2007-02:Eine Ente macht noch kein G8

Aus grünes blatt
Zur Navigation springenZur Suche springen

Eine Ente macht noch kein G8

wutz

Der G8-Gipfel in Heiligendamm war verkehrte Welt. Oder war es doch das wahre Leben?

In Rostock gab es am Samstag dem 02.06.07 eine friedliche und bunte Demonstration, an derem Rand es am Endpunkt zu den verrufenen und medial ausgeschlachteten Ausschreitungen kam. Ein brennendes Auto wurde in der Presze stilistisch pluralisiert und es war nur noch die Rede von Steineschmeiszern. Die Medien konstruierten regelrecht ein Feindbild von einer schwarzvermummten, blutrünstigen Horde unkontrollierbarer, vor Wut geifernder Autonomer, gegen die kein noch so gut ausgerüsteter Polizist ein reale Chance auf Überleben hätte. Es wurde sogar schon von regelrechtem Verheizen der Polizeihundertschaften berichtet. Woraufhin der Einsatzleiter ausgetauscht werden muszte.

Den Vogel schosz dann die "Bild-Zeitung" ab mit dem reiszerischen und schlecht recherchierten Artikel "Bild erklärt den schwarzen Block". Und natürlich triefte in jeder Zeile das Blut und der Hasz. Man hätte über diesen Artikel herzlich lachen können, wenn man nicht wüszte, dasz die Bild-Redaktion dies ernst meinte. Die Berichterstattung war anfangs in vielen Fällen nur eine ausgeschmückte Variante der Polizeiberichte. Diese Bequemlichkeit der Journalisten sollte sich im Verlauf des Gipfels bitter rächen. Laut Polizeibericht wurden 433 verletzte Polizeibeamte in Rostock registriert. Spätere Überprüfungen ergaben, dasz 36 verletzt wurden, davon zwei stationär behandelt werden muszten. Diese Zahlendiskrepanz von 433 zu 36 verletzten Polizisten kam nur aus zwei Gründen zustande. Zum einen erfolgten die Angaben fehlerhaft an die Einsatzzentrale durch die Beamten vor Ort. Zum anderen wurden die Angaben und Einschätzungen seitens der Polizei aus juristischer Sicht erst einmal aufgenommen. Das heiszt also, auch jeder noch so kleine Kratzer, welcher eben aus medizinischer Sicht nicht einmal einer Behandlung bedarf, wurde aufgelistet und als leicht verletzt vermerkt. Als also diese Abweichung der Verletzten bekannt wurde, war dies wiederum ein peinlicher Moment für die sensationslüstende Berichterstattung. Seriösen Medien meldeten sofort eine Richtigstellung, die unseriösen Medienanstalten lieszen dafür die Sachverhalte auf sich beruhen. Denn 433 verletzte Polizeibeamte klingt doch nach einem schönen Gemetzel, und das ist es doch was die Leute wollen. Registriert wurden bei der Camp AG 520 verletzten Demonstranten aller Couleur. Nach medizinischen (und eben nicht nach juristischen) Einstufungskriterien waren alle Demonstranten leicht verletzt.

Die zweite Peinlichkeit

der reiszerischen Berichterstattung einiger Medienanstalten war auf die Verlautbarung der Polizei unrecherchiert anzuspringen, dasz "verkleidete Demonstranten" (meint Clowns) Säure-Attentate und Meszerattacken auf Beamte der Polizei verübt haben sollen. Des weiteren sollen die Clowns in ihren Rucksäcken Steine zu Demonstrationen transportiert haben. Es kam zu verstärkten Kontrollen von Waszerspritzpistolen. Selbst das Mitführen dieses Utensils wurde nun auf Demonstrationen von der Polizei als Anlasz genommen, um Festnahmen vornehmen zu können. Aber auch andere fadenscheinige Gründe wurden für Festnahmen und Personalienabfragen verwendet. So wurde ein Clown auch vorübergehend festgehalten, da er eine handelsübliche - aber clownesk umgestaltete - Tarn-Jacke der Bundeswehr trug. Vorgeworfen wurde diesem Clown, er hätte durch Tragen dieser Jacke sich zu unrecht als Angehöriger der Bundeswehr ausgegeben.

Wenn das mal nicht vorschnell war!? Bei der Festnahme dieses Clowns wurde auch durch einen freien Berichterstatter auf Digitalfilm die Miszhandlung gegenüber dem Clown durch einen Polizeibeamten festgehalten. Bilder, die Otto Normal zuhause nicht auf den groszen Sendern sehen wird. Vor allem das Verhalten gegenüber ausländischen GipfelgegnerInnen war beängstigend. Ausländische Clowns wurden durch Polizistinnen gezwungen sich in einer Damen-Toilette vollständig zu entkleiden, da die Beamten Geld und ersatzweise auch Wertgegenstände wie Uhren sicherstellen wollten, um eine Kautionszahlung in Höhe von 250,- € für jeden vor Ort festgenommenen, ausländischen Clown einzutreiben.

