http://www.gruenes-blatt.de/api.php?action=feedcontributions&user=Vega&feedformat=atomgrünes blatt - Benutzerbeiträge [de]2024-03-28T20:12:31ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.35.2http://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-03:Gib_Acht&diff=147022011-03:Gib Acht2012-01-30T10:27:36Z<p>Vega: </p>
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<div>Dritte Wahl: Gib Acht<br />
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Floh Musikalisch ist das achte Albung der Polit-Punk-Combo in etwa das was mensch sich von dritte Wahl erwartet:...<br />
Inhaltlich gesehen hatte dritte Wahl aber schon mal mehr drauf: Aus dem „Baut nur weiter euer Häuschen Stein auf Stein, wir werden kommen und wir reißen's wieder ein,..., es wird Zeit dass wir an eignen Häusern baun“ der früheren Alben ist ein „wir sind dafür dass die die unser Land regieren unsere Befindlichkeiten wieder registrieren“ geworden. Das Lied dem diese Zeile entlehnt ist, ist sowohl politischer Hoch- als auch gleichzeitiger Tiefpunkt dieses Albungs. Wo Zeilen wie: „ich bin dafür, dass wir uns neu organisieren, dass kleine Banden aus dem Untergrund agieren,... ich bin für ernste wie auch lustige Aktionen,...“ sehr sympatisch klingen, ist das formulierte Ziel dieses agierens, dann eben doch eher enttäuschend: „ wir sind dafür dass die die unser Land regieren unsere Befindlichkeiten wieder registrieren, Wenn wieder Gier und Habsucht die Vernunft besiegen, sollen sie des Volkes Zorn zu spüren kriegen“. Vom Begriff des Volkes und einer Verkürzung auf die Gier einmal abgesehen, macht dritte Wahl das was leider auch unter vielen Libertären und Anarchist_innen weit verbreitet ist: Keine Trennung zwischen Form und Inhalt. So wird die Kritik am Inhalt der herrschenden Politik schnell expliziet, oder implizit zu „macht es anders“, dass aber die Form der herrschenden, eben der herrschaftsförmigen Politik nicht ankratzt. Widerstand bekommt dann schnell den Zweck des Appellierens, also genau des „damit sie unsere Befindlickeiten registrieren“. <br />
Es gibt allerdings auch andere Lieder die politisch besser genießbar sind. Zum Beispiel das Lied dass dem Album seinen Namen gibt: „Gib Acht“: „Gib Acht sonst wirst du ausgelacht - Gib Acht denn du wirst überwacht - Gib Acht sonst wirst du über Nacht - Zum neuen Superstar gemacht - Gib Acht vor der Realität - Denn meist ist diese auch verdreht - Gib Acht wenn man nach Wahrheit schreit - Jedem seine Wirklichkeit“. <br />
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[[Kategorie:Rezensionen]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:_Offensive_Prozessf%C3%83%C2%BChrung_und_Vermittlung&diff=146462011-02: Offensive Prozessführung und Vermittlung2012-01-10T11:12:19Z<p>Vega: Rechtschreibung</p>
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<div>''Der folgende Text entstand bei dem ersten Laienverteidigungstreffen in der Projektwerkstatt Saasen, ausgehend von einem kollektiven Diskussionsprozess.''<br />
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In den letzten Jahren wurden erfreulicherweise die Methoden der offensiven/kreativen Prozessführung in Strafverfahren zunehmend verbreitert und verbessert. Während immer mehr Menschen diese Methoden anwenden, können sie häufig nicht überzeugend nach Außen vermitteln, warum sie das tun. Wir denken, da muss sich was ändern, und wollen mit diesem Papier Denk- und Diskussionsanstöße dafür liefern. Alles was hier steht ist als These gemeint – es soll und kann keine einfache Linie vorgeben, durch deren Einhaltung alles gut wird.<br />
