2015-02:Tar Sands: Unterschied zwischen den Versionen

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== "Tar Sands":<br/>Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts ==
 
== "Tar Sands":<br/>Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts ==
'''fb''' Die bisherigen Teile dieses Artikels gaben einen Überblick über die Tar Sands-Vorkommen und die Ölindustrie in Alberta. Weiterer Fokus waren die ökologischen Auswirkungen der Tar Sands-Industrie, die Technologie der Rohölerzeugung aus den Tar Sands von der Konditionierung bis zum Upgrading sowie die Abbauverfahren. Thema des letzten Teils war die "Renaturierung" der verwüsteten Gebiete, womit hier gleich fortgesetzt wird.
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fb '''Die bisherigen Teile dieses Artikels gaben einen Überblick über die Tar Sands-Vorkommen und die Ölindustrie in Alberta. Weiterer Fokus waren die ökologischen Auswirkungen der Tar Sands-Industrie, die Technologie der Rohölerzeugung aus den Tar Sands von der Konditionierung bis zum Upgrading sowie die Abbauverfahren. Thema des letzten Teils war die "Renaturierung" der verwüsteten Gebiete, womit hier gleich fortgesetzt wird.'''
  
  
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Erst im September 2010 stellte Suncor mit "Pond 1" seine erste Oberflächen-Renaturierung eines Tailings Ponds fertig - nach mehr als vier Jahrzehnten<ref name="parkland" /> Tar Sands-Betrieb. Damit ist das Unternehmen immerhin das erste, das von sich behauptet eine Tailings Pond-Renaturierung vorgenommen zu haben - als "befahrbare Oberfläche", wie es auf seiner Internetseite schreibt<ref name="suncor1" />. Die Fläche dieses ältesten Absetzbecken des ältesten noch operierenden und größten Tar Sands-Unternehmens Albertas beträgt 220 Hektar<ref name="suncor2">http://www.suncor.com/en/responsible/3708.aspx - gesichtet 9. November 2015</ref>.<ref name="capp1" /> 1967 war Pond 1 in Betrieb gegangen<ref name="touribus">Suncor-Tar Sands-Sightseeing-Busexkursion am 6.6.2009</ref> und wurde bis 1997 befüllt<ref name="alberta_new">http://www.oilsands.alberta.ca/FactSheets/Reclamation_FSht_Sep_2013_Online.pdf - gesichtet 14. Februar 2015</ref>. Bei einer Touristen-Busexkursion durch die Tar Sands-Anlagen von Suncor schwärmte die Sightseeing-Führerin schon im Sommer 2009: "Kommen Sie in ein paar Jahren noch einmal her, und Sie werden ein wunderschönes Feuchtgebiet sehen"<ref name="touribus" />.
 
Erst im September 2010 stellte Suncor mit "Pond 1" seine erste Oberflächen-Renaturierung eines Tailings Ponds fertig - nach mehr als vier Jahrzehnten<ref name="parkland" /> Tar Sands-Betrieb. Damit ist das Unternehmen immerhin das erste, das von sich behauptet eine Tailings Pond-Renaturierung vorgenommen zu haben - als "befahrbare Oberfläche", wie es auf seiner Internetseite schreibt<ref name="suncor1" />. Die Fläche dieses ältesten Absetzbecken des ältesten noch operierenden und größten Tar Sands-Unternehmens Albertas beträgt 220 Hektar<ref name="suncor2">http://www.suncor.com/en/responsible/3708.aspx - gesichtet 9. November 2015</ref>.<ref name="capp1" /> 1967 war Pond 1 in Betrieb gegangen<ref name="touribus">Suncor-Tar Sands-Sightseeing-Busexkursion am 6.6.2009</ref> und wurde bis 1997 befüllt<ref name="alberta_new">http://www.oilsands.alberta.ca/FactSheets/Reclamation_FSht_Sep_2013_Online.pdf - gesichtet 14. Februar 2015</ref>. Bei einer Touristen-Busexkursion durch die Tar Sands-Anlagen von Suncor schwärmte die Sightseeing-Führerin schon im Sommer 2009: "Kommen Sie in ein paar Jahren noch einmal her, und Sie werden ein wunderschönes Feuchtgebiet sehen"<ref name="touribus" />.
  
