2007-01:Umweltschutz von Unten England

Aus grünes blatt
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Hüttendörfer im United Kingdom? Umweltschutz von Unten in England?

Subjektive Eindrücke nach guten 6 Monaten auf der "Insel"

jhc Die Thatcher-Era hat deutliche Spuren hinterlassen hier in England. Alltägliche Umweltbelange werden komplett von der Privatwirtschaft übernommen. Sprich, effektives Recycling gibt es nur wenn der Profit stimmt. Ähnlich lässt sich die Situation für Trinkwasser beschreiben. Wer jemals Leitungswasser in England getrunken hat, weiß wovon ich rede. Recyclingpapier scheint ein Fremdwort und Solaranlagen auf den Dächern Unikate. Eine solche Situation lässt einen leicht das achso ökologische Deutschland idealisieren. Ich kann im Moment nur festhalten, dass der Staat daheim vieles “besser” regelt als hier. Diese Fakten verschaffen ihm zwar nicht wirklich Legitimität, seien aber trotzdem erwähnt. Auch unter der Bevölkerung scheint das Umweltbewusstsein bisher nicht wirklich stark ausgeprägt zu sein. Doch es scheint ein neuer Wind zu wehen.

Eine Anti-AKW-Bewegung aus der der Umweltschutz von Unten (UvU) in D-Land doch recht stark seine Inspirationen schöpft gibt es hier nicht. Vor meiner Haustür (Ostengland) verkehren regelmäßig Castoren vom naheliegenden AKW Sizewell. Das gleiche passiert tagtäglich mitten in London. Keinerlei Polizei, geschweige denn eines kundschaftenden Hubschraubers. Blockaden der Gleise wären dementsprechend gefährlich. Anstelle der Anti-AKW-Bewegung zehrt die Umweltbewegung hier aus jenen Menschen die sich seither gegen den Strassenbau einsetzen. Noch heute gibts es zahlreiche Blockade-Camps (kommen wir jetzt vielleicht zu den Hüttendörfern???) in Wäldern die dem Straßenbau zum Opfer fallen sollen. Oft gut ein dutzend Baumhäuser und mehr verbunden mit Gangways sind das Ergebnis der Arbeit vieler fleissiger Hände. Oft mit breiter Unterstützung der lokalen Bevölkerung wird der Staat so physisch daran gehindert seine Pläne durchzusetzen.

Eine Organisation die mit diesen Camps immerwieder richtigerweise in Zusammenhang gebracht wird ist die Gruppierung EarthFirst! die sich klar anarchistisch/libertär definiert. EF! war auch bereits an Flughafenblockaden sowie Feldbefreiungen und Hafenbesetzungen gegen illegal geschlagenes Tropenholz beteiligt. In den letzten Jahren scheint die Bewegung etwas abgeebbt zu sein was symbolisch durch die letzte Ausgabe der Earth-First! Burchreihe “Do or Die” (sehr zu empfehlen) offen zu Tage tritt. Die Protestform der Critical Mass die sich durch viele viele Fahrräder auf Hauptverkehrstraßen artikuliert hat in vielen Städten ein rituelles allmonatliches Ausmaß angenommen.

Neuerdings hat eine Gruppe Namens “PlaneStupid” allseits von sich hören lassen die sich für den sofortigen Rückbau von Flughäfen und einen massiven Abbau des Flugverkehrs einsetzt. Wenn auch sehr viel professioneller (der Gründer ist erfahrener Greenpeace-Aktivist), wird stark der Kontakt mit der lokalen Bevölkerung gesucht und in relativ autonomen Lokalorganisationen agiert. Das Konzept scheint aufzugehen. Jüngst wurde zusammen mit Anwohnern des Flughafen Heathrows eine Ministerrede während einer Flugindustriekonferenz gesprengt. Die erste und wohl größte Aktion bestand wohl darin die Start und Landebahnen des selbigen Flughafens für einige Stunden zu blockieren. Lokalgruppen haben sich regelmäßigen an lokalen Aktionen gegen die “EasyJet”-Gruppe beteiligt. So wurde an einem Aktionstag mehrere Filialen mit Schlössern verriegelt und daher aus “Klimagründen” geschlossen sowie die Konzernzentrale in London erfolgreich besetzt.

Ein weiteres Highlight des letzten Jahres war das Climate Camp im Sommer im Norden Englands. Ich selbst war nicht vor Ort, habe aber negative sowie positive Stimmen gehört. Insofern scheint das Camp an sich ein ziemlich selbst-organisiertes Event gewesen zu sein, mit Kochzelten, kleinen “Nachbarschaften” und Kompostklos. Dem üblichen eben. Das eigentliche Ziel, nämlich das größte Kohlekraftwerk “Drax”(schleuder) zu besetzen, sabotieren und lahmzulegen wurde nicht ansatzweise erreicht. Das holte Greenpeace aber jüngst nach.

