2012-01:Richter beim Containern gestört: Unterschied zwischen den Versionen

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Gleich zum Beginn der Verhandlung erklärte Ehrlich indirekt seine Befangenheit, indem er seine Sympathie für das zivilgesellschaftliche Engagement des Angeklagten äußerte und ankündigte, dass dieser vermutlich vom positiven Ergebnis der Verhandlung überrascht sein würde. Eigentlich ein klarer Grund für einen Befangenheitsantrag - aber was tun, wenn der Rechtsbruch zu Gunsten des Angeklagten erscheint? Gleich darauf legte der Richter eine unglaubliche Serie an schweren Rechtsbrüchen an den Tag, die eine Auflistung der eher leichteren Verfahrensfehler (wie dem Fehlen der formalen Fortsetzung des Verfahrens nach einer verkündeten Unterbrechung) müßig erscheinen lassen. Ehrlich ignorierte die Anträge des Angeklagten, ohne auf die ausdrücklich beantragten schriftlich verfassten und mündlich verlesenen Gerichtsbeschlüsse einzugehen. Als der Richter so weit ging, dass er ohne auf die Ausführungen des Angeklagten einzugehen einfach den ersten Zeugen in den Raum rief und gleichzeitig, während der Angeklagte seinen Antrag vorzutragen versuchte, den Zeugen zu vernehmen begann. Der Antrag auf Zulassung eines Rechtsbeistands wurde - wie in anderen Verfahren schon ausgiebig erlebt - ohne Würdigung des rechtlich verankerten und durch die einschlägigen Rechtskommentare bekräftigten Anspruchs auf Beistand auch durch eine Laienverteidigerin abgeschmettert. Doch irgendwie schien Richter Ehrlich von der Situation überfordert. Denn während er noch an seinem Tisch Staatsanwalt, Zeuge und Angeklagten versammelt hatte, unterbrach er abrupt die Verhandlung und verließ ohne Angabe der Unterbrechungsdauer regelrecht fluchtartig den Raum. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte zuvor auf die Frage nach seiner Stellungnahme zum Rechtsbeistandsantrag nur erklärt, dass er die vorgeschlagene Laienverteidigerin nicht kenne und daher keinen Kommentar abgeben könne.
 
Gleich zum Beginn der Verhandlung erklärte Ehrlich indirekt seine Befangenheit, indem er seine Sympathie für das zivilgesellschaftliche Engagement des Angeklagten äußerte und ankündigte, dass dieser vermutlich vom positiven Ergebnis der Verhandlung überrascht sein würde. Eigentlich ein klarer Grund für einen Befangenheitsantrag - aber was tun, wenn der Rechtsbruch zu Gunsten des Angeklagten erscheint? Gleich darauf legte der Richter eine unglaubliche Serie an schweren Rechtsbrüchen an den Tag, die eine Auflistung der eher leichteren Verfahrensfehler (wie dem Fehlen der formalen Fortsetzung des Verfahrens nach einer verkündeten Unterbrechung) müßig erscheinen lassen. Ehrlich ignorierte die Anträge des Angeklagten, ohne auf die ausdrücklich beantragten schriftlich verfassten und mündlich verlesenen Gerichtsbeschlüsse einzugehen. Als der Richter so weit ging, dass er ohne auf die Ausführungen des Angeklagten einzugehen einfach den ersten Zeugen in den Raum rief und gleichzeitig, während der Angeklagte seinen Antrag vorzutragen versuchte, den Zeugen zu vernehmen begann. Der Antrag auf Zulassung eines Rechtsbeistands wurde - wie in anderen Verfahren schon ausgiebig erlebt - ohne Würdigung des rechtlich verankerten und durch die einschlägigen Rechtskommentare bekräftigten Anspruchs auf Beistand auch durch eine Laienverteidigerin abgeschmettert. Doch irgendwie schien Richter Ehrlich von der Situation überfordert. Denn während er noch an seinem Tisch Staatsanwalt, Zeuge und Angeklagten versammelt hatte, unterbrach er abrupt die Verhandlung und verließ ohne Angabe der Unterbrechungsdauer regelrecht fluchtartig den Raum. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte zuvor auf die Frage nach seiner Stellungnahme zum Rechtsbeistandsantrag nur erklärt, dass er die vorgeschlagene Laienverteidigerin nicht kenne und daher keinen Kommentar abgeben könne.
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Als Richter Ehrlich wieder in den Raum kam, verkündete er ohne Umschweife - und ohne die Fortsetzung der Verhandlung zu erklären - die Ablehnung des Rechtsbeistands unter Berufung auf Tatbestände, die den im Antrag bereits aufgeführten einschlägigen Rechtskommentaren zufolge unzulässig sind. Über die Beschwerde der abgelehnten Laienverteidigerin entschied der Richter gar nicht erst, sondern führte arrogant und ignorant trotz Einwendungen des Angeklagten die Zeugenbefragung fort. Als dieser daraufhin eine Unterbrechung zur Formulierung eines "nicht aufschiebbaren Antrags" beantragte, fragte Ehrlich nach, ob es sich wohl um einen Befangenheitsantrag handele, und erklärte umgehend, dass "Befangenheitsanträge werden heute nicht angenommen". Angesichts dieser Unverfrorenheit war wohl Hilflosigkeit die dominierende Stimmung im Saal. Dass grundlegenste prozessuale Rechte mit solcher Ignoranz unterbunden werden, war einfach ein unglaublicher Vorgang - und eigentlich eine Steilvorlage für die Revision. Noch klarer kann der Rechtsbruch / Verfahrensfehler kaum sein. Aber davon ungerührt führte Richter Ehrlich seine Befragung fort. So kam es mehrfach zu Situationen, in denen der Angeklagte verzweifelt versuchte seine Rechte wahrzunehmen, während Ehrlich parallel weiter plapperte und eine ernsthafte Zeugenvernehmung zu führen suchte.
  
  

Version vom 18:41, 21. Sep 2011

Richter beim Containern gestört

fb Mit einem unerwarteten Ergebnis ging am 21. September der zweite Anlauf des Prozesses gegen Menschen, die vor anderthalb Jahren mit abgelaufenen Lebensmitteln von der Polizei in Döbeln aufgegriffen worden waren, zu Ende: Freispruch einschließlich von der Staatskasse zu tragender Gerichtskosten. Unerwartet deswegen, weil der Vorwurf ohnehin umstritten und absurd war, denn obwohl es sich um ein Delikt handelt, das für gewöhnlich nur auf Antrag der Geschädigten das Verfahren geführt werden kann, brachte die Staatsanwaltschaft Chemnitz den Fall nun zum zweiten Mal ohne Vorliegen eines Strafantrags vor Gericht. Es bestünde erhebliches "öffentliches Interesse" an der Strafverfolgung wurde behauptet. Und dann plädiert der Vertreter der Staatsanwaltschaft plötzlich selbst für den Freispruch, nachdem er erstmal ein neues Fass aufmachen wollte, indem er eine andere verfolgbare Straftat des Angeklagten im strittigen Vorgang zu erkennen gemeint hatte.

"Containern" meint die Aneignung von weggeworfenen Lebensmitteln (und anderen Dingen) aus den Mülltonnen von Supermärkten, Gemüsegroßhändlern etc., die noch immer genießbar sind. Inwiefern es sich dabei um eine strafbare Handlung handelt, ist strittig. Denn juristisch handelt es sich bei Abfall in der Regel um eine "herrenlose Sache", deren Eigentum "ausgegeben" wurde. Nur in speziellen Fällen, wenn es klare vertragliche Regelungen zum Beispiel mit dem Abfallentsorger gibt, dass das Eigentum nahtlos an diesen übertragen wird, kann von Diebstahl gesprochen werden, wenn diese herrenlosen Sachen angeeignet werden. In den meisten Strafverfolgungen von Menschen, die weggeworfene Nahrung oder Gegenstände einer weiteren Verwendung zuführen wollen, geht es angesichts dieses Umstands auch nicht um den vermeintlichen Diebstahl, sondern um damit verbundene weitere "Straftaten". Beispielsweise, dass mit dem Übersteigen eines Zaunes Hausfriedensbruch begangen wurde, oder dass ein Schloss aufgebrochen wurde, und damit eine Sachbeschädigung vorläge.

Im Döbelner Containerverfahren war der Tatvorwurf etwas wirr - einen Fall "besonders schweren Diebstahls" solle es gegeben haben, weswegen es ein erhebliches öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gäbe, so die Staatsanwaltschaft. Besonders schwer sei der Diebstahl deswegen, weil zu seiner Begehung ein Hausfriedensbruch begangen worden sei, und es könne ja nicht sein, dass Leute einfach über Zäune steigen (Aussage des Vertreters der Staatsanwaltschaft im ersten Anlauf des Prozesses Ende 2010). Offenkundig war das Verfahren politisch motiviert. Die Ermittlungen waren auf vage Spekulationen von Staatsanwaltschaft und PolizeizeugInnen gestützt, die sich schon im ersten Anlauf am Döbelner Amtsgericht als völlig unbelegt herausstellten. Weder konnte klar nachgewiesen werden woher die Lebensmittel kamen (also wer eigentlich überhaupt geschädigt sein könnte), noch dass es einen Hausfriedensbruch gegeben hat. Lediglich die Tatsache, dass die zunächst zwei (später nach einvernehmlicher Einstellung eines der Verfahren gegen Auflagen nur noch einer) Angeklagten in Sichtweite eines Marktes mit einem mit teils abgelaufenen Lebensmitteln gefüllten Anhänger von PolizistInnen angetroffen wurden, stand im Raum. Daran änderte auch der zweite Anlauf des Prozesses nichts.

Anders war jedoch das Auftreten und Verhalten des neuen Richters Ehrlich. Der hatte schon Monate zuvor in einer sitzungspolizeilichen Anordnung nicht nur Vorkontrollen angeordnet, sondern auch das Mitführen aller zur Störung des Verfahrens geeigneter Gegenstände - insbesondere von Lebensmitteln - untersagt. Das wurde dann auch so umgesetzt, und nicht nur Handys und andere Gerätschaften der Besucher des Prozesses, sondern auch Laptops und Arbeitsgeräte des Angeklagten und dessen Rechtsbeistands, wurden an den Eingangskontrollen mit Metalldetektoren und anderem technischen Durchleuchtungsgerätschaften zurückgehalten. Zur Eröffnung des Prozesses verkündete Richter Ehrlich, dass er konsequent gegen Störungen durchgreifen würde. In seiner sitzungspolizeilichen Anordnung hatte er bereits festgelegt, dass anwesende PolizeibeamtInnen nach entsprechender richterlicher Feststellung einer Störung eigenmächtig handeln dürften. Im Saal waren dieses Mal jedoch keine erkennbaren Polizeikräfte oder Justizbeamte anwesend, die dies direkt hätten umsetzen können. Außer einzelnen Rügen gegen juristische Einwände aus dem Publikum unternahm er auch keinerlei Versuche Kommentare oder Applaus aus dem Publikum zu unterbinden.

Gleich zum Beginn der Verhandlung erklärte Ehrlich indirekt seine Befangenheit, indem er seine Sympathie für das zivilgesellschaftliche Engagement des Angeklagten äußerte und ankündigte, dass dieser vermutlich vom positiven Ergebnis der Verhandlung überrascht sein würde. Eigentlich ein klarer Grund für einen Befangenheitsantrag - aber was tun, wenn der Rechtsbruch zu Gunsten des Angeklagten erscheint? Gleich darauf legte der Richter eine unglaubliche Serie an schweren Rechtsbrüchen an den Tag, die eine Auflistung der eher leichteren Verfahrensfehler (wie dem Fehlen der formalen Fortsetzung des Verfahrens nach einer verkündeten Unterbrechung) müßig erscheinen lassen. Ehrlich ignorierte die Anträge des Angeklagten, ohne auf die ausdrücklich beantragten schriftlich verfassten und mündlich verlesenen Gerichtsbeschlüsse einzugehen. Als der Richter so weit ging, dass er ohne auf die Ausführungen des Angeklagten einzugehen einfach den ersten Zeugen in den Raum rief und gleichzeitig, während der Angeklagte seinen Antrag vorzutragen versuchte, den Zeugen zu vernehmen begann. Der Antrag auf Zulassung eines Rechtsbeistands wurde - wie in anderen Verfahren schon ausgiebig erlebt - ohne Würdigung des rechtlich verankerten und durch die einschlägigen Rechtskommentare bekräftigten Anspruchs auf Beistand auch durch eine Laienverteidigerin abgeschmettert. Doch irgendwie schien Richter Ehrlich von der Situation überfordert. Denn während er noch an seinem Tisch Staatsanwalt, Zeuge und Angeklagten versammelt hatte, unterbrach er abrupt die Verhandlung und verließ ohne Angabe der Unterbrechungsdauer regelrecht fluchtartig den Raum. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatte zuvor auf die Frage nach seiner Stellungnahme zum Rechtsbeistandsantrag nur erklärt, dass er die vorgeschlagene Laienverteidigerin nicht kenne und daher keinen Kommentar abgeben könne.

Als Richter Ehrlich wieder in den Raum kam, verkündete er ohne Umschweife - und ohne die Fortsetzung der Verhandlung zu erklären - die Ablehnung des Rechtsbeistands unter Berufung auf Tatbestände, die den im Antrag bereits aufgeführten einschlägigen Rechtskommentaren zufolge unzulässig sind. Über die Beschwerde der abgelehnten Laienverteidigerin entschied der Richter gar nicht erst, sondern führte arrogant und ignorant trotz Einwendungen des Angeklagten die Zeugenbefragung fort. Als dieser daraufhin eine Unterbrechung zur Formulierung eines "nicht aufschiebbaren Antrags" beantragte, fragte Ehrlich nach, ob es sich wohl um einen Befangenheitsantrag handele, und erklärte umgehend, dass "Befangenheitsanträge werden heute nicht angenommen". Angesichts dieser Unverfrorenheit war wohl Hilflosigkeit die dominierende Stimmung im Saal. Dass grundlegenste prozessuale Rechte mit solcher Ignoranz unterbunden werden, war einfach ein unglaublicher Vorgang - und eigentlich eine Steilvorlage für die Revision. Noch klarer kann der Rechtsbruch / Verfahrensfehler kaum sein. Aber davon ungerührt führte Richter Ehrlich seine Befragung fort. So kam es mehrfach zu Situationen, in denen der Angeklagte verzweifelt versuchte seine Rechte wahrzunehmen, während Ehrlich parallel weiter plapperte und eine ernsthafte Zeugenvernehmung zu führen suchte.