Im Zuge seiner Renaturierungs-Bewerbung nennt Suncor die Anlage jetzt "Wapisiw Lookout". Einige der Tailings Ponds-Fotos, die wir in früheren Ausgaben dieser Artikelserie abgedruckt haben, zeigten Pond 1 noch als Tailings Pond mit deutlich sichtbaren weißen und schwarzen Ablagerungen, die nun unter etwas Erde verschwunden sind. Dabei dürfte es sich auch um Überbleibsel der im Bericht der Alberta Wilderness Association erwähnten toxischen Bestandteile der Tailinsg handeln.
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Im Zuge seiner Renaturierungs-Bewerbung nennt Suncor die Anlage jetzt "Wapisiw Lookout". Einige der Tailings Ponds-Fotos, die wir in früheren Ausgaben dieser Artikelserie abgedruckt haben, zeigten Pond 1 noch als Tailings Pond mit deutlich sichtbaren weißen und schwarzen Ablagerungen, die nun unter etwas Erde verschwunden sind. Dabei dürfte es sich auch um Überbleibsel der im Bericht der Alberta Wilderness Association erwähnten toxischen Bestandteile der Tailings handeln.
  
  
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Aktuelle Version vom 7. Oktober 2018, 18:58 Uhr

Teil 8

"Tar Sands":
Nachhaltige Zerstörung von Urwäldern und Feuchtgebieten, Enteignung indigener Menschen und größter Einzelverursacher des Treibhauseffekts

fb Die bisherigen Teile dieses Artikels gaben einen Überblick über die Tar Sands-Vorkommen und die Ölindustrie in Alberta. Weiterer Fokus waren die ökologischen Auswirkungen der Tar Sands-Industrie, die Technologie der Rohölerzeugung aus den Tar Sands von der Konditionierung bis zum Upgrading sowie die Abbauverfahren. Thema des letzten Teils war die "Renaturierung" der verwüsteten Gebiete, womit hier gleich fortgesetzt wird.



Renaturierungspraxis

Wie wenig die praktische Renaturierung mit "Natur" zu tun hat, zeigen von der Tar Sands-Lobby angepriesene Modellprojekte, wie das der Firma "Imperial Oil", wo dem Oberboden Kohle beigemischt wird, was den laut Unternehmen normalerweise hunderte Jahre benötigenden Entwicklungsprozess dieser Bodenschicht durch Aktivierung von Mikroorganismen und Nährstoffspeicherung unterstützen soll.[1] Was in der industriellen Landwirtschaft möglicherweise als interessante Forschung betrachtet würde, ist bei der vorgeblichen Wiederherstellung des zerstörten Ökosystems ein Symptom eines unmöglichen Ansatzes. "Diese Feldtests stellen die letzte Forschungsphase von zehn Jahren Forschung dar", schreiben die Lobbyist*innen von "Oilsandstoday", "die demonstrieren soll, dass es möglich ist, aus Unterboden Mutterboden zu machen, der genau so gute oder bessere Eigenschaften für den Anbau von Kulturen hat, als natürliche Muttererde"[1].

In der Tar Sands-Industrie gibt es einige grundsätzlich unterschiedliche Renaturierungsfelder: die Tagebau-Restlöcher (oder vielmehr gigantischen Kraterlandschaften einer Ausdehnung, die vom All aus sichtbar ist), die Tailings Ponds (Absetzbecken, in die die teils toxischen, auf jeden Fall ölhaltigen, Abwässer entsorgt wurden) und die diversen von vielfältigen Industrieanlagen bedeckten Hauptstandorte der Unternehmen.


