2005-03:Vegan - ökologisch - politisch: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 18:00, 22. Aug 2007

Jede Konsumentscheidung hat Wirkungen. Aber nicht jede die gleichen. Jeder Blick auf die Wirkungen des eigenen Handelns führt zu Erkenntnissen. Wer nicht genau hinguckt, entdeckt nur wenig. Leben ist komplex, Wirkungsketten im Gefüge der Welt, in der Gesellschaft und in den ökologischen Systemen zwischen Mensch und Natur ebenfalls. Der Mensch hat die Freiheit der Entscheidung, viel oder wenig davon mitzubekommen. Vegane Ernährung ist der Verzicht auf den Konsum tierischer Produkte. Allerdings beschränkt auf die erste Wirkungsstufe, d.h. betrachtet wird regelmäßig nur die direkte Linie: Stammt ein Produkt vom vorher lebenden Tier, so es nicht vegan und wird nicht konsumiert. Stammt es nicht vom vorher lebenden Tier, so kann es bedenkenlos konsumiert werden - es ist politisch korrekt.

Allerdings: Die Begrenzung auf die direkte Wirkung ist willkürlich. Sie hat nichts mit den tatsächlichen komplexen Folgen jeglicher Konsumentscheidung zu tun, sondern mehr mit der Projektion der KonsumentInnen über ihr Tun. Sprich: Das Gewünschte wird erreicht, in dem der Blickwinkel so verkürzt wird, dass die Wahrneh-mung nur noch auf das Erhoffte fällt. Würde der Blick auf die komplexen indirekten Wirkungen gerichtet, würde das Ergebnis anders ausfallen. So manch VeganerIn würde geschockt erstarren ob der Folgen des eigenen Tuns - auch für Tiere. Aber die verkürzte Theorie veganer Denklogiken schützt die meisten vor zuviel Erkenntnis und lässt sie sich selbst als oberradikale Richtig-lebende in einem Meer von Falschlebenden erleben. Wenn auch meist nur ein paar Jahre voller Sturm und Drang, bis der Enthusiasmus verkürzter Radikalität der Aufgabe jeglichen Idealismus wieder weicht... allzu groß ist die Umstellung dann aber auch nicht, schließlich bedeutet veganes Denken regelmäßig vor allem das Weggucken, das Nicht-Hinterfragen - Fähigkeiten, die auch im bürgerlichen Leben ganz nützlich sind, um innerhalb der hochkonkurrenten Leistungs- und Dominanzgesellschaft gut durchzukommen.

Der ökologische Blick

Gegenüber der auf nur direkte Wirkungen beschränkten üblichen Sichtweise veganen Denkens (Ausnahmen gibt es aber!) ist ökologisches Denken bereits außerordentlich komplex. Die Wirkungsgefüge in der Natur sind hochverästelt. Eingriffe an einer Stelle oder in einen Stoffkreislauf haben meist kaum vorstellbare Wirkungen. Denn an jedem Ort in der Natur leben Arten - meist sehr viele Tier- und Pflanzenarten plus beiden nicht eindeutig zuordnebarer Lebewesen. Betrach-ten wir einmal verschiedene Lebensmittel und die verschiedenen Wirkungen nur auf Tiere - eine völlig willkürliche Einschränkung, die bereits eine dramatische Verkürzung darstellt, denn Pflanzen, Stoffkreisläufe wie Wasser, Sauerstoff oder das Klima werden dadurch von uns völlig aus dem Blickfeld gedrängt.

Fleisch: Für das Lebens-mittel Fleisch werden in der Regel Tiere in Gefangenschaft gehalten und getötet. Bei der Jagd zumindest zweites. Leid in der Haltung wie auch beim Akt des Tötens ist kaum vermeidbar. Die Kritiklinie der VeganerInnen, in diesem Fall auch vieler VegetarierInnen und Tierschützer sticht. Und doch geraten wir schon hier ins Schwimmen: Was würde der Laubfrosch sagen, der sich ausbreiten konnte, weil für die Tierhaltung Wiesen und Weiden angelegt wurden? Und mit ihm Tausende von Insektenarten, der Storch, die Wiesenweihe... ?

Milchprodukte, Eier, Wolle & Co.: Um solche Produkte zu essen, müssen die Tiere, die Milch geben, Eier legen usw. in Gefangenschaft gehalten oder zumindest zum Melken, Scheren... gefangen werden. Außerdem gibt es Milch und Eier nur, wenn auch immer wieder neue Tiere geboren werden. Die männliche Hälfte aber ist für all das nicht "brauchbar" - muss also getötet werden (wenn es nicht irgendwann mal riesige Mengen geben soll). Hier sticht wiederum die Kritik der VeganerInnen an den VegetarierInnen. Für vegetarische Produkte werden zwar direkt keine Tiere getötet, aber es müssen die nicht "brauchbaren" Tiere getötet werden. Einmal um die Ecke gedacht - seltsamerweise haben die VeganerInnen das hier geschafft, wo es für ihre Ideologie nützlich war. Sie können es also doch. Dann sollten auch die nächsten Ecken bezwungen werden können.

Pflanzen - nehmen wir der Vereinfachung mal Erbsen heraus: Die gelten als vegan. Kein Tier wird geschlachtet. Kein Tier in Gefangenschaft gehalten. Gut - der Acker wird dann wohl mit Kunstdünger gedüngt, aber die Öl- und Chemieindustrie interessierte ja auch nicht in der Argumentationskette. Nehmen wir die Ausblendung mal hin und schauen uns näher auf dem Acker um. Mit der Ernte der Erbsen wird es so einfach nichts: Käfer- und Schmetterlingslarven sehen es auf die Pflanzen und Früchte ab, Mäuse, Hamster und mehr knappern an ihnen herum. Dagegen muss etwas getan werden. Mal ein paar Vorschläge aus dem Horrorkabinett konventioneller Landwirtschaft: Häutungshemmer, d.h. die Insektenlarven können sich nicht mehr häuten. Sie wachsen aber trotzdem und verrecken elendig am wachsenden Innendruck. Sie zermatschen sich quasi selbst. Und zwar zählbar in Millionen Stück. Dann hätten wir noch Blutgerinnungshemmer im Angebot. Wenn sich kleine Tiere verletzen, laufen sie langsam aus, die Wunde heilt nicht mehr. Ein langsamer Tod, tausendfach. Das sind nur zwei Beispiele für das Grauen auf dem Erbsenfeld. Der/die normale VeganerIn aber frisst das Zeug und kloppt Parolen ob der unglaublich tollen Aktion pro Tier...

Na gut - es gibt noch die biologische Landwirtschaft, vielleicht eine Rettung. Zwar ist das bereits unrealistisch, denn die meisten vegan lebenden ParolenklopperInnen stehen mehr auf Aldi und Billigfraß, aber es gibt Ausnahmen und außerdem wollen wir ja genau sein. Die Erbsen ohne die genannten Chemikalien also. Irgendwas gegen die Konkurrenten aus dem Tierreich findet sich aber auch auf den Äckern der ÖkolandwirtInnen. Der Boden wird gepflügt oder zumindest geeggt, gelockert, gestriegelt oder gewalzt - Hunderte von Nagern und ihre Bauten werden zerlegt. Die Halme, wichtige Winterquartiere von Larven, werden als Einstreu in Ställe geschleppt (huch, schon wieder eine Ecke, da taucht plötzlich die Tierhaltung auf - stimmt: Mischbetriebe gelten als normal im ökologischen Landbau, d.h. also, dass Ökoäcker immer mit Tierhaltung verbunden sind - wie Milchprodukte mit dem Schlachten). Im anderen Fall werden sie untergepflügt, auch nicht besser. Wieder millionenfacher Tod. Besondere Vorzeigebetriebe setzen sanfte Technologien ein, z.B. das Töten von Kartoffelkäfern per Hand auf den Äckern. Was bitte? Das ist ja wie... wie der Bolzenschuss auf die Kuh im Schlachthof. Tja...

Aber es kommt noch dicker. Wir bauen noch eine Ecke ein. Selbst wenn das alles nicht wäre (was agrotechnisch nicht hinhaut), ist es die Entscheidung des Menschen, was auf einer Fläche stattfindet - gesteuert über den Konsum bzw. das Bedürfnis nach Nahrung. Wo ein Acker ist, ist kein artenreiches Biotop mehr. Fertig - aus! Diese Logik ist nicht zu überwinden. Es ist immer der Mensch, der entscheidet, wer wo leben kann. Davon profitieren auch viele Tiere (und Pflanzenarten auch). Die Verwandlung der von Wald geprägten Landschaft in Mitteleuropa in eine Kulturlandschaft mit Äckern, Wiesen, Weiden, Kies-, Kalk- und Eisenerzgruben, Ställen und Häusern, Gärten und Wegrainen, Hecken und Röhrichten hat die Artenvielfalt erheblich erhöht. Vieles davon ist der Tierhaltung und -nutzung geschuldet. Hecken, Wiesen, Weiden, die Lüneburger Heide und viele Halbtrockenrasen, Almen und offenen Niedermoore - all das wäre weg, wenn die VeganerInnen mit ihren binären Denklogiken die Macht erklimmen würden. Und mit ihnen Störche, viele Frösche, Schmetterlinge usw. Niemand muss die wollen, aber das alles gar nicht zu durchdenken - das ist das, was VeganerInnen deutlichst vorgehalten werden muss (so wie leider vielen anderen politischen Strömungen andere Verkürzungen, denn VeganerInnen sind mit ihrem binären Denken nicht die Ausnahme, sondern die Regel!).

O.K. Machen wir es noch härter: Da gibt es die Fruganer, die futtern nur, was in der Natur von selbst als Nahrung entsteht, z.B. herunterfallende Äpfel oder Brombeeren. Nicht alle sind so platt wie das Paradeexemplar binären Denkens, das auf die Frage, wie es denn im Winter mit der Nahrung laufen würde, auf Bananen verwies. Und dann auf die erstaunte Nachfrage, dass die aber dann anderen Menschen weggenommen werden müssen, die Antwort parat hatte: "Man kann nicht alle Probleme auf einmal lösen". Na gut. Treiben wir das komplexe Denken weiter: Ökologie ist unbegrenzt, alles ist komplex und in prozesshafte Stoffsysteme eingebunden. Der Apfel ist voller Leben und potentielles Leben - nicht nur für den nächsten Apfelbaum, sondern auch für andere Tiere. Außerdem hilft es sowieso nichts: Die Obstwiesen würden verschwinden, wenn darunter nicht Äcker, Wiesen und Weiden erhalten würden. Besonders gut für eine Artenvielfalt sind bekanntlich Wiesen und Weiden unter den Obstbäumen. Aber wofür sind die wohl da?

Geben wir das auf und machen einen Haken: Wenn menschliches Handeln ständig hochkomplexe, kaum überschaubare Wirkungen hat, kann dann vom Handeln her gedacht werden? Welches Handeln erhöht die Kontrolle über die Auswirkungen? Wer Geld in einen Konsum- und Produktionskreislauf hineinwirft, hat eigentlich keine realistische Chance mehr, die Wirkung des eigenen Handelns zu steuern. Ob nicht ein Schlachthof gerade deshalb noch rentabel arbeitet und folglich aufrechterhalten wird, weil in der Produktionsstrasse "Würstchen" jeden Dienstagsnachmittag auch zwei Stunden Sojaprodukte für binärdenkende VeganerInnen und Gesundheitsfans hergestellt werden, lässt sich nie wirklich klären. Wer auf Direktvermarktung steht, also die Zwischenschritte zwischen Produktion und Konsum verkürzt, kann schon eher den Überblick gewinnen und dann auch politisch steuern. Wer in einen Container steigt und das Essen da rausholt, entlastet nur noch die Mülldeponien und vielleicht auch die Müllgebühren des Supermarktes (was um drei Ecken wieder einen Schlachthof oder Tierhaltungsbetrieb fördern kann!). Und zwar unabhängig davon, ob er, sie oder es da Kartoffelchips oder Würstchen rausholt. In der realen Wirkung auf Tiere ist das bluttriefende Medium-Steak aus dem Container deutlich veganer als die Erbsen aus dem Laden!

