2013-03:Gerstenfeld

Aus grünes blatt
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Etikettenschwindel auf Staatskohle?

jb Der folgende Text ist eine Zusammenfassung mit Auszügen aus dem Artikel „Was ist drin, wenn Biosicherheitsforschung drauf steht?“ im Gen-ethischen Informationsdienst Oktober 2013. Darin ging es um Recherchen zu einem Versuchsfeld mit gv-Gerste der Universitäten Gießen und Erlangen (2006-2010). Das Studium vieler Akten führte zu einem Bild, dass der ursprünglich kommunizierte und bezuschusste Zweck des Feldes kaum der tatsächliche gewesen sein kann.
Stellen Sie sich vor, Sie beackern ein Feld mit Gerste, genau genommen mit Sommergerste. Nach gut einem Monat Wachstum kommt es im gesamten Bestand zu einem starken Mehltaubefall. Wenn Sie ökologische Prinzipien ignorieren, werden Sie spritzen. Die Firma BASF bietet dafür zum Beispiel Capalo an: „Durch die Kombination der drei Wirkstoffe werden relevante Pilzkrankheiten in Weizen, Gerste, Roggen und Triticale sicher und dauerhaft erfasst.“ Für konventionelle LandwirtInnen eine Option. Aber können Sie sich vorstellen, dass ein solches Vorgehen auch sinnvoll sein kann in einem Pflanzenbestand, der zu wissenschaftlichen Zwecken angelegt wurde, um das Verhalten von Pilzen auf Blattoberflächen zu beobachten?
Genau das ist aber geschehen - und zwar bei einem Freisetzungsversuch der Universität Gießen mit transgener Gerste im Jahr 2009. Dies ist nicht die einzige Merkwürdigkeit eines Experimentes, welches aus dem Förderprogramm für biologische Sicherheitsforschung der Bundesregierung finanziert wurde. Vielmehr erfüllt der gesamte Versuch grundlegende Anforderungen an landwirtschaftliche Feldversuche nicht und es ist zweifelhaft, ob die in den Förder- und Genehmigungsanträgen bezeichneten Ziele jemals verfolgt wurden. Zwar wurde im Jahr 2010 ein Abschlussbericht veröffentlicht, doch auch in diesem wimmelt es von Ungereimtheiten.
Nach unzähligen eigenen Beobachtungen des Feldesam Feld und der Auswertung etlicher hundert Seiten Unterlagen zum Versuch entsteht ein Bild, demzufolge „Biosicherheit“ ein falsches Etikett für den Freisetzungsversuch mit gentechnisch veränderter (gv) Gerste war. Statt um Umweltbegleitforschung ging es um andere Ziele. Der Trick verschaffte Zugang zu einer lukrativen Finanzquelle: Insgesamt flossen mehr als 650.000 € Fördergelder - für 9,6 Quadratmeter Gerste ein nettes Zubrot. Das Totspritzen des Untersuchungsgegenstandes Pilze war nicht die einzige Merkwürdigkeit des Feldes:

  • Für landwirtschaftliche Forschungen gilt eine dreijährige Versuchszeit als methodischer Standard. Doch keine der drei Teiluntersuchungen, die im Rahmen dieses Biosicherheits-Versuches durchgeführtgefördert wurden, erfüllte den Standard.
  • 2007 erregte der Giessener Freisetzungsversuch schon früh die Aufmerksamkeit der Medien. Unbekannte hatten dem Versuchsleiter Kogel (und einigen Zeitungsredaktionen) kurz vor der geplanten Aussaat mitgeteilt, dass der Boden der Versuchsfläche unbrauchbar gemacht worden sei. Kogels Umgang damit war entlarvend: Er ließ den Boden nicht untersuchen, sondern säte vielmehr direkt nach Bekanntwerden des Briefes aus.
  • 2009 bot der Aussaatzeitpunkt Anlass für Verwunderung und Spekulationen unter Gentechnik-KritikerInnen. Wenn tatsächlich die Untersuchung der bodenbewohnenden und blattbefallenden Pilze zwei der drei Forschungsziele der Forschung gewesen wären, hätten Lufttemperatur und -feuchtigkeit eine bedeutende Rolle gespielt. Diese verändern sich im Jahresverlauf erheblich, weshalb eine Aussaat sinnvoll gewesen wäre, die der Realität eines landwirtschaftlichen Betriebes ähnelt. Doch die Aussaat, aus der Kogel später behauptete, seine Forschungsergebnisse gewonnen zu haben, erfolgte am 24. oder 25. Mai (unterschiedliche Angaben in den Unterlagen der Uni Gießen). Das ist für Sommergerste zirka zwei Monate später als üblich.

