Diskussion:2007-02:Perspektiven der Selbstorganisation - Herrschaft und Technik

Aus grünes blatt
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Kritische Einwände zu diesem Text ... ausgehend von Zitaten:

Rohstoffe

  • "Anfangen könnte man bei der Rohstoff-, Ressourcen- und Chemikalien-Beschaffung, die nunmal Ausgangsmaterialien für die Herstellung von Computern und Druckern sind. Meine Frage lautet schlicht und einfach: Können todbringende Jobs wie das "aus dem Boden kratzen" von Rohstoffen mit hochgiftigen Chemikalien und die vielen anderen "Scheißjobs", die für die Herstellung von Maschinen im Allgemeinen immer nötig sind, jemals hierarchiefrei, geschweige denn ökologisch vertretbar, selbstorganisiert werden?"

Die Fragestellung ist wichtig, auf jeden Fall.

Aber: Es fehlen Beispiele, bei welcher Art Rohstoffgewinnung das so sein soll - ich würde, ohne mich genau damit beschäftigt zu habe, sehr stark davon ausgehen, dass verschiedene Materialien sehr unterschiedlich abgebaut werden. Darauf nicht einzugehen, keine Erklärung zu nennen, finde ich unzureichend.

Und mir ist das zu statisch formuliert: Die Beschaffung von Rohstoffen ist heute so brutal-ausbeuterisch organisiert, weil es Herrschaft gibt, d.h. tendenziell der reiche Norden Menschen auf der Südhalkugel zwingen kann, jeden Job anzunehmen.

Antwort: Gut das heißt ja du erkennst an, das im hier und jetzt jegliche Technologie herrschaftsförmig ist. Naja, stimmt: Das ist eigentlich keine neue Erkenntnis. Heißt aber das jedwede Kooperation mit dem System, Herrschaftsverhältnisse reproduziert und damit am besten eingestellt wird. Dann brauch es aber herrschaftsfreien udn selbstorganisierten Produktions-Alternativen. Und das fängt sicherlich nicht mit Technologie an, sondern mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Unterkunft, Wärme, Druckereien (auch schon krass komplex) usw.

Unter Bedingungen der Herrschaftsfreiheit wäre das nicht möglich. D.h. es ist tatsächlich unwahrscheinlich, dass Leute Uran abbauen werden.

Aber zum anderen bedeutet es: Wenn es ein hohes Interesse daran gibt, Computer herzustellen, werden Menschen unter herrschaftsfreien Rahmenbediungen, von der Tendenz her, kreative Lösungen entwickeln müssen, um dieses Problem zu lösen.

Eine könnte sein: Computer aus Materialien herstellen, die ökologisch unbedenklicher sind. Oder: Den Rohstoffabbau deutlich zu verändern, indem viel mehr Energie dafür aufgewendet wird, mögliche Schäden für Menschen und Umwelt zu minimieren.

Und warum sollte es unmöglich sein, ein Bergwerk so zu gestalten, dass es keine Arbeitsmaschine ist sondern eine Kombination aus Arbeitsstätte mit gemütlichen Sauna-Räumen, Musikanlagen überall ... or whatever. Klingt vielleicht strange, aber was ich sagen will: Wenn es weiterhin in einer utopischen Welt Rohstoffabbau geben soll, muss der so organisiert sein, dass diese Orte gemütlich und nicht gesundheitsschädigend sind. Sonst macht keine mit. Und das ist gut so, der Antrieb dafür, die Entwicklung von neuen Arbeits- und Lebensformen voranzutreiben.

Antwort: Diese Ausführungen halte ich für relativ naiv. Ich glaube die Komplexität des Problems von Technologie-Beschaffung wird hier krass unterschätzt. Ein Computer besteht aus Materialien aus dutzenden von Ländern auf der ganzen Welt. Das heißt: Alle und wirklich alle Produktionsschritte müssen herrschaftfrei und selbstorganisiert ablaufen. Vom Transport, zum Rohstoff-Abbau, dessen Verfeinerung, und die unendliche lange Produktionskette um die einzelnen Teil zusammen zu bringen. Computer kann es ohne strukturell herrschaftsförmige Globalisierung nicht geben. Ich halte Globalisierung für nicht vereinbar mit Herrschaftsfreiheit und glaube, dass Selbstorganisation und Herrschaftsfreiheit tendenziell eher lokal und regional realisierbar ist. Das heißt aber das Technologie, die eben von globalen Rohstoffzirkulationen abhängt nicht mehr verfügbar ist. Ich halte es nicht für unmöglich das es in der Utopie, Computer gibt, aber für höchst unwahrscheinlich, es sei denn es sind Überreste aus der heutigen Industriegesellschaft.

Maschinen beherrschen Menschen

  • "Gibt es ein Herrschaftsverhältnis zwischen Maschine und Mensch? Kontrolliert der Computer dich, oder kontrollierst du den Computer?"

