2016-02:GELD - der vertrackte Kern des Kapitalismus: Unterschied zwischen den Versionen

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'''fb''' Motivator für die Veröffentlichung dieses Buches von Lucas Zeise, in dem Theorien, Grundlagen, Wechselwirkungen und Auswirkungen von Geld, Kapital und Finanzsektor aufeinander und insbesondere auf die Gesellschaften, in denen sie wirken und von denen sie zehren, war die 2007 begonnene und bislang höchstens stagnierende Weltwirtschaftskrise.
 
'''fb''' Motivator für die Veröffentlichung dieses Buches von Lucas Zeise, in dem Theorien, Grundlagen, Wechselwirkungen und Auswirkungen von Geld, Kapital und Finanzsektor aufeinander und insbesondere auf die Gesellschaften, in denen sie wirken und von denen sie zehren, war die 2007 begonnene und bislang höchstens stagnierende Weltwirtschaftskrise.
  
Das Buch versucht die abstrakte Welt der Kapitalwirtschaft verständlich zu erläutern und hierbei verschiedene Ökonomieschulen voneinander abzugrenzen. Trotzdem bleibt der Stoff anstrengend und ein "nebenbei"-Lesen ist kaum möglich. Aber es lohnt sich, weil hier Einblicke und Erkenntnisse vermittelt werden, die wahrscheinlich den meisten nicht ökonomisch geschulten Menschen fremd, zumindest im Detail schwer nachvollziehbar sind. Auch wenn Zeise sicherlich nicht für eine tauschlogikfreie Produktionsweise plädiert, zumindest fokussieren seine Forderungen immer nur auf eine seiner Meinung nach richtigere Kontrolle der Wirtschaftssphäre, vermittelt das Werk deutlich, wie absurd und welch unnötig komplizierte Prozesse durch diese Logik - selbst bei wohlwollender Betrachtung - einherkommen. Und dass es überlegenswert ist, eine Gesellschaft ohne diese Denkensart zu entwickeln.  
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Das Buch versucht die abstrakte Welt der Kapitalwirtschaft verständlich zu erläutern und hierbei verschiedene Ökonomieschulen voneinander abzugrenzen. Trotzdem bleibt der Stoff anstrengend und ein "nebenbei"-Lesen ist kaum möglich. Aber es lohnt sich, weil hier Einblicke und Erkenntnisse vermittelt werden, die wahrscheinlich den meisten nicht ökonomisch geschulten Menschen fremd, zumindest im Detail schwer nachvollziehbar sind. Auch wenn Zeise sicherlich nicht für eine tauschlogikfreie Produktionsweise plädiert, zumindest fokussieren seine Forderungen immer nur auf eine seiner Meinung nach richtigere Kontrolle der Wirtschaftssphäre, vermittelt das Werk deutlich, wie absurd diese Logik und welch unnötig komplizierte Prozesse mit ihr  - selbst bei wohlwollender Betrachtung - einherkommen. Und dass es überlegenswert ist, eine Gesellschaft ohne diese Denkensweise zu entwickeln.  
  
In einem angenehm zu lesenden Stil stellt Zeise Kernelemente gängiger Wirtschaftstheorien vor und macht deren innere Widersprüche sowie ihre Widerlegung in der Praxis ihrer jahrzehntelangen Anwendung deutlich. Einschränkend muss gesagt werden, dass mensch um ein zweites Lesen kaum herumkommt, da die rasche Übernahme und Anwendung gerade eingeführter oder vorausgesetzter Wirtschaftsdenkkonstrukte ein Verstehen und Nachvollziehen sonst schwer möglich macht. Trotzdem ist gerade diese Bezugnahme und Verwendung üblicher Wirtschaftstheoreme und -termini hilfreich, um deren Einsatz in politischem, medialen oder wissenschaftlichem Kontext besser einordnen zu können. Es gelingt dem Autor zu verdeutlichen, dass egal was die Anhänger*innen der dominierenden Ökonomieideologie behaupten, die Gewinn oder Erfolg der Umsetzung dieser Konzepte immer bei den Reichen liegt - weil diese Wirtschaftsweisen nur funktionieren, wenn die Reichen mehr bekommen, da deren Geldverwendungsverhalten weniger inflationsfördernd ist als der Konsum der Unterschicht (bedingt durch die Inflationstheorien, die auf Geldwertverlust bei höherer Zahlungsfähigkeit in Bezug auf gängige Wirtschaftsgüter, aufbauen im Gegensatz zur eigenen Logik des Finanzkapitalsektors, wo zwar auch die Preise steigen, aber das Geld allgemein dadurch nicht unbedingt abgewertet wird), und ggf. zur Finanzierung solcher Politik gern auf die Masse, also die weniger Reichen, zurückgegriffen wird.
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In einem angenehm zu lesenden Stil stellt Zeise Kernelemente gängiger Wirtschaftstheorien vor und macht deren innere Widersprüche sowie ihre Widerlegung in der Praxis ihrer jahrzehntelangen Anwendung deutlich. Einschränkend muss gesagt werden, dass mensch um ein zweites Lesen kaum herumkommt, da die rasche Übernahme und Anwendung gerade eingeführter oder vorausgesetzter Wirtschaftsdenkkonstrukte ein Verstehen und Nachvollziehen schwer macht. Trotzdem ist gerade diese Bezugnahme und Verwendung gängiger Wirtschaftstheoreme und -termini hilfreich, um deren Einsatz in politischem, medialen oder wissenschaftlichem Kontext besser einordnen zu können. Es gelingt dem Autor zu verdeutlichen, dass - egal was die Anhänger*innen der dominierenden Ökonomieideologie behaupten - der Gewinn oder Erfolg der Umsetzung dieser Konzepte immer bei den Reichen liegt. Seine Erklärung: Inflationstheorien deklarieren bei steigender Zahlungsfähigkeit den Geldwertverlust vor allem bei allgemeinen Wirtschaftsgütern. Im Finanzkapitalsektor steigen zwar auch die Preise, aber das Geld wird dadurch nicht unbedingt abgewertet, denn einerseits werden ständig neue kreative Umverpackungen bestehender Produkte und damit neue Investitionsmöglichkeiten geschaffen und andererseits gewährt die unbegrenzte Kreditschöpfung den Nachschub an Geld. Aus diesem Grund sind die Geldnutzungsmuster der Reichen weniger inflationsfördernd als der Konsum der Unterschicht. Außerdem wird zur Finanzierung des ökonomischen Konzepts gern auf die Masse, also die weniger Reichen, zurückgegriffen. Die dominierende Ökonomieideologie funktioniert somit nur, wenn die Reichen mehr bekommen.
  
Dass die wachsende Schere von Reichtumsverhältnissen letztlich in der Krise enden muss, egal ob die ökonomische Ideologie die herrschende neoklassische oder eine sozialer angehauchte ist, macht Zeise ebenfalls deutlich. An diesem Punkt müsste mensch weiter gehen und statt, wie vom Autor vorgenommen, nicht mittels reformhafter Veränderung der Medikation die Krankheit "Krise" bekämpfen, sondern ihre Basis - z.B. die Eigentums- und Tauschmarktlogik - in Frage stellen. Eine solche Fortsetzung des Gedankenganges wird in diesem Buch nicht angegangen, schadet seinem Wert aber nicht. Stattdessen kann es als hilfreiche Einführung zum Verständnis der Theorien und Instrumente der Ökonomie sowie häufig gebrauchter Begrifflichkeiten dienen.
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Dass die wachsende Schere von Reichtumsverhältnissen letztlich in der Krise enden muss, egal ob die ökonomische Ideologie die herrschende neoklassische oder eine sozialer angehauchte ist, macht Zeise ebenfalls deutlich. An diesem Punkt sollte weiter gegangen werden, statt, wie vom Autor vorgeschlagen, mittels reformhafter Veränderung der Medikation die Krankheit "Krise" bekämpfen zu wollen, sondern ihre Basis - z.B. die Eigentums- und Tauschmarktlogik - in Frage gestellt werden. Eine derartige Fortsetzung des Gedankenganges wird in diesem Buch nicht vorgenommen, schadet seinem Wert aber nicht. Stattdessen kann es als hilfreiche Einführung zum Verständnis der Theorien und Instrumente der Ökonomie sowie häufig gebrauchter Begrifflichkeiten dienen.
  
  

Aktuelle Version vom 4. September 2016, 16:57 Uhr

Lucas Zeise:

GELD - der vertrackte Kern des Kapitalismus

fb Motivator für die Veröffentlichung dieses Buches von Lucas Zeise, in dem Theorien, Grundlagen, Wechselwirkungen und Auswirkungen von Geld, Kapital und Finanzsektor aufeinander und insbesondere auf die Gesellschaften, in denen sie wirken und von denen sie zehren, war die 2007 begonnene und bislang höchstens stagnierende Weltwirtschaftskrise.