So ist Ökologie - komplex und erfassbar nur mit einem aufmerksamen, durchdringenden Blick, der nicht nur VeganerInnen oft fehlt, sondern VerkehrsplanerInnen, Tümpelfanatiker-Innen, JägerInnen und den vielen Rumpfuschern in der Natur meist auch. Für VeganerInnen ergibt sich aus dem ökologischen Blick etwas Verheerendes: Es gibt keine vegane Ernährung. Nur wer komplexe Wirkungsgefüge gar nicht erst anguckt, verfällt in den Irrtum, mensch könnte so essen, dass Tiere nicht getötet, verdrängt oder ausgebeutet werden. Damit fühlt mensch sich vielleicht besser, aber das geht auch mit dem Glauben an den Weihnachtsmann. Alles wirkt sich aus - und jede Konsumentscheidung des Menschen zu einem Verhalten hat Wirkungen, die sich immer auch auf irgendwelche Tiere auswirken. Wie sie sich auswirken, dass ist aber zu beeinflussen - dafür braucht es aber andere "Brillen" als die der veganen Betrachtungsweise.

Der politische Blick

Gegenüber ökologischen Systemen ist das Wirkungsgefüge sozialer Prozesse noch bedeutend komplexer, kommen hier doch zu den hochverästelten Stoffprozessen noch die gedanklich fortgesetzten Wirkungen hinzu. Es gibt kaum noch eine Chance, konkrete Vorhersagen zu machen, welcher Eingriff in das System welche Wirkungen wo hervorruft.

Beispiele: Strafe in der Gesellschaft soll dem Zurück-drängen von Gewalt dienen. Eigentlich. Aufgrund hochkomplexer psychologischer und sozialer Wirkungen erreichen die Repressionsbehörden aber genau das Gegenteil. Die zunehmenden Straftaten geschehen vor allem dort, wo bestraft wird. Worauf Polizei und Justiz mit härteren Strafen, die Politik mit härteren Gesetzen reagiert - BinärdenkerInnen in hochkomplexen Systemen sind notwendig wie Elefanten im Porzellanladen. Werden in der veganen Praxis nun neben ökologischen Überlegungen (siehe oben) noch soziale hineingedacht, wird alles noch unüberschaubarer. Wenn ich eine Tierfabrik angreife, kann der Besitzer sauer sein und seinen Frust an den Tieren ablassen - schlecht für die Tiere. Wenn ich dagegen ein gutes Verhältnis zu einem Biobauernhof aufbaue, kann ich vielleicht im zweiten Schritt ein Ende der Tierhaltung bewirken. Beides ist möglich. Aber nicht sicher. Lohnenswert wäre sicherlich, einen Blick auf den gesamten Komplex der Öl-Industrie zu werfen, von der Brutalität der Ölförderung über Transport, Raffinerien, Chemieindustrie bis zum Verkehr. Es ist eine politische Bewertung, also nicht allgemeingültig möglich, ob mensch das grauenvoll findet oder was für ein Eindruck entsteht, wenn mensch es mit der Tierindustrie vergleicht (jenseits der Erkenntnis, dass das an vielen Punkten gar nicht zu trennen ist). Was aber machen die meisten VeganerInnen: Sie plädieren aus voller Überzeugung für den Konsum von Produkten aus der Ölindustrie. Unfassbar! Das ist binäres Denken, Einteilung in Gut und Böse, Falsch und Richtig und die Beschränkung auf direkte Wirkungen statt einem Denken in komplexen ökologischen und sozialen Gefügen.

Was vielen VeganerInnen vorzuwerfen ist, ist nicht ihre Entscheidung, eine bestimmte Sache besonders wichtig zu finden. Wer durch die Augen einer Kuh mehr angesprochen wird als durch die Millionen getöteter, aber gesichtsloser Tiere sowie vertriebener und vergifteter Menschen beim Tabakanbau (www.alles-ueber-tabak.de), hat das so entschieden. Das ist nicht zu kritisieren. Wer aber die Frage nicht mehr stellt, wer die komplexen Wirkungsgefüge gar nicht mehr durchdringt und mit verkürztem Blick verkürzte Gut-Böse-Schemata aufstellt, um auf der Basis der eigenen Denkfaulheit andere Menschen zu verteufeln, der muss sich die Kritik gefallen lassen, ein Binärdenker zu sein. Binäres Denken in Schwarz-Weiß, Gut-Böse, d.h. nur in direkten Wirkungen, aber nicht in komplexen Wirkungsgefügen, prägt die heutige Gesellschaft überall: Terror ist die Folge von Islamismus oder von Ausbeutung (je nachdem, welche Binärdenker grad ihre verkürzten Wahrheiten daherpredigen), Arbeitslosigkeit ist die Folge von Faulheit usw.