Gateway Hill

Einen nur auf den ersten Blick feierwürdigen Erfolg stellte die Ausstellung eines staatlichen Zertifikats für Syncrudes "Gateway Hill"-Renaturierungsprojekt im März 2008[1] dar. Damit wurde erstmals in der jahrzehntelangen Geschichte der Tar Sands-Industrie ein Renaturierungsvorhaben als gelungen beglaubigt durch die Regierung Albertas. - Es scheint bis heute aber auch das einzige Renaturierungsprojekt mit Zertifikat zu sein[2][3]. - Was seitdem von der Tar Sands-Lobby als Beweis für umweltfreundliche Ölproduktion vermarktet wurde, umfasste lediglich eine Fläche von etwa einem Quadratkilometer. Kritiker*innen bemängeln außerdem, dass es sich lediglich um eine ehemalige Abraumhalde handele, Erde, die abgetragen wurde, um das darunterliegende Material zu erreichen - also überhaupt nicht vergleichbar mit den Problemen, die die Renaturierung eines Tailings Ponds mit sich bringen. Desweiteren habe die renaturierte Landschaft kaum Ähnlichkeit mit dem vorher anzutreffenden Borealen Wald-Ökosystem.[4]

"Ein Komplex aus Wald und tiefliegenden Feuchtgebieten wurde in ein trockenes, hügeliges Hochland mit neuen Pfaden für die menschliche Nutzung verwandelt", erläutert Joyce Hildebrand von Alberta Wilderness Association. Klare Worte sprach demnach selbst Syncrude-Pressesprecher Alain Moore: "Wenn die Leute nicht zu genau hinschauen, dann passt es in die natürliche Landschaft"...[4]

Luftbilder der 2009er Recherchen zeigen das betreffende Waldstück. Es liegt im direkten Einzugsbereich der Qualmwolken der Industrieanlagen von Suncor und Syncrude, die die Fläche umgeben, riesigen Tailing Ponds grenzen an, auch die riesenhaften Schwefellager aus der Extraktion bei Syncrude sind nicht weit entfernt. Rechts und links befinden sich die zwei noch vor sechs Jahren Besucher*innen schmackhaft gemachten Vorzeige-Renaturierungsprojekte "Crane Lake" und "Bison View Pont", von denen jetzt nur noch wenig zu lesen ist.[5] Crane Lake wird von den Aufsichtsbehörden lediglich als "permanent renaturiert" (allerdings nur der See selbst und winzige Waldzipfel am Rand), aber trotz jahrzehntelangem Bestand nicht als zertifiziert angegeben; Bison View Point hat sogar nur den Status "temporär renaturiert"[2]. Die Fläche befindet sich außerdem im Zentrum der Sightseeing-Stopps des Suncor-Touristenbusses, wovon Bison View Point einer ist, ein andere ist die sogenannte "Giants of Mining Exhibit"[5].

Dem Betreiber zufolge wurde das Gelände bereits in den frühen 1980ern renaturiert. Eigenen Angaben zufolge wurden dort mittlerweile Schneeschuhhase, Marder, Hirsch, Eichhörnchen, Biber, Coyote, verschiedene Singvögel, Raubvögel und Raufußhühner gesichtet.[6] - Alles eher keine seltenen Arten, also eine wenig aussagekräftige und teilweise sehr ungenaue Auflistung von Spezies.

Zehn Jahre hatte Syncrude für dieses Renaturierungsprojekt von nur 104 Hektar gebraucht, obwohl es sich weder um ein Tagebau-Restloch noch um einen Tailings Pond handelte. Angesichts der großen Flächen, die durch diese Industrie verwüstet wurden, hinken die Ölkonzerne mit der Aufräumarbeit stark hinterher. Hinsichtlich der in den Tailings Ponds lagernden Giftstoffe rechnen Wissenschaftler*innen mit mindestens 150 Jahren, die der Absetzungsprozess dauern wird.[4]


