2008-01:"Grüne Anarchie" - Teil 2

Aus grünes blatt
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"Grüne Anarchie" - Teil 2

NaturIstVernunft. Dieser Artikel basiert auf dem Einführungstext "What is Green Anarchy? An Introduction to Anti-Civilization Anarchist Thought and Practice", das in der Serie "Back to the Basics" als "Volume 4" herausgegeben wurde. Verfasst wird diese Serie vom "Green Anarchy Collective", das auch die Zeitschrift "Green Anarchy" (http://greenanarchy.org/) in den USA herausgibt. Übersetzt wurde der Text im Knast Regensdorf in der Schweiz von Marco Camenisch. Gefunden auf Indymedia Schweiz (http://switzerland.indymedia.org/de/2005/04/31460.shtml). So musste ich den mir vorliegenden Text nicht selbst übersetzen. Der Text spiegelt nicht meine eigene Meinung wider, soll aber in einen "Anarchismus" einführen, den ich für im deutschsprachigen Raum unterrepräsentiert halte. Viel Spass beim Lesen.




Was ist "Grüne Anarchie"? Eine Einführung in anti-zivilisatorisch, anarchistisches Denken und Handeln. - Teil 2

Ablehnung der Wissenschaft

Viele antizivilisatorische AnarchistInnen lehnen Wissenschaft als Methode zum Verständnis der Welt ab. Wissenschaft ist nicht neutral. Sie ist gesättigt von Motivationen und Annahmen, die aus der Katastrophe der Spaltung, der Zerstörung der Fähigkeiten und des Konsums an Lebensnot, die wir "Zivilisation" nennen, entstehen. Und sie verstärkt diese Katastrophe. Wissenschaft übernimmt die Trennung und Trennung ist der perfekte Mechanismus, der im Begriff "Beobachtung" einverleibt ist. Etwas "beobachten" heißt, das Objekt der Beobachtung wahrzunehmen indem frau/man sich gefühlsmäßig und körperlich davon trennt. Es ist einen Informationskanal zu haben, der sich vom beobachteten Ding zu einem "Ich" bewegt, das nicht als Teil dieses Dinges definiert ist. Diese todbringende und mechanische Anschauung ist Religion, die vorherrschende Religion unserer Zeiten. Die wissenschaftliche Methode ist bloß am Quantitativen interessiert. Sie lässt keine Werte oder Gefühle oder den Geruch der Luft kurz vor dem Regen zu. Oder, wenn sie sich damit befasst, tut sie es, indem sie diese Dinge in Nummern verwandelt und verwandelt so das mit dem Riechen des Regens einig Sein in eine abstrakte Manipulation der chemischen Formeln des Ozons, und das Spüren des Regens in die intellektuelle Idee, die behauptet, dass Gefühle bloß eine von funkensprühenden Neutronen ausgelöste Illusion sind. Die Nummer selbst ist keine Wahrheit, sondern bloß die Entscheidung für einen Gedankenstil. Wir haben uns für eine geistige Gepflogenheit entschieden, die unsere Aufmerksamkeit in eine Welt hinein fokussiert, die aus der Wirklichkeit beseitigt wurde und wo nichts eine völlig eigene Qualität oder Bewusstheit oder ein völlig eigenes Leben hat. Wir haben uns dazu entschieden Leben in Tod zu verwandeln. Sorgfältiges wissenschaftliches Denken wird zugeben, dass das, was sie studieren, eine begrenzte Simulierung der wirklichen und komplexen Welt ist, und viele von ihnen erklären, dass dieser begrenzte Fokus selbsternährend ist, und dass er vollständig kooperierende technologische, wirtschaftliche und politische Systeme konstruiert hat, die unsere gesamte Wirklichkeit verschlucken. So begrenzt die Welt der Zahlen auch ist, die wissenschaftliche Methode lässt nicht einmal alle Zahlen zu - sondern nur diejenigen, die reproduzierbar, voraussehbar und für alle Beobachtenden gleich sind. Selbstverständlich ist die Wirklichkeit selbst nicht reproduzierbar und dasselbe gilt auch für alle BeobachterInnen. Und doch sind es von der Wirklichkeit abgeleitete fantastische Welten. Die Wissenschaft hört nie auf, uns in eine Welt der Träume zu drängen - und nicht genug damit, sie geht sogar noch einen Schritt weiter und macht aus dieser Welt der Träume einen Albtraum mit nach Voraussehbarkeit, Kontrollierbarkeit und Uniformität selektionierten Inhalten. Jegliche Überraschung und Sinnlichkeit wird vereitelt. Wegen der Wissenschaft werden Bewusstseinszustände, die nicht zuverlässig zum vornherein festgelegt werden können, als ungesund oder höchstens als "nichtordinär" eingeordnet und verbannt. Anomale Erfahrungen, Ideen und Leute, alles wird verbannt oder wie ungenau konstruierte Maschinenteile zerstört. Wissenschaft ist bloß eine Äußerung und eine Wahrnehmungsweise, die aus dem Drang zur Kontrolle heraus entsteht. Diese zwanghafte Sucht nach Kontrolle ist uns mindestens von da an eigen, als wir begannen Felder zu bestellen und Tiere in Gehege einzusperren, anstatt die weniger voraussehbare (aber reichhaltigere) Welt der Wirklichkeit, das heißt die "natürliche" Welt, zu durchstreifen. Und von da an bis heute hat dieser Zwang jede Entscheidung, was nun als "Fortschritt" zu gelten hat, bestimmt, bis wir auf die genetische Rekonstruktion des Lebens heruntergekommen sind.

