2017-01:Von Golgatha nach Auschwitz

Aus grünes blatt
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Reinhold Schlotz

Von Golgatha nach Auschwitz

fb Mit diesem kleinformatigen Büchlein, das den Untertitel "Die Mitverantwortung des Christentums für den Holocaust" trägt, zeigt Reinhold Schlotz die christlichen Grundlagen und Voraussetzungen auf, die den Faschismus mitsamt der Vernichtung von Millionen Jüd*innen erst möglich machten. Wie Schlotz schreibt, war "die christliche Judenfeindschaft zwar keine hinreichende, aber sehr wohl eine notwendige Voraussetzung"[1] für den Holocaust.

Überwiegend basierend auf Sekundärliteratur wie Karlheinz Deschners gut fundierte kritische Aufarbeitungen zur Geschichte des Christentums sowie Biographien führender Nazigrößen belegt Schlotz die These, dass der rassistische Judenhass der Nationalsozialisten in der fundamentalistischen christlichen Prägung ihrer Protagonisten wurzelte. Während Kritiker*innen wie Deschner noch herausstellten, dass es durchaus progressive Elemente in den ursprünglichen Kernthemen eines Jesus gab, die schrittweise durch machthungrige Kirchenführer in einen im Zweifelsfall rücksichtslosen Herrschaftsapparat umgemünzt wurden, konzentriert sich diese Abhandlung rein auf die autoritären und hassfördernden Aspekte. Es wird belegt, wie frühzeitig Hass und Vernichtung gegen Andersgläubige und insbesondere Jüd*innen geschürt wurden, und dass unter den am höchsten verehrten Kirchenvertretern des Christentums die schlimmsten Hetzer waren. Gezeigt wird auch, dass diese Hetze sich nicht auf reine Rhetorik beschränkte, sondern wiederholt von führenden Geistlichen auch aktiv praktiziert und Massaker ausgeführt wurden.

Dabei wird auch erkennbar, wie widersinnig die recht früh beginnende Verschwörungstheorie von der angeblichen Macht und dem verhängnisvollen Einfluss eines Weltjudentums auf die Menschheit war (und ist), dass diese Vorwürfe am ehesten noch den herrschenden Christenkirchen gemacht werden könnten, die in ihrer Geschichte überwiegend intolerant gegen andere Religionen auftrat und selbst abweichende christliche Strömungen bekämpft hat, in deren Folge viele Millionen Menschen gefoltert und ermordet wurden, selbst ohne den Holocaust mitzurechnen. An Beispielen weist Schlotz auch darauf hin, dass die christlich geschürte Angst vor anderen Religionen in Wirklichkeit oft auf ganz gegenteilig Praktiken stieß. So waren jüdische Menschen in verschiedenen europäischen Regionen immer wieder viele Jahrhunderte der Verfolgung durch christliche Machthaber einschließlich Internierung, Zwangsbehandlungen und Ermordung ausgesetzt. Verschnaufpausen und Phasen des Friedens gab es für Nichtchrist*innen immer dann, wenn die christlichen Kirchen schwach waren oder manchmal auch, wenn andersgläubige Herscher*innen mit einer toleranteren Sicht auf Religionsfreiheit Eroberungen gemacht hatten. "Religionsfreiheit" scheint überhaupt von den Christenkirchen vor allem dann eingefordert worden zu sein, wenn sie selbst schwach waren, während diese in ihrer Geschichte immer wieder beseitigt wurde, sobald das Christentum weitgehende Herrschaft erlangt hatte. Ein weiteres Thema des Buches ist der Kampf der Kirche gegen die Einführung und Beibehaltung der Menschenrechte.

Wertvoll macht dieses Buch die kompakte Benennung der christlichen Führer*innen, die dem Holocaust mit ihrer Predigt den Weg ebneten, sowie der faschistischen Protagonisten, die ihre Ideologie einer fundamentalistischen christlichen Erziehung entnahmen. Dabei werden Tagebucheinträge, Reden und Publikationen dieser Personen herangezogen. In knapper Form werden wesentliche Kirchenpolitiken dokumentiert und damit gezeigt, dass es sich nicht um passives Geschehenlassen handelt, sondern Kirchenführer aktiv die Vernichtung der Jüd*innen mitgestalteten und vorantrieben. Welch verhängnisvolle Grundlage Martin Luthers Hetze gegen Andersgläubige und Minderheiten für die ideologische Herleitung des nationalsozialistischen Weltbildes hatte, haben wir in der vorherigen Ausgabe des grünen blatts dargestellt. Dass NS-Führer sich nicht nur auf dessen Anleitungen zur Auslöschung des Judentums bezogen, sondern ihre Leitmotive auch diverse andere christliche Heiligen und ihren Hasspredigten entnahmen, wird hier ebenso verdeutlicht.

  • Reinhold Schlotz: "Von Golgatha nach Auschwitz. Die Mitverantwortung des Christentums für den Holocaust"
  • Alibri Verlag, Aschaffenburg, 2016
  • ISBN 978-3-86569-242-9
  • 114 Seiten, Taschenbuch


  1. Reinhold Schlotz: "Von Golgatha nach Auschwitz. Die Mitverantwortung des Christentums für den Holocaust"; Alibri Verlag, Aschaffenburg 2016; ISBN 978-3-86569-242-9