Fort Hills

2002 wurde das Petro-Canadas Tar Sands-Bergwerk "Fort Hills Oil Sands Project" genehmigt, das in einem moorartiges Feuchtgebiet liegt. Der gesetzlich vorgeschriebene Renaturierungsbegriff mit dem Ziel einer "äquivalenten Boden-Leistungsfähigkeit" wird einem Kommentar aus der Alberta Wilderness Association zufolge hier voraussichtlich ins bedeutungslose ausgedehnt werden, da "beinahe jeder zustimmt, dass niemand weiß, wie dieses Ökosystem zu etwas vergleichbaren wieder renaturiert werden könnte, was heute ein seltenes Torfmoor ist, das seit 8.000 Jahren in der Mache ist und hydrologisch sowohl an der Oberfläche als auch via Grundwasser mit einer Vielzahl anderer Feuchgebietstypen verbunden ist".[4]


Nikanotee

Im August 2013 startete Suncor die Renaturierung eines Moores - das Projekt wird "Nikanotee" genannt, abgeleitet vom Cree-Wort für "Zukunft"; die Planungen begannen etwa acht Jahre früher[7]. Das Suncor-Moor ist drei Hektar groß und wird von einem menschgemachten 32 Hektar umfassenden Wassersystem gespeist. Der Tar Sands-Konzern ist stolz darauf die eigentlich unmögliche Renaturierung eines Feuchtgebiets angegangen zu sein und betont Forschungspartnerschaften mit diversen Einrichtungen.[8] Zwischen den Zeilen aber ist erkennbar, das außer Hoffnung und Stolz wenig Wissen und Klarheit besteht, wie ein derart komplexes Biotop lebendig gemacht, geschweige denn eine Ähnlichkeit zum vorigen Naturzustand erreicht werden soll.

An der Konzeption der Moor-Renaturierung waren auch die Universitäten von Waterloo, Calgary und Colorado State beteiligt. Die zugrundeliegende Wasserscheide wurde bis Januar 2013 fertig gestellt, danach begannen die oberirdischen Anpflanzungen. Die Feierlichkeiten zur Eröffnung des neuen Renaturierungsvorhabens veranstaltete Suncor am 25. August desselben Jahres, während nur 500 Meter entfernt laute Monstertruck-Motoren röhren und Abgaswolken aus den weiter laufenden Tar Sands-Anlagen ziehen[9].[7]

Suncor hat sein Vorhaben, ein Moor zu "renaturieren" an einen Ort gelegt, der zuvor ein Flusstal war. "Ich glaube nicht, dass das nachteilige Auswirkungen auf die Gegend hat, solange man Ökosysteme schafft, die es hier gab", erklärt die Direktorin der Abteilung Feuchtgebiete-Renaturierung bei Suncor. "Ob der Wald nun links von dir liegt oder rechts, es ist nur wichtig, dass wir wieder gesunde Wälder schaffen. Wir müssen lediglich die selben Ökosysteme wieder in die Landschaft setzen. Sie müssen sich nicht an der gleichen Stelle befinden wie zuvor.[9]" Ganz anderer Meinung sind da die Biologinnen Suzanne Bayley und Rebecca C. Rooney, die in einer Untersuchung zum Schluss kamen, dass die Wahl des Ortes sehr wohl massive Auswirkungen darauf haben kann, ob ein überlebensfähiges Ökosystem entsteht oder nicht. "Es macht uns wütend, weil sie irgendwelche Pflanzen in die Landschaft setzen, aber es wird nicht wieder so aussehen, wie es war, und die einstigen Funktionen werden nicht wieder entstehen",erklärte Bayley, die die Region seit etwa zwei Jahrzehnten studiert hatte, in einem Interview mit "Globe and Mail" bereits 2012[10].[7]


Bison Hills

Direkt im Grenzbereich zu Suncors "Basis Operations" befinden sich im südlichen Teil von Syncrudes "Mildred Lake project" verschiedene Flächen, an denen sich das Unternehmen seit Jahrzehnten mit seinen Renaturierungsmaßnahmen versucht. Eine davon, auf die wir in einem späteren Teil der Artikelserie noch ausführlicher eingehen werden, ist der sogenannte "Bison View Point" - ein Touristen-Aussichtsplateau, wo u.a. der Suncor-Sightseeing-Bus stoppt, um den Besucher*innen die Ergebnisse der angeblichen Wiederherstellung der zerstörten Natur anhand der hier komplett standortuntypischen Bisons vorzuführen. Eine andere Fläche, auf die Syncrude in den letzten Jahren vermehrt den PR-Fokus gesetzt hat, sind die "South Bison Hills"[11]. Das Gebiet befindet sich südlich des "Base Mine Lake"[6], westlich des Bison View Point und des Highway 63.

