2011-02:Energiekämpfe im rheinischen Braunkohlerevier

Aus grünes blatt
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Widerstand gegen den fossilen Energieriesen RWE – für ein lebenswertes Klima weltweit

Energiekämpfe sind sexy. Spätestens nach dem massiven Widerstand gegen den Castor im letzten Jahr und der atomaren Katastrophe in Fukushima ist die Frage um die Energieversorgung im tagespolitischen Geschehen Deutschlands dauerhaft präsent. Die herrschende Clique aus Politik und Energiekonzernen versucht seitdem ihre Energiewende an die empörten Bürger_Innen zu verkaufen, um einen Keil zwischen der radikalen Anti-Atom-Bewegung und der aus Angst bewegten Mitte der Gesellschaft zu treiben. Mit dem Kriechgang-Atomausstieg ist ihnen der Coup gelungen, um die Bewegung zu verunsichern und nachhaltig zu schwächen. Die Forderung nach einem sofortigen Atomausstieg wirkt unzeitgemäß im Kontext des Appells der Herrschenden nach einer Fertigstellung der in Bau befindlichen Kohlekraftwerke und der Förderung von großen Offshore Windparks. Zwar trieb die Atomfrage Hunderttausende auf die Straße und ins Wendland, aber sie ist ohne Anknüpfungspunkte der Schwachpunkt einer Bewegung, die sich nach einer anderen Energieversorgung sehnt.


Wie weiter nach dem atomaren Frühling?

Die Appelle der Massen nach Veränderung an wen auch immer bilden heute, wie auch auf den großen Wirtschafts- und Klimagipfel der letzten Jahre, keine Perspektive für eine Energiebewegung. Die moralische Verwerflichkeit des Big Buisness und der Politik mag argumentativ richtig sein, sowie auch das Festhalten der Ideale von Klimagerechtigkeit, aber ohne eine Konfrontation mit der Macht bleiben sie wirkungslos und schaffen letztlich Ohnmacht. Daher sollten Energiekämpfe die Auseinandersetzung mit den vier großen Energiekonzernen suchen und ihre Schwachstellen ausmachen. Das Image der großen Vier ist durch ihre korrupte Lobbypolitik in Verruf und ihr Handlungsspielraum wird geringer, da sie auf eine zentralisierte Stromerzeugung aus Großkraftwerken angewiesen sind. Diese haben einen ständigen Bedarf an fossilen Energieträgern, welche immer knapper werden. Das autoritäre Herrschafts- und Produktionsmodell von RWE und den anderen gerät an seine Grenzen und die dauerhaften Krisen bedrängen ihre Bilanzen. Ihrer Mehrwertproduktion fallen immer mehr Arbeitsplätze zum Opfer, die den Rückhalt der lokalen Bevölkerung schwinden lässt.


Kristallisationspunkte für Energiekämpfe

Eine emanzipatorische Energiebewegung braucht Kristallisationspunkte, um wirkungsvollen Widerstand zu leisten. Dies beweisen die Castortransporte ins Wendland alle Jahre wieder. Um die großen Energiekonzerne aber ins Wanken zu bringen genügt nicht ein einzelner Ort mit Erfolg versprechenden Aktionsmöglichkeiten. Wir brauchen viele Kristallisationspunkte an denen auch über Jahre Widerstand aufgebaut und radikalisiert wird. Zusammen mit lokalen Akteuren, Bürgerinitiativen, radikalen Linken und anderen. Energiekämpfe leben von ihrer Vielfalt. Diese reichen von Direkten Aktionen in Kleingruppen, über massenhaften zivilen Ungehorsam bis zu Rekommunalisierung von Stromnetzen. Dabei werden Erfahrungen der sozialen und ökologischen Kämpfe in Deutschland, aber auch darüber hinaus, wie der Klimabewegung in Großbritannien oder den USA, eine wichtige Rolle spielen. Der Aufbau einer Klima- und Energiebewegung von unten kann über die Strategie der Energiekämpfe gelingen, die als Klammer den Protest zusammenhält. Als gemeinsames Ziel sollten die Akteure dabei aber nicht hinter einer wirklichen Energiedemokratie zurück bleiben. Damit gemeint ist eine dezentrale, basisdemokratische, 100% erneuerbare und soziale Energieversorgung für alle. Ohne eine Vergesellschaftung und Zerschlagung der vier großen Energiekonzerne wird dies nicht möglich sein und auch nicht durch eine Trennung der ökolgischen Frage mit der Sozialen. Kein grüner Kapitalismus und kein Extraktivismus, also Ausbeutung der fossilen Energiequellen besonders auf Kosten des Globalen Südens, sondern demokratische Organisation der Wirtschaft von unten für die Bedürfnisse des Menschen.


