2016-01:Neoimperialismus im Deckmantel sogenannter Entwicklungshilfe

Aus grünes blatt
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Neoimperialismus im Deckmantel sogenannter Entwicklungshilfe

dr Das „Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (BMZ) ist in Deutschland nach Eigendarstellung zuständig „für die Bekämpfung der Armut, für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, für eine faire Gestaltung der Globalisierung und für den Erhalt der Umwelt und der natürlichen Ressourcen.“[1] in aller Welt. Und weiter für „Eine Welt, in der alle Menschen selbstbestimmt und in Freiheit ihr Leben gestalten können, eine Welt ohne Armut, gewaltsame Konflikte und ökologische Zerstörung.“ [2] Schön, oder?

Und in in Echt?

Wenn man sich jedoch die Realität anschaut, wird man das Gefühl nicht los, dass es sich hierbei um orwellsches Neusprech handelt, dass das Gegenteil meint, als es in Wirklichkeit ist.

Wichtigstes Werkzeug der „internationalen Entwickungszusammenarbeit“ ist heute die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die ist an sich schon ein neoliberales Highlight, 2011 aus der Fusion verschiedener Entwicklungsbehörden hervorgegangen. (Übrigens in der Ägide von Minister Dirk Niebel. Das ist derjenige, der das eigentlich schon abgeschlossene internationale Abkommen zum Erhalt des Yasuni-Waldes in Ecuador hat platzen lassen – das wäre wohl noch zu schön, dass Deutschland Geld für Naturschutz in Ecuador ausgibt – und der heute für den Rüstungskonzern Rheinmetall arbeitet.) Die GIZ ist jetzt ein privatwirtschaftlich organisiertes – jedoch zu 100% im Besitz des BMZ befindliches – gewinnorientiertes Dienstleistungsunternehmen. Als solches verkauft es einen Service, wie Unternehmen am Markt das nun mal tun. Hauptsächlich an das BMZ, also seinen Eigentümer, aber auch an andere nationale und internationale öffentliche Institutionen oder privatwirtschaftliche Unternehmen.

Die Kernkompetenz ihres Leistungsspektrums sieht die GIZ darin: „Menschen [zu unterstützen] Fachwissen sowie Handlungs- und Steuerungskompetenz zu erwerben. Organisationen, Behörden und Unternehmen erhalten Beratung, um ihre Organisations-, Management- und Produktionsstrukturen leis- tungsfähiger zu machen. Und nicht zuletzt berät die GIZ Regierungen darin, Ziele und Veränderungsprozesse in Gesetzen und Strategien zu verankern und landesweit umzusetzen. Denn entscheidend für wirkungsvolle und nachhaltige Reformen sind die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbeding- ungen.“[3]

Was dass dann konkret heißt, lässt die GIZ ihre Kunden erzählen, so zum Beispiel Dr. Andreas Blüthner, von der BASF: „Die GIZ hat das Mandat sowie eine beeindruckende Kompetenz, Regierungen von der Notwendigkeit von Standards zu überzeugen und sie auf dem Weg dorthin zu beraten.”[4], der sie für ihre Unterstützung in der Realisierung „eines überregionalen Projekts zur Anreicherung von Nahrungsmitteln gegen Mangelernährung.“ lobt. Dieses sieht – als zugegebenermaßen harmlosere Variante zu den auf Gentechnik basierenden „Goldenrice“ Machenschaften – die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln durch Vitamin A vor. Selbstverständlich „made in Ludwigshafen“. Dabei wird künstlich hergestelltes Vitamin A, nachdem es entsprechend aufbereitet wurde, exportiert und wiederum mit Hilfe von BASF Technikern in den Zielländern Grundnahrungsmitteln wie Öl oder Mehl beigemengt. Bei BASF legt mensch wert auf die Feststellung, dass „Wir […] unseren Kunden und Partnern nicht nur das Vitamin A [anbieten], sondern sie erhalten von uns eine Gesamtlösung“[5]

Im Klartext: eine offizielle, von einem deutschen Bundesministerium getragene Organisation, betreibt Lobbyismus für eine Gesetzgebung, die für dergestalt sympathische, für ihre ökologische und soziale Verantwortung bekannte Unternehmen wie der BASF bessere Absatzmöglichkeiten eröffnet, bzw. überhaupt erst den legalen Rahmen für den Absatz ihrer industriellen Hightechprodukte ermöglicht. Dem entsprechend findet die GIZ auch, dass eine tatsächliche Ernährungssouveränität der Menschen in den zu entwickelnden Ländern, im Rahmen selbstbestimmter, kleinbäuerlicher Landwirtschaft, auch als Voraussetzung für eine Ernährung, die künstliche Vitaminaufnahme unnötig machen würde, nun leider, leider, nicht drin ist: „Wir müssen uns von der Illusion verabschieden, dass alle Kleinbauern im landwirtschaftliche Sektor bleiben können“.[6] Denn: „Bei allen Kooperationen und Projekten steht eines im Mittelpunkt: Wirtschaftliche Interessen und entwicklungspolitische Ziele so miteinander zu verknüpfen, dass alle Beteiligten davon profitieren.“<refhttps://www.giz.de/de/mit_der_giz_arbeiten/128.html</ref> Im Umkehrschluss heißt das dann wohl, dass Leute, deren entwicklungspolitische Ziele sich nicht mit deutschen Kapitalinteressen verknüpfen lassen, eben nicht beteiligt werden. Sie können sich ja beteiligen, wenn sie sich zum Beispiel, von der Illusion verabschieden Kleinbauern bleiben zu wollen. Und das Kleinbauern bald keine Kleinbauern mehr sind, dafür tut die GIZ so manches. Als Resultat ihrer Entwicklungshilfe in Kambodscha zum Beispiel lobt sie sich: „Heute sind in den ländlichen Gebieten [Kambodschas] hochwertiges Saatgut und Düngemittel verfügbar. Zwischenhändler und Verarbeitungsbetriebe bieten Beratung, Marktinformationen und Finanzierungsmöglichkeiten an.“[7]

German Food Partnership

Was „hochwertiges Saatgut“ und „Düngemittel“ wahrscheinlich auch in diesem Fall heißt, verdeutlicht ein anderes Beispiel aus Kenia, wo die GIZ im Rahmen der German Food Partership (GFP) tätig war: „Insgesamt verkauft der Konzern nach eigenen Angaben durch die Aktion über 20 Prozent mehr Pestizide an Kleinbauern in Kenia. Und das, obwohl Bayer hier sehr teuer ist. Wie hilfreich das deutsche Staatsgeld dabei ist, gibt der Bayer-Verkaufsmanager in Kenia unumwunden zu.“ Titus Kinoti, Verkaufsmanager Bayer, Kenia: „Durch dieses Programm sind wir effektiver geworden. Wir können uns jetzt in einem umkämpften Markt behaupten. Wir bedienen die Bedürfnisse der Kunden und bringen sie dazu, unsere Produkte zu kaufen.“[8]

Die GFP ist ein internationales Jointventure zwischen GIZ, privaten Charity Organisationen wie der Gates-Stiftung, und führenden Agrarkonzernen, darunter Bayer und BASF. Ziel ist im Allgemeinen die Implementierung industrialisierter Produktionsweisen, und im Speziellen die Absatzförderung für die beteiligten Unternehmen. Bei Bayer freut mensch sich: „Sie [die Bauern] werden Zugang zu modernen Technologien erhalten: Hochwertiges Saatgut, Düngemitteln, innovativen Pflanzenschutzlösungen und Wassermanagement – um die lokale Produktivität nachhaltig (sic!) zu steigern.“[9]

Weitere Beispiele

Biopiraterie in Mexiko

In Mexiko – genauer im Bundesstaat Chiapas – versucht die GIZ ein dubioses Programm zu „Schutz und nachhaltiger Nutzung der Selva Maya“ umzusetzen. Die Dachorganisation der indigenen Heiler_innen und Hebammen (COMPITSCCH) fühlt sich davon jedenfalls stark an den letzten – damals US-amerikanischen – Versuch erinnert, die biologischen Ressourcen dieser sehr artenreichen Region für das heimische Kapital zu erschließen, d.h. Biopiraterie zu betreiben. Tatsächlich führten ganz ähnliche Projekte bereits zu Vertreibungen, Landraub und Repression bis hin zum Mord gegen diejenigen, die sich damit nicht abfinden wollten. Denn auch das Land und der Zugang dazu sind stets Teil solcher Projekte, die Ausweisung von Schutzgebieten bedeutet regelmäßig die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung, die ja die Natur stören würde.[10]