Das Buch versucht die abstrakte Welt der Kapitalwirtschaft verständlich zu erläutern und hierbei verschiedene Ökonomieschulen voneinander abzugrenzen. Trotzdem bleibt der Stoff anstrengend und ein "nebenbei"-Lesen ist kaum möglich. Aber es lohnt sich, weil hier Einblicke und Erkenntnisse vermittelt werden, die wahrscheinlich den meisten nicht ökonomisch geschulten Menschen fremd, zumindest im Detail schwer nachvollziehbar sind. Auch wenn Zeise sicherlich nicht für eine tauschlogikfreie Produktionsweise plädiert, zumindest fokussieren seine Forderungen immer nur auf eine seiner Meinung nach richtigere Kontrolle der Wirtschaftssphäre, vermittelt das Werk deutlich, wie absurd diese Logik und welch unnötig komplizierte Prozesse mit ihr - selbst bei wohlwollender Betrachtung - einherkommen. Und dass es überlegenswert ist, eine Gesellschaft ohne diese Denkensweise zu entwickeln.

In einem angenehm zu lesenden Stil stellt Zeise Kernelemente gängiger Wirtschaftstheorien vor und macht deren innere Widersprüche sowie ihre Widerlegung in der Praxis ihrer jahrzehntelangen Anwendung deutlich. Einschränkend muss gesagt werden, dass mensch um ein zweites Lesen kaum herumkommt, da die rasche Übernahme und Anwendung gerade eingeführter oder vorausgesetzter Wirtschaftsdenkkonstrukte ein Verstehen und Nachvollziehen schwer macht. Trotzdem ist gerade diese Bezugnahme und Verwendung gängiger Wirtschaftstheoreme und -termini hilfreich, um deren Einsatz in politischem, medialen oder wissenschaftlichem Kontext besser einordnen zu können. Es gelingt dem Autor zu verdeutlichen, dass - egal was die Anhänger*innen der dominierenden Ökonomieideologie behaupten - der Gewinn oder Erfolg der Umsetzung dieser Konzepte immer bei den Reichen liegt. Seine Erklärung: Inflationstheorien deklarieren bei steigender Zahlungsfähigkeit den Geldwertverlust vor allem bei allgemeinen Wirtschaftsgütern. Im Finanzkapitalsektor steigen zwar auch die Preise, aber das Geld wird dadurch nicht unbedingt abgewertet, denn einerseits werden ständig neue kreative Umverpackungen bestehender Produkte und damit neue Investitionsmöglichkeiten geschaffen und andererseits gewährt die unbegrenzte Kreditschöpfung den Nachschub an Geld. Aus diesem Grund sind die Geldnutzungsmuster der Reichen weniger inflationsfördernd als der Konsum der Unterschicht. Außerdem wird zur Finanzierung des ökonomischen Konzepts gern auf die Masse, also die weniger Reichen, zurückgegriffen. Die dominierende Ökonomieideologie funktioniert somit nur, wenn die Reichen mehr bekommen.

Dass die wachsende Schere von Reichtumsverhältnissen letztlich in der Krise enden muss, egal ob die ökonomische Ideologie die herrschende neoklassische oder eine sozialer angehauchte ist, macht Zeise ebenfalls deutlich. An diesem Punkt sollte weiter gegangen werden, statt, wie vom Autor vorgeschlagen, mittels reformhafter Veränderung der Medikation die Krankheit "Krise" bekämpfen zu wollen, sondern ihre Basis - z.B. die Eigentums- und Tauschmarktlogik - in Frage gestellt werden. Eine derartige Fortsetzung des Gedankenganges wird in diesem Buch nicht vorgenommen, schadet seinem Wert aber nicht. Stattdessen kann es als hilfreiche Einführung zum Verständnis der Theorien und Instrumente der Ökonomie sowie häufig gebrauchter Begrifflichkeiten dienen.


  • Lucas Zeise: "GELD - der vertrackte Kern des Kapitalismus. Versuch über die politische Ökonomie des Finanzsektors"
  • PapyRossa Verlag, Köln, 2013
  • ISBN 978-3-89438-444-9
  • 223 Seiten, Taschenbuchformat, 14,90 EUR