Das Problem der Technologie

Die gesamte grüne Anarchie stellt Technologie auf irgend einer Ebene in Frage. Einerseits gibt es jene, die sich darauf beschränken den Begriff "grüne" oder "angemessene" Technologie vorzuschlagen und als Vernunftmenschen versuchen sie sich an einigen Formen der Abrichtung festzuklammern. Der große Teil aber lehnt Technologie vollständig ab. Technologie ist mehr als Kabellitzen, Kabel, Plastik und Stahl. Es ist ein komplexes System, das Arbeitsteilung, Rohstoffextraktion und Ausbeutung zugunsten derjenigen umfasst, die sie implementieren. Alle Schnittstellen und Ergebnisse der Technologie sind immer eine entfremdete, vermittelte und verzerrte Wirklichkeit. Trotz dem Anspruch der postmodernen Apologie und anderweitiger Technophilie, ist Technologie nicht neutral. Der Technologie sind die Werte und Ziele von denen immer innewohnend und anhaftend, die sie produzieren und kontrollieren. Viele Aspekte unterscheiden sie von den einfachen Werkzeugen. Ein einfaches Werkzeug bedeutet eine zeitlich beschränkte Verwendung eines Elementes, das die uns umgebende Welt zur Verfügung stellt und das für eine besondere Aufgabe eingesetzt wird. Werkzeuge erfordern keine komplexen Systeme, die jene entfremden, die sie zum eigenen Tun verwenden. Diese Trennung hingegen ist der Technologie innewohnend und schafft eine krankhafte und vermittelte Erfahrung, die zu verschiedenen Formen von Autorität führt. Immer, wenn eine "zeitsparende" Technologie erschaffen wird, wächst die Herrschaft, weil zwangsweise wiederum neue Technologie gebaut werden muss um die ursprüngliche Technologie unterstützen, mit Brennstoff versorgen, erhalten und reparieren zu können. Das hat schnell zur Einführung eines komplexen technologischen Systems geführt, das ein Leben zu haben scheint, das von den Menschen, die es erschaffen haben, unabhängig zu sein scheint. Die Abfallprodukte der technologischen Gesellschaft vergiften unsere materielle und psychische Umwelt. Die Maschine raubt uns unser Leben um es in ihren Dienst zu stellen und der toxische Abfall brennt - und so erstickt sie uns. Nun ist es soweit, dass Technologie sich mit einer Dynamik selbst reproduziert, die einer düsteren Selbstbewusstheit nahekommt. Die technologische Gesellschaft ist eine weltweit verbreitete Infektion, die vom Eigenimpuls eiligst eine neuartige Umwelt einzurichten beschleunigt wird: eine Umwelt, die einzig und allein für die mechanische und expansionistische Wirksamkeit der Technologie vorgesehen ist. Das technologische System zerstört, eliminiert und unterwirft die natürliche Welt methodisch, indem es einen irdischen Globus erbaut, der ausschließlich maschinengerecht ist. Das Ideal, für welches das technologische System kämpft, ist die Mechanisierung von allem, was es begegnet.

