2015-03:Tar Sands: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 09:25, 7. Feb 2017

Teil 9

"Tar Sands":
Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts

fb Diese Artikelserie ist heute eines der Opfer der auf Seite 3 beschriebenen Probleme der grünes blatt-Redaktion: Aufgrund der Situation mit fehlenden Unterstützer*innen musste der Umfang des Heftes reduziert werden, was letztlich zu weniger Platz führte. Daher ist dies die bisher kürzeste Folge der Tar Sands-Reihe.

Die bisherigen Teile dieses Artikels gaben einen Überblick über die Tar Sands-Vorkommen und die Ölindustrie in Alberta. Weiterer Fokus waren die ökologischen Auswirkungen der Tar Sands-Industrie, die Technologie der Rohölerzeugung aus den Tar Sands von der Konditionierung bis zum Upgrading sowie die Abbauverfahren. Im letzten Teil ging es um sogenannte "Renaturierungs"-Beispiele der Tar Sands-Industrie. Daran schließt dieser Text an.



Fortsetzung: Wapisiw Lookout

30 Jahre war dieser Ort ein Absetzbecken für Tar Sands-Tailings (Abwässer aus der Tar Sands-Produktion). Mit der Ausweitung dieser Industrie wurde auch dieser Tailings Pond mit dem nüchternen Namen "Pond 1" vergrößert. Deiche wurden errichtet, um ein größeres und tieferes Becken für die Abwässer zu schaffen. Nach und nach wurde so die Oberfläche des Tailings Ponds auf eine Höhe 100 Meter oberhalb des Athabasca River verlegt; die entgültige Ausdehnung betrug etwa drei Kilometer. Suncor hat nach und nach weitere Tailings Ponds angelegt, um seine giftigen Abwässer loszuwerden, zum Teil noch weitaus größere als der Pond 1. Eines der Probleme dieser Tailings Ponds ist, dass die Theorie, dass die Schwebstoffe abgeschieden würden, sich nicht immer erfüllte, selbst nach vielen Jahren nicht.[1]

Die heute von Suncor beschriebene Vision für die Gegend umfasst einen angehenden Mischwald, Wasserströme und Sumpfland, wovon erhofft wird, dass sich möglichst viel Fauna und Flora ansiedeln werden. Nun ja, eigentlich wird lediglich formuliert, dass das Gebiet das "Potenzial" dazu habe... Suncor ist besonders stolz auf Zahlen - und betont 620.000 Bäume, Sträucher und Wasserpflanzen[1] gesetzt zu haben. Das soll nun ein selbsterhaltendes boreales Ökosystem ergeben.[2]

Einschränkend gesteht das Unternehmen etwas später, dass die Flächen, die von der Industrie bereits als "renaturiert" bezeichnet werden (angebliche 10 % der seit 1960 beeinträchtigten Areale[3]), noch lange nicht das staatliche Zertifikat (die machen wohl erst 0,2 % aus) erhalten (auch wenn, wie zuvor beschrieben, die Kriterien keinesfalls eng sind). Im Falle des Wapisiw Lookout geht Suncor davon aus, dass es mindestens zehn Jahre dauern wird, bis das Unternehmen die Zertifizierung beantragen kann.[2] Und es soll noch Jahrzehnte der Beobachtung und Regelung der Entwicklungen in Boden, Wasser, Vegetation und Wildleben dauern, bevor vielleicht ein "sich selbst erhaltendes boreales Ökosystem" entstanden sein wird[1].

Trotzdem vermarktet das Ölunternehmen sein fragliches Renaturierungsprojekt weiter als Erfolgsstory. Im September 2011 wurde der 5-Millionste Baum gepflanzt - "ein wichtiger Meilenstein unserer Renaturierungsfortschritte", so eine große Tafel auf dem Suncor-Gelände[4]. Auch der Name ist Programm: ein Ausblickspunkt mit vielen Werbetafeln und "überzeugenden" Bauten wie Ansitzstangen für Greifvögel wurde sogleich eingerichtet. Dabei wird Suncors bewundernswerte Pionierleistung betont, das als erstes Unternehmen der Branche eine "befahrbare Oberfläche" in einem Tailings Pond angelegt hat[1]. Plakative Sprüche betonen Suncors Leistungen: "Pond 1 ist Geschichte. Aber er machte Geschichte..." Doch es wird auch eingeräumt, dass all das nur ein Experiment ist - ein "lebendes Labor" zur Überführung eines Tailings Ponds in eine natürliche Umgebung.[5]

