2009-02:Uranabbau in Lappland

Aus grünes blatt
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Ranua Action Day in Magdeburg
Areva sucht nach Uran
Bohrmarkierung von Areva
Vom Uranabbau gefährdete Natur
Weitestgehend unberührte Boreale Wälder und Feuchtgebiete sollen Uranabbau weichen

fb Weltweit haben Uranabbau-Firmen in den letzten Jahren eine erhebliche Aktivität bei der Erkundung neuer ausbeutbarer Uranvorkommen an den Tag gelegt. Grund sind die auslaufenden Uranreserven und das absehbare Ende der aus der Abrüstung von Atomwaffen verfügbaren Rohstoffe. Einem Bericht der Internationalen Atomenergie Organisation zufolge wird derzeit weniger als die Hälfte des Urans gefördert, das Atomkraftwerke Jahr für Jahr verbrauchen. Ein Versorgungsengpass stünde bevor. So ist nicht verwunderlich, dass die Atomkonzerne nicht nur nach bisher unbekannten Uranvorkommen suchen, sondern auch bekannte Vorkommen minderer Qualität ausbeuten wollen. Das geht immer zu lasten der Menschen vor Ort und bedeutet die völlige Vernichtung riesiger Ökosysteme.

In Finnland ist der französische Staatskonzern Areva dabei eine Vielzahl möglicher Uranvorkommen zu erkunden. Nachdem sich das Unternehmen aus Südfinnland zurück zog, als dort Widerstand gegen die Abbau-Pläne deutlich wurde, agiert es nun im dünnbesiedelten Norden. In Lappland, der nördlichsten Provinz Finnlands will Areva nun Uran abbauen. Nahezu unberührte boreale Wälder und sensible Feuchtgebiete sind in Gefahr. Aber auch hier gibt es Proteste. Beim Nuclear Climate Camp in Tervola (Südlappland) machten AnwohnerInnen der Region Ranua auf ihre Situation aufmerksam und baten um Unterstützung. In der Folge wurde eine internationale Kampagne gestartet: Ranua Rescue Action.



Uranabbau in Lappland stoppen

Der Betrieb von Atomkraftwerken (AKW) erfordert große Mengen Uranerz, die weltweit meist auf dem Land indigener Menschen ohne deren Zustimmung abgebaut werden. Neben der Unterdrückung und Ausbeutung dieser meist ohnehin schon diskriminierten und seit Jahrhunderten durch Kolonisation und rassistische Behandlung gebeutelten Menschen, werden außerdem einmalige, häufig noch weitestgehend unberührte Ökosysteme zerstört und eine vergiftete, radioaktive Mondlandschaft hinterlassen.

Der Betrieb eines neueren AKWs in Deutschland verlangt pro Jahr etwa 33 Tonnen angereichertes Uran, das zu Brennelementen verarbeitet wurde. Um diese 33 Tonnen zu erhalten, müssen etwa 300.000 Tonnen Uranerz aus der Erde geholt werden. Der größte Teil davon bleibt bereits in den Abbaugebieten als radioaktiv strahlende Halden zurück. Weitere große Mengen Atommüll fallen in den anschließenden Verarbeitungsstufen des Urans an.

Die Uranvorräte der Welt werden knapp, gab die Internationale Atom Energie Agentur (IAEA) im Mai bekannt. Dadurch steigt der Uranpreis auf dem Weltmarkt. Um den Mangel an Brennstoff für den Betrieb der AKW auszugleichen, gibt es verstärkt Vorhaben bisher unrentable, arme Uranvorkommen auszubeuten. Und die Suche nach bisher unbekannten Uranreserven wird verstärkt, um neue Uranabbaue zu erschließen. Davon betroffen ist u.a. die Gemeinde Ranua im finnischen Lappland. Der Atomkonzern Areva, dessen Tochterunternehmen zusammen mit dem deutschen Atomkonzern Siemens den sogenannten “Europäischen Druckwasser-Reaktor” (EPR) vermarkten und in Finnland gerade unter Stümpereien und Vorschriftsverstößen den ersten Prototypen zu errichten versucht, will in Nordfinnland Uran abbauen. Eine Vielzahl von Orten wurden bereits auserkoren, an denen demnächst Voruntersuchungen stattfinden sollen.