Emanzipatorische Politik ist das Denken vom Menschen her innerhalb komplexer ökologischer und sozialer Gefüge. Die meisten veganen Theorien und Parolen sind davon ebenso weit entfernt wie der meiste Müll an politischen Theorien der Jetztzeit. Entsorgen wir sie und entwickeln neue Ansätze, die viel mehr berück-sichtigen, die eben soziale Konzepte und Ideen sind. Die politischen Ziele des Veganismus sind dabei nicht nur auch möglich, sondern endlich tatsächlich voranzubringen. Denn bisher ist der Einsatz für Tiere ja mehr eine Projektion veganer AktivistInnen und fällt bei näherer Betrachtung wie ein Kartenhaus zusammen.

Was folgt?

Natur und Gesellschaft sind hochkomplex. Mit einfachen Logiken lassen sich weder Kriege noch Ausbeutung noch die Unterdrückung von Tieren erklären. Wer daraus schließt, es wäre umsonst, überhaupt im Alltag Politik umzusetzen, zeigt Denkfaulheit. Denn das etwas komplex ist, heißt ja nur, dass wir mehr Gehirnzellen aktivieren müssen, um es zu hinterfragen, zu analysieren und Handlungsstrategien zu entwerfen (die wiederum zu hinterfragen, weiterzuentwickeln sind usw.). Das klingt anstrengend, das ist anstrengender als das binär ausgerichtete Leben in plattestem Denken, aber ich will genau dafür werben: Leben heißt sich entfalten. Der Kopf gehört dazu. Beim Vögeln, bei der Ausstattung der Wohnung oder der Planung eines Urlaubes geht es doch auch nicht nur um das Durchziehen der einfachst denkbaren Variante, oder? (Na gut, viele gehen da wohl auch so vor ...). Warum also sollten wir nicht das Organ kräftig benutzen, dass sich in der Evolution schon bemerkenswert stark entwickelt hat: Das Gehirn? Entdecke die Möglichkeiten... Es gibt nicht den richtigen Weg, denn aufgrund der Komplexität von Leben und Gesell-schaft ist nie vorhersehbar, was genau wie wirkt. Was Menschen steuern können, ist aber trotzdem viel. Trainiert werden muss der hinterfragende Blick und das kreative Denken: Was sind meine Ziele? Wie genau sehe ich hin und versuche, die Wirkungsketten zu durchschauen? Welche Handlungsmöglichkeiten habe ich? Überprüfe ich das, was das Handeln bewirkt?

Kein Mensch ist aber den Rahmenbedingungen hilflos ausgeliefert. Sie lassen sich auch verändern. So können Wirkungsketten verkürzt werden, z.B. die schon benannte Direktvermarktung, die Wirtschaft in freier Vereinbarung statt über einen anonymen Markt. Damit ist nicht Tausch gemeint, der ist wieder binär (eins gegen eins ...), sondern ein schon komplexes, aber nicht anonymisiertes Geflecht von Konsum und Produktion, wo Transparenz herstellbar ist und Vereinbarungen getroffenen werden können, die das Geschehen einigermaßen absehbar verändern.

Kein Mensch muss allein handeln. Wirkungen lassen sich potenzieren, wenn Kooperationen entstehen. Am Ende steht der politische Alltag - das Leben mit Blick auf die Rahmenbedingungen, das Veränderungspotential in ihnen und die eigenen Handlungsmöglichkeiten ist in allen Bereichen spannend, innovativ, von gesellschaftlicher Sprengkraft. Es gibt nichts Richtiges im Falschen. Schon weil alles hochkomplex ist, kann es gar kein richtiges Leben geben. Zudem reicht die Kraft eines Menschen und die Zeit eines Lebens nicht, um all das zu verändern, was nötig wäre, um nicht immer wieder ungewollte Wirkungen zu übersehen oder durch äußere Umstände zu ihnen gezwungen zu sein. Aber wer hinguckt und aktiv analysiert und steuert, beginnt die Veränderung und Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten. Es wird weniger falsch im Falschen.