Apropos Greenpeace, funktioniert hier wie man sich vorstellen kann nach ähnlichem Muster wie in D-Land. Statt Hamburg als Zentrale haben wir hier eben London. Und den lokalen Gruppen wird vorgekaut wofür oder wogegen denn nun “campaigned” wird. Dennoch hat man hier nicht soviel Kohle wie in Hamburg, was das ganze noch etwas basisnäher und interessanter macht. Da fallen dann auch schon mal einige kritische Worte über deutsche Aktivisten die wohl mit einem eigenen Flugzeug nach Skandinavien zu einer Aktion geflogen seien sollen. Für solche Gerüchte habe ich natürlich keinerlei Beweise. Trotzdem interessant um Greenpeace ein wenig kritisch zu durchleuchten.

Einige Menschen die man dem EarthFirst!-Spektrum zuordnen könnte beteiligen sich auch an den Aktionen vom Netzwerk Saving Iceland, welches auch auf dem letzten Jukss vorgestellt wurde und das sich gegen die Aluminium-Schmelzen von Alcan und Alcoa weltweit aber speziell in Island einsetzt, wo eine der letzten wilden und unberührten Landschaften durch riesige Staudämme bedroht sind, die letztlich aussschließlich den Aluminium-Konzernen billige Strom liefern sollen.

Der Klimawandel im Allgemeinen schlägt auch hier hohe Wellen in der Presselandschaft. Aber wie daheim, wird viel geredet, viel gewarnt und nix getan. Unter anderem gab es im November letzten Jahres den “National Climate March” in London. Letztlich eine riesige Demonstration (zahlenmäßig wirklich beeindruckend im Vergleich zu Deutschland), die sich jedoch letztlich nur auf das durch London latschen und das Zuhören der hiesigen Pop-Größen die das Event unterstützen beschränkte. Bezüglich des Strommarktes kann angemerkt werden, dass es keine Stromrebellen wie in Schönau gibt und auch nicht ansatzweise so viele “Grün-Stromanbieter” wie bei uns.

Was die Bio-Szene angeht: Keine Bioläden geschweige denn Bio-Supermärkte, außer vielleicht in wirkliche großen Städten und Wales. Hier hat der Anbauverband “Soil Association” gleich den Pakt mit den Konzernen geschlossen, was heißt das die Komplettversorgung mit Bio-Kost nicht durch den kleinen Bioladen sondern durch solch ausbeuterische Konzerne wie “Tesco” oder “Sainsbury” sichergestellt wird. Alternativen hierzu, und das auch nur im Sektor Gemüse bieten sogenannte “Box Schemes”, das Equivalent zur Hofkiste in Deutschland. Kleine Bioläden wenn sie denn existieren sind im Vergleich zum Mega-Supermarkt massiv teurer und keine wirkliche Option. Hier ist Bio, jedenfalls im Supermarkt bereits so industriell und verschwenderisch eingepackt wie die normalen Industrie-Lebensmittel.

Anders sieht es in der Permakultur-Szene aus. Die ist hier sehr viel größer und wird von allen Bevölkerungsschichten vermehrt wahrgenommen. Einige libertäre Interpretationen des Permukultur-Ansatzes sind auch zu finden. Der Verbreitung dieses Gedankenguts liegt sicherlich darin begründet, dass das Prinzip Permakultur vom Guru Bill Mollison aus Australien stammt und fast die gesamte Literatur englischsprachig ist. Für mich ist Permakultur ein elemtarer Aspekt des Umweltschutz von Unten, weil es sich von der klassischen arbeitsintensiven und mechanisierten Öko-Landwirtschaft verabschiedet und “mehr” fordert. Angegriffen muss jedoch die Ausbildungsstruktur werden, die sich mit ihren Zertifikaten nicht sonderlich von normalen Ausbildungen unterscheidet.

Gelebte ökologische Alternativen organisieren sich in den Netzwerken wie “Radical Routes” und “Diggers and Dreamers”, wobei ersteres einen wohl klarer formulierten emanzipatorischen Ansatz für alternatives Leben formuliert.

Last but not least, gibt es auch noch die Studentenorgnisation People and Planet. Wenn auch recht egalitär organisiert, kann der Konsenszwang manchmal ziemlich repressiv sein und Umweltschutz von Unten kann man es auch nich nennen wenn die Kampagne um die Uni “grün” ("Go Green!") zu machen die Hauptforderungen “Unterstützung vom Universitäts-Management, ein “Environmental Manager”, ausformulierte “Umweltpolitische Richtlinien” und einen “Environmental-Audit” enthält.

Soweit soll es das erstmal gewesen sein. Der Artikel erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und ist höchst subjektiv aber ich hoffe trotzdem interessant. Ich empfehle jedem der mehr wissen will, die recht umfangreiche Linkliste durchzugehen die auch Netzwerke und Medien enthält die hier nicht diskutiert wurden aber nichts desto trotz höst empfehlenswert sind.

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... Alternativen, Selbstorganisation und Permakultur: