2007-03:Gentechnik-Kritik Jahresbilanz 2007

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Gentechnik-Kritik I: Die Propaganda der Tat

Seit zwei Jahren nimmt die Zahl direkter Aktionen gegen die Agro-Gentechnik deutlich zu. Ausgelöst offensichtlich durch erste öffentliche Aktionen im Jahr 2005 kam es zu einem Wiederaufleben der Idee von Feldbesetzungen und Feldbefreiungen, die Mitte der 90er Jahre schon wesentlich zur kritischen Öffentlichkeit gegenüber der Grünen Gentechnik beigetragen hatten. Zur Bilanz des Jahres 2007 gehören zudem erste Gerichtsprozesse und weitere öffentliche Aktionen. Noch sind vor allem die Mon810-Maisfelder noch in der Landschaft zu finden - für eine erste Jahresrückschau ist das Geschehene aber ausreichend. Die kleine Reihe von Texten zur Gentechnikkritik beginnt in dieser Ausgabe mit einer Erntebilanz. Weitere Texte sollen zur Gentechnikkritik aus herrschaftskritischer Sicht (bislang sehr unterentwickelt gegenüber ökologischen und gesundheitlichen Aspekten) und zu Organisationsformen des Widerstandes erscheinen.


Vorläufige Jahresbilanz 2007

Der Aktionsreigen 2007 begann im Warmen... das Amtsgericht Zehdenick urteilte am 11. Januar 2007 nacheinander die angeklagten AktivistInnen der 2006er Aktion "Gendreck-weg" ab. Rund um diesen ersten Prozess gegen FeldbefreierInnen kam es zu Aktionen. Bilanz: Farblich umgestaltete Straßen und Gerichtswände voller Parolen gegen die Gentechnik und eine interessengeleitete Justiz, vielfach leider sehr defensive Angeklagte, Aburteilungen im Schnelldurchlauf mit niedrigen Strafen (meist 10 Tagessätze). Mehr unter www.de.indymedia.org/2007/01/166111.shtml. Kurz danach, am 18.1.2007, folgte der Prozess des Imkers Michael Grolm gegen die einstweiligen Verfügungen von Monsanto.

Den ersten Erfolg bescherte auch schon der Januar: Monsanto plante einen neuen Versuchs-Maisacker in der Nähe von Kassel, doch Protest regte sich (FR, 25.1.2007, S. 30). Goliath (Monsanto) sagte kleinlaut das Ding ab. Die nächste Aktion folgte im Februar 2007 in Köln: "Gen-VerkäuferInnen aufs Dach steigen" hieß die Besetzung bei REWE.

Der nächste Schauplatz hieß Gießen. Hier startete ein sich in der Eigenpropaganda zunächst als gentechnikkritisch darstellendes Team unter Prof. Kogel schon 2006 einen dreijährigen Versuch mit transgener Gerste. Teile des Versuchs wurden damals in einer spektakulären Feldbefreiung am Freitag vor Pfingsten zerstört (www.gendreck-giessen.de.vu). Am 28.3.2007 geschah etwas, was am Ende so einige Fragen aufwarf: Nachmittags rief die Frankfurter Rundschau in der Projektwerkstatt an. Bei der Zeitung war ein Brief eingegangen (offenbar bei anderen Zeitungen auch und beim Versuchschef Prof. Kogel), dass eine unbekannte Gruppe den Standort des Genversuches verseucht habe. Der Journalist berichtete noch, dass auch Prof. Kogel den Brief erhielt und nach flüchtigem Gucken auf die Fläche befand: Is nix. Untersucht wurde nichts – und so stellte sich die Frage, warum der Leiter eines so teuren und von ihm selbst als wichtig eingestuften Versuchs so reagierte. Sollte der Boden wirklich verseucht worden sein, wäre gerade das untersuchte Bodenleben verändert worden und der Versuch nicht mehr durchführbar. Doch statt das zu prüfen, wurde hektisch wenige Stunden später ausgesät. Seitdem ist mehr unklar denn je: Wird überhaupt das untersucht, was behauptet wird? Oder laufen ganz andere Experimente??? Kogel legte noch einen drauf: Am gleichen Tag behauptete er sogar, dass der Gengersteversuch bereits das gewünschte Ergebnis gebracht hätte: Gentechnik sei sicher. Offiziell läuft der Versuch drei Jahre - Kogel aber verkündete schon nach dem ersten Jahr das Ergebnis, obwohl das Feld zusätzlich teil-zerstört wurde!!! Was wird auf Genversuchsfeldern wirklich geforscht? Wieweit sind entweder die Versuchsziele nur vorgeschoben, um andere Ziele und Geldgeber zu verschleiern, oder die Versuche nur eine Attrappe, um mit den frei erfundenen Ergebnissen Zulassungen für Gentec-Saatgut zu erreichen? Gilt dieser Zweifel nur für Gießen oder sind alle Freisetzungen nur eine Show, hinter der andere Versuche oder Interessen verborgen werden?

Dann der April 2007: Viele Jahre nach der letzten Besetzung eines Genfeldes kam es zu einem neuen Versuch – spektakulär, aber erfolglos. Besetzt werden sollte ein Feld in der wohl teuersten Genversuchszone der Republik - den Experimenten des Gründerzentrums für profitorientiertes Schnippeln an Lebensmittel-Zellkernen in Groß Lüsewitz. Nach mehrmontiger Vorbereitung montierten AktivistInnen in der Nacht vom 11. auf den 12. April einen großen Turm und viele Blockaden auf der kurz vor der Einsaat stehenden Fläche. Durch kleine Pannen und viel Pech scheiterte die Feldbesetzung knapp (www.de.indymedia.org/2007/04/173117.shtml), die Polizei entdeckte die fast fertigen Bauten und verjagte die BastlerInnen. In den Tagen danach folgten trotzdem vielfältige Aktionen in und um Groß Lüsewitz: Eine Schornsteinbesteigung am AgroBioTechnikum, Gespräche mit der Bevölkerung und Aktionen im Dorf. Das Ag(g)roBioTechnikum musste die Kartoffelfläche verlegen und säte aus. Wenig später traf ein Farbanschlag das Gebäude und eine Feldzerstörung die Kartoffeln - trotz Bewachung rund um die Uhr. Die TäterInnen blieben unbekannt - und damit auch ihr Wissen, wie sie das Kunststück geschafft hatten ...

  • Extra-Seite zu dem Feldbesetzungsversuch: www.gentech-weg.de.vu/
  • Ausstellung zum Verlauf der Aktionen als PDF: www.projektwerkstatt.de/gen/downloads/ausstell_luesewitz.pdf

Am 21.5.2007 folgte eine Demo in Gatersleben - Menschen mit mehr Widerstandskraft als dem friedlichen Herumlatschen waren von den Demo-OrganisatorInnen per Anweisung auf dem Einladungsflugblatt ausgeladen. Vielleicht nahmen einige das wörtlich und suchten sich ein anderes Ziel: In der Nacht vor der Demo wurde das erste Maisfeld dieses Jahres zerstört - eine Versuchsanlage der Uni Gießen mit verschiedenen Kreuzungen des Mon810-Mais. Die Pressemitteilung Polizei Mittelhessen am 21.05.2007 um 16:20 Uhr lautete: "Unbekannte Täter zerstörten in der Nacht zum Montag, dem 21.5.07 einen Großteil des Gen-Mais-Feldes der Uni Gießen Gemarkung Weilburger Grenze. Sie zerschnitten den Zaun des Grundstücks und hackten einen Großteil der Pflanzen aus. Die Kriminalpolizei ermittelt wegen Sachbeschädigung und Hausfriedensbruchs. Der Sachschaden ist bisher nicht zu beziffern. Ein Tatverdacht besteht nicht, die Ermittlungen dauern an." Wenige Tage später brachen Bundessortenamt und Uni Gießen den Versuch ab (www.projektwerkstatt.de/gen/befreiung07.htm).

Auch in Bokel bei Bremerhaven gibt es eine breite aktive Mobilisierung gegen das dortige gv-Maisfeld (Internetseite der BI: www.kein-gen-mais.de). Am 14.4. gab es die größte Demo mit Treckern und ca. 1000 Demonstrant_innen (Bilder auf der Seite der BI) - und das auf'm Dorf!!. Das Thema wurde breit in den lokalen Zeitungen aufgenommen.

