2006-01:Die Zerstörung der Tabakanbauregionen

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Die Zerstörung der Tabakanbauregionen

von Oliver Stoll

Der kommerzielle Anbau der Tabakpflanze ist auf der Erde weit verbreitet. Die ehemalig nur in Amerika heimische Pflanze wird mittlerweile in mehr als 120 Ländern angebaut. 80 Prozent des Tabakanbaus findet dabei in sogenannten Entwicklungsländern statt. Damit ist die Tabakpflanze die weitverbreitetste nicht essbare Nutzpflanze.

30 bis 33 Millionen Menschen leben ausschließlich oder teilweise vom Tabakanbau und weitere 60 bis 100 Millionen Menschen von der verarbeitenden Tabakindustrie. 90% der Arbeitsplätze binden sich in den Entwicklungsländern.

Die optimale Anbauregion für Tabak ist, biologisch gesehen, zwischen dem 40. Breitengrad Nord und dem 40. Breitengrad Süd. In diesen Regionen gibt es meist ausreichend lange Trockenphasen und frostfreie Nächte. Dies ist für die Tabakpflanzen notwendig. Insbesondere eher trockene, warme Gegenden eignen sich zum Tabakanbau. Deshalb erfolgt auch heute ein Großteil der Welttabakproduktion in diesen warmen Regionen. Auch in anderen Gebieten kann die Tabakpflanze überleben, jedoch wird dort ihre Entwicklung durch das Klima erschwert.

Obwohl die Länder der sogenannten "dritten Welt" diesen Klimavorteil haben, bringt die Tabakproduktion die Entwicklungsländer in ein Dilemma. Während auf der einen Seite durch den Tabakanbau das Bruttosozialprodukt der Staaten steigt und die Arbeitslosigkeit abnimmt, sinkt auf der anderen Seite gleichzeitig der Gesundheitszustand der Bevölkerung. Außerdem treten massive Umweltprobleme auf.

Viele Experten sind daher mittlerweile der Meinung, dass die langanhaltenden Nachteile gegenüber den kurzfristigen Vorteilen der Tabakproduktion weit überwiegen.

Die Umweltprobleme sind dabei die massenhafte Nutzung von Holz und die damit verbundene Entwaldung ganzer Landstriche, die starke Nutzung von Pestiziden sowie der starke Nährstoffverbrauch der Tabakpflanzen.

Holzverbrauch

Im Rahmen des Weltholzverbrauches ist der Anteil des Holzbedarfs für die Tabakproduktion eher gering. In einigen Regionen ist jedoch dieser Wirtschaftszweig der größte Holzverbraucher. Gerade in diesen Ländern gibt es dabei häufig einen Holzmangel auch schon in anderen Bereichen.

Der Großteil des Holzes wird bei der Tabakverarbeitung für die Trocknung des Tabaks benötigt. Dabei wird zwischen luftgetrocknetem und feuergetrocknetem Tabak unterschieden. Die Formulierung "luftgetrocknet" ist jedoch missverständlich, da bei dieser Trocknungsmethode ein Gebäude mit gleichbleibender Temperatur benötigt wird, welche nur durch ein Heizsystem gewährleistet werden kann. In einigen Regionen der Welt wird auch dazu viel Holz verwendet.

Um eine Tonne Tabak zu trocknen, werden im Schnitt etwa 20 Kubikmeter Holz benötigt. Bei mindestens 35 Ländern kann nachgewiesen werden, dass die Tabaktrocknung einen erkennbaren Einfluss auf die Zerstörung der natürlichen Wälder hat. Auch wenn der Holzverbrauch für die Tabaktrocknung niedriger ist als bei einigen anderen Produkten, macht sie immerhin zwei Prozent der weltweiten Waldvernichtung und sogar fünf Prozent der Vernichtung der Wälder in den Entwicklungsländern aus. Bei einigen Ländern ist diese Quote jedoch deutlich höher.

Ein Problem des in Afrika angebauten Tabaks ist, dass es sich meist um primitiv getrockneten Tabak handelt. In Nordamerika zum Beispiel wird Tabak zu 98,62 Prozent mit Öl getrocknet, während in Afrika 72,93 Prozent mit Kohle und 27,07 Prozent des Tabaks mit Holz getrocknet wird. Auch ist die Effizienz der Trocknungsverfahren in den Industrienationen deutlich besser als die in den Entwicklungsländern. Gerade in den besonders armen Regionen wie Südamerika und Afrika haben die Farmer oft keine andere Option zur Holztrocknung. Dabei wird in primitiven Hallen der Tabak durch einen Ofen am Gebäude getrocknet. Nur wenige Länder wie Kenia oder Uganda decken einen Großteil ihres Holzbedarfs (80-100 %) durch eigene Holzplantagen. In vielen anderen Ländern wird das meiste Holz einfach aus natürlichen öffentlichen Wäldern geschlagen und verfeuert.

