2009-01:Heil Pflanzen Führer

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Heil Pflanzen Führer

Die absurde Welt des Wolf-Dieter Storl

von Olga Porombka


Hoch oben inmitten saftiger Matten eines malerischen Allgäuer Tales, steht ein Jagdschlößchen und ein daran angrenzendes Herrenhaus mit gewaltigem Walmdach. Warmes Sonnenlicht umschmeichelt die ganze Szenerie. Es riecht kräftig nach frühsommerlicher Luft. Weiter hinauf zieht sich der fahlgrüne Tannen- und Föhrenwald, bis hin zum mächtig aufragenden Bergmassiv der Alpen. Fleißige Bienen schießen hier, sonor summend, Nektar sammelnd von einer Blüte der überfließend sprießenden Bergkräuter zur nächsten. Blaue, rote, gelbe, violette und weiße Blütenkelche, -rispen und -mäulchen leuchten sie an. Die Pracht lockt nicht nur die suchenden Immen, sondern auch eine bunt gemischte Schar von Menschen, die jedoch für den romantischen Zauber Mutter Naturs jetzt nur wenige hastige Blicke übrig haben. Ihre Augen richten sich suchend in Richtung ihrer Fußspitzen. Ab und an blicken sie aufmerksam herüber zu dem stattlichen Mann mit den Wursthaaren im Nacken und dem etwas verfilzten grauen Bart der sich über seinen enormen Bauch ergießt. Er plaudert geduldig zu ihnen mit beschwörender Sprache – oft mit Anglizismen durchsetzt – in angenehm befremdlich wirkendem Tonfall. Dabei erzählt er von den geheimen Kräften, der Geschichte und dem was er unter traditionellem Gebrauch der wertvollen Heilkräuter versteht, die in der heimischen Natur so üppig für alle erblühen.


Der Mann scheint ein Wiedergänger des Almöhi von der Heidi zu sein und er hört auf den launigen Namen Wolf-Dieter Storl. Er nennt sich selbst „Ethnobotaniker“ und weiß erstaunlich viel über exotische Völker und deren Kulte und Rituale und über Schamanismus zu erzählen, denn er ist obendrein auch noch ein weitgereister Völkerkundler. Ein „Ethnobotaniker“, das ist einer, der sich für sämtliche, weltweit vorkommenden Drogen und Pflanzen interessiert, und für das, was sich mit ihnen alles so anstellen läßt. Aber nicht nur die verschiedenen Wirkungen probiert er an sich selber aus. Er sieht es als seine „Mission“ an, dieses Wissen an andere weiter zu geben. darüber hinaus erforscht er von den Stämmen und Völkern, welche diese Drogen und Tränke schon seit jeher verwenden, bei welchen Ritualen und Feiern, magischen Anwendungen und Krankheiten sie diese traditionell anwenden. Hauptsächlich sammelt er viele der gefundenen Pflanzen ein, zeichnet sie, versucht sie botanisch einzuordnen, nimmt sie mit nach Hause, um sie dort mit anderen „Ethnobotanikern“ zu tauschen und zu konsumieren, vermehrt sie und schreibt Bücher über sein Tun. Nicht zum Erwähnen zu vergessen sei, daß er seine Produkte und Dienstleistungen auch gewinnbringend vermarktet.

Der wohl bekannteste unter den deutschen „Ethnobotanikern“ ist Christian Rätsch, von dem unter anderem ein umfangreiches „Lexikon der psychoaktiven Pflanzen“, mitsamt vergleichender Kulturgeschichte und ausführlichem Teil zur jeweiligen Pharmakologie, sowie Darstellung der Anwendung erschien. Doch nicht nur Rätsch genießt im Kleinbürgerlichen Spektrum ein Starimage und wird als edler Wilder herumgereicht. Christian Wyrwa wirbt im öffentlich-rechtlichen TV-Kanal NDR für Storl als „einer der führenden Experten im Bereich Ethnobotanik und gilt als der Heilpflanzenkundler hierzulande“. Er läßt sich als Kräuterheiligen und Alm-Indianer verehren. Wyrwa begeistert sich mit pathetischen Worten für den „gebürtigen Sachsen mit den langen Haaren und dem wallenden Bart“, der eines von seinen vielen „Sachbüchern“ im Fernsehen vorstellen darf. „Wohl jede Universität würde ihm einen Lehrstuhl anbieten, doch der promovierte Kulturanthropologe zieht ein zurückgezogenes Leben in den Allgäuer Bergen vor. Hier lebt er seit 1988 gemeinsam mit Frau und Kindern auf einem alten Hof, im Einklang mit der Natur.“


Bei der Recherche über ihn stößt man immer wieder auf die gleichen Allgemeinplätze, die sich lesen, wie aus seiner eigenen homepage herauskopiert: „Gut 20 Jahre lehrte Wolf-Dieter Storl als Dozent und College-Professor an verschiedenen Universitäten in den USA, in Indien sowie Europa. Eine erfolgreiche, wissenschaftliche Karriere schien ihm sicher.“ Früher war der langbärtige Wurzelsepp an vielen verschiedenen „Universitäten“ beschäftigt, sagt er. Forscht man jedoch neugierig in Publikationskatalogen und Nationalbibliotheken nach Veröffentlichungslisten unter seinem Namen wird man nicht fündig. Eine Promotionsschrift ist von ihm existiert nicht und erst recht keine Dissertation; wissenschaftlich betrachtet gibt es ihn gar nicht – sollte er tatsächlich an Universitäten als Lehrbeauftragter beschäftigt gewesen sein, so sicherlich nicht als Professor.

Die Deutsche Nationalbibliothek listet ausschließlich seine populären Bücher auf – immerhin es sind fünfundvierzig an der Zahl. Einige hat er mit Rätsch und der Bach-Blüten-Tante Claudia Mueller-Ebeling zusammengeschrieben. In der Libary of Congress der USA finden sich nur zwei Einträge: 1. Witchcraft medicine: healing arts, shamanic practices, and forbidden plants (2003) 2. Shiva: the wild God of power and ecstasy (2004). Diese Titel sind Übersetzungen deutscher Originalausgaben. Offenbar hat Storl in den Staaten nichts wissenschaftliches publiziert – erst recht keine Beiträge die peer-reviewed sind. (Methode des Gegenlesens innerhalb der peer-group anerkannter Forscher einer wissenschaftlichen Disziplin, um den Wert der Arbeit feststellen zu können – gegenwärtig der Garant für wissenschaftliche Reputation)

Storl selber gibt kräftig an mit seiner scheinbaren Anerkennung als gefeierter Wissenschaftler. Für kritische Beobachter stellt sich eindringlich die Frage was seine esoterischen Absonderungen mit vernünftiger Weltsicht, Emanzipation und Aufklärung zu tun haben. Bei einem Interview im Kifferblättchen „grow“ palavert er in auf die Frage „Was lehrte dich das Botanik-Studium?“ (Botanik wird als einzelnes Lehrfach auch in den USA nicht angeboten– sie ist ein Teilbereich der Biologie) erstaunlich offenherzig daher: „Im Studium habe ich gleich gespürt, dass die Pflanzen wie tote Gegenstände behandelt wurden, die Wirkstoffe akkumulieren, Zellulose anhäufen und das war’s. Das waren reine Materialisten die dort lehrten. Sie sagten: ‚Die Pflanze lässt ihre Wurzeln nicht wachsen um Nährstoffe zu suchen. Dies würde ihr ein Motiv zusprechen, was nicht vorhanden ist.’ Ihrer Ansicht nach ist alles in der Natur einfach eine chemisch-mechanische Reaktion.“ Er verläßt sich da schon lieber auf seine Vorurteile. Von den Erkenntnissen der „materialistischen“ Naturwissenschaften „wusste, (er im Voraus) dass stimmt nicht. Ich hatte über Jahre im Wald gesessen und die Natur empfunden. Ein Teil dieser Ansicht war sicherlich auch dadurch bestimmt, dass ich in meiner frühen Jugend einige Bücher der Romantik gelesen hatte.“ Unumwunden gibt der „Forscher“ seinen Romantizismus damit bekannt. Kein Wunder daß er schnell eine Dichotomie zwischen gut und böse, rein und verdorben eröffnet: „Aber das amerikanische Ethos unterscheidet zwischen ‘Kultur’ und ‘Natur’. Kultur ist zivilisiert und kontrolliert, die Natur ist wild. Dementsprechend wurden die Indianer behandelt. Genauso sind Wildkräuter aus dieser Sicht wertlos. Mir scheint es fast anders herum: Das was Kultur ist, dieser kurzgemähte Rasen, die ganze Entseelung. Der Wald ist für mich viel wertvoller und mit viel mehr Seele ausgestattet. Ja, ja, so ist es.“

Ken Wilber, selbst ein großer Freund psychoaktiver Nutzanwendungen, sowie bekannt dafür eine esoterische Kosmologie vorgelegt zu haben, führt zum Dualitätsprinzip bei den Natur-Romantikern, und deren Suche nach dem richtigen und reinen, aus dem sie Identität schöpfen, folgendes in Form einer Frage – Antwortspieles aus: „KW: Das alte Griechenland ist heute bei den Romantikern ziemlich ‘out’, hauptsächlich deshalb, weil es eine Ackerbaukultur und damit eine patriarchale Kultur war. Deshalb ließen die Romantiker ihre Retrozeitmaschine nochmals an und kamen bei den Gartenbaugesellschaften an. Diese sind heute mit Abstand der beliebteste Tummelplatz der Ökofeministinnen. Wie wir gesehen haben, waren diese Gesellschaften ja oft matrifokal, von der Großen Mutter beherrscht. Verschwenden wir also keinen Gedanken an das zentrale Ritual praktisch aller Gartenbaugesellschaften: das rituelle Menschenopfer, das unter anderem notwendig war, um die Fruchtbarkeit der Erde sicherzustellen. Reden wir auch nicht davon, daß nach Lenskis beeindruckendem Datenmaterial nicht weniger als vierundvierzig Prozent dieser Gesellschaften häufig Kriege führten, über fünfzig Prozent in regelmäßigen Abständen (soviel zu den friedliebenden Große-Mutter-Gesellschaften), daß es in einundsechzig Prozent von ihnen Privatbesitz gab, in vierzehn Prozent Sklaverei und in fünfundvierzig Prozent die Praxis des Brautpreises. Die Ackerbaugesellschaften waren in Wirklichkeit alles andere als ‘rein und ursprünglich’, worauf wiederum die Ökomaskulinisten lautstark hinweisen. F: Dies halten es mehr mit den Jägern und Sammlern. KW: Ja, es blieb den Ökomaskulinisten (‘Tiefenökologen’)vorbehalten, noch eine Stufe weiter zurückzugehen, wo sie die Jäger-und-Sammler-Kulturen in ‘reinen und ursprünglichen Zustand’ vorfanden. Ihnen zufolge ist die von den Ökofeministinnen geliebte Gartenbaukultur der Natur nicht wirklich in reiner Weise nahe, weil diese Gesellschaften Ackerbau betrieben, was s