2014-01:Pandora's Promise

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Pandora's Promise:

Die Lügen und falschen Versprechungen der Atomlobbyist*innen

fb Alte Lügenmärchen in neuem Kleid - das könnte die Kurzbeschreibung für den Atompropaganda-Film "Pandora's Promis" (Pandoras Versprechen) sein. Angeblich erstmals sei ein hochkarätiger Dokumentarfilm publiziert worden, der Position für die Atomkraft beziehe. Neu mag das Format "Dokumentation" erscheinen, zumindest heutzutage selten, die Geschichte darin ist jedoch die selbe langweilige und falsche Story von der verheißungsvollen und letztlich doch irgendwie auch sicheren Atomenergie. Das ist in etwa dasselbe, was eine*r in nahezu jeder Atomanlage als Werbefilm vorgesetzt wird - nur dass dort nicht auf "Dokumentarfilm" gemacht wird, sondern reine Objektivität und Wissenschaftlichkeit vorgegaukelt wird.

Pandora's Promise geht die Sache anders, erfolgversprechender an: Die handvoll Protagonist*innen, die uns durch den Film begleiten, werden überwiegend als ehemalige Atomkraftgegner*innen dargestellt. Einst waren sie eisern gegen Atomkraft und für die Umwelt - jetzt haben sie aber, wer hätte das hier erwartet, endlich verstanden, dass sie ganz falsch lagen. In Wirklichkeit, so haben sie angeblich heraus gefunden, ist Atomenergie nämlich gar nicht so schlimm wie immer behauptet wird - und Solarstrom ist ja noch viel gefährlicher!

In Helsinki wurde der Dokumentarfilm am 1. Februar als Teil des DocPoint Filmfestivals erstmals einer breiten finnischen Öffentlichkeit präsentiert und zur Diskussion gestellt. Ein fragwürdiges Ereignis angesichts der massiven Atompolitik der finnischen Regierung, die in Widerspruch mit der öffentlichen Meinung steht, die Umfragen zufolge deutlich gegen neue Atomanlagen ist.


Büchse der Pandora

Der Film spielt auf den griechischen Mythos von Pandora, die von Zeus mit der "Büchse der Pandora" (eigentlich einem Krug) ausgestattet wurde, um Rache an den Menschen zu üben, nachdem Prometheus das Feuer gestohlen hatte. Das Gefäß enthielt alle Übel der Welt sowie die Hoffnung. Die Menschen sollten das Geschenk nicht öffnen, doch sie - oder Pandora selbst, das ist in der Literatur umstritten - tun es. Daraufhin entwichen alle Plagen in die Welt, und bisher unbekannte Übel wie Arbeit, Krankheit und Tod überfluteten die Erde. Bevor auch die Hoffnung freigesetzt worden wäre, wurde der Krug wieder geschlossen.

Irgendwann wurde der Deckel erneut gehoben, und schließlich entwich auch die Hoffnung. In der Literatur ist die Deutung dieser Tat umstritten. Einige meinen nachdem die Welt angesichts all der Übel ein trostloser Ort geworden sei, habe die Hoffnung das Leiden der Menschen etwas gemildert. Darauf spielt wohl auch "Pandora's Promise" an, denn im Untertitel wird diese zitiert: "At the bottom of the box she found hope".

Die gebräuchlichere Interpretation ist aber, dass die Hoffnung eine trügerische sei und in Wahrheit als "das Übelste aller Übel" anzusehen sei, weil die Menschen so in ihrem Dasein fortfahren sich immer von Neuem quälen zu lassen.


Pandoras Versprechen

Es scheint Eigenironie zu sein, dass ein Pro-Atom-Propagandafilm ausgerechnet auf diese Geschichte aus der griechischen Mythologie anspielt. Denn es fällt nicht schwer im Ausbuddeln des Urans aus dem Erdreich das Öffnen des Geschenks der Pandora zu erkennen. Einherkommend mit der Verwendung des Urans werden Atombomben entwickelt und über 2.000mal gezündet. Atomkatastrophen mit vielen Todesopfern und unzähligen Dauergeschädigten folgen 1957 in Kyshtym (Mayak, Sowjetunion), 1959 in Simi Valley (USA), 1986 in Pripyat (Tschernobyl, Sowjetunion) und 2011 in Fukushima (Japan) - um nur einige der als folgenschwersten eingestuften zu nennen. Viele tausende Uranbergarbeiter*innen werden offiziell als Opfer der Radioaktivität gehändelt, die Zerstörung der Abbaugebiete und Schädigung der zivilen dort lebenden Bevölkerung gar nicht berüchsichtigt. Und schon im Normalbetrieb werden Menschen krank - die KiKK-Studie brachte den Beweis für den Zusammenhang zwischen Nähe des Wohnortes zu einem AKW und der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Krebserkrankungen bei Kindern.

Insofern sollte der Film eigentlich geeignet sein zu verdeutlichen, dass die Atomkraftnutzung vor allem Unheil gebracht hat. Und die Vernunft sollte sagen, dass mensch damit schleunigst aufhören müsste, um den Schaden zumindest zu begrenzen. Dennoch treiben Atomlobbyist*innen den Bau neuer (längst veralteter) Reaktoren voran, um schnell noch zu verdienen, während das Schiff "Atomindustrie" längst sinkt. Wirtschaftlichkeit und Produktionsengpässe lassen den weltweiten Atomstromanteil immer weiter sinken - ungeachtet der vereinzelten Neubauten.

So betrachtet ist "Pandora's Promise" die Fortsetzung der gewohnten Atompropaganda auf neuem Terrain und mit modernisiertem Konzept - als Dokumentarfilm. Es wird gar nicht versucht die Gefahren und Desaster der Atomenergienutzung zu negieren, das wäre wohl auch vergebliches Bemühen. Stattdessen ist das Konzept kurz umrissen die Story einer Handvoll ehemaliger angeblicher Atomkraftgegner*innen, die einst 100%ig von dem Unheil überzeugt waren, das die Nutzung der Atomkraft mit sich bringt, sich aber glücklicherweise eines besseren haben belehren lassen. Jetzt sind die ex-Atomkraftgegner*innen heiße Verfechter*innen der Atomenergie und wollen den Zurückgebliebenen, die es noch nicht geschnallt haben, den rechten Weg weisen: Atomkraft ist zwar gefährlich, aber sie ist notwendig und immer noch besser als alle Alternativen.

Hierzu werden uns alte Märchen der Atomindustrie von einst möglichen technischen Lösungen für den Atommüll und die Beseitigung des Unfallrisikos aufgetischt, vermengt mit altbekannten Atom-Lügen von minimalen und wenig gefährlichem Atommüll, von der Atomkraft als klimafreundliche Energiequelle oder - wohl die unverschämteste von allen - von angeblich nur etwas mehr als 50 Todesopfern der Tschernobylkatastrophe. Abgemischt wird das ganze mit einem schlechten Interviewversuch mit der international bekannten Atomkraftgegnerin Helen Caldicott, die keine Lust hatte auf die ihr im Vorbeigehen an den Kopf geworfenen pro-Atom-Provokationen zu antworten, und mit erschütternden Bildern aus Tschernobyl und Fukushima, begleitet von den arroganten Protagonist*innen, die gar keinen Grund sehen Atomkraft abzulehnen.


DocPoint Filmfestival

DocPoint wurde erstmals 2001 in Helsinki veranstaltet. Das Filmfestival hatte sich ursprünglich zum Ziel gesetzt finnische Dokumentarfilme bekannter zu machen, da diese selten in Finnlands Kinos gezeigt und im Fernsehen ausgestrahlt wurden. Damit sollten Themen und Arbeiten vor allem finnischer Filmmacher*innen stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gebracht werden. Anders als bei vielen anderen großen Filmfestivals gibt es hier keine Restriktionen hinsichtlich der Aktualität - es können auch Dokumentarfilme gezeigt werden, die ihre Premiere längst hinter sich haben. Von Anfang an wurden auch Produktionen aus anderen Ländern ausgestrahlt, so wie es hier mit Pandora's Promise der Fall ist.

Warum lädt ein Dokumentarfilm-Festival einen Atompropaganda-Produkt ein? - Im Interview erklärte DocPoint-Intendantin Ulla Simonen, dass sie mit diesem "ersten atomkraftbefürwortenden Dokumentarfilm" eine kontroverse Diskussion starten wollte. Pandora's Promise sollte ein Gegenstück zu den üblichen kritischen Filmen bilden - insgesamt wurden fünf atomkraftbezogene Dokumentarfilme im 2014er Filmfestival präsentiert. Im Anschluss an die Vorführung von Pandora's Promise sollte im Rahmen eines "Nuclear Business Seminar" diskutiert werden - in Form einer Podiumsdiskussion mit fünf Vertreter*innen unterschiedlicher Perspektiven.

Ulla Simonen engagiert sich seit den frühen 1980ern gegen Atomenergie und hat wahrscheinlich an allen größeren Demonstrationen in Finnland teilgenommen. Die Idee den hochradioaktiven Atommüll unter der Ostsee zu verbuddeln (Onkalo - das geplante Endlager am AKW Olkiluoto) findet sie "eine fürchterliche Entscheidung". Aber Pandora's Promise beeindruckt sie, es war der erste Dokumentarfilm, der sie zweifeln ließ und zu der Frage brachte: "Könnte Atomkraft eine bessere Lösung gegen den Klimawandel sein?". Zwei Wochen lang, nachdem sie den Film im Auswahlverfahren für das Festival angeschaut hatte, empfand sie diese Infragestellung noch als Schock - "lag ich falsch?". Der Super-GAU in Tschernobyl hatte mit den Behauptungen der finnischen Atombehörde STUK Finnland sei nicht betroffen, obwohl das Gegenteil offensichtlich war, eine tiefe Wunde hinterlassen.

In Finnland gibt es derzeit einen Diskurs mensch solle in Hinsicht auf die Atomkraft nicht schwarz/weiß denken, also nicht pro oder contra, sondern Lösungen dazwischen finden. Das führt manchmal zu so absurden Ansichten, wie sie im August letzten Jahres im ansonsten beeindruckenden CASE PYHÄJOKI Projekt von einer Referentin geäußert wurde, dass mensch nicht einfach gegen das geplante AKW in Pyhäjoki sein sollte, sondern dem Atomkonzern etwas anderes zum Profitmachen anbieten müsse. Differenzierte Diskussionen sind sicherlich Mangelware und im Allgemeinen zu begrüßen - aber es sollte auch differenziert werden, wo sie angebracht sind, oder nur als Rechtfertigung für den herrschenden Diskurs herhalten sollen. Bei der Atomkraft muss die Abwägung zwischen theoretischen Vorteilen und dem einhergehenden Risiko zu einem entschiedenen "Nein" als Antwort führen - kein vermeintlicher Gewinn rechtfertigt die enormen Risiken und die realen Folgen dieser Technologie.

"Die Diskussionen in Finnland müssen kontroverser werden, bisher werden wesentliche Dinge nicht berührt." Simonen meint damit, warum zum Beispiel veraltete Technologie in finnischen Atomkraftwerken verbaut wird, wenn es doch dem Film zufolge seit den 1950ern bessere Atomtechnologien gegeben hätte. Ja-Nein-Debatten findet sie nicht gut. Es sollte kontrovers diskutiert werden und keine Zensur geben. Daher auch Pandora's Promise als Teil von DocPoint, wobei Simonen den Film ganz klar einordnet: Pandora's Promise ist "Propaganda".

Aber auch die Anti-Atom-Dokumentarfilme seien in dieser Hinsicht ähnlich aufgemacht: vieles wird ausgelassen, Emotionen dominieren, ausgewählte Bilder beeindrucken, obwohl sie nicht unbedingt Signifikanz haben - z.B. der Geigerzähler, der nicht fehlen darf. Ganz egal was die Aussage sein soll, er wird benutzt, um Zahlen zu zeigen und zu suggerieren das sei bedeutend. Was die Zahlen wirklich bedeuten, ihre Aussagekraft bleibt im Unklaren. So taucht dieses Stilmittel sowohl in den atomkraftkritischen Filmen als auch bei Pandora's Promise auf - mit gegenteiliger Message. "Der Dokumentarfilm ist kein gutes Format für wirklich objektive Botschaften - er funktioniert am besten durch Emotionen und arbeitet immer mit Auslassungen."


Grundstruktur des Films

Die Mehrzahl der Protagonist*innen war früher gegen die Atomkraft, wirklich überzeugte Aktivist*innen, aber sie mussten erfahren, dass alle Argumente falsch und Lügen waren. Der Film verheimlicht die Atomkatastrophen nicht, zeigt stattdessen Atomwaffeneinsätze und die Katastrophen in Harrisburg, Tschernobyl und Fukushima - und stimmt zu, dass das alles nicht gut war.

Anti-Atom-Argumente wie die Probleme mit dem Atommüll oder Krebsrisiko werden erwähnt und Zitaten gegenübergestellt, die behaupten diese wären falsch: den hunderttausenden Tschernobylopfern wird die IAEA-Lüge von nur etwas über 50 Todesfällen gegenübergestellt, wobei die WHO, die diese Zahlen mitträgt, als Kronzeug*in herhalten muss, obwohl Atomkraftgegner*innen seit langem auf den IAEA-WHO-Knebelvertrag hinweisen, der es der Weltgesundheitsorganisation verbietet, ohne Zustimmung der Atompropaganda-Behörde zu strahlenbezogenen Gesundheitsaspekten zu sprechen. In Sachen Atommüll werden Areva & co. zitiert, die mit unzutreffenden Zahlen das Volumen der radioaktiven Abfälle verniedlichen.

Klima ist das Hauptargument für die Atomkraft in diesem Film - was ihn eigentlich schon diskreditieren sollte, weil längst belegt ist, dass mit der Atomstromproduktion erhebliche Treibhausgasemissionen verbunden sind und andererseits diese schwerfällige Technologie keine Chance hätte in kurzer Zeit einen relevanten Anteil an der Energieproduktion der Welt zu erreichen. Aber das wissen die meisten Menschen nicht, so entfalten die falsche Behauptung Atomkraft produziere NULL CO² und die Bilder eines angeblich grünem Frankreich, das durch seine 80% Atomstrom so viel umweltfreundlicher als atomkraftkritische Staaten sei, gewiss auch Wirkung.

Nachdem einerseits die eigene Glaubwürdigkeit durch das Eingeständnis von Fehlern (Atombomben, Fukushima, Tschernobyl) dargestellt, Gegenargumente (Atomopfer, Atommüll) ausgeräumt und andererseits die Notwendigkeit (Klimaschutz) verdeutlicht wurde, rundet die Propaganda-Show die Vision von einer eigentlich gar nicht so schlechten Atomkraft mit veralteten Atomträumen von Brütertechnologie und Thorium-Reaktoren, die ein Ende mit Unfallgefahr und Atommüllproblem machen sollen, ab. Dass diese Technologien bereits in der Praxis gescheitert sind, und die Atomindustrie sich längst davon abgewandt hat, wird unter den Teppich gekehrt.


Schlussfolgerung

Falsche Fakten, alte Geschichten, irreführende Argumentationen. Pandora's Promise bringt nichts Neues ans Tageslicht, lediglich ein anderes Format. Fehlerhafte Messungen mit verschmutzten Geigerzählern und fehlleitende Interpretationen des Einflusses von Radioaktivität bilden den wissenschaftlichen Rahmen dieser Produktion von Robert Stone.

Es entsteht der Eindruck, dieser Film sei einzig dazu gemacht, um jegliche Leute zu diskreditieren, die immer noch gegen Atomkraft sind, indem ihre Argumente als Falschdarstellungen inszeniert und sie selbst als Ideolog*innen/Dogmat*innen mit falscher Information dargestellt werden.

Klar, es ist ein guter Ansatz kontroverse Diskussionen zu starten, Leute dazu zu bringen ihre Überzeugungen zu hinterfragen und gegensätzliche Positionen darzustellen. Ob Pandora's Promise hierzu ein geeignetes Mittel ist, bleibt fraglich. Der Dokumentarfilm baut auf Lügen und Falschdarstellungen auf, und wiederholt schlicht die Märchen, die von der Atomlobby seit Jahrzehnten herunter gebetet werden. Das ist keine gute Basis für eine fundierte Debatte, stattdessen werden die Zuschauer*innen in die Irre geführt. Was daraus folgt, kann eigentlich nur die Simulation einer sinnvollen Diskussion sein, wenn auf Lügen und veraltete Märchen gesetzt wird.