2006-02:unter aufsicht

Aus grünes blatt
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Magnus Czora:

unter aufsicht

liz Bücher, in denne anarchistische Ideen gelebtund behandelt werden, sind selten bis gar nicht fröhlich und schön zu nennen, wie es die Theorie des Anarchismus aberfür sich beansprucht. Es läuft immerauf dasselbe hinaus, nämlich darauf, dass sich die Hauptfigurder Bücher im Kampf gegen die organisierte, die materiell ausgerichtete, Weltaufreiben und schließlich an der Ausweglosigkeit ihrer Situation zerbrechen. Dieser, für Bücher des Anarchismus scheinbar arttypische Schluss ist rückführbar auf die hohe Resignation in der Welt des Linksextremen.

Die Art, wie Czora die erzählende Figur Details ausklammern lässt, führt zu einer leichten Unbeteiligtheit des Lesers der Leserin, was aber auch daran liegen mag, dass man solche oder so ähnliche Szenen schon kennt. Das gute Tempo des Erzählersnimmt den Leser/die Leserin aber mit sich, ohne zu hetzen. Aberbald häufen sich die Widersprüche und kleinen Streitfragen, die den Ausschlag geben könnten, ob ein Leser/eine Leserin das Buch für gut oder für misslungen befindet.

Die erste Unstimmigkeit ist folgende, in der es heißt:
In Itlaien zum Beispiel, wo sich der fließende Übergang von der rechtskonservativen Regierung zu den Erben der italienischen Faschisten nicht mehr verbergen lässt....

Persönlich habe ich da einen anderen Eindruck. Die Rechtskonservativen waren immer schon durchsetzt von den Erben des italienischen Faschismus, das war nie ein Geheimnisund für den gemeinen Mann auf der Straße, in detaillierte politische Geschehnisse nicht eingeweiht, aber gesegnet mit einer ordentlichen Portion Misstrauen gegen Politiker jeglicher Coleur gilt ohnehin, dass alle Politiker Verbrecher sind. Nicht die politische Ausrichtung des Verbrechers ist es, die zählt, sondern der Charme, mit dem er seine Verbrechen begeht.

Über einen inhaltlichen Fehler stolpert man wenig später beim ersten politischen Großereignis des Erzählers. Dieser versuchte zu einer Demonstration zu gelangen und wird verhaftet. Und schon soll alles so vieles sein? Auf einmal hat der Erzähler den Mut Autoritätsverhältnisse zu sprengen? Dies unterstellt zumindest der Autor. Da war aber kein Schlüsselerlebnis feststellbar. Der Erzähler befolgt auch nach der Verhaftung und Haftentlassung immer noch die Befehle des Vaters, hier wird deutlich wie schwer es ist aus alten Verhaltensmustern auszubrechen.

Das Buch atmet im Anfangsteil einen sehr schönen Optimismus, hervozuheben ist auch, dass der Erzählfluss nicht durch Kapitel gebrochen wird. Weil nebenbei auch noch locker und gar nicht trocken über die politischen Ereignisse der letzten Jahre gesprochen wird, entsteht ein sehr fein gewobener durchgehender Test, dem man gerne folgt.

Der Autor bedient sich eines fantastischen Wortes: Wundertoll, aber bald stößt man wieder auf eine Unzulänglichkeit. Kim, die weibliche Hauptperson, meint mit Hau ab, Brüllen und Treten Polizisten dazu bringen zu können den Beruf zu wechseln. Allein damit wird's wohl nicht getan sein.

Die Aussage Ich habe ja Bücher gelesen..., wirkt auch sehr undruchdacht und unreif. Denn Bücher gibt es viele, vor allem schlechte. Was in Büchern steht, ist nicht unbedingt wahr. Mehrmals wird von Genossen gesprochen, was auch verwirrend ist, weil diese Bezeichnung, mit ihrer historischen Bedeutung im Sozialismus, hier keinerlei Sinn ergibt.

Im Gegenzug punktet das Buch mit der Beschreibung der Demonstrationen beim G8 Gipfel in Genua. Der Erzähler ist friedlich, aber so empfindsam, dass er in Verzweiflung losschlägt, um dann niedergeknüppelt zu den Eltern zu fahren und dort ausgebrannt verbleibt.

Wie der Erzähler über seine Freundin Pia schreibt ist schlecht, weil abwertend und einer freundschaftlichen Beziehung nicht gerecht. Er erzählt, dass sie nicht mehr kifft, aber dem Esoterischen verfallen ist und etwas muss sie ja machen. Es ist eine Wandlung in der Einstellung des Erzählers zur Gewaltanwendung spürbar: Dem friedlichen Jugendlichen, der sich scheut Gewalt in jeglicher Form zu gebrauchen wird Stück für Stück klar, dass etwas Gewaltanwendung doch ok für ihn ist, was sich besonders stark im Ende der Geschichte herausstellt.

Noch ein Fehler: Der Autor behauptet, dass es Alternativen zum mörderischen Kapitalismus gäbe. Stimmt. Aber nicht jede/r kann sich Bio- und Fair Trade Läden leisten.

Zurück zum Ende: Es ist kriegerisch und meilenweit von der Unbeschwertheit des Anfangs entfernt. Ob gewollt oder nicht, der Schluss kommt zu schnell und das, was zu den dramatischen Ereignissen am Ende geführt hat, wird kaum angesprochen.

Nur von Frust ist die Rede. Ganz viel Frust. Die Wandlung vom friedlichen Traum zur gewalttätigen Ausweglosigkeit - eine Wandlung die jede/r durchmachen muss, die/der den Anarchismus mitträgt?

Ich hoffe nicht.

Ob dieses Buch gut ist, oder misslungen, bleibt der Beurteilung des Lesers/ der Leserin überlassen. Was mir aufstößt und es für mich zu einem nicht guten Buch macht, ist, dass es ein bitteres Ende nimmt und freudlos wird. Noch bin ich nicht von der Idee überzeugt, dass alle Romane, die sich anarchistisch in ihrem Inhalt nennen, so kriegerisch, aber bitter, in einer noch gewalttägeren Zukunft enden müssen.

  • erschienen im Packpapier Verlag