2014-04 Frankfurter Flughafen: Sommercamp gegen Terminal 3

Aus grünes blatt
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vega Der Frankfurter Flughafen soll mal wieder ausgebaut werden. Während der Streit wegen der neuen Landebahn weitergeht (nach wie vor wird jeden Montag im Flughafenterminal demonstriert), soll jetzt auch noch ein drittes Terminal gebaut werden. Für seinen Autobahnanschluss würde auch wieder Wald fallen. In diesem bedrohten Waldstück fand Ende Juni ein Protestcamp statt. Spannend war hier vor allem das Zusammenkommen unterschiedlicher Spektren der Protestbewegung.

Das schlug sich auch in der Zusammensetzung der TeilnehmerInnen nieder. Zum inhaltlichen Auftakt am Donnerstag (ein Feiertag) fanden deutlich über hundert Menschen ihren Weg in das nicht gerade zentral gelegenen Waldstück. Einerseits seit Startbahn-West-Zeiten Aktive, mehrheitlich aber das eher bürgerliche Montagsdemopublikum (das zum Teil weite Anreisewege auf sich genommen hat). Freitag -Aktionstag, Werktag- war die Beteiligung sehr überschaubar. Samstag war wieder deutlich mehr los. Es dominierten die linksradikalen VeteranInnen – dabei aber auch einige, die nur zu besonderen Anlässen in diesen Strukturen aktiv werden. Der Sonntag war von Größe und Zusammensetzung wieder wie der Donnerstag. Nachts haben meist so 10-20 Leute im Wald gepennt. Hier haben besonders jüngere UmweltaktivistInnen aus anderen Regionen eine Rolle gespielt.

Das inhaltliche Programm war ein bewusster Versuch, über die immer noch stark auf Lärm- und Schadstoffbelastung fokussierten Montagsdemos hinauszugehen. Die Entwicklung des Flughafens wurde immer wieder ökonomisch als Teil von kapitalistischer Zurichtung auf globaler und regionaler Ebene diskutiert, weniger beleuchtete Funktionen wurden angesprochen (Waffenexporte, Wasserverbrauch...), es wurde Kritik an Einbindungsversuchen durch die Politik geäußert und mit Beiträgen zu den Energiekämpfen im Hambacher Forst, TTIP und Blockupy die Gemeinsamkeiten mit anderen sozialen Bewegungen abgeklopft.

Besonders aufschlussreich war die Abschlussdiskussion am Sonntagnachmittag. Statt frontaler Ansprachen und Krachschlagen kamen hier die radikaleren, schon lange politisierten Teile des Montagsdemopublikums mit den frischer politisierten, eher bürgerlichen TeilnehmerInnen ins Gespräch. Und ein junges, aktionsorientierte Publikum, dass zum Teil vorher noch nie etwas von diesen Demos gehört hatte, traf auf dessen schon länger ergraute und zunehmend frustrierte TeilnehmerInnen. Es war für alle Seiten ein ziemliches Aha-Erlebnis. Ausgangspunkt der Debatte war die Situation der Montagsdemos im Terminal. Während hier lange Zeit immer um die tausend Leute kamen, sind es seit der 100. Demo Ende Mai eher so 500. Menschen unter 40 haben hier absoluten Seltenheitswert, die Aktionsformen sind sehr eingefahren. Inhaltlich hat es eine gewisse Tendenz gegeben, sich neben der eigenen Betroffenheit durch Fluglärm für weitere Themen zu öffnen. Allerdings verläuft dieser Prozess immer noch in engen Grenzen. In den regionalen Medien erfahren die Demos normalerweise kaum noch Aufmerksamkeit, überregional kennt sie kein Schwein. Angesichts der nach über 2,5 Jahren immer noch mageren Erfolge und dem Verrat der Grünen nach der Landtagswahl wächst die Frustration. Dementsprechend kritisch fiel in der Debatte die Bestandsaufnahme der Montagsdemos aus. Es herrschte weitgehend Einigkeit: Die Demos sollen weitergehen, müssen aber dringend durch direktere und kreativere Aktionsformen ergänzt werden. An diesem Punkt wurde mit bemerkenswerter Offenheit z.B. über Bürobesetzungen diskutiert. Bedenken der eher bürgerlichen TeilnehmerInnen fanden ihren Raum, es wurde aber deutlich, dass viele von ihnen bereit waren, über die ihnen vertrauten, legalistischen Protestformen hinauszugehen.