Produktion und Industrialismus

Ein Schlüsselelement der modernen technokapitalistischen Struktur ist der Industrialismus, das mechanisierte Produktionssystem, das auf zentralisierter Macht und Ausbeutung der Leute und der Natur aufgebaut ist. Industrialismus kann ohne Genozid, Ökozid (Anm. d. Red.: Übersetzt vom englischen "Ecocide". Gemeint ist damit wohl die "Ausrottung einer Menschengruppe und/oder anderer Lebewesen durch die Zerstörung derer natürlichen Lebensgrundlage.") und Kolonialismus nicht leben. Ihn aufrecht zu erhalten bedeutet Dinge wie Zwang, Ausraubung der Erde, Zwangsarbeit, kulturelle Vernichtung, Assimilierung, ökologische Verwüstung und globalen Handel als notwendig oder sogar willkommen zu akzeptieren. Indem sie jegliches Leben standardisiert, verdinglicht und kommerzialisiert, betrachtet die Industrialisierung alles Leben als potentielle Ressource. Eine Kritik des Industrialismus ist eine natürliche Fortführung der anarchistischen Kritik des Staates, weil Industrialismus inhärent autoritär ist. Um eine industrielle Gesellschaft zu erhalten, müssen Ländereien erobert und kolonisiert werden um (im allgemeinen) nicht erneuerbare Ressourcen zur Schmierung und Brennstoffversorgung der Maschinen zu beschaffen. Diese Kolonisierung wird durch Rassismus, Sexismus und kulturellen Chauvinismus rationalisiert. Im Vorgang der Beschaffung von Ressourcen müssen die Leute vom eigenen Land vertrieben werden. Und um die Menschen dazu zu zwingen in den maschinenproduzierenden Fabriken zu arbeiten, müssen sie versklavt, abhängig gemacht oder auf andere Weise dem zerstörerischen, toxischen und erniedrigenden industriellen System unterworfen werden. Industrialismus kann ohne massive Zentralisierung und Spezialisierung nicht existieren: Klassenherrschaft ist ein Instrument des industriellen Systems, das den Personen den Zugang zu den Ressourcen und zum Wissen verwehrt, um sie so machtlos und leicht ausbeutbar zu machen. Dazu, um die eigene Existenz zu verewigen, erfordert der Industrialismus die Einschiffung der Ressourcen von allen Himmelsrichtungen her und diese Globalisierung korrumpiert jegliche lokale Selbstversorgung und Autonomie. Es ist die dem Industrialismus darunterliegende mechanizistische Anschauung. Es ist die gleiche Weltanschauung, die Sklaverei, Ausrottungen und Unterjochung der Frau gerechtfertigt hat. Es sollte wohl sonnenklar sein, dass Industrialismus nicht bloß für die Menschheit unterdrückerisch ist, sondern dass seine ökologische Zerstörungskraft ebenso grundlegend ist.

Nach der Linken

Unglücklicherweise fahren viele AnarchistInnen fort, als Linke angesehen zu werden und sich für solche zu halten. Diese Tendenz ist im Zuge sich zu verändern, im Sinne, dass in der postlinksorientierten und antizivilisatorischen Anarchie ein Beginn der Klärung des Unterschiedes zwischen eigener Perspektive und dem Bankrott der liberalen und sozialistischen Orientierungen stattfindet. Nicht bloß die Linke selbst hat bewiesen ein monumentales Scheitern in der Verfolgung der eigenen Ziele zu sein, sondern es ist auch historisch und von der zeitgenössischen Praxis und vom ideologischen Aufbau her offensichtlich, dass die Linke (obwohl sie sich als altruistisch und als Vertreterin der Freiheit vorstellt) aktuell die Antithese der Befreiung ist. Die Linke hat Technologie, Produktion, Organisation, Darstellung und Stellvertretung, Entfremdung, Autoritarismus, Moralität oder Fortschritt nie radikal in Frage gestellt. Und immer noch hat sie zur Ökologie, zur Autonomie oder zum Individuellen nichts Sinnvolles zu sagen. Der Ausdruck "links" ist generell und eine grobe Umschreibung aller sozialistischen Tendenzen (Sozialdemokratie bis Liberalismus, Maoismus bis Stalinismus), welche die Massen in einem "progressistischeren" Programm "resozialisieren" möchten, und das oft mit Ansätzen, die zur Bildung einer falschen "Einheit" oder von politischen Parteien Zwang und Manipulierung vorsehen. Während die Methoden oder Mittel zur Implementierung verschieden sein können, ist der Antrieb in der Regel derselbe und besteht in der Einführung einer auf die Moralität gegründeten Anschauung einer kollektivisierten und monolithischen Welt. (Mehr über die grünanarchistische Anschauung der Linken in: "Back to the Basics Volume Two: The Problem of the Left ")

Gegen die Massengesellschaft

Ein großer Teil der AnarchistInnen und der "RevolutionärInnen" gibt eine konsistente Portion ihrer Zeit aus, um für eine große Anzahl von Personen gedachte Mechanismen und Schemas zur Produktion, Verteilung, Zuteilung und Kommunikation auszuarbeiten, anders gesagt, für die Funktionierung einer komplexen Gesellschaft. Aber nicht jedeR AnarchistIn akzeptiert diese Voraussetzung für die globale (oder gar regionale) gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Koordinierung oder Interdependenz oder der zu ihrer Verwaltung notwendigen Organisierung. Aus praktischen und philosophischen Gründen lehnen wir die Massengesellschaft ab. Vor allem lehnen wir die inhärente und notwendige Darstellung/Stellvertretung für eine Funktionierung, die außerhalb der direkten Erfahrung (was komplett dezentralisierte Lebensweisen bedeutet) steht, ab. Wir wollen keine Gesellschaft leiten und auch keine andere organisieren. Wir wollen ein völlig anderes Bezugssystem. Wir wollen eine Welt, wo jede Gruppe selbstständig ist und selbst entscheidet wie sie lebt und wo alle Interaktionen auf Affinität, Freiheit und Offenheit basieren und nicht zwangsmäßig sind. Wir wollen ein gelebtes und kein befohlenes Leben. Die Massengesellschaft kollidiert auf brutale Art nicht bloß mit der Autonomie und dem Individuum, sondern auch mit der Erde. Es ist schlicht nicht nachhaltig (wie die Extraktion der Ressourcen und der Kommunikationssysteme, die für jedes globale Wirtschaftssystem notwendig sind) wie bis jetzt fortzufahren oder sich zur Findung von Projekten einzusetzen, die zu einer Massengesellschaft alternativ sind. Nochmals, eine radikale Dezentralisierung scheint der Schlüssel zur Autonomie und zur Verwirklichung von nachhaltigen und nicht hierarchischen Lebenserhaltungsmethoden zu sein.

Befreiung vs. Organisation

Wir sind Wesen, die für einen tiefen und totalen Bruch mit der zivilisierten Ordnung kämpfen, wir sind AnarchistInnen, die eine von Einschränkungen freie Freiheit wünschen. Wir kämpfen für Befreiung, für eine dezentralisierte und unvermittelte Beziehung mit unseren Umgebungen und mit allen, die wir lieben und mit denen wir Affinitäten teilen. Organisationsmodelle bescheren uns bloß noch mehr von der immer gleichen Bürokratie, Entfremdung und Kontrolle, genau wie sie uns dermaßen hold vom aktuellen System verabreicht werden. Mit allen ab und zu bestehen mögenden guten Absichten, das organisatorische Modell kommt jedenfalls von einer eigentlich patriarchalischen und misstrauischen Mentalität, die in klarem Gegensatz zur Anarchie erscheint. Echte Affinitätsbeziehungen ergeben sich aus Beziehungen, die auf tiefem gegenseitigen Verständnis der intimen und alltäglichen Lebensbedürfnisse gründen, und nicht aus Beziehungen, die auf Organisationen, Ideologien oder abstrakte Ideen vertrauen. Da sie sowohl den Widerstand als auch die Ansichten zu standardisieren versuchen, ist es für Organisationsmodelle typisch, die individuellen Bedürfnisse und Wünsche "zum Wohle der Kollektivität" zu unterdrücken. Bei Parteien, Plattformen oder Bünden scheint es so zu sein, dass im Verhältnis zum Wachstum des Projektes sich dessen Sinn und Relevanz für das eigene Leben verkleinert. Organisationen sind Mittel um Kreativität in Stabilität zu verwandeln, den Dissens zu kontrollieren und "konterrevolutionäre Erscheinungen" zu reduzieren (wohlverstanden definiert von den Eliten, den Kadern oder der Leadership der Organisationen). Typisch ist, dass sie eher auf Quantität als auf Qualität gründen und für die Unabhängigkeit des Denkens und Handelns wenig Raum bieten. Die informalen und auf Affinität gegründeten Vereinigungen haben die Tendenz, die Entfremdung der Entscheidungen und Vorgänge auf ein Minimum zu senken und sie beschränken die Vermittlung zwischen unseren Wünschen und Handlungen. Beziehungen zwischen Affinitätsgruppen sind eher organisch und zeitlich beschränkt als starr und festgelegt.

Revolution vs. Reform

Als AnarchistInnen sind wir grundlegend gegen jede Regierung und gleichermaßen gegen jede Art der Kollaboration oder Vermittlung mit dem Staat (und mit hierarchischen oder Kontrollinstitutionen). Diese Position bestimmt eine gewisse strategische Kontinuität oder Richtung für das, was geschichtlich Revolution genannt wird. Dieser Begriff, obwohl von verschiedenen Ideologien und Agenden verfälscht, verwässert und kooptiert, kann für die anarchistische und anti-ideologische Praxis immer noch einen Sinn haben. Unter Revolution verstehen wir einen konstanten Kampf mit dem Ziel einer grundlegenden Veränderung der sozialen und politischen Landschaft; für uns AnarchistInnen heißt das vollständigen Abbau. Das Wort "Revolution" hängt sowohl von der Position der Person ab, an die es gerichtet wird, als auch von dem, was als "revolutionäre" Handlung definiert wird. Nochmals, für uns AnarchistInnen stellt sie die Aktivität dar, welche die totale Auflösung der Macht zum Ziel hat. Im Gegensatz dazu richtet die Reform jegliche Aktivität oder Strategie darauf aus, selektiv Elemente des aktuellen Systems auszubessern, zu verändern oder zu erhalten und verwendet dazu typischerweise diesem System angehörende Methoden oder Apparate. Die Ziele und Methoden der Revolution können nicht vom System diktiert werden und auch nicht in dessen Kontext angewendet werden. Für uns AnarchistInnen berufen sich Revolution und Reform auf unvereinbare Methoden und Ziele und, trotz gewisser anarcholiberalistischer Ansätze, können sie nicht im gleichen räumlichen und zeitlichen Kontinuum existieren. Für die antizivilisatorischen AnarchistInnen stellt revolutionäre Aktivität das gesamte System und Paradigma der Zivilisation in Frage, fordert sie heraus und arbeitet für deren Abbau. Folglich ist Revolution kein einzelnes und weit entferntes Geschehnis, das es für das Volk aufzubauen oder vorzubereiten gilt, sondern eine Lebensweise oder eine Praxis um sich Situationen gegenüber zu verhalten.

