2007-02:Zu wenig Bioprodukte?

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Zu wenig Bioprodukte? - Zu viel Kapitalismus!

fb Das "Containern" weggeworfener Produkte demaskiert häufig das allzu saubere Image von Supermärkten und Lebensmittelhändlern. Sehr viele noch verwendbare, zum Teil sogar völlig neuwertige Lebensmittel werden ständig in fast jedem Supermarkt zu Abfall gemacht. "Bio" ist da keine Ausnahme. Zahlreiche Bioprodukte findet mensch immer wieder beim Containern selbst bei konventionellen Märkten. Und in den Mülltonnen von Bio-Supermärkten sieht es meist auch nicht anders aus als bei der konventionellen Konkurrenz.

Das ist zwar nicht die Ursache der Medienmeldungen vom Anfang des Jahres, wo von einem Defizit an Bioprodukten für die Nachfragelage die Rede ist. Aber es stößt ärgerlich auf, dass die Marktorientierung im Ökobereich zu einer Verschlechterung der ökologischen Bilanz von Bioprodukten geführt hat. Immer mehr und völlig unnötige Verpackungen prägen inzwischen auch die Bioläden, die Produkte nehmen größere Transportwege auf sich und die Tendenz moderner Biomärkte geht in Richtung Massenverkauf und -entsorgung.

Umso mehr marktwirtschaftliche Prinzipien den Ökobereich dominieren, umso weniger umwelt- und sozialverträglich sind seine Produkte. Schließlich geht es in harter Konsequenz nur um die Einhaltung der Minimalforderungen des Biosiegels - ob noch mehr ökologisches Potential gewesen wäre, ob kleinflächigerer Anbau besser gewesen wäre, ob die MitarbeiterInnen ausgebeutet werden, spielt hierfür keine Rolle.

Eine Ökologisierung der Gesellschaft sollte nicht auf Marktanreize oder staatliche Vorgaben setzen, sondern auf Information, Förderung selbstbestimmten Handelns und einen kritischen Blick auf alles was "normal" ist.

Profit aus Umweltschutz ist da sehr kritisch zu betrachten. Biomärkte sind da ohnehin nur ein kleineres Übel als die konventionellen Gegenstücke - und sie nähern sich in ihren Konsequenzen immer mehr an. Besser wäre schon eine Orientierung auf Ansätze, wo VerbraucherInnen einen "kurzen Draht" zu den ProduzentInnen haben, also z.B. auf regional-ökologische Einkaufsgemeinschaften (FoodCoops). Aber auch die sind nicht das Non-Plus-Ultra - intelligente Lösungen für die alltägliche Lebensmittel-Versorgung sind also gefragt. - Mehr dazu siehe Text "'Vegane' Nahrungsmittelbeschaffung unter emanzipatorischen Blickwinkeln" (http://buchprojekt.antispe.org/wiki/Texte:Containern, Bio)


Auszug aus der Originalnachricht:

Bio für alle?

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/24/24524/1.html

TELEPOLIS

Brigitte Zarzer 26.01.2007

Trotz wachsender Nachfrage stiegen in den letzten Jahren nur wenige Landwirte auf ökologische Bewirtschaftung um

Der Öko-Markt boomt. Doch Bio-Ware aus deutscher Produktion werde knapp, beklagten kürzlich Fachverbände. Konservative Bauernfunktionäre hätten den Trend verschlafen. Stimmt nicht, kontert der deutsche Bauernverband. Der Umstieg sei in den letzten Jahren wenig attraktiv gewesen. Es wären kaum Fördermittel bereitgestellt worden. Der Anbau von Energiepflanzen sei überdies lukrativer als die Produktion für die Lebensmittelbranche. Indes versucht der Bund ökologischer Lebensmittelwirtschaft ( BÖLW (1)) mit dem Projekt "100 % Bio" Öffentlichkeit und Politik für mehr Engagement in diese Richtung zu gewinnen.

"Hafer ist europaweit ausverkauft, Eier sind in Deutschland und Frankreich nicht mehr zu haben und bei Kartoffeln weiß niemand, wie die Verbraucher ab Mitte Januar zu bedienen sind." So umriss Ulrich Hamm, Fachgebietsleiter für Agrar- und Lebensmittelmarketing an der Universität Kassel, den derzeitigen Produktengpass bei Bio-Ware gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Dr. Alexander Gerber, Geschäftsführer des Bundes ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), kann das bestätigen. "Auch bei Bio-Dinkel wird es im Moment eng und bei Milchprodukten. Die Unternehmen werden zukaufen müssen, würden sich aber wünschen, die Nachfrage aus deutscher Produktion besser abdecken zu können", erklärt er im Telepolis-Gespräch.

Experten machen zum einen die schlechte Ernte 2006 aufgrund ungünstiger Witterungsbedingungen für die Situation verantwortlich, zum anderen aber auch das mäßige Interesse der heimischen Landwirte an einem Umstieg auf ökologischen Landbau. Diverse Wirtschaftsforscher sprechen davon, dass die Bauern den Öko-Trend "verschlafen" hätten. "Allein 2005 ist der Gesamtumsatz des Biomarktes um 11 Prozent gestiegen. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche ist dagegen nur um 5 Prozent gestiegen", konkretisiert die Grünen-Abgeordnete Ulrike Höfken (2), Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Bundestag. Tatsächlich boomt der Bio-Markt seit Jahren. "Der Öko-Markt in Deutschland hatte nach einem Umsatzsprung im Jahre 2001 von über 30 Prozent in den Folgejahren eine angedeutete Stagnation durchlebt. Zwar wuchsen die Umsätze noch an, jedoch mit rückläufigen Raten. In 2003 waren es im Vorjahresvergleich noch knapp 3 Prozent Zuwachs. Doch dann setzte ab Ende 2003 wieder eine deutliche Belebung der Umsatzzuwächse ein. Seither wächst der Markt jedes Jahr zweistellig", berichtet das Fachportal Ökolandbau.de (3) basierend auf einer ausführlichen Analyse von Prof. Hamm. Der größte Anschub kam durch den Einstieg der Discounter. Denn auch Aldi & Co bieten inzwischen Bio-Ware an.

Doch demnächst bereits könnte der Kunde vielfach auf die Bio-Kartoffel aus Ägypten angewiesen sein, was vor allem ökologisch-orientierte Menschen in die Zwickmühle bringt. Denn aus Sicht der Umwelt sind regionale Produkte vorzuziehen. Die Gurke, die per Flugzeug kommt und in Wintermonaten auch in diversen Bio-Läden angeboten wird, kann einen "echten Grünen" ohnehin nicht überzeugen. Bei regionalen Getreideprodukten oder heimischem Lagergemüse schmerzen aber Engpässe.

Die nackten Zahlen zeigen eindeutig, dass sich der deutsche Markt nicht gemäß den Grundsätzen von Angebot und Nachfrage entwickelt hat. Selbst der mächtige deutsche Bauernverband (4) wünscht sich deshalb eine bessere Abdeckung der Nachfrage durch die deutsche Produktion. Eine verspätete Einsicht, urteilt die Grünen-Abgeordnete Höfken sinngemäß. Gerade der Bauernverband hätte Öko immer wieder torpediert.

Noch auf dem Bauerntag 2005 hatte der Bauernverband die Politik der grünen Agrarwende der damaligen Ministerin Künast als 'unwirtschaftlich' und 'politische Spielwiese' scharf kritisiert (Rostocker Erklärung). Die Politik des Bauernverbandes hat die Bauern aus ideologischen und parteipolitischen Gründen von der innovativen Bio-Ausrichtung abgehalten.

Links

(1) http://www.boelw.de/
(2) http://www.ulrikehoefken.de
(3) http://www.oekolandbau.de
(4) http://www.bauernverband.de