2017-01:Aktionismus und Wohlfühlen: Unterschied zwischen den Versionen

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''jb'' Die kämpferischen Jahre sind, zumindest in Deutschland, lange vorbei. Da mögen traditions-marxistische Medien noch so häufig mit Aufbruchparolen um die Ecken kommen oder Politkonzerne wie Campact ihre Spendenjagd hinter Erfolgsbilder tarnen – aus den alten Friedens- und Ökobewegten sind satte Bildungsbürger_innen geworden, während sich linksradikale Kreise in ihre eigenen Sümpfe zurückgezogen haben und nur noch mit stereotypen Reaktionen auf die – glücklicherweise ebenso langweiligen – Aktivitäten ihrer politischen Gegner_innen öffentlich auftreten. All das findet nicht isoliert statt, sondern findet seine Entsprechungen in der allgemeinen öffentlichen Debatte und gesellschaftlichen Protestkultur. Je nach sozialen Schichten sind verschiedene Verhaltensweisen typisch, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind gar kein Versuch mehr, tatsächlich etwas zu verändern, sondern bewegen  
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'''jb''' Die kämpferischen Jahre sind, zumindest in Deutschland, lange vorbei. Da mögen traditions-marxistische Medien noch so häufig mit Aufbruchparolen um die Ecken kommen oder Politkonzerne wie Campact ihre Spendenjagd hinter Erfolgsbilder tarnen – aus den alten Friedens- und Ökobewegten sind satte Bildungsbürger_innen geworden, während sich linksradikale Kreise in ihre eigenen Sümpfe zurückgezogen haben und nur noch mit stereotypen Reaktionen auf die – glücklicherweise ebenso langweiligen – Aktivitäten ihrer politischen Gegner_innen öffentlich auftreten. All das findet nicht isoliert statt, sondern findet seine Entsprechungen in der allgemeinen öffentlichen Debatte und gesellschaftlichen Protestkultur. Je nach sozialen Schichten sind verschiedene Verhaltensweisen typisch, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind gar kein Versuch mehr, tatsächlich etwas zu verändern, sondern bewegen sich vom Jammern, von Appellen an die Mächtigen über billiges Anklicken vorgefertigter Protestnoten im Internet bis zum Versuch, ausgerechnet mit Geld die Welt zu retten – sei es beim Einkauf oder per Spende an die Hauptamtlichenapparate der NGOs, die es dann richten sollen.
sich vom Jammern, von Appellen an die Mächtigen über billiges Anklicken vorgefertigter Protestnoten im Internet bis zum Versuch, ausgerechnet mit Geld die Welt zu retten – sei es beim Einkauf oder per Spende an die Hauptamtlichenapparate der NGOs, die es dann richten sollen.<br/>
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Letzteres findet sich in tausendfachen Formen auf Messen, in Kinos, Läden und im Internet, von Heldenmärkten über Karmakonsum und mehr. Eine der Seiten heißt jetztrettenwirdiewelt.de – und dazu ist jetzt auch ein namensgleiches Buch erschienen (2016, Franckh-Kosmos in Stuttgart, 193 S., 19,99 €). Es wimmelt in auf den aufwendig layouteten, mit Bildern, Effekten und Links vollgestopften Seiten von Vorschlägen, was alles zu tun ist. Mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten geben ihre Ratschläge. Doch am Ende bleibt (fast) alles auf der Ebene von Appellen und bewusstem Konsum. Wer das gleich erkennen will, klappt den Rückumschlag auf: „73 Aktionen“ lautet die Überschrift – und dann folgt eine Liste, die mensch abarbeiten und dann jeweils ein Häkchen setzen kann. Doch „Aktionen“ finden sich in der Liste nicht. Alles ist Kleinklein, beschränkt sich auf Wellness, Einkauf und kleine Nettigkeiten. Staat und Industrie werden sich freuen, dass ihre Opposition ein David bleibt, der der Steinschleuder abgeschworen hat und sich jetzt dafür engagiert, dass Goliaths Rüstung mit Öko-Waschmitteln geputzt wird ...
 
