2020-01:Corona. Corona! Corona!!!: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 23:04, 13. Okt 2020

Corona. Corona! CORONA!!!

grillmöbel Die Corona-Krise (was sonst?) treibt bisweilen merkwürdige Blüten, sei es die plötzliche Häufung verschwörungstheoretischer Posts auf linken Verteilern oder die Tatsache, dass ich widerlich parfumiertes Toilettenpapier benutzen muss, weil irgendwelche Vollhorste ihr eigens zuhause eingerichtetes Klopapierlagerzimmer glauben füllen zu müssen. Als ich mich im Supermarkt über die Bananen beuge, raunt mir gegenüber jemand etwas zu, ich verstehe nur „Corona“, frage nach, und er wiederholt „...mit extra Corona, wa?“ Ich lächle möglichst genervt und trabe ab, es ist nicht das erste Mal, dass ich im Supermarkt das Gefühl habe, dass Leute sich mithilfe jedweder zufälligen Begegnung zu therapieren. Ein paar Tage vorher will ich im Biomarkt nach Haarseife fragen, doch die völlig k.o.e Angestellte wird von einem älteren Mann einfach nicht wieder entlassen: „... und dann lassen se uns nich mehr raus und dann haben wa se, die Diktatur! Hatten wa ja schonmal. Und denn wern wa ma schön kieken.“ Und so weiter und so fort. Ich muss nicht nachfragen, um zu wissen, dass der Typ auf die DDR anspielt; hört man den Berliner_innen ein paar Jahre lang zu, hat man ohnehin den Eindruck, auf deutschem Boden hätte niemals etwas vergleichbar Schlimmes stattgefunden. Die Angestellte geht darauf (leider) nicht ein, aber ringt sichtlich um ihre bereits genügend (19.03.) eingeschränkte Freiheit: „Ich kann Ihnen das auch nicht sagen, wie es weitergeht, wissen Sie, ich habe dieses Gespräch jeden Tag! Jeden Tag!“ Der Mann, der vorher schon nicht zugehört hatte, hat sich entschieden, nicht ausgerechnet jetzt damit anzufangen, daher grätsche ich dazwischen und sage laut und wahrheitsgemäß: „Hier! Ich hab eine Frage, die Sie beantworten können! Wo haben Sie Haarseife?“ Leider stehen wir so dicht an der Haarseife, dass mein Manöver nicht ausgereicht hat, um den Typen loszuwerden. „Und wissen se, ick sach Ihnen, was die jetzt machen wern...“ und so weiter und so fort. Ich verlasse die beiden durch das Virus Zusammengezwungenen und den Laden, höre dabei überall Gesprächsfetzen, die kein einziges Mal ohne das Wort Corona auskommen. Die Welt ist monothematisch geworden, denke ich. Was ist da los? Eigentlich ist es nicht so schwierig. Die Supermärkte sind nun der offiziell erlaubt Ort der Kontakte, denn: Konsumieren sollen die Leute, das wird nicht beschränkt, nicht einmal, wenn es dringend geboten wäre, bestimmte Produkte zu rationieren. Die Freiheit, sich im Konsum skrupellos zu verhalten, ist eine der letzten, die uns geblieben sind, die kann man doch nicht auch noch einschränken. So oder so ähnlich funktioniert das, und wem Kontakt und Austausch aus dem einen oder anderen Grund fehlen, besorgt ihn sich eben im Supermarkt mit den 10 Stiegen H-Milch gleich mit. Was dazu führt, dass diejenigen, die sich dort jetzt staatlich verordnet kaputtzuschuften haben, zusätzlich auch noch die Seelsorge ihrer Kund_innen übernehmen. Gutes System! Es wird (spätestens!) an dieser Situation eines deutlich: Dass in Deutschland der Mainstream sich zu begreifen weigert, dass Leben auch erleben und verarbeiten heißt, oder richtiger, dass, wer die Herausforderungen unserer Zeit nicht emotional geglückt zu verarbeiten in der Lage ist, sie eben durch Panik, antisoziales Verhalten und Gewalt gegen sich selbst und andere verarbeiten muss. Der Supermarkt ist keine neue Bühne für dieses Schauspiel. Aber die meisten anderen sind gerade geschlossen (ihr wisst schon, dieses Virus).