Das gute Leben für alle

Vergessen werden darf bei der aus praktischen Gründen doch sehr national orientierten Strategie von Energiekämpfen nicht, dass der Kapitalismus und der fortschreitende Klimawandel fatale Folgen für die Menschen im Globalen Süden hat. Daher führt auch kein Weg um eine radikale Wachstumskritik, die viele NGOs in ihren Energieszenarien gerne ausblenden. Das heißt auch eine Ablehnung des Rohstoffregimes der Industrieländer, die ihre Energieversorgung nur durch militärische Kontrolle der fossilen Energiequellen in den Entwicklungsländern und der Transportwege aufrecht erhalten können. Um die daraus resultierenden Flüchtlingsströme aufzuhalten werden die Grenzen der Festung Europa durch den Einsatz von immer mehr Sicherheitskräften dicht gemacht. Energiekriege und Migrationsabwehr sind die Kehrseite des nationalen , fossilen Kapitalismus. Deshalb gilt es nicht nur auf die Gefahren im deutschen Vorgarten der Atom- und Kohlekraftwerke hinzuweisen, sondern die lokalen Kämpfe weltweit gemeinsam zu denken. Kein Paternalismus nach dem Muster des Technologieexports, sondern eine selbstbestimmte Entwicklung aller Gesellschaften jenseits des Kapitalismus, also ein gutes Leben für alle. Wir gehen verschiedene Wege, aber kämpfen gemeinsam. Wir sind Indigene, Bauern, Arbeiter, Anarchisten und vieles mehr.


Wir verzichten gerne auf das Elend der (Post)Moderne

Die große Herausforderung für eine Klima- und Energiebewegung wird darin bestehen die Ziele nicht einfach nur als Ideal zu betrachten, sondern diese auch erlebbar zu machen. Dabei darf nicht beim Wechsel zum Ökostromanbieter stehen geblieben werden, sondern es müssen praktische Perspektiven entwickelt werden, die eine Alternative zu dem zermürbenden Hamsterrad des postmodernen, kapitalistischen Gesellschaft aufzeigen. Deshalb verzichten wir gerne auf das Elend dieser Gesellschaft. Auf den permanenten Lärm der Maschinen und Autos, der Verschmutzten Luft durch Feinstaub und hochgiftiger Stoffe, dem dreckigen Wasser durch Industrieabfälle und den für Konsumzwecke betonierten Landschaften. Auf ein Leben bestimmt durch Wachstums- und Fortschrittsideologien, die den Menschen von der Natur abkoppeln und lebenswichtige und wertvolle Kreisläufe zerstören.


Auf zum Klimacamp im rheinischen Braunkohlerevier!

Vom 26.08-04.09.2011 werden verschiedene Klimaaktivist_Innen ein Klimacamp in Manheim im Rheinischen Braunkohlerevier veranstalten und versuchen diese Ambitionen umzusetzen. Wir wollen durch vielfältigen Protest Widerstand gegen den größten Klimakiller Europas RWE leisten. Auch im letzten Jahr erreichten die weltweiten CO2 Emissionen einen neuen Höchststand und machen jede Verhandlung zur Einhaltung von irgendwelchen Grad Zielen, die Katastrophenszenarien verhindern sollen, zum inszenierten Scheinaktivismus. In Deutschland erlebt gerade die sogenannte „heimische“ Braunkohle eine neue Renaissance. Mit 160 Millionen Tonnen ist Deutschland weltweit Spitze bei der Braunkohleförderung, der klimaschädlichsten Energiequelle überhaupt. Wie auch bei der Atomkraft wird das Lied der Brückentechnologie angestimmt, um die Bürger_Innen einzulullen. Das rheinische Braunkohlerevier ist das größte Braunkohleabbaugebiet in Deutschland und umfasst drei Tagebaue in denen die größten Bagger der Welt bis zu 500 Meter tief RWEs Bilanzen aufpäppeln. Für die lokale Bevölkerung hat dies fatale Auswirkungen. Tausende werden umgesiedelt, ganze Dörfer weggebaggert und ökologisch wertvoller Wald abgeholzt. In dem Gebiet, das sich zwischen Köln, Aachen und Düsseldorf erstreckt hält der Filz von der lokalen Politik und RWE den Deckel über empörte Anwohner, damit die zerstörerische Geldmaschine am Laufen bleibt. RWE will in diesem Jahr außerdem den ersten Block seines neuen Riesenbraunkohlekraftwerks Neurath 2 ans Netz bringen und die Pläne für eine Erweiterung vom Kraftwerk Niederaussem liegen schon in der Schublade. Die Infrastruktur der Braunkohleförderung eignet sich bestens für radikale Aktionen. So betreibt RWE das größte private Schienennetz, um seine Kraftwerke zu versorgen. Aber auch die Wälder und Tagebaue bieten viele Möglichkeiten das kleine Imperium von RWE ins Wanken zu bringen. Das Camp versteht sich als Teil einer Energiebewegung und möchte ein Ort des guten Lebens sein. Um sich zu vernetzen, weiterzubilden, gemeinsam Erfahrungen zu machen und im Selbstversuch voran zu schreiten. Schon in den letzten Jahren gab es immer wieder Protest gegen die Braunkohletagebaue, wie im Sommer 2010 ein Klimacamp und im Herbst eine Schienenblockade. Wir wollen das rheinische Braunkohlerevier zu einem Kristallisationspunkt machen und auch über das Camp hinaus eine Kampagne gegen RWE und Braunkohle organisieren. Setzt euch mit uns ein für eine basisdemokratische, soziale, 100% erneuerbare und dezentrale Energieversorgung. RWE den Stecker ziehen – für ein lebenswertes Klima weltweit! www.klimacamp2011.de