<br />
Auffällig sind konkret 3 Probleme, die oft zu einer Vermittlungsschwäche unserer Zusammenhänge führen:<br />
<br />
'''1. Geringes Bewusstsein der Anwender_innen offensiver Methoden warum sie diese benutzen''' <br />
In unseren kleinen Kreisen ist offensive Prozessführung inzwischen regelrecht hip. Die Entscheidung für die Methodik fällt dann gerne mal sehr schnell. Dadurch fehlt dann aber auch oft eine persönliche Reflektion über Sinn und Unsinn dieser Strategie. Die Fähigkeit, diesen Punkt dann Anderen weiter zu vermitteln, ist dementsprechend. <br/><br />
Das gilt insbesondere auch für eine eigene, grundsätzliche politische Analyse über Rolle und Charakter der Justiz, die (wenn überhaupt vorhanden) oft auf dem Niveau von gegenseitig übernommenen Schlagworten und Versatzstücken liberal-bürgerlicher Ideologie bleibt.<br />
<br />
'''2. Zu häufig reiner Konsum der Methodik statt Vorbereitung und Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall''' <br />
Es ist nicht grundsätzlich schlecht, dass die offensive Prozessführung konsumierbar ist. Damit ist z.B. gemeint, dass es inzwischen manchmal reicht, sich die fertigen Anträge von anderen auszudrucken und zu stellen, um einen Verhandlungstag platzen zu lassen. So lässt sich Zeit und Energie sparen, was durchaus sinnvoll sein kann. Aber eben gerne mal auf Kosten der Vermittelbarkeit geht.<br/><br />
Wer die Anträge die er/sie stellt nur vom flüchtigen Durchlesen am Tag davor kennt, wird ihre Inhalte oft nicht überzeugend rüberbringen können. Wer sich seine Strategie anderswo zusammenklaubt statt sie selbst zu entwickeln, wird sie häufig nicht gut begründen können. Neben dem Problem der Außenvermittlung ist dieser Aspekt selbstverständlich auch entscheidend für die Selbstsicherheit mit der Angeklagte auftreten.<br />
<br />
'''3. Abgrenzungsunschärfe ob juristisch/politische oder persönlich/emotionale Unterstützung benötigt wird'''<br />
Klingt vielleicht auf den ersten Blick nicht nach einem Problem der Vermittlung, ist es letztlich aber doch. Wenn es gut läuft (und das tut es nicht immer!) kriegen Angeklagte ein gewisses Maß und Rechtsberatung und politischer Solidarität aus unseren Zusammenhängen. Die psychologischen Seiten der Repression, der Zusammenhang der Verteidigung mit der Persönlichkeit der Angeklagten usw. bleibt dagegen oft auf der Strecke. Wer sich mit einem Verfahren einfach nur schlecht fühlt, aus psychologischen Gründen nicht richtig vorbereiten kann, etc. wird auch keine gute Öffentlichkeitsarbeit machen können.<br />
<br />
<br />
Letztlich ist es so, dass Personen die nicht zum engsten Szenekreis gehören (seien es bürgerliche Unterstützer_innen oder „Laufkundschaft“) nach einem offensiv geführten Prozess oft mit wenig Verständnis und vielen Fragen den Heimweg antreten. <br />
<br />
Unklar ist beispielsweise häufig/ immer wieder/ manchmal:<br />
<br />
Wozu die ganzen sinnlosen Anträge? Geht es wirklich um den Inhalt oder um das Nerven?<br />
Warum erzählt die Angeklagte so wahnsinnig viel, was zwar interessant ist, aber irgendwie komisch an dieser Stelle erscheint?<br />
Warum nervt das Publikum so? Bringt das was? Gefährdet das nicht die Angeklagte?<br />
Darf die Richterin / die Justizwachtmeister_innen das?<br />
Wie sollte das Verhältnis zwischen Polizei und Justiz sein? Also eigentlich? <br />
<br />
