2007-02:Zensur bei der taz

Aus grünes blatt
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Zensur bei der taz

EnBW, Vattenfall, Exxon, BP: Immer mehr Werbung für Fossil- und Atomkonzerne in der taz / Kritik unerwünscht
"Wer Neckarwestheim 1 abschaltet, schaltet den Treibhauseffekt ein. Das Kernkraftwerk Neckarwestheim 1 ... liefert klimafreundliche Energie ohne CO2 - wie sonst nur die Erneuerbaren Energien. ..."

Diese Anzeige brachte Anfang des Jahres kritische taz-LeserInnen auf die Palme: Der Energieriese EnBW durfte mit farbenfrohen Bildern in der alternativen "tageszeitung" für seinen Atomstrom werben: „Wer Neckarwestheim 1 abschaltet, schaltet den Treibhauseffekt ein.“ Anzeigen-Stückpreis: knapp 3.900 Euro netto.

Den KritikerInnen antwortete die taz-Anzeigenabteilung per Serienbrief:

„Die taz als Anzeigenmedium zu verkaufen ist mitunter eine sehr schwierige Aufgabe. So gesehen sind Anzeigen von EnBW (oder auch ExxonMobil) für uns ein großer Erfolg.“

Weitere Kritik wurde abgeblockt. Leserbriefe zur Anzeigenpolitik der taz werden nicht mehr gedruckt.[1]

Dass sich die Imagewerbung für die Energiekonzerne auszahlt, zeigt zum Beispiel BP (früher British Petroleum, jetzt „beyond petroleum“): Obwohl der Konzern nur ökologische Feigenblattprojekte[2] vorzuweisen hat, konnte er sein Image deutlich verbessern - auch durch seine Großanzeigen in der taz und durch taz-Artikel wie „Vorbildliche BP“[3] und „BP setzt auf Solar“[4].

Unabhängige Mailingliste: taz-Geno-selbstverwaltet

Die taz gehört keinem Konzern, sondern einer Genossenschaft. Auch hier wollen nicht alle den neuen Kurs mittragen. Kritische taz-Genossenschaftsmitglieder haben deshalb eine unabhängige Mailingliste eingerichtet. Zwar gibt es auch eine offizielle taz-Genossenschafts-Mailingliste, sie wird aber durch die taz-Geschäftsführung kontrolliert. Diese zensierte in der Vergangenheit schon mehrere kritische Beiträge. Beispiele dafür sind Berichte über Unregelmäßigkeiten bei der Nord-taz sowie über ein Kooperationsprojekt der taz mit der EnBW-Tochter Naturenergie, die Pseudo-Ökostrom verkauft.

taz-Geno-selbstverwaltet heißt die unabhängige Liste. Ihr findet sie auf listen.jpberlin.de - oder einfach nach „taz geno“ googeln.

Macht mit! Gefragt sind Eure Ideen für eine bessere, kritische taz!

Matthias Bauer, Gründungsmitglied der taz-Genossenschaft


Nachtrag

tazkritischer Blogger

Die taz schreibt am 23.4.2008 unter der Überschrift „Das gibt zu denken“:

Hans Pfitzinger, 62, Münchner Schreiber, betreibt seit Sonntag unter www.hans-pfitzinger.de das kritische Blog "Achtung: tazblog!" Er sagt: "Aus Notwehr". Es sei "ein Ventil" für seine Wut, die er manchmal beim Lesen kriege. Er wolle die Redakteure erinnern, wofür die Zeitung gegründet wurde. Nämlich: "Um ,systemkritischen Sichtweisen' eine Stimme zu geben, andere Themen für wichtig zu halten als der Rest der Presse, anderswo unterdrückte Nachrichten an die Öffentlichkeit zu bringen." Die Zeiten hätten sich zwar geändert - aber doch zum Schlechten: "Es gibt keine Opposition mehr!" Alle Medien, taz inklusive, seien sich zu oft einig, etwa in der Bewertung der Ereignisse in Tibet. Pfitzinger sagt, kurz, es gehe ihm um "Gesellschaftskritik am Beispiel der taz". Und er ist froh, dass es das Internet gibt: "weil ein Dissident wie ich sonst ja keine Möglichkeit mehr kriegt, zu veröffentlichen".[5]


Links

  1. Inzwischen werden wieder Leserbriefe zur Anzeigenpolitik der taz abgedruckt. Die taz-Leserbriefredaktion arbeitet übrigens unabhängig von der taz-Redaktion.
  2. Beyond Propaganda, New York Times vom 14.8.2006
  3. http://www.taz.de/?id=archivseite&dig=2005/01/20/a0145&type=98
  4. http://www.taz.de/?id=archivseite&dig=2005/12/01/a0035&type=98
  5. http://www.taz.de/?id=archivseite&dig=2008/04/23/a0056&type=98