2015-01:Neu&Topthema der Vereinfacher: Genderismus

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Neu&Topthema der Vereinfacher: Genderismus

jb Mitunter reicht ein Zitat. So ist es hier - und es soll am Anfang stehen: „Eine für den Mann kochende Frau ist ein transzendentales Urerlebnis, vergleichbar mit dem Öffnen des ersten Dosenbiers, dem Jagen eines wilden Tieres oder dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft.“ Den Satz gibt es tatsächlich, und die Macher_innen des Magazins „eigentümlich frei“, in dessen Septemberausgabe 2014 es auf S. 34 zu finden, haben es sogar in großen Buchstaben zur Überschrift erklärt. Es fällt nicht schwer, sich die schenkelklopfenden Männer in lüsterner Stimmung vorzustellen, wie sie ihren widerlichen Satz von Hausfrauen und Dosenbier als „transzendentales Urerlebnis“ als dichterische Heldenleistung feierten. Aber es ist nur die Spitze des Eisbergs.

Frauenfeindliche Sprüche füllen auflagenstarke Bücher, Szenezeitschriften und Kongresse. Gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, Abtreibung oder emanzipierte Frauen sind den vielen Männern und einigen Frauen (z.B. Eva Herman) ein Greuel. Sie denunzieren feministische Ideen, Gleichberechtigung und die (eher bürgerliche) Strategie des Gender-Mainstreamings als Zerstörung wahlweise religiöser Vorgaben oder „natürlicher“ Formen der Reproduktion. Sexuelle (Früh-)Aufklärung oder homosexuelle Orientierungen werden für Vergewaltigungen oder sogar Kriege verantwortlich gemacht.
Das Thema hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen und vereinigt sich argumentativ mit der Postulierung der heterosexuellen Kleinfamilie als Standard des Zusammenlebens. Wahlweise in Reden, auf vielen Kongressen und Treffen oder in Filmen und Büchern zeigen sich traditionalistische Rollenmuster und aus Natur oder Religion abgeleitete Aufgabenverteilungen.


Sexistisch bis saudumm

Dabei sind die konkreten Formulierungen mitunter bemerkenswert platt. Das Eingangszitat beweist bereits, wieweit das Niveau sinkt, wenn der Hang zu Vereinfachung mit mackerigem Rumgeprolle gemixt wird. Akif Pirinçci versuchte 2014 mit seinem „Deutschland von Sinnen“ ein ganzes Buch mit plattester Hetze zu füllen. Seine drei Feindbilder waren Migrant_innen, Homosexuelle und Frauen - immerhin zusammen die überwältigende Mehrheit der Erdbevölkerung. Frauen betrachtete er als „manipulierbar“, aber benutzte den Begriff nur, „um nicht das Wort »doof« in den Mund zu nehmen“ (S. 248). Eigentlichen seien sie überflüssig, aber fürs Ficken doch irgendwie vorteilhaft. „Gender Mainstreaming“ ist für ihn eine „Geisteskrankheit“ (S. 16).
Andere sind etwas zurückhaltender. „Politische Geschlechtsumwandlung“ nennt Volker Zastrow das ideologische Feindbild, nach dem er auch sein Buch betitelte: „Gender“. Seine Theorie ist, dass per Erziehung und öffentlicher Meinungsmache eine geistige Verwandlung stattfindet. Männern wird ihr Mannsein ausgeredet, Frauen das Weibliche. Dass eindeutige Geschlechter bestehen, ist für den Autor eine schlichte Wahrheit. Auf umfangreiche Belege für die eigenen Thesen wird in dem kleinen Büchlein verzichtet.


Homophobie

Wer Frauen aufgrund ihrer Biologie und der natürlichen bzw. göttlichen Bestimmung als Dienstleisterin oder Sexualobjekt für den Mann stigmatisiert, muss nicht groß umdenken, auch sexueller Selbstbestimmung eine Absage zu erteilen. Wieder erklettert Akif Pirinçci die höchsten Gipfel tiefsten Denkens, in dem er gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften als Familienmodell „Papa, Papa, Strichjunge“ denunziert (S. 21) und behauptet, „die Schwulen und Lesbenlobby ist hierzulande die mächtigste gleich nach dem Beamtenbund“ (S. 23). Die Frauenbewegung gleiche eher einer „Lesbenveranstaltung“ (S. 248). Im Buch „Politisch unkorrekt“ von Jan van Helsing & Co. heißt es auf S. 268 (Grammatikfehler im Original): „Wie soll man den Kindern nun erklären, dass zum einen der Homosexuelle laut Bibel, Koran oder Talmud den Tod finden soll, andererseits aber es doch in Ordnung ist.“


Brücke nach rechts

Die Positionen vereinfachter Welterklärer_innen gegen Gleichberechtigung und Feminismus sind eine der vielen Andockpunkte für rechte Ideologien. Eva Herman lobte die Mütterpolitik im Dritten Reich, die Zeitschrift „Compact“ trommelt gegen Abtreibung und Homo-Ehen (www.queer.de/detail. php?article_id=19969). Wer sich in der Väterbewegung umschaut, findet nicht nur viele direkt Betroffene, ebenso das eine oder andere bedenkenswerte Argument, sondern auch Anhänger_innen vereinfachter Welterklärer_innen bis zu rechten Gedanken. Überraschend ist das nicht (siehe S. 18).