreifend und mit Fuß im bürgerlichen Lager, sind eher im Spezifischen Thema Antispeziesismus zu suchen: Außer im Stadtteil Kirchrode fehlt die persönliche Betroffenheit,es entsteht kein Nachteil für Bürgis. Generell fehlt ein Verständniss für Antispeziesismus, sowohl in der bürgerlichen Gesellschaft, genauso wie in der linksradikalen Szene.

Wo mensch mit Tierschutz ein breites Bündnis auf die Beine stellen könnte, vom „Hippie-Tierliebhaber“ bis zur „Bildleserin“ liegt der Gedanke, auch Tiere könnten Individuen sein, die in Selbstbestimmung leben sollten, anstatt von Menschen für alle möglichen Bedürfnisse, von Zuneigung bis Machtgefühle und Fleischkonsum, unterdrückt zu werden, anscheinend noch zu fern. So muss es beim Thema Antispeziesismus vielleicht erst einmal darum gehen, allgegenwärtige Diskurse anzgreifen.