Was zur Hölle tun die da? Die reden ja mit Richtern! Machen die etwa Aussagen zum Vorwurf? Die benutzen ihre Rechte um einen Gerichtsablauf zu stören, dass kann ja nicht sein, dass die unsere Rechte so misshandeln. Die sollen mal froh sein, dass die sich in Deutschland verteidigen dürfen. In anderen Ländern ist ja alles viel schlimmer. Wohin soll das alles führen? Aber ihr habt doch Grundrechte, seid doch froh, dass wir so etwas haben. Ihr beschmutzt damit unser Rechtssystem.<br />
<br />
Auf diese Fragen wollen wir an dieser Stelle keine Antworten formulieren, dafür verweisen wir auf das Flugblatt „Hallo...? Geht’s noch? Zur Vermittlung möglicherweise unkonventioneller Prozesstrategien“.<br />
<br />
Soweit die Kritik am Ist-Zustand. Wir wollen im folgenden ein paar Lösungsansätze vorschlagen:<br />
<br />
'''Bessere Anträge'''<br />
Einiges was wir schreiben ist juristisch schon ziemlich gut. Dafür hat es keinen über Juristerei hinausgehenden Inhalt. Das führt dann häufig zu einer ziemlich langweiligen Dramaturgie, und ist für Viele die nicht eh schon von offensiver Prozessführung überzeugt sind, unverständlich. Verfahren sollten nicht nur juristisch, sondern auch politisch gewonnen werden. Anträge sollten daher auch über den formaljuristischen Rahmen hinausgehen. Unsere Inhalte sind dabei nicht nur der politische Kontext der kriminalisierten Aktionen, sondern auch die Begründung für unsere Strategie vor Gericht.<br />
<br />
'''Freies Reden verbessern / spontanes Agieren erlernen'''<br />
Naturgemäß fällt es unterschiedlichen Menschen unterschiedlich schwer, schlagfertig auf das Agieren der Gerichte zu reagieren. In jedem Fall ist es für die Vermittlung lohnend, sich diese Fähigkeiten so weit es eben geht anzueignen.<br />
<br />
'''Zwischenrufe aus dem Publikum'''<br />
Auch hier sollte reflektiert werden, was zu einer Vermittlung an Außenstehende beiträgt, und was nicht.<br />
<br />
'''Diskussionsverhalten''' <br />
Wir sollten da wo es notwendig erscheint, untereinander solidarische Kritik an der Art und Weise üben, wie (offensive) Prozesse von uns geführt werden.<br />
Wir brauchen eine Debatte über Sinn und Unsinn offensiver Prozessführung, über unsere Ziele und die unterschiedlichen Analysen von und Kritik am Justizapparat. <br />
Wir brauchen eine bessere Streitkultur und einen inhaltlichen Austausch untereinander.<br />
<br />
'''Materialien für die Außenarbeit erstellen''' <br />
Das gilt sowohl für den formalen Ablauf eines Gerichtsprozesses, als auch für die inhaltliche Begründung der Offensiv-Strategie. Denkbar wäre z.B. ein Flugblatt, was sich an die Beobachter_innen eines Gerichtsprozesses richtet. Anfänge hierfür wurden schon gemacht.<br />
<br />
'''Emotionalen Support verbessern''' <br />
<br />
'''Neue Rolle: Vermittler'''<br />
So wie es bei vielen Prozessen Menschen gibt, die sich z.B. für das Schreiben des Protokolls verantwortlich fühlen, sollte es routiniert Personen geben, die gezielt mit dem Publikum das Gespräch suchen und ihnen die Art und Weise der Prozessführung erklären.<br />
<br />
Der Vollständigkeit halber an dieser Stelle auch noch eine Aufzählung weiterer Rollen, die sich bereits bewährt haben: Pressekontakt, Ablaufprotokoll, Zitateprotokoll (um in Befangenheitsanträgen oder Pressearbeit wörtliche Zitate von Richter_innen und Staatsanwält_innen verwenden zu können), Zeugengespräche verhindern durch auf dem Gang sitzen, Rauswürfe beobachten (evtl. Justizwachtmeister/ Polizei fotografieren, dokumentieren), Zwischenrufe (Nerven, rauswerfen lassen, Pausen erzwingen, Gründe und Vorgänge produzieren mit denen Angeklagte weiterarbeiten können), Mahnwache vor dem Gericht.<br />
<br />
'''Publikumstraining''' <br />
Für Prozessinteressierte die keine Lust/Zeit auf ein komplettes Prozesstraining haben, können kurze, reine Publikumstrainings angeboten werden.<br />
