2017-01:Der Widerstand gegen die Tar Sands-Industrie in Nordamerika

Aus grünes blatt
Zur Navigation springenZur Suche springen
The printable version is no longer supported and may have rendering errors. Please update your browser bookmarks and please use the default browser print function instead.

Der Widerstand gegen die Tar Sands-Industrie in Nordamerika

reka Ein stetig wachsendes Netz aus Pipelines verläuft von dem Abbaugebiet in Alberta zu den Küsten und in den Süden, um die Tar Sands zu weiteren Verarbeitungsorten zu transportieren. Der Widerstand gegen die Tar Sands-Industrien konzentriert sich wiederum vor allem gegen die Pipelines, die das gewonnene Erdöl quer durch den Norden des nordamerikanischen Kontinents transportieren. Denn diese kreuzen das Land und somit die Lebensgrundlage der jeweiligen lokalen Bevölkerungen, wie Landwirte, Fischer usw. und gefährden diese stark.

Da die indigene Bevölkerung immer noch hauptsächlich in Reservaten lebt und gesellschaftlich relativ ausgeschlossen ist, ist sie besonders von der Natur- und Lebensraumzerstörung durch Pipelinelecks betroffen.

Der weitere Ausbau der Tar Sands-Industrien hat bereits das Wasser der Indigenen in Alberta und darüber hinaus vergiftet und die geplanten weiteren Tar Sand-Pipelines, -Züge und -Tanker bedrohen die Wasserreserven vieler weiterer indigener Stämme in ganz Nordamerika.

Die indigene Bevölkerung ist auch auf Grund der historisch verwurzelten und bis heute praktizierten Diskriminierung und Ausgrenzung von den klimatischen und ökologischen Folgen des Klimawandels und der Zerstörung durch die Ölindustrie besonders betroffen, da sie meist vom Land leben wollen und müssen und somit auch ihre Lebensgrundlage zerstört wird. Die Zerstörung der Natur und das damit einhergehende Sterben der Pflanzen und Tiere trifft direkt in das Herz der indigenen Kulturen.[1]

Die Arten des Widerstands der Indigenen und Umweltschützer*innen gegen die Pipelines reichen von Demonstrationen, Blockaden bis hin zu Klagen vor Gericht gegen die Energiekonzerne. Im Juni 2016 hatten sie mit Letzterem unter anderem Erfolg, da das Federal Court of Appeal die bisherige Regierungsgenehmigung zum Bau der Northern Gateway Pipeline (siehe Abbildung) widerrief. Mittels dieser Pipeline sollten täglich bis zu 525.000 Barrel Tar Sands-Öl von Albertas Abbaugebieten an die nördliche Pazifikküste transportiert werden, was eine immense Gefahr für die Natur dargestellt hätte. Aber der Kampf geht weiter, denn die Konzerne klagen gegen diese Entscheidungen.[2]

Große Proteste gab es in den letzten Jahren auch gegen die geplante Keystone XL Pipeline, welche Tar Sands-Erdöl von Alberta nach Nebraska transportieren und nebenbei auch gleich gefracktes Öl aus Montana mitnehmen soll.

Nach sieben Jahren Protest wurden die Pläne der Keystone XL auf Eis gelegt, denn Obama verkündete im November 2015 das Ende der Pipeline. Dies war ein großer Erfolg für die Klimabewegung, die nun gegen weitere Pipelinepläne von TransCanada, dem Konzern hinter Keystone XL, kämpft. Der Konzern TransCanada ist dennoch zuversichtlich, dass die Pipeline noch gebaut wird, denn er reichte gegen diese Entscheidung Klage ein.

Die Kämpfe gegen die Pipelines gehen dennoch weiter. Beispielsweise gegen den Plan, die Pipeline Energy East zu bauen, welche Tar Sands-Öl 4600 Kilometer durch das Land 150 indigener Völker an die Küste transportieren würde, um es dann mittels hunderter, riesiger Tankerschiffe weiter die atlantische Küste entlang nach Texas und Louisiana zur weiteren Verarbeitung in Raffinerien zu transportieren.[3]

