2018-01:Utopia

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Thomas Morus:

Utopia

fb In dieser englischen Ausgabe kurz „Utopia“ genannt, erschien das Werk Sir Thomas Mores (dt.: Thomas Morus), das namensgebend für das Genre der utopischen Literatur wurde. [1] Trotzdem war Morus nicht der Erfinder des Konzepts „Utopie“ – das Urbild eines idealen menschlichen Zusammenlebens, das „zwar denkbar, aber nicht realisierbar ist“, war bereits in Platons „Der Staat“ (griechisch: Politeía)[2] entworfen worden.[1] Obwohl der Autor Engländer war,[3] verfasste er seinen Entwurf einer idealen Gesellschaft in lateinischer Sprache,[4] wodurch die englische Ausgabe ebenso wie deutsche Fassungen nur eine Übersetzung und damit sprachlich nicht ganz dasselbe ist. Der Originaltitel des Buches war „De optimo rei publicae statu deque nova insula Utopia“ – „Vom besten Zustand des Staates und der neuen Insel Utopia“ – und spiegelt damit den Kern des Inhalts wider.

Morus war es offenbar wichtig den Eindruck zu vermitteln, dass es die Insel Utopia tatsächlich irgendwo in der Ferne geben könnte. Er konstruiert eine Rahmenhandlung, in der ein ferner Reisender zunächst im Dialog mit anderen Figuren von diesem wunderlichen Land berichtet und dann im zweiten Teil einen Bericht über verschiedene Aspekte der utopianischen Gesellschaft wie Religion oder Kriegsführung abgibt. Die Sprache ist zumindest aus heutiger Sicht langatmig und anstrengend formuliert. Es wird deutlich, dass der Autor sich an konkrete Führungspersonen wandte, die er mit diesem „Bericht“ von einer besseren Möglichkeit der Politik überzeugen möchte. Immer wieder werden aktuelle gesellschaftliche Sichtweisen oder Prinzipien herangezogen und betont, wie wunderlich die Herangehensweisen in Utopia seien, dass sie letztlich aber das Bestdenkbare darstellen.

Interessant ist es trotzdem sich dieses Buch zu Gemüte zu führen, da es namensgebend und wichtig für die Utopie als Konzept und für das ganze literarische Genre war. Obwohl als Sozialutopie bezeichnet,[4] sind die dargestellten Gesellschaftskonzepte nur teilweise emanzipatorischen Charakters. Gewiss ist vieles ganz anders, als es in den damaligen (und teils auch heutigen) Herrschaftssystemen üblich war – beispielsweise gibt es kein Privateigentum und Prunk gilt als verpönt. Andere „utopische“ Aspekte scheinen dagegen nur die Idealisierung bereits vorhandener Ideen darzustellen, von denen der Autor überzeugen wollte. Gänzlich anti-emanzipatorisch sind Gesellschaftsbereiche wie Familie, wo mit schlimmen Ausgrenzungen beispielsweise auf die Auflösung einer Ehe reagiert wird, oder das Feld von Recht und Strafe. Hier wird zwar eine Vereinfachung und Minimierung von Regeln und Vorschriften betrieben, aber die Strafen sind teils drakonisch.

Auch die Utopie der Religionsfreiheit wird unbefriedigend umgesetzt: Zwar kann jedE glauben, was sie will, aber es wird herausgestellt, dass alle sich trotzdem einig sind, an das selbe, nur mit unterschiedlichen Bezeichnungen und Ritualen, zu glauben und dass es eine Macht im Hintergrund gibt, von der alles ausgeht. Dann wird noch der Bogen zum Christentum geschlagen (Morus war überzeugter Katholik und verfasste beispielsweise ein kritisches Werk gegen Martin Luther) und erzählt, nachdem die Utopianer*innen von diesem Glauben hörten, seien fast alle dazu übergelaufen. Morus versucht hier einen Spagat zwischen echter Religionsfreiheit und den anmaßenden Postulaten des Christentums zu schaffen.

Und eigentlich führt Utopia keine Kriege, aber es wird beschrieben, dass es jederzeit – und immer wieder – überall Verbündete rekrutiert und schon bei Beeinträchtigung reisender utopianischer Bürger*innen durch ausländische Gesetze mit militärischen Mitteln interveniert wird. Auch soll es teils blutige und grausame Attacken in der utopianischen Kriegsgeschichte gegeben haben. All das soll ein Drohpotenzial verdeutlichen, dass oft verhindert, dass es zur Ausübung militärischer Gewalt kommt. Hier wie an manchen anderen Stellen bleiben die Grundzüge Utopias widersprüchlich, denn während einerseits ausgiebig beschrieben und begründet wird, warum das Reich Utopia so mächtig ist, wird immer wieder betont, wie zurückhaltend, human und hilfsbereit diese Gesellschaft sei.

Letztlich ist das Genre der Utopie nun einmal vergleichbar der Science Fiction nicht wirklich die Erfindung und umfassende Definition einer möglichen Zukunft, sondern vielmehr ein Spiegel der Gegenwart der Autor*innen und entwickelt sich aus der Kritik, den Wünschen und Wertvorstellungen jener Gegenwart. Dementsprechend ist Thomas Morus Utopia als eine Kritik insbesondere am England im frühen 16. Jahrhundert zu verstehen und einige aus heutiger Sicht nicht gerade fortschrittliche Ideen waren damals vermutlich als Verbesserung der Gegenwart zu verstehen.


  • Thomas More: Utopia
  • Wordsworth classics of world literature; Wordsworth Editions Limited, Hertfordshire 1997
  • ca. 135 Seiten, Paperback
  • ISBN 978-1-85326-474-0