Die zahlreichen Falschmeldungen gegen die Clowns muszten jedoch von seiten der Polizei auf Druck von gut recherchierten Medienmeldungen zurückgenommen werden.

Nächste Panne

waren die Tage der Blockaden. Ein Jahr Vorbereitung, Unmengen an Steuergeldern, Represzalien gegen G8-GegnerInnen mit Razzien und Geruchsproben, Hubschraubereinsätze und vieles mehr konnten die Menschen nicht aufhalten bis zum Zaun und auch für einige wenige darüber zukommen. Die ständige Blockade des "east-gate" war ein Eingeständnis der Polizei, da sie gnadenlos unterbesetzt war, um am "west-gate" noch Einsatzkräfte verfügbar zu haben. Verzweiflungstaten wie das Überfahren der mit AktivstInnen besetzten Greenpeace-Schlauchboote durch die Waszerschutzpolizei, das Kaputtstechen der Robin Wood-Schlauchboote durch Polizeikräfte, die Einsätze der "Taufpanzer" (eine Wortschöpfung der Bild-Zeitung) am west-gate; bei dem selbst die eigene Kollegen über den Haufen gepritzt wurden, zeigten deutlich die polizeiliche Unfähigkeit. Der einzige Ausweg das Gesicht einiger Maszen noch wahren zu können, war schon gleich am ersten Tag der Blockaden alle und alles für den G8 benötigte über den Luft- und Seeweg reinzuschaffen. Für die Polizisten vor Ort ein schlimmer Zustand. Während ständig der Kaviar und Delegierte eingeflogen wurden, gab es 16 Stunden lang keine logistische Versorgung hinter dem Zaun für die Polizeibeamten - sprich: nicht mal 'ne Suppe. Am 06.06.07 geschah dann noch ein nächstes Glanzstück. Fünf "Agents Provocateurs" wurden entlarvt; vier von ihnen konnten fliehen, einer wurde der Polizei übergeben. Ein "Agent Provocateur" ist ein Zivilpolizist, der Demonstranten zu Straftaten auffordert. In diesem Falle wollten die fünf Agents Provocateurs eine Gruppe am east-gate verleiten, Steine auf die Polizisten zu werfen und sich somit des Landfriedesbruchs strafbar zu machen.

Bremer Demonstranten erkannten den einen Zivil-Polizisten wieder, da dieser in Bremen seine Einsatzstelle hat. Anfangs dementierte die Presseabteilung der Polizei den Einsatz solcher Zivil-Polizisten. Doch es wurden die Fotos des Vorfalls an die Medien weitergereicht. Unter dieser erdrückenden Beweislast gab schlieszlich auch die Polizei den Einsatz zu. Des weiteren äuszerten die Polizeisprecher den Medien gegenüber, es seien Steine und Molotow-Cocktails geworfen worden. Journalisten vor Ort haben aber solch ein Vorgehen seitens der Demonstranten nicht beobachtet. Im Gegenteil sollen sich die Demonstranten friedlich am east-gate verhalten haben.

Die vierte aber nicht die Letzte der Peinlichkeiten

war die Verlautbarung der Einsatzleitung zum Abschluss des Gipfels. So war der G8 ein voller Erfolg, alle Ziele wurden erreicht. Der störungsfreie Ablauf des G8 wurde gewährt. - Dass dem nicht so war, bewiesen die Blockaden.

Die Sicherheit der Delegierten konnte gewährleistet werden. Nur wurde der Bus einer Delegation komplett entglast, während die Delegierten sich noch im Fahrzeug befanden.

Und es wurden jeder Zeit friedlichen Demonstrationen eine störungsfreie Durchführung ermöglicht. - Mehrere Male wurde friedlichen Demonstrationen der Weg durch Polizeikräfte für mehr als eine Stunde versperrt.

Somit war auch diese Mitteilung der Polizei nicht mehr haltbar. Man musz schon sehr staatstreu und naiv sein, um all diese Peinlichkeiten und die mitunter absichtlich, scharenweise auftretenden Enten zu übergehen. Der G8 war für die Medienwelt ein herber Einbruch in Sachen Vertrauen gegenüber Polizeimeldungen und eine harte Selbsterkenntnis beszer zu recherchieren. Und mal ehrlich, es ist doch nervig ständig Richtigstellungen zu veröffentlichen.