Um den gemeinsamen Widerstand gegen die Ölmultis zu bündeln und zu stärken, haben sich im Oktober 2016 85 indigene Stämme zu einer Allianz zusammengefunden und ein Abkommen beschlossen, womit sie sich als rechtmäßige Verwalter ihres Landes proklamieren. Das Ziel ist, gemeinsam weitere Pipelines, Tanker- oder Zugunfälle mit Erdöl mittels Protesten gegen die Pipelines zu verhindern sowie die weitere Expansion der Tar Sands-Industrien zu stoppen, welche neben der Lebensraumzerstörung auch eine immense Gefahr für das Klima darstellen.[4]

  • "Wir wollen Pipelines und Infrastruktur für Menschen und Gemeinschaften – nicht für Ölkonzerne, die unser Wasser vergiften und zum Klimawandel beitragen, der unseren Planeten zerstört. Unsere indigenen Gemeinschaften brauchen saubere Wasserrohre – nicht Ölrohre." (Winona Laduke,Native American activist and executive director of the group Honor the Earth)

"Kanada sieht sich selbst als Menschenrechtsanführer, ungeachtet der Art und Weise, wie die Regierung und die Konzerne die indigene Bevölkerung behandelt haben, zu Hause und im Ausland," meint Winona Laduke von Honor the Earth.

"Wieder einmal sehen wir jetzt bei den Auseinandersetzungen um Standing Rock, wie der kanadische Konzern Enbridge unsere Stammesmitglieder in den USA verletzt. Lasst uns nicht vergessen, dass Enbridge für die größte Inlandpipelinekatastrophe der US-Geschichte verantwortlich ist, als über 4 Millionen Liter giftige, verdünnte Teersande in den Kalamazoo Fluss in Michigan geflossen sind, und jetzt hoffen Enbridge und Kanada mit der vorgeschlagenen Pipeline 3 sogar noch mehr dieser Teersande nach Minnesota transportieren zu können. Aber diese Pipeline wird genauso wenig durchkommen."

Im Oktober 2016 gelang es Aktivist*innen die größten Tar Sands-Pipelines von Kanada in die USA zu schließen. Durch die Aktion und die damit einhergehende zeitweilige Unterbrechung gelang es, mehr als 2 Millionen Barrel pro Tag durch die vier größten Pipelines zu verhindern.

In Minnesota nutzten Aktivist*innen Bolzenschneider an den Ventilen einer Enbridge Pipeline, die aus Alberta kommt, um den Fluss in der Pipeline zu stoppen. In Montana griffen Protestierende ebenfalls das Ventil an und schlossen so den Fluss der Pipeline, sodass die Produktion von TransCanada heruntergefahren werden musste. Insgesamt haben diese Unterbrechungen kaum einen materiellen Einfluss auf die Ölflüsse der Ölindustrie, aber der koordinierte Schlag gegen verschiedene sehr große transnationale Ölpipelines war ein gelungener PR-Coup. Die Aktionen illustrieren gleichzeitig das sich anscheinend verschlechternde gesellschaftliche Klima für die Ölkonzerne.

Die Umweltschutzbewegung hat sich weiterentwickelt und ist gewachsen. Dieser Effekt reicht deutlich bis nach Washington. Statt jahrelang zu warten, wie es beim Kampf gegen die Keystone XL Pipeline war, versuchte die Obama-Regierung das Problem des Protests gegen die Dakota Access Pipeline im Keim zu ersticken, als sie darum bat, den Bau erst einmal freiwillig einzustellen.

In Kanada erhöhen Aktivist*innen den Druck auf Prime Minister Justin Trudeau und fordern, dass er einige riesige Pipelineprojekte stoppt, die das Tar Sands-Öl von Alberta zu den internationalen Märkten, u.a. Europa und China, bringen soll.

Mit dem weiteren Ausbau fossiler Energieträger in Nordamerika gibt es keinen Mangel an Zielen für die Bewegung. Die Konzerne und ihre Investoren sollten wachsam bleiben, die Bewegung wächst und die Zeiten in denen sich Regierungen und Konzerne über die Rechte der Indigenen einfach hinwegsetzen können, ohne auf Widerstand zu stoßen, scheinen der Vergangenheit anzugehören.[5]

Weitere Nachrichten des Widerstandes:

18. Januar 2017, Alberta/Kanada: Unbekannte zerstörten mit schweren Maschinen einen Teil einer Ölfeldpipeline und verursachten damit 500 bis 700.000 Dollar Schaden. Da sich die Pipeline noch im Bau befand, kam es zu keinen Schäden der Umwelt.