In der Nacht von Pfingstmontag auf Dienstag zerstörten Unbekannte das gv-Mais-Feld (auf dem Hof von Fritz Stegen, Präsident der nieders. Landwirtschaftskammer, CDU). Zu dieser rundum erfolgreichen Aktion konnten wir nur noch gratulieren.

Für viele war der Landwirtschaftsaktionstag im Protestkalender zum G8-Gipfel ein Höhepunkt auch der Kritik an der Gentechnik. Doch wie viele andere Aktionen in und um Rostock zu dieser Zeit zeigte sich hier eher Masse statt Klasse. Der Aufruf zu großen Menschenansammlung hemmte offenbar Kreativität und Selbstorganisierung. Die Felder rund um Lüsewitz überstanden den Aktionstag dank Polizeibewachung und Angriffsschwäche der KritikerInnen unbeschadet. Trotz Beteiligung vieler fehlte dem Aktionstag zudem der Bezug zu anderen Aktivitäten, z.B. anderen Aktionen gegen Gentechnik.

Doch andernorts folgte es Schlag auf Schlag:

Die Zerstörung der High-Tech-gesicherten Anlage von Groß Lüsewitz blieb nicht allein. Ein zweites Mal gelang unbekannten Tätern das Kunststück - diesmal in Gießen: Kogel bekam die Quittung für seine Arroganz bei der Versuchsdurchführung (www.de.indymedia.org/2007/06/184814.shtml). „Das Feld mit gentechnisch veränderter Gerste ... ist in der vergangenen Nacht von unbekannten Tätern zum Teil zerstört worden.“ So begann die Universität Gießen ihre Presseinformation am 13.6.2007. Zuvor war das einem Hochsicherheitsbereich ähnelnde Feld von Unbekannten attackiert und offenbar erheblich beschädigt worden. Kein Täter wurde gefasst – trotz Security, Wachhund, Flutlicht, Kameraüberwachung und ständigen Polizeistreifen am Feld entlang. Mit der erneuten Attacke wurde zum dritten Mal seit 2006 ein Feld in Gießen zerstört. Gentechnikfreie Regionen können auf verschiedene Art entstehen (www.gendreck-giessen.de.vu).

Dann wieder eine Besetzung: Öko-Aktivisten eroberten ein Maisfeld bei Strausberg. Greenpeace zeigte einen Landwirt wegen illegalen Anbaus von Genmais an. Greenpeace und die Berliner Zeitung am 22.06.2007 berichteten. Und neue Feldzerstörungen, die nächste in Schleswig-Holstein mit Bonusaktion, einer Farbattacke auf die Landwirtschaftskammer (Bericht in: taz am 28.6.2007). Die absurdeste Feldzerstörung musste ein Gentech-Landwirt selbst vornehmen. Weil Großbauer Piprek zu dicht an ein Naturschutzgebiet heransäte, wurde er gerichtlich gezwungen, selbst mit dem Pflug die gefährliche Saat zu vernichten. Schließlich nahte die Pilgerfahrt der FeldbefreierInnen im deutschsprachigen Raum - mit Gästen aus Polen, Frankreich, Schweiz, Österreich usw.: das Gendreck-weg-Wochenende im Oderbruch (19.-22.7.2007). Schon vorher hängten Aktivistis ein Transparent vor dem Landwirtschaftsministerium auf (www.de.indymedia.org/2007/07/187288.shtml). Vor dem Aktionssonntag kam es zudem zu Feldbefreiungen unbekannter Nachtaktiver in der Umgebung des späteren Aktionsortes. Am Sonntag dann folgte die angekündigte Erstürmung eines Feldes (www.gendreck-weg.de).

Parallel ging es auch andersorts zur Sache. In der Nacht von 20. auf 21.7. wurden in MV zwei weitere Hektar Acker vom GVO-Dreck befreit (http://de.indymedia.org/2007/07/188576.shtml). Bei Gusow fiel das nächste Feld (http://de.indymedia.org/2007/07/189158.shtml). Und in der Nacht von Montag auf Dienstag nach dem Oderbruch-Wochenende haben Anti-Gentechnik-Aktivistis zwei Genmais-Versuchsfelder in Oberboihingen bei Stuttgart komplett zerstört (http://de.indymedia.org/2007/07/188993.shtml). Zusammengerechnet hatten die beiden Felder eine Größe von 2000qm gehabt. Freisetzer dieser Versuche war Monsanto Agrar Deutschland GmbH. So ging es weiter mit der nächsten Feldbefreiung (www.de.indymedia.org/2007/07/189238.shtml). Wobei im Südwesten, es war ein Saatzeitversuchder FH Nürtingen-Geislingen, auch gleich Strafanzeige erstattet wurde, die leider nicht angenommen wurde. Zeitlich parallel knickte es auch im Nordosten nochmals einige Maispflanzen um (http://de.indymedia.org/2007/07/189069.shtml). Kurz danach ging ein Hektar Mais in Drehsa (Ostsachen) verloren, Schilder gegen Gentechnik wurden am Ort errichtet (http://de.indymedia.org/2007/08/192637.shtml). Die Polizei in Magdeburg musste am 29. August feststellen: „Bislang unbekannte Täter zerstörten in der zurückliegenden Nacht im Hohendodeleber Weg in Magdeburg ein ca. 1 Hektar großes Genmaisfeld. Die Täter hatten zuvor den Zaun des in einzelne Parzellen aufgeteilten Feldes zerschnitten. Anschließend zerstörten sie acht Sorten von gentechnisch veränderten Maispflanzen, die dort im Mai dieses Jahres zu Versuchszwecken eingepflanzt worden waren. Der entstandene Schaden wird vorerst mit 35.000,- Euro beziffert.“ Nicht weit weg meldete ebenfalls die Polizei, diesmal von Stendal (5.9.2007): „Vier Parzellen mit einer Gesamtfläche von ca. 70 qm, die mit gentechnisch verändertem Mais bestellt waren wurden durch Unbekannte, offenbar gezielt, verwüstet. Bei der Anpflanzung handelte es sich um einen genehmigten Freifeldversuch der Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau.“ Auf Wikipedia hat der Begriff "Feldbefreiung" nun eine eigene Seite ... Zwischendurch wechselte die Bühne - die GenpfuscherInnen und ihre Labore kamen ins Visier der handgreiflichen Kritik: DPA und einige Zeitungen wie die Ostseezeitung und Lübecker Nachrichten meldeten Ende Juli 57 eingeworfene Scheiben und chemische Attacken auf das Ag(g)robiotechnikum in Groß Lüsewitz. Berichte sind leider kaum noch online zu finden (http://de.indymedia.org/2007/08/189962.shtml)


Ausblick

Die Dichte an Aktionen der 90er Jahre (www.projektwerkstatt.de/gen/geschichte.htm) ist im Jahr 2007 noch nicht erreicht worden. Auch in der Radikalität der Absage an die profitorientierte Zellkernmanipulation klaffen noch Unterschiede. Das war vor allem bei den Großereignissen gut zu sehen, wo auch antiemanzipatorische Kreise und Gruppen an den Protesten teilnahmen, weil sich Gentechnik-Kritik sowie rechte, esoterische oder ähnliche Positionen nicht ausschließen. Gentechnikkritische Verbände und Organisationen stehen zudem weiterhin auf Distanz zu direkten Aktionen - offenbar fürchten sie um ihr Ansehen bei staatlichen Stellen und spendenwilligem, reichen BürgerInnentum. Gruppen wie das Gen-ethische Netzwerk waren Mitte der 90er Jahre noch mitten drin in den direkten Aktionen. Heute rümpfen sie die Nase. Hier ist noch viel Überzeugungsarbeit zu tun. Die Propaganda der Tat hat allerdings seit 2005 bereits einiges verschoben, d.h. manche Medien und einige Verbände wagen sich bereits mit Sympathiebekundungen für direkte Aktionen gegen Gentechnik aus der Deckung. Zerstörungen nicht mehr für möglich gehalten hatten, dort Felder anpflanzen zu können. Klingt gut!

Aktionsideen werden gesammelt unter http://ger.anarchopedia.org/Direct_Action:Aktionsideen_Gentechnik