Zunächst hatte Syncrude 1995 hier eine Grasslandschaft geschaffen, um Bodenerosion nach dem Ende der "West Mine" zu vermeiden. Nun versucht das Unternehmen das Ganze in Borealen Wald zu transformieren. Das Gras hat überhand genommen und ließ sich kaum noch entfernen, dadurch hatten die jungen Bäumchen kaum eine Chance. Da hat der Ölkonzern kurzerhand die Gräser verdrängen wollen und hat Bahnen schwarzer Plastikfolie ausgelegt, die Syncrude als "Plastikmulch" bezeichnet.[6] Das wundert wenig, liegt doch Plastik als Öl-Produkt bei einem Unternehmen dieser Industrie nahe. Die 3.000 Setzlinge sind durch das Plastik gestoßen, während den Gräsern der Zugang zum Licht versagt werden soll; die Planen sollen nach 3-4 Jahren entfernt werden[6]. Die Bahnen deuten noch etwas anderes an, das sich erst später richtig zeigen und deutlich machen wird, dass hier kein natürlicher Wald, sondern ein Forst entsteht: Wie auf einem Acker werden die Bäume zeilenweise gesetzt - ein einheitlicher Altersklassen-Forst wird designt.


Tailings Ponds-Renaturierung

Die Canadian Association of Petroleum Producers erklärt selbst, dass ihre Tailings Ponds gewaltig sind (mehr als 170 km²[12]) und die Landschaft beeinträchtigen. Die feinen Partikel (Tailings) in den Abwässern brauchen viele Jahre, bis sie sich am Boden abgesetzt haben.[13] In der Zwischenzeit sickern die belasteten Wässer ins Grundwasser und in die nahen Flusssysteme - die Tar Sands-Abbaugebiete befinden sich in einer Region mit unzähligen Flüssen, Bächen, Mooren und anderen Arten von Feuchtgebieten. Die Abwässer kommen aus der Behandlung der Tar Sands und enthalten die Reste von allem, was in den Fabriken an Zusatzstoffen beigemischt wurde, aber auch den Anteil an Bitumen, der nicht vollständig extrahiert werden konnte[12]. Da die Tailings Ponds nicht vollständig abgedichtet sind, sickern täglich Millionen Liter der Flüssigkeit in die Natur und werden dort schnell in den Feuchtgebiets-Ökosystemen verteilt.

Nachdem sich die Schwebstoffe abgesetzt haben, erläutern die Industrievertreter*innen, wird der Tailings Pond trocken gelegt.[13] Ein Teil des entzogenen Wassers wird in die weitere Ausbeutung des Untergrunds geleitet,[13] was hinsichtlich des enormen Wasserverbrauchs dieser Industrie nur einen Tropfen auf den heißen Stein bedeutet. Im Anschluss wird die Oberfläche nachgeformt, Erde aufgeschüttet und Anpflanzungen vorgenommen[13]. Das ist kurz und knapp gesagt, und beschreibt auch die Oberflächlichkeit der "Renaturierung", wie sie hier erfolgt, aber auch wie wenig Verständnis für komplexe ökologische Systeme in der Ölindustrie am Werk ist.