Den Gemeinden wird wirtschaftlicher Aufschwung, Arbeitsplätze und Wohlstand versprochen. Vielen ist überhaupt nicht klar, welche Folgen ein Uranabbau hat. Uranabbau bedeutet die Rodung borealer Wälder, die Trockenlegung von Feuchtgebieten und anschließend die Ausbaggerung riesiger Landstriche. Im Tagebau wird das Unterste zuoberst gebracht, radioaktive Abraumhalden großen Ausmaßes entstehen, denn nur ein winziger Bruchteil des zutage gebrachten Erzes ist für die Weiterverarbeitung brauchbar. Zur Erschließung muss die Zahl der Verkehrswege vervielfacht werden, wodurch die Lebensräume massiv zerschnitten werden. Die in großem Umfang eingesetzten giftigen Chemikalien werden nicht nur lokal die Umwelt verseuchen, sondern erfahrungsgemäß über Grundwasser und Flusssysteme auch weitere Bereiche darüber hinaus belasten.

Hinzu kommen gewaltige Tailing Ponds - Sammelbecken für die toxischen und auch radioaktiven Abwässer des Bergbaus. Da es bis heute keine sichere Entsorgungsmöglichkeit für radioaktive Abfälle irgendwo auf der Welt gibt - und dies aufgrund der lange anhaltenden Radioaktivität grundsätzlich auch nicht möglich ist - müssen die Tailing Ponds quasi als Endlager oder Dauer-Zwischenlager der radioaktiven Suppe betrachtet werden.

In Ranua gibt es einige Menschen, die sich nicht von der Atomindustrie täuschen lassen haben. Sie baten kürzlich auf einem internationalen Treffen um Unterstützung für ihren Widerstand - denn die Atomindustrie ist mächtig, vor allem hat sie viel Geld, um damit Einfluss auf EntscheidungsträgerInnen zu nehmen und Propaganda-Kampagnen zu bezahlen. Finnische Anti-Atom-Gruppen haben daraufhin beschlossen, einen internationalen Aktionstag zur Rettung Ranuas vor dem Uranabbau auszurufen. Obwohl die Zeit zur Vorbereitung nur kurz war, gibt es nun Veranstaltungen und Aktionen in mehreren europäischen Städten. Die Internetseite http://ranua.nuclear-heritage.net informiert über Aktionen und Hintergründe und stellt Materialien und Kontakte bereit. Dort werden auch Vorschläge gemacht, wie von überall in der Welt die Proteste gegen den Uranabbau in Ranua, aber nicht nur dort, unterstützt werden können.

Ranua ist eine Gemeinde in der finnischen Provinz Lappland. Das Gemeindegebiet hat eine Fläche von etwa 3.700 Quadratkilometern. Etwa 70 % der Fläche besteht aus Sumpfgebieten. Ein Uranabbau würde die Menschen ihrer Lebensgrundlage berauben, da sie nicht mehr Beeren, Pilze und wilde Pflanzen sammeln könnten, Rentierzucht, Fischerei und Landwirtschaft nicht mehr möglich wären. Bergbau und Atommüll in der verletzlichen nördlichen Natur würden außerdem Europas letzte verbliebene Wildnisgebiete für immer zerstören.

Viele Menschen in Europa beobachten die Vorgänge in Finnland sehr genau, um zu sehen, ob es einen neuen Trend in der Atomenergie gibt. Deutlich zu machen, dass der Widerstand gegen Uranabbau und Atomkraft auch in Finnland groß ist und weiter wächst, ist daher nicht nur ein lokales Anliegen, sondern auch weltweit von Bedeutung.

Hintergründe der Uran-Bohrungen in Ranua

Am 1. September 2008 hatte Areva Resources Finland Oy einen Antrag für ein Bergbauvorhaben beim Finnischen Ministerium für Arbeit und Wirtschaft eingereicht. Ohne jegliche Entscheidung über den Antrag abzuwarten, begann der Konzern im November 2008 mit Ausgrabungen in Vorbereitungen von Testbohrungen. Areva hatte ein Abkommen mit dem Landeigentümer in Ranua getroffen, das die Bohrungen erlaubte. Das Atomunternehmen behauptet eine Zustimmung der finnischen Behörden müsse hierfür nicht eingeholt werden. Die zuständige Aufsichtsbehörde Finnlands hatte von Areva verlangt, dass mit den Untersuchungen abgewartet werde, bis die Verwaltung ihre Stellungnahme abgegeben habe.

