Begriff:Konstruktion

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In der Diskursanalyse meint der Begriff "Konstruktion" das Schaffen von Realitäten durch gesellschaftliche Prozesse und steht u.a. im Zusammenhang mit dem sogenannten "Radikalen Konstruktivismus", dessen Kernaussage ist, dass wir über unsere Sinnesorgane nicht die Realität der Welt erkennen können, sondern unser Bild von der Welt individuell selbst konstruieren. Aus Konstruktionen heraus können Konstrukte entstehen.

Konstrukte sind gedanklicher bzw. theoretischer Natur. Das bedeutet nicht, dass der betreffende Sachverhalt nicht "existiert", sondern nur, dass er aus anderen, leicht(er) beobachtbaren Sachverhalten erschlossen wird. Nach dem Soziologen Hans Wienold sind theoretische Konstrukte Begriffe, die geeignete sind Beobachtetes auf einander zu beziehen, ohne dass sie unmittelbar aus beobachteten Sachverhalten erschlossen werden[1].

Bezogen auf die Begriffe "Liebe" bzw. "Verliebtheit" kann insofern von Konstrukten gesprochen werden, als es sich dabei um Phänomene handelt, die aus einer Vielzahl Indikatoren gebildet werden, die nicht alle gleichzeitig erfüllt sein müssen. Steigender Puls, Weitung der Pupillen, ein Kribbeln im Bauch etc. sind physiologische Symptome, die im Zusammenspiel mit anderen Beobachtungen bestimmte Assoziationen auslösen. Sozialisation, Erfahrungen und gesellschaftliche Zurichtung haben Idealbilder geschaffen, die mit Begriffen wie Liebe verbunden werden. Diese Bilder sind nicht einheitlich, aber beinhalten bestimmte Tendenzen.

Sobald mensch sich die Frage stellt, "ob das Liebe ist", wirkt das Konstrukt bereits. Die Analyse bewirkt eine Konzentration auf bestimmte Phänomene. Es ist kaum noch differenzierbar, welche Gefühle, Erwartungen, Wünsche erst durch die Anwendung der verinnerlichten Bilder entstehen oder verstärkt werden. Ganz gleich was die Antwort auf die Frage ist, das Konstrukt wirkt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die eigene Wahrnehmung aus. Stelle ich fest, dass bestimmte Merkmale, die ich mit "Liebe" verbinde, nicht erfüllt sind, komme ich ins Zweifeln. Möglicherweise sinkt der Wert des Kontaktes für mich infolge dessen. Im umgekehrten Fall kann es dazu kommen, dass ich Erwartungen und Ansprüche aufbaue, die ohne die Verknüpfung zu dem "Konzept" Liebe vielleicht nicht entstanden wären.


Fußnoten

  1. Hans Wienold: Theoretische Konstrukte. In: Wienold u.a. Lexikon zur Soziologie. 1995