Als Beweis ihres verantwortungsvollen Umgangs mit der ihnen anvertrauten Natur tragen die Ölindustrie-Lobbyist*innen vor, dass sie sich um eine "Verkleinerung der Tailings Ponds-Flächen" sowie um eine "beschleunigte Renaturierung" bemühen. Als schönes Beispiel wird Shell's "Albian"-Tar Sands-Projekt benannt, wo die Tailings nun mit weiteren Zusatzstoffe versehen werden, um Wasser zu entziehen. Oder auch der Einsatz der berüchtigtigten CCS-Technology beim "Horizon"-Tar Sands-Projekt der Firma Canadian Natural Resources Limited, wo in der Fabrik produziertes CO² aufgefangen und den Tailings beigesetzt wird, um chemische Reaktionen auszulösen, die die Schwebstoffe binden und den Kohlenstoffdioxid solcherart entsorgen sollen.[13]

Noch dreister und absurder betreibt die Regierung Albertas selbst die Verharmlosungspropaganda für die Tar Sands-Industrie. In einem Flyer behauptet sie, dass sich die Schwebstoffe nach nur "3-5 Jahren" abgesetzt haben und die künstlichen Tailings Ponds bereits nach sechs Jahren zu funktionierenden Feuchtgebieten umgewandelt würden. Tailings Ponds werden hier als "sichere Alternative" gegenüber der direkten Freisetzung der Abwässer in den Wasserkreislauf bezeichnet. 90 % des Wasserbedarfs der Tar Sands-Anlagen würden durch die Tailings Ponds gedeckt.[12] Zuletzt die unverschämte Falschaussage, dass "umfangreiches Monitoring keinerlei Auswirkungen von Tailings Ponds auf Oberflächengewässer oder trinkbares Grundwasser festgestellt" hätten[12] - wo doch die Industrie selbst sich seit Jahren gegen die Vielzahl umfassender kritischer Studien rauszureden versucht, die derartige Freisetzungen dokumentiert haben.

Als "aggressive Kriterien" bezeichnet die Propaganda-Abteilung der Regierung in oben genanntem Dokument ihre Vorgaben an die Industrie "die Abwässer zu reduzieren und Termine zur Schließung und Renaturierung der Becken zu benennen, Planungen zur Eindämmung des Ansteigens flüssiger Tailings bis 2016 umzusetzen (Anmerkung: das tut die Industrie sowieso und hat selbst angeregt diese Forderung zu stellen) und ab 2016 dann genauso viele Abwässer zu behandeln wie gleichzeitig produziert werden".[12] Am Rande verweist das Flugblatt auch auf sogenannte "Altlasten-Tailings Ponds"[12] - ein netter Weg nur die neueren Absetzbecken den achsostrengen Kriterien zu unterwerfen und die älteren, die ebenfalls von der Industrie verschuldet wurden als "Altlasten" einer Sonderbehandlung zu unterwerfen.

Um Wasservögel vom Landen in den Tailings Ponds abzuhalten, werden die Unternehmen verpflichtet "Abschreckungssysteme" zu installieren.[12] Wie wenig das nützt, wissen wir von den Propangas-Schussanlagen,[4] die zu Beginn dieser Artikelserie benannt wurden. An dem Imagewashing für die Ölindustrie ist scheinbar auch die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren beteiligt, die in einer von der Provinzregierung mit 32 Millionen Kanadischen Dollars gesponsorten Forschungspartnerschaft zu "Sauberer Energieerzeugung mit Schwerpunkt auf Ölsande" benannt wird[12].


Wapisiw Lookout

Erst im September 2010 stellte Suncor mit "Pond 1" seine erste Oberflächen-Renaturierung eines Tailings Ponds fertig - nach mehr als vier Jahrzehnten[4] Tar Sands-Betrieb. Damit ist das Unternehmen immerhin das erste, das von sich behauptet eine Tailings Pond-Renaturierung vorgenommen zu haben - als "befahrbare Oberfläche", wie es auf seiner Internetseite schreibt[8]. Die Fläche dieses ältesten Absetzbecken des ältesten noch operierenden und größten Tar Sands-Unternehmens Albertas beträgt 220 Hektar[14].[13] 1967 war Pond 1 in Betrieb gegangen[15] und wurde bis 1997 befüllt[16]. Bei einer Touristen-Busexkursion durch die Tar Sands-Anlagen von Suncor schwärmte die Sightseeing-Führerin schon im Sommer 2009: "Kommen Sie in ein paar Jahren noch einmal her, und Sie werden ein wunderschönes Feuchtgebiet sehen"[15].

