2014-02: Wer hat Angst vorm blinden Mann?: Unterschied zwischen den Versionen

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==Wer hat Angst vorm blinden Mann?==
 
==Wer hat Angst vorm blinden Mann?==
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'''Christian Vinke'''  Ich befinde mich seit 2006 in Haft und wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.  
 
'''Christian Vinke'''  Ich befinde mich seit 2006 in Haft und wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.  
  

Version vom 00:27, 18. Nov 2014

Wer hat Angst vorm blinden Mann?

Christian Vinke Ich befinde mich seit 2006 in Haft und wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.


Das Gericht stellte zudem die besondere Schwere der Schuld fest und ordnete zugleich die Sicherungsverwahrung an, obwohl diese neben einer lebenslangen Strafe keine vollstreckungsrechtliche Konsequenz hat.

Im Januar 2007 wurde ich in die JVA Celle verlegt. Dieses war der Beginn einer beispiellosen Hetzkampagne gegen mich. Ich habe mich seit Beginn meiner Haft gegen Willkür und Selbstherrlichkeit des Vollzuges gewehrt. Die gegen das System geführten gerichtlichen Verfahren sind zum großen Teil zu meinen Gunsten ausgegangen.

Im Januar 2010 hatte ich eine schwere Augenerkrankung, die dazu führte, dass ich fast vollständig erblindet bin. Meine Sehkraft liegt bei 2,5% links und unter 2% rechts. Ab 2% gilt man in Deutschland als blind.

Der Vollzug wird sich riesig gefreut haben, da er davon ausgegangen ist, dass ich mich nun nicht mehr wehren kann.

Aufgrund dieses Sehverlustes war ich plötzlich auf umfangreiche Hilfen angewiesen. Zunächst hat man sich auch etwas bemüht, mir zu helfen, doch als ich beantragt habe, dass mir ein Rechner mit Sprachsystem zur Verfügung gestellt wird, damit ich wieder selbstständig lesen und schreiben kann, begann der Terror erst richtig.

Die JVA wollte um jeden Preis verhindern, dass ich so ein Gerät erhalte. Somit musste ich mich an ein Gericht wenden. Zudem habe ich die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch beantragt. Hierzu wurden Gutachten in Auftrag gegeben. Bei diesen Begutachtungen wurde ich von den JVA-Beamten begleitet, die dann jeweils das „Gespräch“ mit dem Arzt gesucht haben, um diesem zu erzählen, dass er sein Gutachten auf keinen Fall so schreiben solle, dass ich daraus einen Anspruch auf einen Rechner herleiten kann.

Als das herauskam wurde ein neuer Gutachter bestellt. Das Procedere wiederholte sich jedoch, bis mir das Sozialministerium einen Rechtsanwalt beiordnete, als Schutz vor den Beamten.


Der Staat hat mir also einen Rechtsanwalt zum Schutz vor dem Staat bezahlt.


Bei der nächsten Untersuchung, die dann im Beisein des Rechtsanwaltes stattfand und in einer richtigen Universitätsklinik, wurde eine 100% Schwerbehinderung festgestellt. Und es wurde festgestellt, dass ich zwingend auf einen Rechner angewiesen bin. Als das Gutachten eintraf, bin ich davon ausgegangen, dass die Sache nun endlich zu Ende geht. Doch es kam anders. Die JVA behauptete nun, ich könne noch „Speck in kleine Würfel schneiden“ und würde angeblich Zeitung lesen und Spiele im Computerraum spielen. Natürlich war das alles gelogen, doch so erreichte die JVA, dass noch ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde.

Mir wurde wieder ein Rechtsanwalt bezahlt, der mich begleitete. Nun fuhr man mich von Celle nach Gießen zur Untersuchung, natürlich komplett gefesselt und dies über 15 Stunden. Auch dieser Gutachter bestätigte das Vorgutachten, ließ sich aber von den falschen Informationen der JVA dazu verleiten, wieder weitere Untersuchungen in Auftrag zu geben.

Inzwischen dauerte das gerichtliche Verfahren bereits 3 Jahre an. Das Gericht hat nach dem diesem Gutachten jedoch einen Schlussstrich gezogen und der Rechner musste beschafft werden. In der Zwischenzeit hatte ich wieder zahlreiche gerichtliche Verfahren gewonnen.