„Aufforstung“ in Nicaragua

Für „Aufforstungsprojekte“ in Nicaragua kooperiert die GIZ, und deren Vorläuferorganisation DEG im Rahmen von „Public-Privat-Partnerships (PPPs)“ gleich mit einem deutsch-spanischen Plantagenkonzern: die FuturoForestal. Eine Firma, die ein wenig Nachhaltigkeitspropaganda macht, im Wesentlichen aber Teakplantagen (ein in Lateinamerika nicht natürlich vorkommendes Edelholz) anlegt. Durch Instrumentarien wie REDD+ und die Einführung von CO2-Senken in den internationalen Emissionshandelzertifikaten, geht das als Klimaschutz durch und kann entsprechend als „grün“ etikettiert werden. Detail für siegelgläubige Biodeutsche: Da sich Teakplantagen von, sagen wir mal Tabakfeldern, auch darin nicht unterscheiden, dass nach der Abholzung („Ernte“) wieder neu gepflanzt wird, gibt’s auch ein FSC Siegel für nachhaltige Forstwirtschaft. Üblicherweise betätigt sich Futuro Forestal als Dienstleister auf den Flächen anderer. Kunden sind üblicherweise Investoren aus Indus- trieländern, die einerseits natürlich Profit machen wollen und andererseits durch die vorgebliche Kompensation ihrer eigenen bzw. ihrer Kunden CO2 Emissionen, ihr Image aufbessern wollen. Bei den GIZ geförderten Pflanzungen in Nicaragua betätigt sich die Futuro Forestal jedoch als ihr eigener Kunde, die Projektflächen waren zuvor aufgekauft worden. Futuro Forestal Chef Andreas Ecke darf auf der BMZ-Werbeseite für Entwicklungs-PPPs (PublicPrivatPartnerships) loben: „Das gesamte Projekt wäre ohne die verlässliche Hilfe der DEG nicht möglich gewesen. Ich denke, ich kann rückhaltlos sagen, dass ich jedem anderen zu ähnlichen Partnerschaften im Kontext der ländlichen Direktinvestitionen und der Entwicklungszusammenarbeit raten würde."[11] Insgesamt wurden 88% Teak gepflanzt. Der Rest seien „einheimische Hölzer“ – die Flächen beheimateten ursprünglich Regenwald und wurden nach Kahlschlag zwischenzeitlich als Weideland genutzt.[12]

Die Erschließung der Welt – für das deutsche Kapital

Im Grunde geht es darum, Märkte und Ressourcen für die deutsche Wirtschaft zu erschließen, und dabei die betroffenen Menschen in den „Entwicklungsländern“ in die (deutsche) kapitalistische Wertschöpfungskette zu integrieren. Böse formuliert: Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen. Oder um es mit den Worten des BMZ zu sagen: „Eine wichtige Basis der deutschen Wirtschaft ist das Exportgeschäft, das von einer stabilen Weltwirtschaft abhängt. Finanz- und Wirtschaftskrisen in Afrika, Asien oder Südamerika führen auch in Deutschland zum Verlust von Arbeitsplätzen. Entwicklungszusammenarbeit, die darauf ausgerichtet ist, die Volkswirtschaften in den Kooperationsländern zu stabilisieren, stärkt auch die Wirtschaft in Deutschland und in den anderen Geberländern.“[13]

Unterstützt wird GIZ dabei von einem eigens auf sie zugerichteten Lobbyverein: Der Carl-Duisberg-Gesellschaft (CDG). (Duisberg wiederum war der, der während des 1.Weltkrieges federführend und mit viel Enthusiasmus das deutsche Giftgasprogramm entwickelt hat. Die Menschheit verdankt ihm so angenehme Dinge wie Phosgen. Außerdem war er Gründer und dann Chef der IG Farben). Ziel des Vereins ist laut Selbstdarstellung die „Einbringung der Ideen der Wirtschaft in die GIZ“. Und damit das nicht allzu anstrengen wird, sind gleich vier Vertreter der CDG Mitglieder in Gremien der GIZ: Zwei im Kuratorium, zwei weitere im Wirtschaftsbeirat. In den drei GIZ-Gremien – Aufsichtsrat, Kuratorium und Wirtschaftsbeirat – finden sich – abgesehen von einer Mehrheit an Leuten aus Regierung und Parlament, Ländern und Kommunen – insgesamt 17 Wirtschaftsvertreter, 2 Wissenschaftler, 1 Gewerkschafter, 2 Entwicklungshelfer und 4 sogenannte Vertreter der Zivilgesellschaft.[14]

Bei den letztgenannten handelt es sich um entwicklungs politische Dachorganisationen, wie die Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste, in der die GIZ wiederum selbst Mitglied ist, und als einzige NGO die Stiftung Weltbevölkerung. Die hat als wichtigste Armutsursache ausgemacht, dass die Armen zu viele Kinder bekämen, entsprechend paternalistisch nimmt sich ihre Politik aus.

Freilich, manchmal funktioniert diese urdeutsche Form der Entwicklung sicherlich auch für die Betroffenen – das heißt den verwertbaren Teil der Bevölkerung – hinsichtlich einer Verbesserung der Versorgung mit materiellen Gütern und Dienstleistungen. Wo darin aber „eine Welt, in der alle Menschen selbst bestimmt und in Freiheit ihr Leben gestalten können“ liegen soll, bleibt das Geheimnis des BMZ. Oder ein Propagandaschlagwort, dessen eigentlichen Sinn die Autoren dieses Satzes wahrscheinlich selbst nicht verstehen.