Im Zuge seiner Renaturierungs-Bewerbung nennt Suncor die Anlage jetzt "Wapisiw Lookout". Einige der Tailings Ponds-Fotos, die wir in früheren Ausgaben dieser Artikelserie abgedruckt haben, zeigten Pond 1 noch als Tailings Pond mit deutlich sichtbaren weißen und schwarzen Ablagerungen, die nun unter etwas Erde verschwunden sind. Dabei dürfte es sich auch um Überbleibsel der im Bericht der Alberta Wilderness Association erwähnten toxischen Bestandteile der Tailings handeln.


Fortsetzung folgt! Weiter geht es mit diesem Hintergrundbericht in der nächsten Ausgabe - oder, wer nicht so lange warten will, kann auf der Internetseite des grünen blatts bereits weiter lesen.

Dieser Artikel basiert auf Vorort-Recherchen in Alberta, Interviews mit Vertreter*innen von kanadischen Umwelt-NGOs, First Nations, aus Ölindustrie und Politik sowie auf Internet-Recherchen.


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  1. 1,0 1,1 1,2 http://www.oilsandstoday.ca/topics/RestorLand/Pages/default.aspx - gesichtet 14. Februar 2015
  2. 2,0 2,1 http://osip.alberta.ca/map/ - gesichtet 14. Februar 2015
  3. http://www.pembina.org/oil-sands/os101/reclamation - gesichtet 14. Februar 2015
  4. 4,0 4,1 4,2 4,3 4,4 4,5 Joyce Hildebrand: Reclamation Illusions in Oil Sands Country; Alberta Wilderness Association; Juni 2008
    http://albertawilderness.ca/download/file/fid/1210 - gesichtet 14. Februar 2015
  5. 5,0 5,1 Quelle: Luftbilder erstellt bei Vorort-Recherchen im Juni 2009
  6. 6,0 6,1 6,2 6,3 http://www.syncrude.ca/environmental-commitment/land-reclamation/our-progress/ - gesichtet 15. Februar 2015
  7. 7,0 7,1 7,2 http://www.desmog.ca/2013/09/03/suncor-celebrates-tar-sands-wetland-reclamation-project - gesichtet 9. November 2015
  8. 8,0 8,1 http://sustainability.suncor.com/2014/en/environment/reclamation.aspx - gesichtet 14. Februar 2015
  9. 9,0 9,1 http://www.fortmcmurraytoday.com/2013/08/26/suncor-opens-fen-in-industry-first - gesichtet 9. November 2015
  10. http://www.theglobeandmail.com/news/national/rebuilding-land-destroyed-by-oil-sands-may-not-restore-it-researchers-say/article552879/ - gesichtet 9. November 2015
  11. Foto: https://www.flickr.com/photos/syncrudecanada/9361733876/ - gesichtet 15. Februar 2015
  12. 12,0 12,1 12,2 12,3 12,4 12,5 12,6 12,7 http://www.oilsands.alberta.ca/FactSheets/FS-CES-Tailings.pdf - gesichtet 14. Februar 2015
  13. 13,0 13,1 13,2 13,3 13,4 13,5 http://www.capp.ca/environmentCommunity/land/Pages/TailingsPonds.aspx - gesichtet 14. Februar 2015
  14. http://www.suncor.com/en/responsible/3708.aspx - gesichtet 9. November 2015
  15. 15,0 15,1 Suncor-Tar Sands-Sightseeing-Busexkursion am 6.6.2009
  16. http://www.oilsands.alberta.ca/FactSheets/Reclamation_FSht_Sep_2013_Online.pdf - gesichtet 14. Februar 2015