Was geschah also in den Jahren 2006, 2007 und 2009 auf den Versuchsfeldern? Biosicherheitsforschung, wie behauptet, war mit den konkreten Abläufen auf den Feldern nicht in Einklang zu bringen. Der Verdacht, dass sie nur simuliert wurde, um Fördermittel und eine Aussaatgenehmigung zu erhalten, erhärtet sich mit Blick auf die Vorphase des Versuchs. Kogel arbeitete nämlich schon jahrelang mit gentechnisch veränderter Gerste. Umweltauswirkungen interessierten ihn dabei nicht, sondern die Entwicklung von gentechnischen Methoden - finanziert vor allem über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), in der er selbst Projektgruppenleiter war. Fast zehn Jahre vor der Freisetzung lautete der Arbeitsauftrag einer von Kogel geleiteten DFG-Arbeitsgruppe: „Ziel des Teilprojektes ist die Charakterisierung neuer Gene, die in der Gerste bei der Ausprägung der SAR nach chemischer Aktivierung gegenüber dem Mehltaupilz beteiligt sind. Die Charakterisierung dieser Gene ist Voraussetzung für ein genaues Verständnis der SAR und damit für ihre optimierte breite Anwendung. Als weitere Konsequenz dieser Arbeit werden heute nicht verfügbare Getreide-spezifische SAR Gene bzw. Promotoren bereitgestellt, die u.a. zur Erstellung von transgenen Pflanzen mit SAR Reporterfunktion verwendet werden können.“ Die Beschreibung deutet auf Methodenentwicklungen hin, mit deren Hilfe anschließend konkrete Produkte (gv-Pflanzen) entstehen sollen.
Knapp zwei Jahre vor Beginn der ersten Freisetzung beschloss die DFG den Start einer neuen Arbeitsgruppe, wieder unter Leitung von Kogel. Ungefähr zeitgleich kündigte dieser im Zuge seiner laufenden Forschungen „Freilandversuche in Kooperation mit nationalen Saatgutfirmen“ an. Was ist aus den Plänen geworden? Laut Standortregister legte Kogel keine anderen Felder als die für die Biosicherheitsforschung benötigten an. Die dortigen Abläufe passten aber gar nicht zur Biosicherheitsforschung, wohl aber zu Kogels ursprünglichen Plänen. Ohnehin wirkt es wenig wahrscheinlich, dass Kogel eine jahrelange Forschung abbrach und etwas ganz anderes machte, was vorher nicht zu seinem Tätigkeitsspektrum gehörte. Viel wahrscheinlicher ist es deshalb, dass Kogel seine ursprünglich geplanten Versuche durchführte, aber aus finanztaktischen Gründen zunächst 2005 und dann nochmals im Jahr 2008 Förder- und Genehmigungsanträge so stellte, dass sie in das Biosicherheitsprogramm passten. Das bietet eine Erklärung des seltsamen Verlaufs der Versuche dar. Denn wenn es nicht um Pilze, sondern um Methodenentwicklung ging, schaffen verspätete Aussaat, verunreinigter Boden und vor allem der Einsatz eines Breitband-Fungizids keine Probleme. Dazu passt, dass Professor Kogel am 26. Mai 2009 ein Patent unter dem Titel „Novel Nucleic Acid Sequences and their Use in Methods for Achieving Pathogen Resistance in Plants“ (Nr. 20090165173) anmeldete.