Im August 2009 hat der Gemeindeausschuss von Ranua positive Stellung zu den Testbohrungen eingenommen. Einige PolitikerInnen glauben, dass es unproblematisch sei die Untersuchungen zuzulassen, und dass sie den folgenden Uranabbau immer noch verhindern könnten. Aber die Erfahrungen mit industriellen Großvorhaben in aller Welt zeigen, dass es immer schwerer wird solche Projekte noch zu verhindern, wenn sie erst einmal Fuß gefasst haben. Am 14. August 2009 war eine weitere Entscheidung durch den Gemeinderat geplant gewesen, die ausschlaggebend für die Wahl des 13. August als internationalem Aktionstag war. Diese Entscheidung sei nach der Ausschuss-Stellungnahme von Anfang August aber nicht mehr nötig, verlautete aus der Gemeinde. Lokale GegnerInnen befürchten nun, dass Areva jederzeit mit den Testbohrungen beginnen könnte. Es gibt Hinweise darauf, dass dies möglicherweise schon geschehen ist.

Unterdrückung Indigener für Uranabbau

Wie in den meisten Uranabbaugebieten der Welt, könnten auch in Finnland bald Indigene betroffen sein: Die Saami sind die letzten Indigenen Europas. In Kanada sind unzählige First Nations vom Uranabbau betroffen, ihr traditionelles Land wird ihnen entschädigungslos genommen, ihre Jagdgebiete werden vergiftet, kulturelle Stätten zerstört. Bis dahin in den indigenen Gemeinschaften unbekannte Krankheiten treten plötzlich vermehrt auf. Doch solange nicht der letzte Beweis erbracht wird, dass Krebsfälle, deformierte Tiere und vergiftete Umwelt von der Uranindustrie ausgelöst werden, darf diese munter weiter machen. Ähnlich sieht es in vielen anderen Ländern aus, in denen Uran abgebaut wird. Weitere Beispiele sind die indigenen Menschen in Australien, den USA oder in Niger, die unterdrückt, ausgebeutet und krank gemacht werden.

Atomkraft ist unverantwortbar.

Die Umweltzerstörung und Unterdrückung der meist indigenen Menschen beim Uranabbau sollte als Argument schon genügen, um die Nutzung der Atomtechnologie von selbst zu verbieten. Doch weitere schwerwiegende Gründe sprechen gegen den Einsatz der Atomkraft:

Die Atommüll-Frage ist weltweit ungelöst. Nirgendwo gibt es ein sicheres Endlager für die über Millionen Jahre strahlenden radioaktiven Abfälle. Die Einrichtung einiger Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei nicht um eine sichere Entsorgung handelt, sondern der Atommüll einfach verscharrt wird, um ihn aus den Augen zu haben. Es ist kein Zufall, dass bisher keine gute Lösung für das gefährliche Material gefunden wurde - aufgrund der Langlebigkeit und Gefährlichkeit radioaktiver Stoffe ist eine sichere Entsorgung unmöglich. Die deutschen Endlagerungsversuche in den gescheiterten Anlagen Morsleben und ASSE haben dies eindringlich gezeigt.

Das Risiko schwerer Unfälle (”Super-GAU” - Größter Anzunehmender Unfall) kann in Atomanlagen nicht ausgeschlossen werden. Tschernobyl als die bekannteste Atomkatastrophe der Geschichte erinnert an dieses “Restrisiko”. Doch auch in deutschen Atomkraftwerken kommt es immer wieder zu Vorfällen, die in derartigen Risikoanlagen nicht auftreten dürfen. Über 100 solcher meldepflichtiger Ereignisse, die die Atomindustrie nicht gern als “Störfälle” bezeichnet haben möchte, ereignen sich jedes Jahr in deutschen AKW. Vor einigen Jahren schlitterte das AKW Brunsbüttel nahe Hamburg bei einer Wasserstoffexplosion nur knapp an einer Katastrophe vorbei.

Auch ohne Unfälle geht von Atomkraftwerken ständig Strahlung aus. Selbst wenn die Grenzwerte für Radioaktivitätsfreisetzungen eingehalten werden, bedeutet dies nicht, dass die Gefahr gebannt wäre. Jede Strahlendosis hat das Potenzial für Zellschädigungen und damit verbundene Erkrankungen. Die erhöhten Krebsraten rund um den Atomstandort Krümmel sind ein Beleg für die Folgen der sogenannten “Niedrigstrahlung”. Letztes Jahr sorgte die KiKK-Studie des Kinderkrebsregisters für Aufregung, als erstmals der Nachweis erbracht werden konnte, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Nähe des Wohnorts zu einem Atomkraftwerk und der Häufigkeit von Krebserkrankungen besteht.