Eine ganz ähnliche praktische Beobachtung ließ schon am Sonntagvormittag machen. Etwa 50-100 Menschen waren zur Baustelle des Terminals gezogen. Dort angekommen, stand auf einmal ein Baustellentor offen. Während die ersten schon durchströmten, hatte eine große Gruppe sichtliche Bedenken es ihnen nachzutun – gab sich dann aber doch einen Ruck und die Demonstration führte kollektiv und spontan auf die Baustellenfläche. Hier entschloss sich eine Gruppe, die Zwischenkundgebung auf einem geparkten Bagger abzuhalten. Auch dort oben fanden sich einige Gesichter wieder, die mensch nicht unbedingt erwartet hätte.

Eine dritte Episode zum Thema Radikalisierung: Ein Grüppchen von AktivistInnen aus dem Camp nahm am nächsten Tag an der Montagsdemo teil und blockierte im Anschluss einen Zugang zum Transitbereich. Auf der Demo eine Woche später distanzierte sich ein BI-“Funktionär“ ziemlich scharf von der Aktion. Auf einer Montagsdemo einige Wochen später zog eine Vertreterin des linken BI-Flügels eine Resümee des Sommercamps, rechtfertigte auch die Blockadeaktion im Terminal und erntete dafür viel Applaus. Auch dieses Beispiel zeigt: Während in der „Chefetage“ der Bürgerinitiativen der Ton zwischen Gemäßigten und Radikalen zunehmend rauer wird, ist an der Basis eher das Gegenteil der Fall.

Was ist seit dem Camp passiert? Die Grünen haben für noch mehr böses Blut bei den Bürgerinitiativen gesorgt. Zum einen indem sie eine Anhörung im Landtag zur Frage der Notwendigkeit des 3. Terminals verhinderten. Und zum anderen durch die Genehmigung des Bauantrags durch das grüne Frankfurter Stadtplanungsdezernat unter Olaf Cunitz. Der hatte noch kurz vorher eine Abordnung von Frankfurter Bürgerinitiativen versetzt, die ihm Unterschriften dagegen überbringen wollten. Die letzte formale Hürde für den offiziellen Baubeginn des Terminals ist jetzt die sogenannte Bedarfsprüfung, eine Kompromissformel aus dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag. Die Fraport hat der Landesregierung ein Gutachten vorgelegt, demzufolge sie auf das neue Terminal wirtschaftlich angewiesen ist. Die Regierung muss jetzt entscheiden, ob sie dieser Argumentation folgt. Es zeichnet sich ab, dass sie grünes Licht geben wird, wenn im Gegenzug der morgendliche Fluglärm gebündelt und anders auf die Region verteilt wird.

Es ist also damit zu rechnen, dass die Fraport im nächsten Jahr die Bauarbeiten für das Terminal intensivieren wird. Laufen tun die allerdings schon seit mehreren Jahren. Interessanterweise hieß es gegenüber der Presse auch, es solle weder dieses noch nächstes Jahr Rodungen im Treburer Wald geben. Interessant daran ist, dass der spätere Autobahnzubringer ja erstmal als Baustellenzufahrt dienen soll, und deshalb eine Rodung kurz nach der Baugenehmigung erwartet worden war. Auf ihrer Aktionärsversammlung kurz vor dem Camp, hatte sich die Fraport in der Frage noch sehr bedeckt gehalten. Möglich, dass hier ein kleiner strategischer Rückzug vor der Protestbewegung stattgefunden hat.

Es bleibt die Frage, wie ein Widerstand gegen das Terminal aussehen kann. Die Montagsdemo-Bewegung ist zwar noch lange nicht tot, dürfte ihren Zenit aber überschritten haben. In dieser Situation hat das Sommercamp neue Ansätze aufgezeigt, wie die sich radikalisierenden bürgerlichen MontagsdemonstrantInnen, lokale WiderstandsveteranInnen und Akteure einer eher jüngeren, überregionalen radikalen Umweltbewegung zueinander finden können.