2006-01:Containern - Netto:Zeigen sie sich selbst an!

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Containern - Netto:Zeigen sie sich selbst an!

JUB Etwa die Hälfte der Lebensmittel einer Stadt wird von den Discountern weggeworfen, weil sie nicht mehr "verkäuflich" sind. Sie haben Druckstellen, das Mindesthaltbarkeitsdatum naht, die Produktpalette wurde aufgegeben oder die Verpackung wurde beschädigt. Das sind häufige Gründe, warum völlig brauchbare Nahrung entsorgt wird.

Aus einer Auseinandersetzung bei Netto während des "Containerns" - das Mitnehmen noch guter Nahrung aus den Mülltonnen von Supermärkten - wurde offensiv eingefordert, die AktivistInnen anzuzeigen, um diese skandalöse Lebensmittelvernichtung öffentlich zu machen. Reaktion der Marktleitung: Zeigen Sie sich selbst an! Auch die Polizei, die von Netto alarmiert wurde, hatte keine Lust und weigerte sich, wegen "Müll-Diebstahl" zu kommen. Mittwoch Morgen in Magdeburg beim Containern: Mitarbeiterinnen von Netto verlangen, das Gemüse zurückzugeben, das aus den Mülltonnen des Supermarktes geholt wurde, welches völlig in Ordnung ist und nur aus Profitgründen entsorgt wurde.

Daraus entstand eine Diskussion darüber, dass Unmengen von Lebensmitteln verschwendet werden, während gleichzeitig Menschen hier und in aller Welt hungern und in Armut leben. In der Auseinandersetzung schlugen die containernden Menschen vor, der Markt solle sie anzeigen, damit dann ein Prozess geführt werden könne, mit dem diese Politik öffentlich thematisiert und skandalisiert werden kann. Ein zu diesem Zweck vorbereiteter Zettel mit Personalien und der Aufforderung zur Anzeige, um eine öffentliche Auseinandersetzung über "Lebensmittel-Verschwendung bei Netto und Hunger in der Welt" zu führen, wurde übergeben.

Die Marktleiterin drohte damit die Polizei zu holen und wurde dazu von den AktivistInnen ermuntert. Für den Fall einer Auseinandersetzung mit dem Personal war genau das überlegt worden. Es sollte nicht nur um "Selbstorganisation im Alltag" gehen, sondern auch die politische Dimension der Lebensmittelvernichtung angegriffen werden. Gleichzeitig ist das Einfordern von Repression eine Spielart der "kreativen Antirepression" und führt häufig dazu, dass das Ziel von Herrschaftsdurchgriffen umgelenkt werden kann.

Erst waren zwei weitere Mitarbeiterinnen da, die sich verschlossen und nicht diskussionsbereit zeigten. Da weiterhin das Gespräch gesucht wurde, ergab sich allmählich mit einer der Beiden eine Unterhaltung und sie zeigte sich verständnisvoll dafür, dass Leute es nicht gut finden, dass diese Lebensmittel weggeworfen werden, meinte aber, dass das so sein müsste. Dann kam die Marktleiterin mit dem Spruch wieder raus, die AktivistInnen sollten sich doch selbst anzeigen, die Polizei wolle nicht extra kommen wegen Müll-Diebstahl. Daraufhin gingen die Mitarbeiterinnen fort und es wurde weiter containert.

Die Marktleiterin kündigte allerdings an, zukünftig die Container zu verschließen und so unzugänglich zu machen. Das Ziel, über ein Gerichtsverfahren des Marktes gegen die AktivistInnen eine öffentliche Thematisierung zu erreichen, gelang also nicht. Allerdings wurde auch klar, dass die Netto-Mitarbeiterinnen mit Drohungen nichts erreichen würden und sie störten das weitere Containern nicht mehr. Jetzt bleibt zu überlegen, wie erreicht werden kann, dass es doch zu einer öffentlichen Auseinandersetzung kommt - auch wenn Netto dem aus dem Weg zu gehen versucht.

Vorstellbar wäre das mit Aktionen vor dem Supermarkt, einer Projektion des Films "We feed the World" an diesem Ort, Infoveranstaltungen zu Hunger und Vernichtung von Lebensmitteln etc. Vielleicht müsste mensch auch eine sinnvolle Eskalation entwerfen, die dazu führt, dass Netto um eine Anzeige nicht herumkommt und es dadurch gelingt die Discounterpolitik in den medialen Mittelpunkt zu befördern.

Gut wäre gewiss auch, mit der "Tafel" und ähnlichen Organisationen in Kontakt zu treten, um von Netto fordern zu können, dass sie die Lebensmittel nicht einfach wegschmeißen, die sie nicht verkaufen wollen. Es ist ja schon interessant, dass diese Kette noch nicht einmal die mittlerweile anerkannten Organisationen beliefert, die sonst die "Reste der kapitalistischen Wegwerfgesellschaft" sammelt, um sie weiterzuverteilen.

Würde Netto aufgrund öffentlichen Drucks seine Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden, an Menschen und Projekte kostenlos bereitstellen, würde dies allerdings auch nichts an der zugrundeliegenden Logik des Kapitalismus ändern. Diese gilt dann an allen anderen Stellen weiter und muss angekämpft werden. Allerdings könnte es strategisch eine sinnvolle Forderung sein.

Natürlich ist Netto nicht der "schlimmste" oder der Markt, der sich für eine Kampagne gegen die kapitalistisch begründete Vernichtung von Nahrung am besten eignen würde. Trotzdem kann diese Kette exemplarisch angegriffen werden, um eine Thematisierung zu erreichen. Es entsteht dazu gerade eine "Initiative gegen die Vernichtung von Lebensmitteln", aus der heraus Aktionen, Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen entstehen können. Ein Wiki wurde bereits eingerichtet. Die Idee ist, dass diese Kampagne nicht zentral geleitet wird, sondern Interessierte, AktivistInnen, WissensträgerInnen diese dadurch gestalten, dass sie sich nach ihren Möglichkeiten einbringen. Das Wiki kann zur Vernetzung, zum Zusammenstellen von Hintergrundinformationen, zur Öffentlichkeitsarbeit und als Anlaufstelle für Interessierte dienen. Dort gibt es auch eine Diskussionsseite, wo über die Ausrichtung der Initiative, Aktivitäten etc. debattiert werden kann.

http://www.lebensmittelvernichtung.de.vu

Wer beteiligte Menschen direkt erreichen möchte, kann sich an das Jugend-Umweltbüro in Magdeburg wenden, das als Kontaktadresse für die Initiative genutzt wird. Das Jugend-Umweltbüro ist ein offen nutzbarer Raum, wo AktivistInnen Projekte entwickeln, sich austauschen und vernetzen können.

Kontakt

Initiative gegen die Vernichtung von Lebensmitteln
Karl-Schmidt-Str. 4, 39104 MD
lebensmittelvernichtung ÄT projektwerkstatt.de[1]
03 91-55 70 753


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