Der Mega-Maschine widerstehen

AnarchistInnen allgemein und die grünen insbesondere bevorzugen die direkte Aktion und stellen sie über symbolischen oder vermittelten Widerstand. Unterschiedliche Methoden oder Ansätze, mit dabei kulturelle Subversion, Sabotage, Aufstand, politische Gewalt (wenn auch nicht auf solche beschränkt) waren und bleiben Teil des anarchistischen Angriffarsenals. Keine dieser Taktiken kann effektiv und bedeutend die laufende Ordnung oder Flugbahn verändern, aber diese Methoden sind, mit einer konstanten und transparenten sozialen Kritik kombiniert, wichtig. Der Umsturz des Systems kann subtil bis dramatisch ablaufen und so ein wichtiges Element des physischen Widerstandes sein. Sabotage war schon immer ein lebenswichtiger Teil anarchistischer Aktivität, sowohl in der Form des spontanen Vandalismus (öffentlich oder nächtlich) oder einer illegaleren und klandestineren Koordinierung mit der Bildung von Zellen. Kürzlich haben Gruppen wie Earth Liberation Front, eine radikale ökologische Gruppe, die aus autonomen Zellen besteht und jene angreift, die von der Zerstörung der Erde profitieren, korporativen und amtlichen Strukturen, Banken, Holzverarbeitungsmaschinen, Gentechlabors, SUVs und Luxuswohnungen Schäden in Millionenhöhe ($) zugefügt. Diese Aktionen, oft Brandanschläge, die oft von artikulierten BekennerInnenschreiben begleitet sind und die Zivilisation anprangern, haben andere zum Handeln inspiriert und sind wirkungsvolle Mittel, nicht bloß um die Aufmerksamkeit über den Niedergang der Umwelt zu erregen, sondern auch als Abschreckung gegenüber einzelnen Umweltzerstörern. Die aufständische Aktivität, das heißt die Vermehrung von Momenten, die Brüche im sozialen Frieden verursachen können, in denen die spontane Wut der Leute ausgelöst und möglicherweise bis zur Annahme von revolutionären Zügen ausgeweitet werden kann, ist folglich in einer wachsenden Phase. Die Riots von Seattle 1999, Prag 2000 und Genua 2001 sind alle (auf verschiedene Arten) Funken aufständischer Aktivität, die, wenn auch in den Zwecken beschränkt, als Versuche betrachtet werden können, sich Richtung Aufstand und Bruch mit dem Reformismus und dem gesamten Sklavensystem zu bewegen. Die politische Gewalt, die den Angriff auf Individuen mit einbezieht, die für spezifische zur Unterdrückung führende Entscheidungen und Aktivitäten verantwortlich sind, war historisch ein zentraler Punkt für die AnarchistInnen. Zuletzt noch, in Anbetracht der immensen Wirklichkeit und durchdringenden Fähigkeit des Systems (sozial, politisch, technologisch), ist der Angriff auf das technische Netzwerk und die Infrastruktur der Megamaschine für die antizivilisatorische Anarchie bedeutungsvoll. Abgesehen von den Methoden und der Intensität, sind die mit einer vertieften Analyse der Zivilisation verbundenen militanten Aktionen immer häufiger.

Notwendigkeit der (Selbst-)Kritik

In dem Maße, in dem der Marsch Richtung globale Zerstörung weitergeht und die Gesellschaft immer krankmachender wird, wir die Kontrolle über unsere Leben immer mehr verlieren und wir in der Bildung eines bedeutenden Widerstandes gegen die Todeskultur scheitern, ist es lebenswichtig, dass wir den "revolutionären" Momenten der Vergangenheit, den aktuellen und zukünftigen Kämpfen und unseren eigenen Projekten gegenüber sehr kritisch sind. Wir können die Fehler der Vergangenheit nicht andauernd wiederholen oder gegenüber unseren Mängeln blind sein. Die radikale ökologische Bewegung ist randvoll von Kampagnen, die von Einzelpersonen geführt werden, und von symbolischen Gesten, dazu leidet die anarchistische Szene auch noch unter der Geißel der linksorientierten und liberalen Tendenzen. Diese Tendenzen fahren fort, sich mit "aktivistischen" und eher sinnlosen Aktionen abzugeben und selten kommt es dazu, dass die eigene Wirkung(slosigkeit) richtig eingeschätzt wird. Oft sind es eher Schuldgefühle und Selbstaufopferung als Selbstbefreiung und Freiheit, welche diese von sozialem Philanthropismus durchdrungenen Leute leitet, wenn sie einen abgedroschenen, nunmehr schon durch die vor den ihrigen stattgefundenen Niederlagen ausgereizten Weg beschreiten. Die Linke ist eine offene Eiterbeule auf dem Hintern der Menschheit, der Umweltschutz hat nicht ein einziges Winkelchen wilder Gegenden erhalten können, und die AnarchistInnen haben sehr selten etwas Anregendes zu sagen, und anregend Handeln tun sie noch seltener. Es könnte sich diese oder jener dem Kritizismus entgegenstellen, weil er "teilt". Aber jede wirklich radikale Perspektive würde sich der Notwendigkeit einer kritischen Prüfung der Veränderungen in unseren Leben und der Welt, die wir bewohnen, bewusst werden. Jene, die wünschen jede Kritik bis "nach der Revolution" zu unterdrücken, jede Diskussion im Bereiche des vagen und bedeutungslosen Geschwätzes einzudämmen und die Kritik der Strategie, der Taktik und der Ideen abzuwürgen, kommen nirgendwo hin und können uns nur behindern. Ein essentieller Aspekt jeder radikalen anarchistischen Perspektive muss die Infragestellung aller Dinge sein, selbstverständlich die eigenen Ideen, Projekte und Aktionen miteingeschlossen.