Die Propaganda wirkt, wie eine kurze Internetrecherche zeigt: Anlässlich der Eröffnung des Renaturierungsprojekts wurden sofort Artikel gepostet, die den Wapisiw Lookout als Beleg der Machbarkeit und Rechtfertigung für die weitere Zerstörung der Natur zum Wohle der Ölindustrie heranziehen. Da wird über die doofen Journalist*innen geschimpft, die die Machenschaften der Branche dokumentiert und kommentiert haben. Und zu guter letzt: "Vieles wurde geschrieben und gesagt und falsche Behauptungen in die Welt gesetzt, dass die es niemals schaffen würden einen Tailings Pond zu renaturieren oder zu verschließen. Heute wurde das Gegenteil als korrekte Einschätzung bewiesen."[6] Diese Argumentation hinkt zwar, denn nicht einmal die ärmlichen Kriterien der Provinzregierung zur Zertifizierung einer renaturierten Tar Sands-Fläche wurden hier erfüllt, aber es wird gut genug sein, damit Lobbyist*innen etwas behaupten können, wenn ihnen Umweltzerstörung vorgeworfen wird.

65.000 LKW-Ladungen Erde wurden auf dem eingetrockneten Tailings Pond abgekippt, um eine 50 cm dicke Bodenschicht zu schaffen. Darauf wurden als Gründüngung Hafer und Gräser ausgesät, um die im Gewächshaus vorgezogenen Bäume und Büsche vor zuviel Hitze und vor dem Winter zu schützen. Mangels natürlicher Vegetation wurden tote Bäume, teils auf Kopf mit Wurzelwerk nach oben, in den Boden gesteckt, um Vögeln Sitz- und Brutmöglichkeiten zu bieten. Darüber hinaus legte das Tar Sands-Unternehmen ein Netzwerk von Mulden und künstlichen Hügeln an, um ein Wassersystem zu simulieren.[5]

"Wapisiw Lookout" ist der neue Name, den sich die Promoter von Suncor ausgedacht haben, um "diese bedeutende Leistung anzuerkennen" - dabei ist "Wapisiw" das Cree-Wort für "Schwan" (wobei schleierhaft ist, was Schwäne hier suchen sollten), soll aber auch durch seine Ähnlichkeit an den ersten Menschen erinnern, der 1719 eine Tar Sands-Probe zum Außenposten der Hudson's Bay Company brachte, der hieß Wapasun.[7]

Wapisiw Lookout ist aber auch ein "entscheidender Schritt zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks" des Unternehmens und soll gewissermaßen Modellcharakter für alle weiteren Tailings Ponds-Renaturierungen bei Suncor haben[1]. Trotz des bislang bescheidenen Ergebnisses feierte Suncor-Chef Rick George in einer Rede am Wapisiw Lookout im September 2010 dieses Projekt, es sei eine "Untertreibung dies als historischen Meilenstein anzuerkennen". Nebenbei fallen dabei auch ungewollte Eingeständnisse zur Mentalität in seiner Branche. Die hatte nämlich nie vor, eine Renaturierung der von ihr verwüsteten Flächen vorzunehmen. Das zumindest könnte mensch aus Georges Randbemerkung ableiten: "Als wir den Betrieb vor über 40 Jahren begannen, hätte sich, so glaube ich, niemand diesen Tag ausmalen können."[7] Diese Interpretation ist naheliegend, denn die Bedingung, dass die Industrie überhaupt ihre Hinterlassenschaften wieder aufräumen soll, sind verglichen mit dem Startschuss der Tar Sands-Ausbeutung relativ jung.


Fortsetzung folgt! Weiter geht es mit diesem Hintergrundbericht in der nächsten Ausgabe - oder, wer nicht so lange warten will, kann auf der Internetseite des grünen blatts bereits weiter lesen.

Dieser Artikel basiert auf Vorort-Recherchen in Alberta, Interviews mit Vertreter*innen von kanadischen Umwelt-NGOs, First Nations, aus Ölindustrie und Politik sowie auf Internet-Recherchen.


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