Pestizide und Nährstoffprobleme

Um den Weltbedarf an Tabak zu befriedigen, muss der Tabak industriell angebaut werden. Diese Form von Tabakanbau benötigt jedoch viele Pestizide. Die Tabakindustrie selbst empfiehlt ihren Bauern in Afrika 16 Pestizideinsätze in den ersten drei Monaten. Diese Pestizide, die später auch zu Gesundheitsproblemen bei Konsumenten führen können, richten vor allem erhebliche Schäden in den Anbauregionen an. Da die meist armen Bauern kein Geld für adäquaten Schutz gegen die Pestizide haben, kommen sie direkt mit den Giften in Berührung und erkranken oft. Auch durch das oft schlechte oder ungeklärte Trinkwasser gelangen die Gifte wieder zu den Menschen und schädigen so die Einwohner in den Anbauregionen. Dies hat dazu beigetragen, dass die Lebenserwartung von Menschen in diesen Regionen sogar rückläufig ist.

Gerade in den Entwicklungsländern sind Böden oft extrem nährstoffarm. Da die Tabakpflanze besonders viel Nährstoffe braucht, müssen die Bauern den Boden stark düngen. Ein Nebeneffekt davon ist, dass auch andere Pflanzen sich auf den Feldern verbreiten, welche nur mit neuerlichen Pestizideinsätzen zerstört werden können.

Durch diese vielen Pestizide wird der Boden nach einiger Zeit selbst ohne weitere Pestizideinsätze für viele Pflanzen giftig. Als Ausweg verlassen viele Bauern ihre bisherigen Felder und roden alle zwei Jahre eine neue Fläche, um dort Tabak wieder anbauen zu können. Die alten Felder bleiben dann als zerstörte Regionen zurück, auf denen selbst nach mehreren Jahren noch kaum eine Pflanze überlebt. Dies kann durch Erosion und Verwüstung dazu führen, dass in Zukunft immer mehr Regionen biologisch zerstört sind.

Gerade dadurch, dass die Tabakpflanze mittlerweile eine durch Züchtungen stark veränderte Pflanze mit möglichst hohem Wachstum und Nikotingehalt ist, verbraucht sie bei ihrem Wachstum extrem viele Nährstoffe. Bis auf Kaffee und Palm-Öl, gibt es keine pflanzlichen Produkte mit höherem Verbrauch. Die Nährstoffe in der Pflanze werden auch nicht wieder nach der Ernte an den Boden zurückgegeben, wie es bei einigen anderen Pflanzen zumindest großteilig der Fall ist, sondern verbleiben in den Blättern, welche getrocknet und exportiert werden, um dann in Form von Zigaretten zu verbrennen.

Pro Hektar Tabak werden dem Boden ungefähr 50 kg Stickstoff, 14 kg Phosphor und 105 kg Kalium entzogen. Im Gegensatz dazu braucht Mais 13 kg Stickstoff, 2 kg Phosphor und 5 kg Kalium. Ausserdem würde der Anbau von Nahrungsmitteln eine Selbstversorgung der Bevölkerung ermöglichen. Die dabei verbrauchten Nährstoffe würden dann größtenteils wieder in die Natur zurückgeführt werden. Beim Tabak hingegen bleibt so gut wie kein Nährstoff in der Region. Um den Profit zu optimieren sind auch Anbaumethoden beim Tabak weiterentwickelt worden. So werden die Tabakpflanzen immer wieder beschnitten um zu verhindern, dass sie natürlich wachsen. So kann der Ertrag weiter gesteigert werden. Dadurch nimmt aber auch der Verbrauch der Tabakpflanze von Nährstoffen noch weiter zu.

Das Beispiel Miombowälder

Welche Auswirkungen dieser Tabakanbau haben kann, zeigt sich zum Beispiel an der Miomboregion in Afrika. Tabak wird hier insbesondere in Regionen angebaut, die ursprünglich Trockenwälder beherbergen. Obwohl es 42% soviel Trockenwald wie Regenwald gibt, wird er in der Öffentlichkeit weit weniger beachtet. Große Teile des ursprünglichen Trockenwaldes sind auch schon abgeholzt worden, um Agrarland zu gewinnen. Die Bevölkerung in solchen Regionen hat in den letzten Jahrzehnten dabei stark zugenommen. Aufgrund der großen Armut und der fehlenden Bildung fehlt leider oft ein Bewusstsein für die Gefahren, die eine fortschreitende Abholzung der natürlichen Wälder mit sich bringt.

Der Begriff Miombowälder beschreibt eine Region in Afrika, die früher weitreichende Trockenwälder beherbergte. Sie reicht von Tansania und Kongo im Norden, durch Zambia und Angola bis Zimbabwe und Mosambik im Süden. Es ist eine warme, eher trockene Region mit regelmäßigen Regenzeiten. Die Bevölkerung in der Region ist in den letzten Jahren stark gestiegen und die Wirtschaft stützt sich auf die Agrarwirtschaft. Im internationalen Handel spielt dabei vor allem der Export von Tabak, Wolle, Tee und Kaffee eine entscheidende Rolle.

Mittlerweile werden in dieser Region 75% allen afrikanischen Tabaks angebaut. Von 1990 bis 1995 hat dabei der Anbau um 30% zugenommen. Malawis Exporterlöse aus dem Tabakanbau zum Beispiel machen 40 bis 70% aller Exporte des Landes aus. Der Hauptanteil des Tabaks ist sogenannter Burley-Tabak. Dieser wird vor allem für die meisten Zigaretten in den Industrienationen verwendet.

In Tansania zum Beispiel werden dabei nur 7% des Holzverbrauchs zum Tabaktrocknen durch Holzplantagen gedeckt. 93% des Holzes stammen aus natürlichen Wäldern. Der Tabak wird dann meist ineffektiv durch Öfen getrocknet. Da der Tabak bei der Trocknung eine relativ konstante Temperatur haben muss, kann dieser Trocknungsvorgang, der mehrere Tage dauert, nicht durch die Sonne geschehen. Zusätzlich zum Feuerholz wird auch für den Bau der Trocknungshallen Holz benötigt. In einer Studie stellte Goodland 1984 den traurigen Rekord von 70 Kubikmetern Holz fest, welches in Tansania benötigt wurde, um eine einzige Tonne Tabak zu trocknen. In den Philippinen waren es zur selben Zeit etwa 20 Kubikmeter. 1995 betrug der Holzverbrauch in Malawi bei feuergetrocknetem Tabak noch 37,5 Kubikmeter Holz pro Tonne. Aber auch der Holzverbrauch bei luftgetrocknetem Tabak beläuft sich zu der Zeit in Malawi immerhin auf 19 Kubikmeter Holz pro Tonne Tabak.

Luftgetrockneter Tabak benötigte 1995 weltweit eine Holzmenge zwischen 12,1 und 62,1 Kubikmeter pro Tonne, feuergetrockneter zwischen 23,5 und 37,5 Kubikmeter Holz pro Tonne. Diese großen Spielräume kommen vor allem daher, dass in den verschiedenen Regionen unterschiedliche technische Standards genutzt werden und unterschiedliches Wetter mit nicht gleichbleibenden Temperaturen vorherrscht.

Dies alles hat in den letzten 30 Jahren zu einer starken Veränderung in der Natur geführt. In der Miombo-Region sind ganze Regionen verödet. Untersuchungen haben ergeben, dass dort 41.900 Hektar Trockenwald jedes Jahr zur Tabaktrocknung vernichtet werden. Dies trotz einiger Wiederaufforstungsprogramme, welche aber das grundlegende Problem nicht bekämpfen können.

Besonders betroffen ist bisher Malawi. Schon 1995 hatte das früher zum größten Teil bewaldete Land nur noch in 35,5 Prozent des Staatsgebietes Wälder. 14.382 ha Wald wurden in Malawi nur in den Jahren 1990 bis 1995 vernichtet. Und mehr als 26 Prozent davon nachweislich aufgrund des Tabakanbaus. Wenn der Tabakanbau dort so weitergeführt wird, gibt es in einigen Jahren keinen Wald mehr in Malawi. Die weltweit operierenden Tabakkonzerne werden dann vermutlich in ein anderes Land ausweichen können. Die Bevölkerung muss jedoch in der zerstörten Region weiterleben.