2006-02:G8-Ãœberwachung

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Spuren im Sand

Der Staatsschutz beobachtet die Aktivitäten der G8 GegnerInnen seit mehr als einem Jahr

Peter Nowak

Der G8-Gipfel in Heiligendamm wird zwar erst im Frühsommer 2007 stattfinden. Doch nicht nur die Linke bereitet sich schon ausgiebig darauf vor. Auch die Staatsschutzbehörden sind nicht untätig, wie eine Erklärung der Roten Hilfe Greifswald zeigte. Die Rechtshilfeorganisation berichtet, dass Ende April ein Observationstrupp des Staatsschutzes vor dem Greifswalder Jugendzentrum Klex von Aktivisten enttarnt wurde, gerade als sich die regionale Anti-G8-Gruppe dort getroffen hat. Die AktivistInnen wurden auf das Fahrzeug aufmerksam, sprachen die Insassen an und verdeckten das Auto schließlich mit einem Transparent. Darauf suchten die entdeckten Beobachter schnell das Weite. Die Rote Hilfe Greifswald hat nach dem Bekanntwerden der Observation eine Protestresolution verfasst, in der vom SPD geführten Innenministerium in Schwerin demokratische Spielregeln angemahnt wurden. "Eine Politik der Einschüchterung, Ausforschung, Überwachung und Kriminalisierung des G8-Protestes gehört hingegen eindeutig in das Repertoire eines autoritären, vordemokratischen Staatsverständnisses", heißt es an die Adresse der verantwortlichen PolitikerInnen. Gefordert wird die vollständige Aufklärung über die Hintergründe der Observation und die Vernichtung aller bisher gesammelten Daten.

Die Staatsschutzbehörden werden diese Aufforderung natürlich ignorieren. Schließlich war es nicht die erste Observation von organisierten G8-GegnerInnen. Schon die erste wahrnehmbare Reaktion der GipfelgegnerInnen wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. So trafen sich Juli 2005 am globalen Aktionstag gegen den G8-Gipfel von Schottland ca. 30 G8-GegnerInnen in Heiligendamm. Sie wurden von einem massiven Aufgebot der Polizei samt Wasserwerfern und einem Polizeiboot erwartet. "Als ein G8-Gegner mit dem Fuß "Fight G8" in den Sand ritzt, wurde er von 2 Polizisten rüde daran gehindert weiterzumachen", schrieb ein Augenzeuge auf Indymedia. In der Folge wurden auch mehrere Infotouren der Anti-G8-AktivistInnen in Schwerin und Greifswald von der Polizei observiert. Seit 1. Januar 2006 hat die Polizei ein Haus in der Villenkette bezogen. Stündlich wird der Strand abgelaufen und "auffällige Personen" werden kontrolliert.

Doch nicht nur in der Region werden die kritischen Aktivitäten genau beobachtet. Das erste bundesweite Treffen linker G8-KritikerInnen in Hamburg fand sofort Niederschlag im dortigen Verfassungsschutzbericht.

Als sich dann Ende März 2006 in Rostock erstmals ein breites Bündnis von G8-KritikerInnen unter Einschluss von PolitikerInnen der in Mecklenburg mitregierenden Linkspartei traf, setzte sofort eine Kampagne von konservativen Politikern und Medien gegen das angebliche Chaotentreffen ein. Die Räume in der schon gemieteten Rostocker Universität wurden daraufhin kurzfristig gekündigt. Das Treffen konnte trotzdem in einer Rostocker Schule stattfinden. Besonders in der Kritik der Medien stand die Linkspartei, die von den Konservativen der Kumpanei mit Chaoten beschuldigt wurde. Allerdings vermied die Linkspartei jede Distanzierung von ihren BündnispartnerInnen und bekannte sich offensiv zum Recht auf Protest gegen den G8-Gipfel.

Streit um neues Sicherheitsgesetz

Allerdings könnte es noch Streit zwischen Partei und Bewegung geben. Anlass ist das in Mecklenburg-Vorpommern geplante Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG). Es soll der Polizei vereinfachten Zugang zu Mobilfunkdaten, den Einsatz des automatischen Kfz-Kennzeichen-Lesesystems sowie die Rasterfahndung bei Vorliegen einer "erheblichen Gefahr" ermöglichen. Außerdem sollen die Befugnisse bei der Videoüberwachungen ausgeweitet und die DNA-Kontrolle erleichtert werden. Der Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern Peter Ritter erklärte, die Sicherheitslage habe seine Partei veranlasst, den zunächst auf fünf Jahre befristeten Änderungen zuzustimmen. "Das erweiterte Polizeirecht ist allerdings kein Allheilmittel gegen den Terror", so Ritter. Doch mit ihrer Unterstützung des neuen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes erntet sie bei ihren potentiellen BündnispartnerInnen zunehmende Proteste. Die sehen in dem Gesetz vor allem eine Maßnahme gegen den G8-Widerstand und fordern von der Linkspartei.PDS die konsequente Ablehnung.

Warmup für die Polizei

Den Zusammenhang zwischen den Sicherheitsgesetzen und den G8-Protesten stellt die oppositionelle CDU in Mecklenburg-Vorpommern deutlich her. "Es ist höchste Zeit, denn die Sicherheitslage gerade in Vorbereitung des G8-Gipfels in Heiligendamm erfordert zuverlässige rechtliche Regelungen", erklärten führende Landespolitiker der Konservativen in der Lokalpresse. Da will sich die sozialdemokratische Regierungspartei nicht nachsagen lassen, dass sie die gerade erst beginnenden Protestvorbereitungen nicht ernst nimmt.

Mecklenburgs Innenminister Timm (SPD) erklärte am 1. Mai 2006 im Norddeutschen Rundfunk (NDR). "Bundesweit bereiteten sich Globalisierungsgegner auf den Weltwirtschaftsgipfel in Heiligendamm im kommenden Jahr vor. Bereits am 1. Mai wollten mehr als 400 gewaltbereite Autonome aus ganz Deutschland in Rostock die Einsatzbereitschaft der Polizei testen".

Damit rechtfertigte Timm den massiven polizeilichen Aufmarsch gegen AntifaschistInnen, die am 1. Mai nach Rostock gefahren sind, um sich an einer Demonstration gegen einen Aufmarsch der neofaschistischen NPD zu beteiligen. Sie werteten denn auch den Polizeieinsatz in Rostock als Warmup der Sicherheitskräfte für die Gipfelproteste. Schon Anfang August dürfte der nächste Einsatz des Sicherheitssstaats im Nordosten der Republik bevorstehen. Dann wollen die GipfelgegnerInnen mit einem Camp in der Nähe von Heiligendamm schon mal Protest üben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich der Sicherheitsapparat die Chance nicht entgehen lassen wird, schon mal Repression zu üben.

Weitere Infos zum Gipfel: http://www.gipfelsoli.org