2007-03:Utopien: Begriffe, Klassifizierung: Unterschied zwischen den Versionen

Aus grünes blatt
Zur Navigation springenZur Suche springen
(in Bearbeitung)
 
(Zwischenstand)
Zeile 9: Zeile 9:
 
Einen anderen Zusammenhang stellt das Wort '''a-topie''' her, das ebenfalls aus dem Griechischen abgeleitet ist (griechisch ατοπία, atopía - Ortlosigkeit), und etwas nicht zuzuordnendes meint, das von hoher Originalität ist. Ein anderes Wort für diese Bedeutung wäre auch "Unbeschreiblichkeit".<ref>vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Atopie_%28Philosophie%29&oldid=34032451</ref>
 
Einen anderen Zusammenhang stellt das Wort '''a-topie''' her, das ebenfalls aus dem Griechischen abgeleitet ist (griechisch ατοπία, atopía - Ortlosigkeit), und etwas nicht zuzuordnendes meint, das von hoher Originalität ist. Ein anderes Wort für diese Bedeutung wäre auch "Unbeschreiblichkeit".<ref>vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Atopie_%28Philosophie%29&oldid=34032451</ref>
  
* ou-topos --> altgriechisch οὐτοπία „der Nicht-Ort“; aus οὐ- u- „nicht-“ und τόπος tópos „Ort“<ref>vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utopie&oldid=35055343</ref>
+
Bekannter als eu-topos ist der altgriechische Wortursprung ou-topos (altgriechisch οὐτοπία „der Nicht-Ort“), woher die sprachtheoretisch gebräuchliche Übersetzung von Utopie mit "Nicht-Ort" abgeleitet wird<ref>vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utopie&oldid=35055343</ref>. Damit beschreibt die Utopie idealisierte Vorstellungen, die in dieser Gesellschaft aber nicht vorliegen bzw. zum gegebenen Zeitpunkt nicht realisierbar sind<ref>vgl. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4, S. 80f.</ref>.
** idealisierte Vorstellungen, die in dieser Gesellschaft aber nicht realisierbar sind<ref>vgl. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4, S. 80f.</ref>
+
 
** Beispiel: herrschaftsfreie Welt
+
Von diesen Bedeutungen ausgehend ist die Idee einer herrschaftsfreien Welt eine Utopie, da sie eine eine positive Gesellschaftsvorstellung, die aber nicht der aktuellen Realität entspricht und unter den gegebenen Bedingungen nicht realisierbar ist, beschreibt. In ihrer Idealität ist sie auch eine Atopie. - Auf der anderen Seite stehen die utopischen Projekte bzw. Alternativ-Ansätze, mit denen Menschen im Hier & Jetzt versuchen diese Vorstellungen einer herrschaftsfreien Welt anzunähern. Sie entsprechen dem Bild einer Heteropie, sind sie doch etwas "Anormales" in dieser Gesellschaft, spiegeln diese in ihren Restmuster des Mainstreams wider, zeigen aber auch einen Ausschnitt aus einer ganz anderen Welt.
 +
 
 +
Nach Foucault kann das Verhältnis zwischen Utopie und Heterotopie auch als Spiegel beschrieben werden: Auf der einen Seite steht der Mensch in seiner aktuellen Gesellschaft, auf der anderen Seite befindet sich die utopische Welt. Sind Realität und scheinbare Utopie übereinstimmend, handelt es sich vom Begriff her nicht um eine Utopie, sondern um eine Heterotopie, die Glaswand dazwischen wäre also ein Spiegel. Unterscheiden sich Gesellschaft und Wunschvorstellung, so liegt auf der anderen Seite die Utopie. Dabei sind die Übergänge zwischen den Polen dieses Bildes fließend und es sind Zustände vorstellbar, in denen sowohl Elemente von Utopie und Heterotopie vorliegen.
 +
 
 +
Ausgehend von der Heterotopie-Definition ergibt sich die spannende und kritische Frage, inwiefern die alternativen Ansätze im Hier & Jetzt geeignet sein können, die Utopie zu erreichen. Damit erhält Adornos Spruch, es gäbe nichts Richtiges im Falschen weiteres Fundament. Auch wenn diese Überlegungen vor allem philosophischen Charakter haben, könnten sie helfen auf abstrakter Grundlage Abschätzungen vorzunehmen, Strategien für den Kampf um eine bessere Welt zu entwickeln.
 +
 
 
* hetero-topie<ref>vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Heterotopie_%28Literatur%29&oldid=34564403</ref> --> wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können. Nach Foucault können Gegenstand der Heterotopologie Orte sein, die von einer Gesellschaft errichtet wurden, um das Anor­male besser kontrollieren und bestenfalls disziplinieren zu können. Es können darüber hinaus Orte sein, die sich allein der Lust, der Schönheit oder dem Widerstand verschrieben haben, Orte, die nur solange »toleriert« werden, wie sie kein »öffentliches Ärgernis« oder gar eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.<ref>vgl. http://www.jungle-world.com/seiten/2006/02/6984.php</ref>
 
* hetero-topie<ref>vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Heterotopie_%28Literatur%29&oldid=34564403</ref> --> wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können. Nach Foucault können Gegenstand der Heterotopologie Orte sein, die von einer Gesellschaft errichtet wurden, um das Anor­male besser kontrollieren und bestenfalls disziplinieren zu können. Es können darüber hinaus Orte sein, die sich allein der Lust, der Schönheit oder dem Widerstand verschrieben haben, Orte, die nur solange »toleriert« werden, wie sie kein »öffentliches Ärgernis« oder gar eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.<ref>vgl. http://www.jungle-world.com/seiten/2006/02/6984.php</ref>
 
** Orte, die in dieser Gesellschaft möglich sind, sie reflektieren und gewissermaßen aufzeigen, was von der Utopie hier realisierbar ist. Sie sind die "utopischen Ansätze im Hier & Jetzt", die es zu entwickeln gilt.<ref>vgl. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4, S. 80f.</ref>
 
** Orte, die in dieser Gesellschaft möglich sind, sie reflektieren und gewissermaßen aufzeigen, was von der Utopie hier realisierbar ist. Sie sind die "utopischen Ansätze im Hier & Jetzt", die es zu entwickeln gilt.<ref>vgl. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4, S. 80f.</ref>

Version vom 17:10, 20. Sep 2007

Utopien: Begriffe, Klassifizierung

fb Dieser Text ist aus dem Utopien-Seminar hervorgegangen, das im September 2007 in Magdeburg stattfand und will einen Einblick in die theoretische Debatte um Utopien geben. Hierbei geht es vor allem um mit der Idee einer herrschaftsfreien Welt zusammenhängende Begriffe und Erklärungsansätze zu diesen. Diese Einführung zum Thema Utopien umreißt das begriffliche Spektrum zunächst und ist nicht als abgeschlossen zu betrachten.

Begriff Utopie

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird "Utopie" einerseits verwendet, um eine positive Idealvorstellung zu beschreiben, andererseits aber auch um zu sagen, dass etwas unmöglich ("utopisch") ist. Für letzteres wäre statt "utopisch" passender der Begriff "illusorisch". Denn "Utopie" meint zwar etwas, was gerade nicht ist, daraus ist aber nicht abzuleiten, dass es nicht möglich wäre. Zur sprachwissenschaftlichen Herkunft des Begriffs "Utopie" führe ich im Folgenden einige weitere Begriffe ein, die zum Teil zur Herleitung des deutschen Wortes genutzt werden können oder zur Abgrenzung bzw. Konkretisierung helfen können.

Einer der Wortursprünge ist das griechische eu-topos, wobei "eu" für "gut" und "topos" für "Ort" steht, gemeint ist also der „gute Ort“. Damit weist diese Begriffsquelle darauf hin, dass eine Utopie eine Vorstellung eines guten bzw. besseren Ortes oder auch Welt beschreiben soll. Dementsprechend ist mit Utopie in der Regel ein positives Gesellschaftsbild gemeint, im Gegensatz dazu steht die Dystopie, die weiter unten beschrieben wird.[1]

Einen anderen Zusammenhang stellt das Wort a-topie her, das ebenfalls aus dem Griechischen abgeleitet ist (griechisch ατοπία, atopía - Ortlosigkeit), und etwas nicht zuzuordnendes meint, das von hoher Originalität ist. Ein anderes Wort für diese Bedeutung wäre auch "Unbeschreiblichkeit".[2]

Bekannter als eu-topos ist der altgriechische Wortursprung ou-topos (altgriechisch οὐτοπία „der Nicht-Ort“), woher die sprachtheoretisch gebräuchliche Übersetzung von Utopie mit "Nicht-Ort" abgeleitet wird[3]. Damit beschreibt die Utopie idealisierte Vorstellungen, die in dieser Gesellschaft aber nicht vorliegen bzw. zum gegebenen Zeitpunkt nicht realisierbar sind[4].

Von diesen Bedeutungen ausgehend ist die Idee einer herrschaftsfreien Welt eine Utopie, da sie eine eine positive Gesellschaftsvorstellung, die aber nicht der aktuellen Realität entspricht und unter den gegebenen Bedingungen nicht realisierbar ist, beschreibt. In ihrer Idealität ist sie auch eine Atopie. - Auf der anderen Seite stehen die utopischen Projekte bzw. Alternativ-Ansätze, mit denen Menschen im Hier & Jetzt versuchen diese Vorstellungen einer herrschaftsfreien Welt anzunähern. Sie entsprechen dem Bild einer Heteropie, sind sie doch etwas "Anormales" in dieser Gesellschaft, spiegeln diese in ihren Restmuster des Mainstreams wider, zeigen aber auch einen Ausschnitt aus einer ganz anderen Welt.

Nach Foucault kann das Verhältnis zwischen Utopie und Heterotopie auch als Spiegel beschrieben werden: Auf der einen Seite steht der Mensch in seiner aktuellen Gesellschaft, auf der anderen Seite befindet sich die utopische Welt. Sind Realität und scheinbare Utopie übereinstimmend, handelt es sich vom Begriff her nicht um eine Utopie, sondern um eine Heterotopie, die Glaswand dazwischen wäre also ein Spiegel. Unterscheiden sich Gesellschaft und Wunschvorstellung, so liegt auf der anderen Seite die Utopie. Dabei sind die Übergänge zwischen den Polen dieses Bildes fließend und es sind Zustände vorstellbar, in denen sowohl Elemente von Utopie und Heterotopie vorliegen.

Ausgehend von der Heterotopie-Definition ergibt sich die spannende und kritische Frage, inwiefern die alternativen Ansätze im Hier & Jetzt geeignet sein können, die Utopie zu erreichen. Damit erhält Adornos Spruch, es gäbe nichts Richtiges im Falschen weiteres Fundament. Auch wenn diese Überlegungen vor allem philosophischen Charakter haben, könnten sie helfen auf abstrakter Grundlage Abschätzungen vorzunehmen, Strategien für den Kampf um eine bessere Welt zu entwickeln.

  • hetero-topie[5] --> wirkliche Orte, wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager, tatsächlich realisierte Utopien, in denen die wirklichen Plätze innerhalb der Kultur gleichzeitig repräsentiert, bestritten und gewendet sind, gewissermaßen Orte außerhalb aller Orte, wiewohl sie tatsächlich geortet werden können. Nach Foucault können Gegenstand der Heterotopologie Orte sein, die von einer Gesellschaft errichtet wurden, um das Anor­male besser kontrollieren und bestenfalls disziplinieren zu können. Es können darüber hinaus Orte sein, die sich allein der Lust, der Schönheit oder dem Widerstand verschrieben haben, Orte, die nur solange »toleriert« werden, wie sie kein »öffentliches Ärgernis« oder gar eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen.[6]
    • Orte, die in dieser Gesellschaft möglich sind, sie reflektieren und gewissermaßen aufzeigen, was von der Utopie hier realisierbar ist. Sie sind die "utopischen Ansätze im Hier & Jetzt", die es zu entwickeln gilt.[7]
    • Allerdings werden mit Heterotopien in der Rezeption häufig negative Aspekte verbunden: beispielsweise ihre Wirkung als Puffer einer Gesellschaft, die gegenläufige Energien auffangen, aber (bzw. vielleicht: und so) das System nicht ernsthaft verändern können. Viele Kommunen könnten in diese Interpretation passen, wenn ihre utopischen Ansätze die Gesellschaft aber nicht wirklich verändern, da sie auf sich bezogen bleiben und keine tiefergehenden Veränderungen erwirken. Kritische, utopisch denkende Menschen werden dort aufgefangen und schaden dem System an diesen Orten möglicherweise weniger, als wenn sie offensiv für ihre Ideen innerhalb der Gesellschaft auftreten würden.
    • Beispiel: Offene Räume mitsamt der dahinterstehenden Logik (das dürfte eine sehr schöne Diskussion ergeben aufgrund der negativen Zuschreibungen des Begriffs Heterotopie). Als Beispiele für Heterotopien nennt Foucault Jugend-, Alten- und Erholungsheime, psychiatrische Kliniken, Gefängnisse, die Kolegs des 19. Jahrhunderts, Kasernen, Friedhöfe, Kinos und Theater, Gärten, Museen, Bibliotheken, Festwiesen, Feriendörfer, kultische und nicht-kultische Reinigungsstätten, Gästehäuser, Bordelle, Kolonien sowie das Schiff als Heterotopie schlechthin.[8]
  • dys-topie --> dys- altgr. für miss-, un-, übel-; Geschichte, die in einer fiktiven Gesellschaft spielt, die sich zum Negativen entwickelt hat | auch (literarische) Endzeit ist eine Form der Dystopie. Häufig wollen die Autoren dystopischer Geschichten mit Hilfe eines pessimistischen Zukunftsbilds vor Entwicklungen in der Gegenwart warnen. | Typische Charakteristika einer Dystopie sind: Mechanisierte Superstaaten nehmen dem Individuum jegliche Freiheiten, die Kommunikation der Menschen untereinander ist eingeschränkt und gestört, und das Bewusstsein der eigenen Geschichte oder eigener Werte gekappt.[9]
  • euchai - Dinge, die zwar schwer zu verwirklichen sind, aber doch möglich[10]

Weitere Begriffe

Die Begriffe "Herrschaft", "Hierarchie" und "Macht" hängen eng zusammen, unterscheiden sich aber auch deutlich. Für eine ernsthafte theoretische Auseinandersetzung damit ist es wichtig, sie voneinander abgrenzen zu können und ihre Bezüge zueinander zu verstehen. Kurz gefasst bedeutet Macht ein bestimmtes Handlungspotential zu haben, was sowohl positiv als auch negative Auswirkungen haben kann. Aus verschiedenen solchen Potentialen können Hierarchien entstehen, die wiederum noch nicht automatisch negativ im Sinne von anti-emanzipatorisch sein müssen. Sie sind aber eine Voraussetzung für das Entstehen von Herrschaft, welche aus emanzipatorischer Sicht abzulehnen ist, da sie Fremdbestimmung darstellt. Anders herum kann mensch sagen, dass da wo Herrschaft vorliegt, auch Hierarchien zu finden sind. Und Hierarchien bauen auf verschiedene Handlungsmöglichkeiten (Potentiale - Macht) auf.

Zu diesen in der Auseinandersetzung mit dem Gedanken einer herrschaftsfreien Welt überwiegend negativ besetzten Begriffen, die vor allem der Analyse der Verhältnisse im Hier & Jetzt dienen sollen, haben wir zwei positive Pendants vorzustellen: die Prinzipien der "Selbstorganisation" und der "Horizontalität". Beide umschreiben Bedingungen und Möglichkeiten für Emanzipation und sind damit Teile einer Strategie für eine Befreiung aus herrschaftsförmigen Verhältnissen.

  • Herrschaft - In der alten Max Weber-Definition ist Herrschaft die Fähigkeit für einen Befehl von bestimmten Personen Gehorsam zu erhalten. Diese Definition erfasst allerdings einige neuere Erkenntnisse der Herrschaftsanalyse nicht, so lässt sich damit beispielsweise diskursive Herrschaft nicht herleiten. Verschiedene jüngere ForscherInnen (u.a. Spehr, Gruppe Gegenbilder) haben sich mit einer aktuelleren Definition versucht. Wahrscheinlich bedarf es aber weiterer Begriffsklärungen zur Konkretisierung um notwendige und hinreichende Bedingungen für das Vorliegen von Herrschaft zu beschreiben.
  • Hierarchie - Hierarchien sind Unterschiede, diese meinen im gesellschaftlichen Bereich Über- und Unterordnungen von Befugnissen, Zugangsmöglichkeiten, Befehlsketten etc. Hierarchien liegen damit u.a. durch Spezialisierungen, Erfahrungen, körperliche oder geistige Beschränkungen oder Vorteile, aber offensichtlich auch, wenn Menschen unterschiedliche Macht haben, über deutlich verschieden viel Geld verfügen uvm.
  • Macht - Frühere Machtdefinitionen stellten diese mit dem Begriff der Herrschaft gleich und in vielen politischen Diskursen ist das bis heute noch der Fall. Beispielsweise wenn Ton Steine Scherben "Keine Macht für niemand" fordern (was allerdings auch aufgrund der doppelten Verneinung als "alle Macht für alle" interpretiert werden kann) oder wenn die Grünen in ihrem Wahlkampf "Den Männern die Hälfte der Macht" zugestehen wollen. Hier wird Macht mit Herrschaft gleichgesetzt, was auch der Wahrnehmung vieler Menschen entsprechen dürfte. Allerdings wurden in der Philosophie und Sprachwissenschaft inzwischen deutliche Abgrenzungen zwischen den Begriffen vorgenommen, weswegen es sinnvoll ist, bei der theoretischen Auseinandersetzung auf diese einzugehen. Demnach beschreibt Macht insbesondere die Fähigkeit bzw. das Potential etwas zu tun und ist damit eine Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen handlungsfähig sind. Es kann auch hier eine genauere Klassifizierung vorgenommen werden, die z.B. zu einer Unterteilung in "kreative Macht" (das konkrete Tun von Menschen) und "instutionalisierte Macht" (Herrschaft) genutzt werdne kann.
  • Selbstorganisation - Selbstorganisation ist ein Prinzip, das helfen soll, unabhängig von einzelnen Faktoren (z.B. Lohnarbeit) zu sein und damit selbstbestimmter das eigene Leben führen zu können. Hierbei kommen in der aktuellen Praxis Verbindungen aus verschiedensten Ansätzen zur Organisation des Lebens zusammen, z.B. durch Aneignung von Kompetenzen, strategisches Vorgehen bei der Organisation von Ressourcen, Herstellung verschiedenster Kontakte etc. Selbstorganisation ist aber auch ein Anspruch, der an Menschen gestellt wird, wenn sie sich ohne Führung organisieren sollen. Diesen Anspruch erheben in letzter Zeit Kongresse wie der JUKSS und verschiedenste Alternativprojekte.
  • Horizontalität - Horizontalität beschreibt den Umgang der Menschen miteinander. Es handelt sich um einen erweiterten Begriff von Gleichberechtigung, der auch die unterschiedlichen Voraussetzungen (Erfahrungen, körperliche Benachteiligung, Kompetenzen) berücksichtigt und zum Ziel hat, unter diesen Bedingungen eine Verhandlungsbasis "auf gleicher Augenhöhe" zu schaffen. Umfassende Horizontalität liegt erst vor, wenn alle Einflüsse von Herrschaft ausgeschaltet sind und auch die Auswirkungen anderer Machtverhältnisse ausgeglichen werden. Horizontalität ist damit ein Grundprinzip herrschaftsfreier Gesellschaft, aber auch Anspruch bzw. Ziel für emanzipatorische Projekte im Hier & Jetzt.


Klassifizierung von Utopien

Zur Klassifizierung von Utopien gibt es unterschiedliche Ansätze, die sich teils überschneiden, teils aufeinander aufbauen, manchmal aber auch überhaupt keinen Bezug zu anderen Klassifizierungen haben. Die Wikipedia unterscheidet in religiöse, wissenschaftlich-technische und gesellschaftliche Utopien.

  • Religiöse Utopien
    • z.B. christliche oder islamische Utopien vom Gottesstaat
  • Technische Utopien
    • technischer Fortschritt verbessert das Leben und löst die aktuellen Probleme der Gesellschaft, aus diesem Genre sind jedoch auch Dystopien hervorgegangen, die beschreiben wie durch ein Übermaß an Technik oder die Fortsetzung negativer Entwicklungen erschreckende Verhältnisse geschaffen werden; eine Spielart dieser Utopieklasse ist der Science Fiction; VertreterInnen u.a. Jules Verne
  • Gesellschaftliche Utopien
    • vor allem sozialistische und kommunistische Utopien von einer gerechteren Welt, z.B. ohne Geld, Lohnarbeit oder Unterdrückung; VertreterInnen u.a. Karl Marx, Paul Lafargue
  • Sozialutopien
    • vor allem zu Zeiten der industriellen Revolution entstanden; VertreterInnen: Robert Owen, Charles Fourier
  • literarische Utopie (i.d.R. utopischer Roman/Zukunftsroman, u.a. Science Fiction)
    • Vorstellungen einer besseren Welt in fiktive Erzählungen verpackt; VertreterInnen: Thomas Morus (Utopia), Francis Bacon (Nova Atlantis)
    • Science Fiction[11]: u.a. Jules Verne
    • später auch Anti-Utopien (Dystopien); VertreterInnen: Orwell (1984), Huxley (Brave New World)
  • herrschaftsfreie Utopien
    • z.B. Freie Kooperation, Freie Menschen in Freien Vereinbarungen, Autonomie und Kooperation
  • ???

Oskar Wilde beschrieb Utopie so: "Eine Weltkarte, auf der Utopia nicht verzeichnet ist, ist noch nicht einmal eines flüchtigen Blickes wert, denn auf ihr fehlt das einzige Land, wo die Menschheit immer landet. Und wenn die Menschheit dort landet, hält sie Ausschau, und wenn sie ein besseres Land sieht, setzt sie die Segel. Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Utopien".[12]

Gesellschaftliche Utopien[13]

Sozialistische und kommunistische Utopien behandeln bevorzugt die gerechte Verteilung von Gütern, oft bei gleichzeitiger Abschaffung des Geldes („jedem nach seinen Bedürfnissen“). Es existieren sogar Vorstellungen, die ökonomisch bestimmte Erwerbsarbeit abzuschaffen (Muße, Paul Lafargue, „Recht auf Faulheit“, Situationismus). Die Bürger gehen danach nur noch solchen Arbeiten nach, in denen sie sich selbstverwirklichen können.

Es bleibt viel Zeit, die Künste und Wissenschaften zu pflegen (s. auch utopischer Sozialismus, Freizeit).

Ob das von Francis Fukuyama behauptete Ende der Geschichte auch eine Utopie darstellt ist fraglich, da diese in der bereits vorhandenen Welt bestände.

Religiöse Utopien[14]

Christliche und islamische Vorstellungen vom Himmel sind utopischer Natur, speziell in volkstümlichen Vorstellungen, die ein Leben ohne Sorgen und Leid enthalten. Es existieren auch utopische Vorstellungen, das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen (Gottesstaat).

Die christlichen Zukunftsvorstellungen vom Paradies bzw. Garten Eden auf der Erde, dem durchgesetzten Reich Gottes also, sind nach christlicher Ansicht jedoch nicht als Utopie zu bezeichnen. Zwar bezeichnen sie eine ideale Wunschvorstellung für die Zukunft, jedoch werden sie durch Gottes Gnade und die Mitwirkung des Menschen erreicht. Des Weiteren lässt die christliche Theologie in ihrem Glauben, dass mit der Deszendenz Jesu Christi, der Menschwerdung Jesu also, das Reich Gottes schon begonnen habe. Die christliche Zukunftsvorstellung ist also keine rein futuristische, sondern bezeichnet ein gleichzeitiges schon und noch nicht: Das Reich Gottes hat mit Jesus Christus schon begonnen, wird in der Kirche fortgesetzt und ist im Himmel bereits durchgesetzt. In der gesamten Welt jedoch ist diese Vorstellung noch nicht akzeptiert und wartet somit noch auf Vollendung. Es wird dementsprechend keine neue Welt gepredigt, sondern die Erneuerung der alten Welt. Diese Vorstellung bezeichnet man in deutlicher Abgrenzung zu der Utopie als Eschatologie.

Utopische Strömungen sind jedoch im Christentum der Millenarismus oder die Dominionisten, und vor allem auch im Islam gibt es vergleichbare Strömungen, die einen ganz realen Gottesstaat (Theokratie) errichten wollen, der stark utopische Züge trägt (s. auch: Iran, Islamische Revolution).

Wissenschaftlich-technische Utopien[15]

In wissenschaftlich-technischen Utopien werden dank technischem Fortschritt nicht nur die menschlichen Lebensbedingungen sondern auch die Menschen selbst manipulierbar. So sollen Krankheit, Hunger und Tod durch technische Mittel besiegt und das Wesen des Menschen gezielt verändert werden. Sie sind ideologische Überhöhungen der realen wissenschaftlichen und technischen Entwicklung, die gesellschaftliche Zusammenhänge bewusst ausblenden oder auch übersteigert darstellen. In ihrer übersteigerten Darstellung technischer Möglichkeiten stehen sie unfreiwillig auch neueren apokalyptischen Szenarien nahe, in denen die Menschheit den Weltuntergang selbst herbeiführt. Diese werden auch als Antiutopie oder Dystopie bezeichnet.

In der wissenschaftlichen Welt erhofft man sich aus den Utopien oft auch eine „Theorie für Alles“ sowie die Möglichkeit, metaphysische Entitäten wie Leben oder Bewusstsein zu verstehen, zu beschreiben und nachzubilden. In den letzten Jahren werden diese Vorstellungen aber zunehmend kritisch gesehen (vgl. künstliche Intelligenz).

Hilmar Schmundt gibt in seinem Buch „Hightechmärchen“ unter anderem folgende Beispiele für wissenschaftlich-technische Utopien:

  • die Utopie von der bemannten Raumfahrt und der Besiedelung des Weltalls,
  • die Utopie einer weltweiten Gemeinschaft durch das Internet,
  • die Utopie der Erlösung der Menschheit von Krankheit, Hunger und Tod durch die Gentechnik
  • und die Antiutopie vom bösen Genie hinter apokalyptischen Computerviren.

Zitate

Hans Joachim Mähl: Utopie und Utopienreflexion bei den Frühromantikern

Als literarische Utopie bezeichne ich den Entwurf einer hypothetisch möglichen, d.h. unter Setzung bestimmter Axiome denkbaren/vorstellbaren Welt (Gesellschaftsverfassung/Lebensform), entworfen in räumlicher oder zeitlicher Projektion als Gegenbild (Negation) zu den explizit oder implizit kritisierten gesellschaftlichen Mißständen der jeweiligen Zeit.

  • Hans Joachim Mähl: Utopie und Utopienreflexion bei den Frühromantikern; zitiert in: Wilhelm Voßkamp (Hg.): Utopienforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie. Bd. 3, Stuttgart 1982, S. 273-302, hier: S. 274; in: Steffen Greschonig: Utopie Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4


T. W. Adorno: Mündigkeit

[G]erade im Eifer des Änderungswillens [wird] allzu leicht verdrängt [...], daß Versuche, in irgendeinem partikularen Bereich unsere Welt wirklich eingreifend zu ändern, sofort der überwältigenden Kraft des Bestehenden ausgesetzt sind und zur Ohnmacht verurteilt erscheinen. Wer ändern will, kann es wahrscheinlich überhaupt nur, indem er diese Ohnmacht selber und seine eigene Ohnmacht zu einem Moment dessen macht, was er denkt und vielleicht auch was er tut.

  • T.W. Adorno, in: Mündigkeit, S. 143f.; zitiert in in Volker Weiß, Sarah Speck (Hg.): Herrschaftsverhältnisse und Herrschaftsdiskurse. Lit-Verlag, Berlin 2007. ISBN 978-3-8258-99387


Fußnoten

  1. vgl. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4
  2. vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Atopie_%28Philosophie%29&oldid=34032451
  3. vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utopie&oldid=35055343
  4. vgl. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4, S. 80f.
  5. vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Heterotopie_%28Literatur%29&oldid=34564403
  6. vgl. http://www.jungle-world.com/seiten/2006/02/6984.php
  7. vgl. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4, S. 80f.
  8. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utopie&oldid=35055343
  9. vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Dystopie&oldid=36516470
  10. Steffen Greschonig: Utopie - Literarische Matrix der Lüge? Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-631-53815-4, S. 61
  11. Klassifizierungs-Versuch zum Science Fiction: http://www.phantastik-couch.de/science-fiction.html
  12. vgl. http://www.sfdatabase.com/begriffe/utopia.html
  13. vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utopie&oldid=35055343
  14. vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utopie&oldid=35055343
  15. vgl. http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Utopie&oldid=35055343