Letzteres findet sich in tausendfachen Formen auf Messen, in Kinos, Läden und im Internet, von Heldenmärkten über Karmakonsum und mehr. Eine der Seiten heißt jetztrettenwirdiewelt.de – und dazu ist jetzt auch ein namensgleiches Buch erschienen (2016, Franckh-Kosmos in Stuttgart, 193 S., 19,99 €). Es wimmelt in auf den aufwendig layouteten, mit Bildern, Effekten und Links vollgestopften Seiten von Vorschlägen, was alles zu tun ist. Mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten geben ihre Ratschläge. Doch am Ende bleibt (fast) alles auf der Ebene von Appellen und bewusstem Konsum. Wer das gleich erkennen will, klappt den Rückumschlag auf: „73 Aktionen“ lautet die Überschrift – und dann folgt eine Liste, die mensch abarbeiten und dann jeweils ein Häkchen setzen kann. Doch „Aktionen“ finden sich in der Liste nicht. Alles ist Kleinklein, beschränkt sich auf Wellness, Einkauf und kleine Nettigkeiten. Staat und Industrie werden sich freuen, dass ihre Opposition ein David bleibt, der der Steinschleuder abgeschworen hat und sich jetzt dafür engagiert, dass Goliaths Rüstung mit Öko-Waschmitteln geputzt wird ...
  

Aktuelle Version vom 7. Februar 2017, 15:04 Uhr

Politisches Engagement zwischen Aktionismus und Wohlfühlen

jb Die kämpferischen Jahre sind, zumindest in Deutschland, lange vorbei. Da mögen traditions-marxistische Medien noch so häufig mit Aufbruchparolen um die Ecken kommen oder Politkonzerne wie Campact ihre Spendenjagd hinter Erfolgsbilder tarnen – aus den alten Friedens- und Ökobewegten sind satte Bildungsbürger_innen geworden, während sich linksradikale Kreise in ihre eigenen Sümpfe zurückgezogen haben und nur noch mit stereotypen Reaktionen auf die – glücklicherweise ebenso langweiligen – Aktivitäten ihrer politischen Gegner_innen öffentlich auftreten. All das findet nicht isoliert statt, sondern findet seine Entsprechungen in der allgemeinen öffentlichen Debatte und gesellschaftlichen Protestkultur. Je nach sozialen Schichten sind verschiedene Verhaltensweisen typisch, die alle eines gemeinsam haben: Sie sind gar kein Versuch mehr, tatsächlich etwas zu verändern, sondern bewegen sich vom Jammern, von Appellen an die Mächtigen über billiges Anklicken vorgefertigter Protestnoten im Internet bis zum Versuch, ausgerechnet mit Geld die Welt zu retten – sei es beim Einkauf oder per Spende an die Hauptamtlichenapparate der NGOs, die es dann richten sollen.

Letzteres findet sich in tausendfachen Formen auf Messen, in Kinos, Läden und im Internet, von Heldenmärkten über Karmakonsum und mehr. Eine der Seiten heißt jetztrettenwirdiewelt.de – und dazu ist jetzt auch ein namensgleiches Buch erschienen (2016, Franckh-Kosmos in Stuttgart, 193 S., 19,99 €). Es wimmelt in auf den aufwendig layouteten, mit Bildern, Effekten und Links vollgestopften Seiten von Vorschlägen, was alles zu tun ist. Mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten geben ihre Ratschläge. Doch am Ende bleibt (fast) alles auf der Ebene von Appellen und bewusstem Konsum. Wer das gleich erkennen will, klappt den Rückumschlag auf: „73 Aktionen“ lautet die Überschrift – und dann folgt eine Liste, die mensch abarbeiten und dann jeweils ein Häkchen setzen kann. Doch „Aktionen“ finden sich in der Liste nicht. Alles ist Kleinklein, beschränkt sich auf Wellness, Einkauf und kleine Nettigkeiten. Staat und Industrie werden sich freuen, dass ihre Opposition ein David bleibt, der der Steinschleuder abgeschworen hat und sich jetzt dafür engagiert, dass Goliaths Rüstung mit Öko-Waschmitteln geputzt wird ...


Neue offene Aktionsplattformen braucht das Land!

Nicht obwohl, sondern weil so viele der Projektwerkstatt in dieser schwierigen Phase den Rücken gekehrt haben und sogar noch versuchen, Ressourcen in ruhigere Sphären mitzunehmen (nicht-offene, also Hausrechts-kontrollierte Räume), sei hier der Aufruf untergebracht, doch in weiteren Orten Aktionsplattformen zu schaffen. Denn wenn es ein Netz solcher Räume gibt, hätte das gegenkulturelle Experiment mehr Chancen, aus der Nische herauszukommen. Es ist ja nicht nur der Mainstream, gegen den mensch mit solchen Experimenten kämpft, sondern auch die ganze Apparatelandschaft politischer Bewegungen. Denn die Führungen wollen keine Selbstorganisierung und Selbstermächtigung, sondern genauso treue Schafe (Mitlatschende, Spender_innen, meinungslose Mitglieder, willige Infostandbetreuer_innen usw.) wie Merkel & Co. Kontakt über www.stiftung-freiraeume.de.