2017-01:Graphic Novels

Aus grünes blatt
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"Die zweite Geneneration" und "Das Überleben der Spezies"

reka Die Graphic Novel "Zweite Generation - Was ich meinem Vater nie gesagt habe" von dem international bekannten Künstler Michel Kichka handelt von seiner Kindheit, die er als Sohn eines jüdischen HolocaustÜberlebenden in Belgien verbracht hat und welche die Auswirkungen des Überlebens solcher Erlebnisse auch auf das Familienleben und die folgende Generation beschreibt.

"Ähnlich wie es dem Roman gelegentlich gelingt, die Vergangenheit besser begreiflich zu machen als gelehrte wissenschaftliche Abhandlungen, gelingt dem Comic mit seiner Verzahnung von Zeichnung und Text eine intensive, unmittelbare Empfindung, eine bestürzende Metaphorik des Lachens und der Tränen." so Prof. Bourel, Historiker und Autor der Einleitung.

Wobei es in dem Buch nicht darum geht mit dem Vegangenen zu kämpfen, sondern stattdessen damit zu leben, der jeweiligen Generation angemessen. Der weiche Zeichenstil, die Wortwahl und die Darstellung der Gefühle und Erlebnisse des Kindes Michel sowie dem späteren Jugendlichen "erreichen gemeinsam eine Tiefgündigkeit, die ein schlichtes Dokument nicht vermitteln kann.". So verstrickt er die Handlungsstränge des alltäglichen Lebens mit Szenen der Erzählungen seines Vaters über verschiedene Erlebnisse, die er während der Gefangenschaft in Ausschwitz gehabt hat. So wird beispielsweise durch die Suppe mit der Familie am Küchentisch die Erinnerung an den Todesmarsch wach, wo sich der Vater nach einer solchen Suppe so sehr gesehnt hat.

"Er muss im Lager alle Tränen geweint haben, die sein Körper hergab. Er musste um seine Mutter weinen, um seinen Vater und um seine Schwestern. Die Quelle seiner Tränen ist für immer versiegt. Deshalb hat sein Arzt ihm auch Augentropfen verschrieben." So wird jedes eigene geborene Kind zu einem "Sieg über die Boches" (Deutschen, Anm. d. Red.) und wie in vielen aschkenasischen Familien nach der Shoah bekamen sie die Namen der Umgekommen.

So tritt das Hauptthema des Buches, die Vater- und Sohn-Beziehung, neben dem großen, schweren historischen Thema des Holocausts fast in den Hintergrund. Wie prägend das Thema selbst noch für die Kinder der Überlebenden ist, wird unter anderem auch durch den Selbstmord des Bruders verdeutlicht, wobei die dadurch aufgeworfene Frage, ob er nun ebenfalls ein Opfer der Shoa geworden ist, offen bleibt und bei den Leser*innen nachhallt.

So ist der Selbstmord des eigenen Sohnes vermutlich auch ein Auslöser, weshalb der Vater beginnt, in Schulen von seinen Ausschwitzerfahrungen zu berichten und Führungen durch Ausschwitz anzubieten. Wie wichtig solche Arbeit gerade auch in der heutigen Zeit immer noch ist, kann mensch beispielsweise an den verbalen Ausfällen einiger AfD-Politiker*innen wie Höcke entnehmen, der das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet hat. So ist der Künstler Michel Kichka mit dem Projekt CARTOONING FOR PEACE aktiv, um mittels Kolloquien und Ausstellungen politischer Cartoons auch die politische Gegenwart zu beeinflussen.

Alles in allem ist es ein empfehlenswertes Buch, das es schafft, das Thema Holocaust auch für heutige Generationen wenigstens etwas nachfühlbarer zu machen und den Bezug zur heutigen Zeit herstellt.

Zweite Generation - Was ich meinem Vater nie gesagt habe, Michel Kichka, Egmont Verlag, 2014

Die Graphic Novel "Das Überleben der Spezies: Eine kritische, aber nicht ganz hoffnungslose Betrachtung des Kapitalismus" von Paul Jorion und Gregory Makles liest sich ein bisschen wie eine Sammlung von Karikaturen über den Kapitalismus, obwohl es gleichzeitig das kapitalistische System in seiner Entstehung, Wirkweise und seinen kranken Auswüchsen versucht zu erklären und näher zu bringen. Dies gelingt auch teilweise, wobei eine sympathische Hauptfigur, mit der sich identifiziert werden kann und deren Leben und Handeln als roter Faden durch die Graphic Novel verfolgt werden könnte, fehlt.

Paul Jorion, Wirtschaftsexperte und -kolumnist erklärt mit bitterbösem Humor, wie und weshalb diese Gesellschaftsform die menschliche Spezies ausrotten wird. Hierbei wird sogar vor darwinistischen Erklärungen nicht halt gemacht, denn die Lieblingsbezeichnung des Stereotypen Kapitalisten für den Arbeiter ist "TDS", das bedeutet "Tod den Schwachen".

Des Weiteren ist zu kritisieren, dass die Problematik der Herrschaft und der Hierarchien komplett ausgeklammert wird, sowie viele weitere Themen, die mit dem Kapitalismus einhergehen, wie die Diskriminierung und Unterdrückung durch Rassismus, Sexismus, Homophobie und vieles mehr. Der Zeichenstil besticht einerseits durch seine skizzenhafte Leichtigkeit und andererseits durch eine relativ große Vielzahl an verschiedenen Arten der Darstellung des Menschen. Die humorvolle Art und Weise trägt den/die Leser*in durch die Graphic Novel und hilft so dem besseren Verständnis der Thematik. Auch die Darstellung des gewissenlosen Bankers mit einer Maske, die mensch von Massenmördern in Horrorfilmen kennt, kann sich einem gewissen Reiz nicht entziehen. Insgesamt ist es eine eher humorvolle Graphic Novel über das kapitalistische System und kann für Menschen, die sich noch nie theoretisch damit beschäftigt haben, auch informativ sein.

Das Überleben der Spezies - Eine kritische, aber nicht ganz hoffnungslose Betrachtung des Kapitalismus, Paul Jorion & Gregory Makles, Egmont Verlag, 2014