Das würde mich interessieren ... wie eine Maschine, die erstmal eine Verlängerung menschlicher Handlungsfähigkeit ist, Menschen beherrschen soll.

Zitat von jemensch das ich für sehr hilfreich halte: "Es kommt natuerlich darauf an, was du unter "beherrschen" verstehst. Und ob "kontrolliert dich der Computer" sich auf den Computer reduziert, oder die dahinterstehenden Menschen mitdenkt. Das sind Blickwinkel, die fuer eine tiefergehende Debatte gewiss wichtig sind. Mein Verstaendnis von "beherrscht werden" steht im Zusammenhang von Fremdbestimmung. Und da kann ich mir schon vorstellen, dass ein Computer (bzw. Computer allgemein im Zusammenspiel mit anderer Technik und Mechanismen, die mich binden - z.B. eine Sammlung von Internetseiten, die ich aktuell halten muss, allein schon weil sie da sind und es ja auch irgendwie sinnvoll ist; nur ploetzlich habe ich keine Zeit mehr fuer etwas anderes, weil ich ueberwiegend damit beschaeftigt bin) mich beherrscht. Natuerlich koennte mensch jetzt sagen, dass es trotzdem noch meine eigene Entscheidung ist, ob ich mich mit dem Computer befasse und dort mein Leben verbringe oder etwas anderes tue, das ich gerade viel mehr will. Und das ist ja auch richtig (meiner Meinung nach), denn die prinzipielle Moeglichkeit "nein" zu sagen, habe ich ja. Trotzdem wuerde damit ausgeblendet werden, dass es Mechanismen gibt, die mich dazu bringen, doch eher etwas zu tun, was ich gar nicht so wirklich wollte. [...] Komplizierter wird es noch, wenn die ganzen Wechselwirkungen zwischen computerisierter Gesellschaft, Technik, Menschen, sozialen Beziehungen etc. mit betrachtet werden. Je nach Begriff laesst sich dann meiner Meinung nach schon von Beherrschung bzw. Kontrolle (auch) durch Computer sprechen."

Spezialisierung

  • "Viele Dutzend hochspezialisierte Berufe sind nötig und mindestens genausoviele verschiedene Stufen Fließbandarbeit, um zu einem fertigen Computer zu kommen. Mit Vielfalt und Kreativität hat das überhaupt nichts mehr zu tun."

Dazu würde ich auch sagen: Das ist heute so, aber ich kann mir Fabrikationsstätten, die nicht isoliert sind vom Rest des Lebens, die vielleicht Fabrik und Lernort verbinden, die anders aufgebaut sind als heute, vorstellen. Wenn es dort weiter Fliessbänder geben soll, muss es mindestens auch Massageräume oder so geben.

Und: Es gibt inzwischen Entwicklungen hin zu Produktionsmaschinen, die sehr individuelle Produkte in kleiner Stückzahl herstellen können ... also weg vom Fliesband. Mehr dazu unter: http://www.zw-jena.de/arbeit/rp.html

Antwort: Aha und wer produziert diese "Produktionsmachinen". Und wer hat Zugang dazu? Ich halte es für hoch spekulativ, dass Maschinen kreativer sein können als die menschlichen Hände...

Erfindungen

  • "Ein Großteil der Erfindungen war kein Produkt menschlicher Neugier, sondern diente dem Interesse des Kapitalismus."

Naja, aber was sagt das (wenn es stimmen sollte, ist ja auch eine Tatsachenbehauptung und das Lichtbeispiel überzeugt mich nicht)? Ich meine, daraus lässt sich doch nicht ableiten, welche Erfindungen unter nichtkapitalistischen Bedingungen gemacht würden. Oder ob diese per se gut oder schlecht sind.

  • "Die elektrische Beleuchtung ist nur ein Beispiel, mit dem die Arbeiter jetzt auch nachts schuften konnten."

Und mit der ich nachts Genfelder kaputt machen kann. Oder unabhängig von der Tageszeit lesen kann. Oder politische Aktionen besprechen (klar, geht auch ohne Licht).

Was ich sagen will: Selbst wenn die Erfinder im Sinne hatten, die Ausbeutung von Menschen zu maximieren, können sie die Verwendung der Technik dadurch ja nicht festlegen auf diese Möglichkeit.

Antwort: Tendenziell hat die Glühbirne aber mehr Herrschaftsverhältnisse hergestellt als sie abgebaut hat. Hat sie überhaupt welche abgebaut? Deine Beispiele sind ja keine die zeigen das sie Herrschaft abgebaut hat und emanzipatorisch von Bedeutung sind. Unter anderem hat sie zur Zementierung der produktivistischen Logik geführt. Endlich konnte auch nachts produziert werden. Die Glühbirne ist damit Teil des kapitalistischen "Wachstumsparadigma". Ganz abgesehen natürlich davon welche Herrschaftsmechanismen im System "Elektrizität" und dessen Produktion stecken, die Vorraussetzung für den Betrieb einer solchen Glühbirne sind.