<br />
<br />
Über das Nennen dieser formalen Ansätze hinaus sollten wir aber auch stärker diskutieren, welche Ziele und Analysen wir mit der offensiven Prozessführung verbinden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den konkreten Zielen einerseits, und andererseits den politischen Einschätzungen, die dazu führen, eine Strategie zu wählen, die in der Regel mit der Autorität des Gerichts in Konflikt gerät. <br />
Konkrete Ziele können z.B. sein:<br />
<br />
Einstellung des Verfahrens (des eigenen oder anderer)<br/><br />
Angst nehmen, Aktionsfähigkeit erhöhen<br/><br />
Lehren für künftige Aktionen ziehen<br/><br />
Unregierbar sein<br/><br />
Obrigkeit anzweifeln<br/><br />
Herrschaft enttarnen<br/><br />
Unruhe stiften<br/><br />
Normalität durchbrechen<br/><br />
Eigene Zurichtung überwinden <br/><br />
Konsequent handeln und Integrität wahren, letztlich widerständig bleiben<br/><br />
Motivation schöpfen<br/><br />
Geschehen lenken und inhaltlich gestalten<br/><br />
Utopien benennen<br/><br />
Die Möglichkeit der Verbindung von effektiver Einzelfallverteidigung und Gesellschaftskritik <br/><br />
Justizbetrieb ins Stocken bringen<br/><br />
<br />
Mögliche Elemente einer Kritik, vor deren Hintergrund eine offensive Prozesstrategie gewählt wird, können unter anderem sein:<br />
<br />
Steuergeldverschwendung durch Justiz<br/><br />
Permanenter Rechtsbruch<br/><br />
Urteilsfabrik <br/><br />
Kriminalisierung sozialer Bewegungen<br/><br />
Bejahung von staatlichen Gewaltverhältnissen / Staatslogik<br/><br />
Waffen- bzw. gewaltgestützter Apparat<br/><br />
Strafe als Konzept bekloppt<br/><br />
Zerstörung von Existenzen<br/><br />
Binäres Weltbild, schwarz-weiß-Logik<br/><br />
Schützt Eliten<br/><br />
Antiemanzipatorisch weil keine Konfliktlösung und keine Verbesserungen für die Zukunft<br/><br />
Gesetze sind doof weil Verregelung des gesellschaftlichen Lebens von Oben anstatt Freier Menschen in Freien Vereinbarungen<br/><br />
Teil des Machtapparates, Aufrechterhaltung des Status Quo / bestehender Herrschaftsverhältnisse<br/><br />
Schützt die Grundlagen des Kapitals wie z.B. das Privateigentum<br/><br />
Kapitalistische Gesellschaften sind grundsätzlich gewaltförmig (z.B. wegen Ausschluss Vieler vom gesellschaftlichen Reichtum, und erzwungener Konkurrenz), Gerichte wenden also gegen die Folgen des eigenen Handelns stumpf noch mehr Gewalt an<br/><br />
Doofe Klamotten<br />
<br />
<br />
Auch wenn es einigen in unseren Zusammenhängen wichtig ist, beinhaltet die Entscheidung für eine offensive Prozessführung nicht automatisch eine Ablehnung der Justiz an sich. Argumente wie das Verschwenden von Steuergeldern und die Kritik an den Fließbandbetrieb in den Gerichten mögen gut begründbar sein, stellen aber allein genommen nicht die Justiz an sich, sondern nur ihre konkrete Form in Frage sein. Auch die Kritik an Rechtsbrüchen durch Richter_innen und Kriminalisierung bedarf einer gewissen Zuspitzung, um wirklich in einer radikalen Gesellschaftskritik zu münden.<br/><br />
Zwischen dem Einfordern von Rechten sowie Verweisen auf demokratische Gepflogenheiten und tatsächlich radikaler Justiz-kritik und –ablehnung in Zusammenhang mit revolutionärer Politik liegt ein großer Unterschied, der oft von uns unterschätzt wird. Wer aber eine solche radikale Kritik vertritt, und sich vor Gericht (sinnvollerweise) dennoch auf die Gesetze des Staates beruft, bewegt sich in einem Widerspruch, der vielen Betroffenen nicht bewusst ist. Der Umgang mit diesem Widerspruch ist daher häufig entsprechend unbefriedigend. <br/><br />
Die Schaffung von mehr Bewusstsein von uns und anderen in Bezug auf Inhalt und Notwendigkeit einer radikalen Kritik, erscheint dringend notwendig.</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Sand_im_Getriebe&diff=145862012-01:Sand im Getriebe2011-11-25T10:46:08Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>''Dieses Interview mit Feldbefreier_innen erschien orginal im Gen-ethischen Informationsdienst Nr. 208. Es wurde von Christof Potthof geführt. Danke für die Erlaubnis zum Nachdruck!''<br />
<br />
<br />
== '''Sand im Getriebe''' ==<br />
<br />
<br />
Anfang Juli wurden Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt von Unbekannten zerstört. Dabei wurden die an den Flächen eingesetzten Wachleute bedroht und in ihren Aufenthalts-Containern eingesperrt.<br />
<br />
'''Welche Aktionen gehen auf Ihr Konto? Groß Lüsewitz und/oder Üplingen?'''<br />
<br />
Wir haben die beiden wichtigsten Standorte von Gentechnikfeldern in Deutschland angegriffen. Nach unserer Zählung waren 15 von 18 Feldern, die im Standortregister eingetragen waren, am AgroBioTechnikum nahe Rostock und im Schaugarten Üplingen - das liegt mitten in der Magdeburger Börde - vereint. Mehrere Firmen und Universitäten hatten dort ihre Felder von kleinen Dienstleistern in Sachen Agro-Gentechnik anlegen und bewachen lassen. In der überregionalen Öffentlichkeit und bei Großorganisationen sind diese Felder eher immer ein bisschen vergessen worden. Die Gentechnikmafia hat sich da offenbar wohl und sicher gefühlt. Das ist jetzt vorbei. Wir hielten es für nötig, eine Aktion zu machen, nach der es keinen sicheren Standort mehr gibt, auf denen die ihre Spielchen mit Mensch, Umwelt und Millionen von Steuergeldern machen können.<br />
<br />
'''Was waren die Gründe gerade für diese Aktion?'''<br />
<br />
Was es an 1.000 Gründen gegen die Agro-Gentechnik gibt, müssen wir an dieser Stelle wohl nicht wiederholen. Die beteiligten Menschen haben da sicherlich auch unterschiedliche Schwerpunkte. Die konkrete Aktion war wichtig, weil gerade an diesen beiden Standorten ganz viele Aspekte, wie die Entwicklung neuer Produkte, Patentierungen und die Propaganda von Sicherheit und Forschungsfreiheit, im Zentrum des Interesses der Betreiber der Gentech-Felder standen. Außerdem empfanden wir, dass mal Schluss sein muss damit, dass gerade die, die immer von sachlichem Dialog reden, hinter einer Fassade von Ideologie einfach Jahr für Jahr Tatsachen schaffen. Um es hier einmal ganz deutlich zu sagen: Das ist alles Verarsche, um Zeit zu schinden. Demos und Unterschriften sind uns zu wenig. Unsere Aktion ist ein Zeichen, dass mehr nötig ist - und mehr geht. Außerdem macht es einen Heidenspaß, so tolle Sicherheitskonzepte komplett auszuschalten und sich freudig vorzustellen, wie fassungslos die staatsgeldergefütterten Feldbetreiber_INNEN dann am Folgetag vor ihren Beeten stehen und mit traurigem Gesicht ihre Kartoffeln in die Kamera halten. Es ist der Beweis, dass menschliche Kreativität dem technikbasierten Moloch ein Schnippchen schlagen kann.<br />
<br />
'''Womit rechtfertigen Sie, wenn Sie durch eine Feldzerstörung einen Bruch geltenden Rechts begehen?'''<br />
<br />