29. August 2016, Montreal/Kanada: Vorzeitige Beendigung der Anhörung über die Energy East Pipeline in Montreal wegen Stürmung durch Aktivist*innen: Die Anhörung des National Energy Board (NEB) über die geplante 15,7 Milliarden Dollar Energy East Pipeline wurde abgebrochen, nachdem Aktivist*innen in den Raum gestürmt sind und die Kommissare drängten zu gehen. Dabei gab es mindestens zwei Festnahmen.

30. Juli 2016, Michigan/USA: Aktionstag gegen die Investitionen der Bank of America in Enbridge. Die Michigan Koalition Gegen Tar Sands (Michigan Coalition Against Tar Sands = MICATS) macht landesweit Aktionen, um die Bank of America unter Druck zu setzen, ihre Investitionen in den Pipelinekonzern Enbridge zu stoppen.

In East Lansing streuten Aktivist*innen Sand ins Getriebe und verlangsamten die Arbeitsprozesse, indem sie endlose Schlangen in der Bankfiliale produzierten. Dafür machten sie winzige Überweisungen an den Schaltern und stoppten so das Business-As-Usual für den Rest des Tages.

In Detroit und Ann Arbor haben lokale MICATS-Aktivist*innen Briefe zu den Bankmanagern gebracht und mit ihnen über ihre Sorgen bezüglich Investitionen in so einen tödlichen Konzern wie Enbridge geredet.

6. Juli 2016, Michigan/USA: Demonstration am Haus des Justizministers von Michigan Schuette infolge fehlenden Handelns gegen die Enbridge Pipeline Line 5.

Über 60 Demonstrierende forderten, dass Schuette sofort Enbridges Pipeline Line 5 stilllegen soll. Aktivist*innen von Earth First! hängten ein riesiges Banner zwischen zwei Bäume in Schuettes Vorgarten, worauf stand „Keine Line 5: Pipelines sind Ecocide“. Andere riefen Parolen, hielten Banner und veranstalteten eine Fake-Beerdigung für Enbridge. Am Ende der Aktion kamen über 20 Polizeiautos und erzwangen das Ende der Aktion.

Line 5 ist eine 63 Jahre alte, verdünnte, hoch giftige Tar Sands transportierende Pipeline, welche durch die Mackinac-Wasserstraße verläuft, über 5 Meilen in direktem Kontakt mit Frischwasser ist und 11 Nebenflüsse kreuzt. Studien zeigen, dass bis zu 720 Meilen Küstenlinie gefährdet wären bei einem Leck.

9. April 2016, South Dakota/USA: Das Ölleck an der Keystone Pipeline ist 89 mal schlimmer als ursprünglich angenommen.

Fast eine Woche, nachdem der Pipeline-Betreiber TransCanada einen Abschnitt mit Leck stillgelegt hat, berichtet der Konzern, dass tausende Liter Öl ausgelaufen sind, nicht weniger als 200, wie erst verbreitet wurde. Bodenuntersuchungen zeigten, dass über 16.800 Liter auf ein Feld in South Dakota geflossen sind und verdeutlichten die Gefahren durch den Transport von Öl via Pipeline. Erschwerend kommt hinzu, dass Tar Sands-Öle sogar noch schwieriger zu entfernen sind als konventionelles Erdöl.

8. März 2016, Quebec/Kanada: Aktivist*innen stören die Energy East Pipeline-Umweltanhörung in Quebec.

Quebecs Umweltanhörung musste gleich zu Beginn für ca. 15 Minuten unterbrochen werden, da Aktivist*innen sangen und Banner entrollten. Die meisten der ca. 250 anwesenden Menschen waren gegen das Projekt, buhten und stellten während der gesamten Anhörung kritische Fragen.

Der kanadische Pipelinegigant Enbridge - der Konzern hinter der Northern Gateway Pipeline, deren Betrieb von einem kanadischen Gericht Anfang des Jahres für ungültig erklärt wurde - hat im August 2016 einen Handel abgeschlossen, indem er mit seinem Unternehmen Enbridge Energy Partners für 1,5 Milliarden US-Dollar über ein Viertel der Anteile des Pipelinesystems kauften, dass ebenfalls das Dakota Access-Projekt und andere Erdölpipelines beinhaltet.[6] Da also all diese Konzerne nicht nur im dreckigen Tar Sands-Geschäft ihre Hände im Spiel haben, sondern auch beim gefährlichen Fracking und Co. gibt es nun im Folgenden einen ...

