2017-02:Kommentar zur Rezension Wohllebens Buch "Das geheime Leben der Bäume"

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Leserbrief:

Kommentar zur Rezension Wohllebens Buch "Das geheime Leben der Bäume"

tobias Liebes Redaktionsteam, ich möchte die Rezension zu Wohllebens Buch "Das geheime Leben der Bäume" ergänzen, auch über das Buch hinaus. Zugegeben, ich habe ich es nicht gelesen, dafür andere von ihm, z.B. "Der Wald: Ein Nachruf" und "Bäume verstehen". Außerdem möchte ich erwähnen, dass ich Forstwirtschaft studiere, sodass ich Ahnung vom Thema habe, aber auch voreingenommen sein kann.

Dass Bäume - und andere Lebewesen aller Art - "kommunizieren" und aufeinander reagieren, möchte ich nicht bestreiten. In diesem Fall wird jedoch der Anschein erweckt, dass dadurch eine natürliche Harmonie entsteht, welche dann durch den Menschen gestört wird. Beispielsweise Mutter Buche zieht ihre Kinder auf und wenn der Mensch nicht da wäre, wäre alles perfekt. Dies finde ich menschenfeindlich. Natürlich führt menschlicher Einfluss zu anderen Prozessen, als wenn er sich heraushalten würde. Wären diese Prozesse "besser"? Für manche Individuen und Arten möglicherweise. Für andere nicht. Für den Menschen? Das ist die entscheidende Frage. Führt dieser Einfluss dazu, dass wir heute und morgen unsere Lebensgrundlage erhalten oder zerstören wir diese?

Dabei kann es in manchen Fällen durchaus angebracht sein, die "Kräfte der Natur" walten zu lassen und entspannt zuzuschauen. Jedoch nicht immer! Der Wald ist dem Menschen nicht Untertan und damit wird er auch nicht stets dessen Bedürfnisse erfüllen. Die "harmonische Natur" ist für mich eine vereinfachte Welterklärung - die durch ihr freundliches Gewand unterschätzt wird. Wir neigen dazu, unsere Bedürfnisse zu leugnen und zu vergessen, wovon wir täglich leben. Auch wenn weniger in diesem Fall durchaus mehr wäre. Aber weniger heißt nicht Nichts.

Wie Peter Wohlleben und andere zeigen, lässt sich das Bedürfnis nach mehr "unberührter" Natur sehr gut kommerzialisieren. Antikapitalistisch ist das nicht, auch wenn es ohne Raubbau daher kommt. Ein Blick in den Shop zeigt dies: Ein Buch nach dem anderen (inhaltlich sehr ähnlich), teure Führungen und der Kauf von Quadratmetern, aus denen für 50 Jahre kein Holz gewonnen wird.

Selbst wenn die klassische Forstwirtschaft nicht viel von ihm hält: Damit rettet und steigert Wohlleben den Wert von Wäldern in Deutschland. Wo früher die Preise der einzigen Ertragsquelle Holz nicht mit den steigenden Lohnkosten mithalten konnten, wo zudem wichtige Nadelbaumarten mit dem Klimawandel zu kämpfen haben, und nicht zuletzt wo der gesellschaftliche Anspruch an ökologische und soziale Funktionen gestiegen ist und vielerorts umgesetzt wurde: Hier zeigt eine neue Generation, wie die Betriebe dennoch Geld verdienen können.

Wohlleben als Rebell gegen die Forstwirtschaft, verbündet mit der Gemeinde Hümmel? Der Austritt aus dem Staatsdienst war natürlich riskant, aber ökonomisch war dies sicher ein Jackpot. Wer Geld hat, kann sich bei Führungen davon überzeugen lassen.

Vielleicht sollten wir aus herrschaftsfreier Sicht etwas vorsichtig sein, uns über dieses Modell zu freuen. Möglicherweise sind die Wohlfahrtsleistungen im Wald, die bisher auf die allgemeinen Staatshaushalte (v.a. Länder und Kommunen) abgewälzt wurden, im Vergleich gar nicht so verkehrt. Da ist ein Baum, der aus der Nutzung genommen wird, noch eine Investition der SteuerzahlerInnen, und nicht von der Sparkasse gesponsert. Wobei sich im Wald auch nur die Gesellschaft und ihre Symptome widerspiegeln.