Einflüsse und Solidarität

Die grünanarchistische Perspektive ist unterschiedlich und offen, enthält aber trotzdem einige primäre Elemente der Kontinuität. Sie ist vom Anarchismus, Primitivismus, Luddismus, Insurrektionalismus, Nihilismus, Surrealismus und von der Tiefenökologie, vom Situationismus, Bioregionalismus, Ökofeminismus, von verschiedenen indigenen Kulturen, von den antikolonialen Kämpfen, vom Wilden, Verwilderten und von der Erde beeinflusst worden. Der Anarchismus trägt selbstverständlich mit dem antiautoritären Antrieb bei, der jede Macht gründlich herausfordert, indem er für ein wirklich egalitäres Verhältnis kämpft und die Gemeinschaft der gegenseitigen Unterstützung fördert. In der Überwindung der traditionellen anarchistischen Analyse weitet die grüne Anarchie jedoch die Idee der Herrschaftslosigkeit auf jedes Leben und nicht bloß auf das menschliche aus. Vom Primitivismus hat die grüne Anarchie die Informationen übernommen, die von einer kritischen und anregenden Anschauung der Ursprünge der Zivilisation her kommen, die zum Verständnis beitragen, was nun dieses Schlamassel ist und wie wir soweit gekommen sind, und die zur Suche nach einem Richtungswechsel beitragen. Vom Luddismus inspiriert, wiederbelebt die grüne Anarchie eine Tendenz zur antitechnologischen und antiindustriellen direkten Aktion. Der Insurrektionalismus inspiriert eine Perspektive, die nicht die perfekte Ausarbeitung einer glasklaren Kritik abwartet, sondern die heutigen Institutionen der Zivilisation, die an sich unsere Freiheit und Wünsche in Ketten legen, identifiziert und spontan angreift. Die antizivilisatorische Anarchie übernimmt viele Dinge vom Situationismus, wie etwa seine Kritik der entfremdenden Warengesellschaft, der wir uns entziehen können, indem wir uns von neuem mit unseren unvermittelten Träumen und Wünschen verbinden. Die nihilistische Ablehnung der Annahme ausnahmslos aller Elemente der aktuellen Wirklichkeit, ist sich der zutiefst unheilbaren Krankheit dieser Gesellschaft bewusst und bietet der grünen Anarchie eine Strategie an, der das Bedürfnis fremd ist der Gesellschaft Visionen anzubieten, um sich im Gegenteil auf deren Zerstörung zu konzentrieren. In Ablehnung ihrer menschenfeindlichen Tendenzen, bietet die Tiefenökologie der grünanarchistischen Perspektive ein Verständnis der Tatsache an, dass das Wohlbefinden für jedes Leben mit der Bewusstheit verbunden ist, dass, abgesehen vom Gebrauchswert, jedes nichtmenschliche Leben seinen eigentlichen Wert besitzt. Die Wertschätzung des Reichtums und der Verschiedenheit des Lebens seitens der Tiefenökologie trägt zum Verständnis bei, dass die aktuelle Einmischung ins Nicht-Menschliche zwangsausübend und exzessiv ist, und dass die Lage sich schnell verschlechtert. Der Bioregionalismus trägt mit der Perspektive des Lebens in der eigenen Bioregion mit einer intimen Verbindung zum Boden, zum Wasser, zum Klima, zu den Pflanzen, zu den Tieren und zur allgemeinen Struktur der eigenen Bioregion bei. Der Ökofeminismus hat einen Beitrag zum Verständnis der Wurzeln, Abläufe und Erscheinungen der patriarchalischen Wirklichkeit und ihren Auswirkungen auf die Erde, vor allem auf die Frauen und allgemein auf die Menschenwesen, geleistet. In jüngerer Zeit wurde die zerstörerische Trennung der menschlichen Wesen von der Erde (die Zivilisation) wahrscheinlich von den Ökofeministinnen am klarsten und intensivsten artikuliert. Die antizivilisatorische Anarchie ist von den verschiedenen indigenen Kulturen und Völkern, die historisch gesehen und immer noch in tiefer Harmonie mit der Erde leben, zutiefst beeinflusst worden. Wenn wir demütig nachhaltige Überlebenstechniken und gesündere Arten der Wechselbeziehung mit dem Leben lernen und annehmen, ist es wichtig nicht alles über einen Kamm zu scheren oder die eingeborenen Leute und ihre Kulturen zu verallgemeinern, sondern wichtig ist, ihre Verschiedenheit zu achten und verstehen zu versuchen, ohne ihre kulturellen Identitäten und Eigenschaften zu kooptieren. Wenn wir versuchen die Todesmaschine abzubauen sind Solidarität, Unterstützung und der Versuch uns mit den Eingeborenenkämpfen und den Kämpfen gegen die Kolonisation zu verbinden, die in der Vergangenheit die Fronten des Kampfes gegen die Zivilisation darstellten, wesentlich. Genauso wichtig ist es zu verstehen, dass wir alle Nachfahren von Leuten sind, die mit der Erde ein harmonisches Leben führten, dass diese Leute gewalttätig von dieser Verbindung getrennt wurden und sie so am antikolonialistischen Kampf beteiligt waren. Wir finden auch Inspiration im Wilden und von denen, die aus der Domestizierung ausgebrochen sind und sich wieder in die wilde Welt eingefügt haben. Und selbstverständlich von den wilden Wesen, die diesen wunderbaren blauen und grünen Organismus bilden, der Erde genannt wird. Genau so wichtig ist es, daran zu erinnern, dass, wenn auch viele grüne AnarchistInnen von solchen Quellen inspiriert werden, grüne Anarchie eine äußerst persönliche Angelegenheit für alle ist, die sich mit diesen Ideen und Aktionen identifizieren oder verbinden. Die Perspektiven, die der eigenen Lebenserfahrung inmitten der Todeskultur (Zivilisation) entwachsen und die eigenen, dem Abrichtungsprozess fremden Wünsche sind letztlich die intensivsten und wichtigsten Dinge im Entzivilisierungsprozess.

Verwilderung und Wiederverbindung

Viele Leute der grünen, antizivilisatorischen, primitivistischen Anarchie haben die Verwilderung und Wiederverbindung mit der Erde als Lebensprojekt. Das ist nicht bloß eine auf intellektuelles Erfassen oder auf die Anwendung primitiver Geschicklichkeiten beschränkte Frage, sondern ist vor allem ein tiefes Verständnis der durchdringenden Arten und Weisen, mit denen wir abgerichtet, fragmentiert und von unserem Sein, untereinander und von der Welt, verdrängt wurden, es ist ein tiefes Verständnis der Enormität und der Alltäglichkeit der Bedeutung des Unternehmens, wieder integer zu werden. Auswilderung hat ein physisches Element, welches das Bekenntnis zu Geschicklichkeiten und zur Entwicklung von Methoden zur nachhaltigen Koexistenz mit einschließt, wozu auch gehört wie wir uns mit den Pflanzen, den Tieren und den Materialien ernähren, beschützen und heilen, die natürlicherweise in unserer Bioregion leben. Es schließt auch den Abbau der physischen Erscheinungen, der physischen Apparate und Infrastruktur der Zivilisation mit ein. Verwilderung hat eine gefühlsmäßige Komponente, die, indem wir in nicht hierarchischen und nicht unterdrückerischen Gemeinschaften zusammenzuleben lernen und die domestizierende Mentalität unserer sozialen Strukturen abbauen, die eigene Heilung und die Heilung der uns Nahestehenden von den tiefen Wunden mit einschließt, die uns im Verlaufe von 10'000 Jahren zugefügt wurden. Verwilderung schließt mit ein: direkte Erfahrung vorrangig werden zu lassen, Leidenschaft anstatt Vermittlung und Entfremdung, das Überdenken eines jeden Aspektes und eines jeden Ablaufes unserer Wirklichkeit, schließt die Wiederverbindung mit unserem angeborenen wilden Grimm in der Verteidigung unserer Leben und im Kampfe für eine befreite Existenz mit ein, indem wir ein größeres Vertrauen in unsere Intuition entwickeln, die Verbindung zu unseren Instinkten verstärken und jenes Gleichgewicht wiedererobern, das nach Jahrtausenden der patriarchalischen Kontrolle und Abrichtung praktisch zerstört wurde. Wieder wild zu werden ist der Vorgang der Entzivilisierung.

(Für einen vertiefenden Blick in die Wiederverbindung mit unserem wilden Ich und den primitiven Fähigkeiten siehe, "Back to the Basics Volume Three: Rewilding")

Für die Zerstörung der Zivilisation! Für die Wiedervereinigung mit dem Leben!