... kleinen Exkurs zur #NoDAPL-Bewegung

Den größten Widerstand gegen die Energiekonzerne gibt es bisher in North Dakota, wo bis zu 1200 Aktivist*innen, Sioux und Unterstützer*innen gegen den Bau der Dakota Access Pipeline (DAPL) protestieren. Diese soll durch das Stammesland der Sioux verlaufen, wo neben dem kulturellen Erbe der Indigenen wie heiligen Ahnenstädten auch der Missouri River, eine wichtige Wasserquelle für Millionen Menschen, durchquert werden soll.

Die DAPL transportiert gefracktes Öl, beginnt in North Dakota und verläuft durch den Missouri und Mississippi, bevor sie im Pipelineknotenpunkt in Pakota, Illinois endet. Es gibt Pläne diese dann weiter bis in den Golf von Mexiko auszubauen.

Aber auch dieses Vorhaben der multinationalen Konzerne nimmt die Bevölkerung nicht widerstandslos hin. Die Proteste gegen die DAPL sind in den letzten Monaten so gewachsen, dass es sich inzwischen um die größte indigene Mobilisierung der letzten 150 Jahre handelt, denn diese Angelegenheit hat über 200 Stämme wiedervereinigt. „Als das Seven Fire Council, was nun wieder tagt, das letzte Mal 1867 zusammen kam, besiegten sie die amerikanischen Streitkräfte in der Schlacht um Little Big Horn.“, sagt die Aktivist*in Janaya Khan. Es geht nicht mehr nur um den Schutz der Natur und Lebensräume, sondern auch um die Rechte der indigenen Bevölkerung, die durch die Politik der Konzerne und Regierungen mit Füßen getreten werden.

Ausblick

Diese Kämpfe gegen die Pipelines und Tar Sands-Industrie haben das Potenzial 2017 weiter zu wachsen, wenn beispielsweise der Kinder Morgan-Konzern die Baugenehmigung der Gerichte bekommt, die TransMountain Pipeline durch Teile Albertas und British Columbia bauen zu dürfen.

Der Konzern und die Polizeibehörden bereiten sich schon jetzt gemeinsam auf etwaige Proteste vor.

Schon jetzt gibt es Kinder Morgan gegenüber viel Kritik von den Bürgermeistern aus Burnaby und Vancouver sowie einiger First Nations, die sich nicht ausreichend in die Prozesse über das 6,8 Milliarden Projekt miteinbezogen fühlen.

Einige First Nations finden auch, dass sie ein Veto-Recht diesbezüglich haben, da es über ihr Land verläuft.

Ein wichtiger Faktor für das Wachstum dieser Protestbewegungen scheinen Social Media zu sein, denn laut einiger Industriebeobachter wie Michael Tran ist das Ansteigen der Pipeline-Proteste und ihre zunehmende Schärfe auf die vermehrte Nutzung der Social Media zurückzuführen.[7]

Ein Prozess, der einerseits global zu beobachten ist, wie beispielsweise bei den Protesten des Arabischen Frühlings oder um den Gezi-Park in Istanbul, aber gleichzeitig auch problematisch ist, da Social Media erstens überwacht und durch „Big Data“ ausgewertet werden sowie auch eine gewisse Abhängigkeit entsteht, da die Herrschenden diese Netzwerke auch einfach abschalten können, wie zuletzt in der Türkei und Ägypten geschehen.

„Es gibt einen Kampf, der überall geführt wird von Indigenen und ihren Unterstützern für einen gesunden Planeten für zukünftige Generationen. Es geht um Wasser gegen Öl, Leben gegen Tod,“ sagt Grand Chief Stewart Phillip, Präsident der Union von BC Indian Chiefs.

Was können wir tun, um in Solidarität zu den Kämpfenden in Nordamerika dem größten Einzelverursacher des Treibhauseffekts der Welt etwas entgegenzusetzen? Werde aktiv in deiner Region und veranstalte Soli-Aktionen vor der amerikanischen und kanadischen Botschaft.

Jetzt gerade sind Menschen überall auf der Welt dabei, gegen genau die gleichen Konzerne zu kämpfen. Es geht darum, dass die Rechte der Indigenen und die Rechte der Erde von den Konzernen und ihrer Profitgier verletzt werden.

Es geht um den Kampf gegen das kapitalistische System, d.h. Konzerne und Banken, die diese Verletzungen weltweit fördern.


Fußnoten: