Kategorie Diskussion:Winter 2009/2010/Personifizierungskritik und Aktionsunfähigkeit: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 25. November 2009, 16:17 Uhr

Widersprüche ahoi!

vega Die Analyse der anonymen Herrschaftsapparate und des Spannungsfeldes zwischen Verkürzung und Aktionsfähigkeit, in dem sich Politik mit emanzipatorischen Anspruch bewegt, ist sehr treffend. Andere Passagen sind in meinen Augen ziemlich widersprüchlich:

"Diese Sachzwänge sind auch real-existent für die meisten Menschen. Diese Allgegenwärtigkeit von herrschaftsförmigen Sachzwängen kann aber dadurch bekämpft werden, dass sie aus der Anonymität gerissen wird. Trotz Sachzwängen muss sich jeder Mensch entscheiden, welchen Scheiß sie/er mitmacht, und welchen nicht. Wer weiß dass sie/er für diesen Scheiß öffentlich verantwortlich gemacht wird, hat weniger Spaß dabei, und wird ihn mit einer höheren Wahrscheinlichkeit sein lassen."

Hier wird erst die Existenz von realen (Sach)Zwängen die auf die Menschen wirken untersucht, um anschließend die menschliche Entscheidungsfreiheit hochzuhalten - ich finde das widersprüchlich. Die Freiheit unterschiedliche Umgangsformen mit einem Zwangsverhältniss zu entwickeln ist letztlich eine Farce. Im Mittelpunkt emanzipatorischer Politik sollte immer die Aufhebung der Zwänge stehen. Die sehr ungenaue Formulierung "Scheiß mitmachen" erweckt bei mir den Eindruck, es ginge um unterschiedliche Umgangsformen mit dem Sachzwang, und nicht um seine Abschaffung. Sachzwänge werden in meinen Augen nicht dadurch bekämpft das sie thematisiert werden - sondern in dem sie aufgehoben werden (das Thematiseren ist hierbei zwar der erste Schritt, entfaltet für sich genommen aber noch keine befreiende Wirkung).

"Außerdem sind diese Sachzwänge ja nur Sachzwänge solange die Alternativen dazu unbekannt bleiben, sind also für die Menschen subjektiv."

Diese Aussage geht meiner Meinung nach an der Realität völlig vorbei. Von Neurosen und Konditionierung bis hin zum Ausschluß aus gesellschaftlicher Infrastruktur und offener Gewaltanwendung - fast jedes Zwangsverhältnis hat einen materiellen Kern, ist also auch objektiv vorhanden (übrigens sogar unabhängig davon, ob es von den Einzelnen subjektiv wahrgenommen wird). Sicherlich findet Herrschaft auch im Kopf statt - aber eben nicht nur. Das Denken von Alternativen ist zwar der richtige erste Schritt - aber für sich genommen noch nicht befreiend. Alternativen müssen materiell verwirklicht werden, um wirksam zu werden.

"Durch die Objektivierung dieser Sachzwänge von Antideutschen wird die Alternativlosigkeit des Kapitalismus’ zementiert, obwohl doch viele Beispiele von Projekten der „Selbstorganisation im Alltag“ zeigen, dass durch die verschiedensten Arten der „Umsonstökonomie“ die Härten des Kapitalismus abgewandt werden können, also eine Alternative zur Unterwerfung unter Kapitalistische Verhältnisse besteht."

Was du hier an Alternativen aufzeigst, stellt in meinen Augen nur eine Abschwächung von Zwängen da, beinhaltet aber nicht ihre Aufhebung. Wer gerne aufwendig asiatisch kocht oder Tage im vorraus den eigenen Speiseplan zusammenstellt, dessen Bedürfnisse werden weder durch 3 selbstverwaltete Bauernhöfe, noch durch Containern befriedigt. Mal ganz abgesehen davon, dass die 3 selbstverwalteten Höfe von zahlreichen (derzeit kapitalistischen) Zuliefererbetrieben abhängig sind, und das Containern auch nur das Ausnutzen einer müll- und warenproduzierenden Wirtschafstweise ist. Jetzt könnte mensch natürlich alle Bedürfnisse die sich so nicht befriedigen lassen als "bürgerliche Dekadenz" abtun und dem vermeintliche "proletarische Tugenden" wie z.B. Verzicht entgegenstellen. In diesem Fall würden wir nicht mehr über kompatible Utopien reden. "Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine Revolution" (E. Goldmann)

Ich denke, in einer Gesellschaft die davon lebt Herrschaftsverhältnisse zu transformieren, und in den wenigen Fällen wo dies nicht funktioniert Gewalt anzuwenden, heißt der Weg zur Befreiten Gesellschaft nicht "Transformation" sondern "Umwälzung"!