Plötzlich hat die JVA behauptet, ich würde bedroht werden und müsste sofort verlegt werden. So wurde ich am 11.03.2013 in die JVA Wolfenbüttel verlegt. Die JVA Celle hat mir jedoch noch ein „Abschiedsgeschenk“ mit auf den Weg gegeben:

Sie berichtete der neuen JVA, dass ich nur Ärger machen würde. Mein Rechner traf praktisch mit mir in der neuen JVA ein. Nun war ich wieder selbstständig. Ich konnte also wieder meinen Kampf gegen das System aufnehmen und habe auch anderen geholfen, ihre Rechte durchzusetzen.

Die neue JVA hat mich mit Disziplinarverfahren nur so überzogen. Der Vorwurf lautete regelmäßig, ich hätte „verbotene“ Schreibhilfe geleistet. Inzwischen wurde ich hier mit 13 (!) rechtswidrigen Disziplinarverfahren überzogen. Bislang hat kein einziges einer gerichtlichen Prüfung Stand gehalten. Die erste Verfassungsbeschwerde habe ich auch bereits gewonnen. Das Verfassungsgericht hat bemerkenswerter Weise nur 4 Monate für seine Entscheidung benötigt, was sehr kurz ist. Es liegen aber noch über 10 weitere dort, von welchen das Gericht bereits 4 weitere zur Entscheidung angenommen hat.

Die JVA ging so weit und wollte mich sogar zwingen, Zellenarbeit zu verrichten, obwohl diese seit 1988 gesetzlich verboten ist. Um mich weiter zu terrorisieren sind sie so weit gegangen, dass sie sogar beim Finanzamt und beim Arbeitgeber meiner Freundin angerufen haben um diesen zu berichten, dass meine Freundin mich besucht. Vom Finanzamt wollten sie Auskünfte über eine selbstständige Tätigkeit meiner Freundin. Natürlich sind sie zu so etwas unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt berechtigt, doch an gesetzliche Vorschriften halten sie sich grundsätzlich nicht.

Da sie inzwischen gemerkt haben, dass der Vorwurf der „verbotenen“ Schreibhilfe nicht mehr funktioniert, behaupten sie neuerdings, ich würde sie beleidigen. Es gibt zwar niemals Zeugen dafür, doch sie schieben hier irgendwelche Beamte vor, die einfach etwas behaupten. Obwohl ich dergleichen stets bestreite und es sich um Aussage gegen Aussage handelt, bestrafen sie mich nun dafür und haben in der zuständigen Strafvollstreckungskammer auch jemanden gefunden, der sie tatkräftig unterstützt. Es ist einfach unglaublich.


Ich habe keine Möglichkeit, einer Beschäftigung nachzugehen, ich werde praktisch den gesamten Tag einfach nur eingeschlossen. Das hier dargestellte gibt nur einen ganz kleinen Teil der tatsächlich stattgefundenen Umstände wieder.


Bis mindestens 2025 muss ich dieses noch ertragen.


Die zahlreichen gewonnenen gerichtlichen Entscheidungen zeigen mir zwar, dass es sich lohnt zu kämpfen, doch es macht mir Angst, wie das System mit einem Blinden umgeht, der doch nur die Dinge beim Namen nennt. Der Staat hat schon lange die Kontrolle über die Systeme verloren, die Menschen werden für dumm verkauft und wehren sich nicht, auch das macht mir Angst. Das betrifft nicht nur dieses System, sondern gilt ganz allgemein.

==15. April 2014:==

Nachdem mir die JVA Wolfenbüttel die Aushändigung der aktuellen Ausgabe zunächst verweigert hatte und ich deswegen einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung einreichen musste, hat die JVA sie mir aufgrund der bestehenden Informationsfreiheit nun doch ausgehändigt.


Über solidarische Zuschriften würde ich mich freuen. Unterstützer sind herzlich willkommen aber auch Anfragen von Gefangenen zum Thema Vollzug.

15. Mai 2014:

Die JVA Wolfenbüttel ht mich am 5.5. auf die Sichrheitsstation verlegt und setzt mich seitdem einer 'Einzelhaft' aus.

Als Begründung führt die JVA an, ich hätte anderen Gefangenen geholfen, sprich Rechtsberatung betrieben. Deswegen müsse ich von allen Gefangenen getrennt sein und dies für unbestimte Dauer.

Wenig später eine Adressänderung:

Christian Vinke

Schnedebruch 8

31319 Sehnde