Es gab aus unserer Sicht keine andere Möglichkeit, diese Gentechnikfelder zu verhindern. Von allen Bundes- und den beiden zuständigen Landesregierungen wurde in den vergangenen Jahren immer, egal welche Farben regierten, die Gentechnik unterstützt. Das gilt auch, wenn die zwecks Wahlkampf was anderes erzählten. Die geltenden Gesetze setzen effektiv eine ungeliebte Technologie durch - und alle verantwortlichen Behörden sind da behilflich. Sogar gern, wie deren leitende Mitarbeiter_INNEN immer betonen. Justiz und Polizei machen sich ebenfalls zu Handlangern, ja nicht nur bei diesem Thema. Aber eigentlich ist die ganze Frage unsinnig. Wenn ich in die Welt gucke, so wehren sich überall Bäuer_INNEN - oder überhaupt die Menschen - gegen ungerechte Verhältnisse. Wenn sie Land besetzen, sich Wohnraum oder Fabriken aneignen, ist das immer illegal. Das ist auch kein Wunder, denn die Gesetze wurden von denen gemacht, die die Macht haben und behalten wollen. Nur mal als kleine Ergänzung: Es ist in diesem Land sogar strafbar, sich vom Sperrmüll was mitzunehmen. Recht dient halt nicht den Menschen.<br />
<br />
'''Trennen Sie bei der Gewaltfrage zwischen der Gewalt gegen Sachen und der Gewalt gegen Personen?'''<br />
<br />
Diese Unterteilung macht gar keinen Sinn. Wichtiger ist doch, selbst nachzudenken und sich zu überlegen, was passt, was nötig oder angemessen ist - und ob ich das dann auch will. Wer so eine künstliche Trennungslinie zieht und dann auch noch in Gut und Böse teilt, käme zu sehr seltsamen Bewertungen, was - auch in der Geschichte - sinnvoll war und was nicht. Außerdem gilt das immer nur für den Protest gegen Formen der Unterdrückung und Zerstörung. Die Gewalt des Staates mit seinen Waffen und Anstalten wird ebenso ausgeblendet wie die strukturelle, also zum Beispiel die ungleiche Eigentumsverteilung, die systematische Umverteilung zum Zwecke des Erzeugens von Hunger, Armut oder Abhängigkeit.<br />
<br />
'''Glauben Sie, mit Ihrer Aktion eine Grenze überschritten zu haben?'''<br />
<br />
Nein, diese Grenze gibt es nicht. Jede Aktion muss genau überlegt werden: von den Methoden, den Wirkungen und den Gefahren her. Das gilt immer - egal ob dabei auch andere Menschen betroffen sein können oder nicht. Wenn ich da eine Grenze ziehen würde, wären einfach nur viele Aktionen gar nicht mehr möglich. Niemand hat bisher irgendetwas gesagt, wie mensch diese Felder anders hätte stoppen können. Die Distanzierungen von unseren Aktionen kamen doch gerade von denen, die seit Jahren beweisen, dass sie keine brauchbaren Protestformen hinkriegen, um solche Projekte zu stoppen.<br />
<br />
'''Zu der Gewalt gegen den Wachschutz: Würden Sie bitte Ihre Version erzählen?'''<br />
<br />
Wir mussten uns entscheiden, eine Strategie für die Konfrontation auf der Fläche zu finden oder die Aktion zu lassen. Es lag ja nicht an uns, dass da schlecht bezahlte Helfer_INNEN die Felder von dubiosen Leuten und Firmen bewachen. Wir haben dann lange überlegt, wie wir damit umgehen und dann beschlossen, dass es für alle am besten ist - also auch für die Bewacher_INNEN - wenn wir uns so deutlich zeigen, dass sie nicht mehr wagen, uns anzugreifen. Außerdem wollten wir nicht gesehen werden, waren deshalb vermummt und hatten leuchtstarke Taschenlampen dabei, um die Bewacher_INNEN blenden zu können. Das hat geklappt, was uns freut. Interessanterweise lief das sogar besser, als wir erhofft hatten. Zum einen konnten wir, was immer wichtig ist, aus der konkreten Situation noch mehr machen und zum Beispiel das Flutlicht, das eigentlich die Felder beschützen sollte, drehen, so dass es nun die Feldbefreier_INNEN schützte. Zudem wurde uns im Nachhinein, als wir die mitgenommenen Dienstanweisungen für die Wachschützer_INNEN durchlasen, klar, warum die so schnell und so heftig eingeschüchtert waren. Denen war von ihren Chefs ja erzählt worden, dass wir richtig böse sind. Das haben die wohl geglaubt.<br />
<br />
'''Wo fängt Gewalt gegen Menschen an? Inwieweit wurde der Wachschutz bedroht? Vorausgesetzt die bisher kursierenden Versionen stimmen: Hätten Sie die Waffen, die Sie laut Presse dabeihatten - Knüppel und Pfefferspray - eingesetzt?'''<br />
<br />
Zu dem, ob es stimmt: Ja und Nein. Bei den Knüppeln gab es sehr seltsame Presseberichte. In den ersten Texten über die Attacke auf die Felder bei Sagerheide, also die am AgroBioTechnikum, war von Knüppeln nichts zu lesen. Erst beim zweiten Feld tauchte der Vorwurf plötzlich auf - wurde aber dann immer zusammenfassend für beide Felder benannt. Uns ist unklar, wie die Story entstanden ist. Vielleicht haben die Bewacher_INNEN unsere großen Taschenlampen, die wir nach der ersten Beruhigung wieder ausgemacht hatten, mit Knüppeln verwechselt. Zudem stehen die unter Druck, das ist halt so bei der Erwerbsarbeit. Wir wissen von Wachschützer_INNEN, dass 2009 nach einer erfolgreichen Attacke Personen entlassen wurden, weil sie das Feld nicht ausreichend gesichert hatten. Vielleicht werden seitdem Abläufe auch dramatischer wiedergegeben als sie waren. Reizgas hatten wir tatsächlich dabei, jedenfalls einige von uns. Wir hatten das nicht festgelegt, aber alle wussten, dass 2009 einmal Feldbefreier_INNEN von Bewacher_INNEN angegriffen wurden. Das und vor allem eine körperliche Auseinandersetzung wollten wir ja auf jeden Fall vermeiden und fanden, dass Reizgas dann der beste Weg wäre, um eine noch stärkere Eskalation zu verhindern. Aber zum Glück mussten wir das ja nicht einsetzen.<br />
<br />
'''Haben Sie „Täter_INNEN_wissen“, das bisher nicht in der Presse zu lesen war?'''<br />
<br />
Ja. Das Rübenfeld am AgroBioTechnikum haben wir auch zerstört. Das wollen die wohl nicht sagen.<br />
<br />
'''Wer ist politisch gesehen der „Gegner“?'''<br />
<br />
Alles und alle, die Herrschaftsstrukturen aufbauen und ausbauen wollen. Alle, die uns täglich Zwängen ausliefern, uns zu Arbeit zwingen, die wir nicht sinnvoll finden und uns in einen Wettbewerb drängen, um leben zu können. Alle, die Gesetze und Repression veranlassen und durchführen, um durchzusetzen was als gut und als schlecht zu gelten hat. Alle, die zum Erhalt ihrer Privilegien Verhältnisse erhalten und fördern, die der Selbstbestimmung von Lebewesen im Wege stehen. Gentechnik ist da eine Methode von vielen, die Machtmonopole sichert, Einzelnen Herrschaft über Viele ermöglicht.<br />
So sind die zentralen Figuren der deutschen Gentechnik auch als unsere Gegner_INNEN zu betrachten, die allerdings innerhalb eines größeren und komplexeren Systems agieren, was darauf ausgelegt ist, dass es Menschen gibt, die eben derartige Technologien und Methoden entwickeln und nur ein kleiner Teil aller davon profitiert. Natürlich immer mit einer Vielzahl an Pseudoargumenten, warum die Dinge, so wie sie laufen sollen, gut und richtig für ein vermeintliches Allgemeinwohl seien.<br />
<br />
'''Ist die Tat eher symbolisch gemeint gewesen - als Symbol für die Entschlossenheit, gegen Gentechnik zu kämpfen und für die Bedrohung, die von der Gentechnik ausgeht - oder will sie tatsächlich die Gefahren, die von der Gentechnik ausgehen, verhindern?'''<br />
<br />
Wir haben zwar etwas Konkretes kaputtgemacht, aber es geht uns natürlich um das, was dahintersteckt. Insofern war das Ganze auch ein starkes Symbol, aber es trifft die dahinterstehenden Strukturen ja auch direkt.<br />
<br />
'''Können Feldbefreiungen die Gefahren der Agro-Gentechnik nicht auch vergrößern? Anlass für die Frage sind Zeitungsberichte, die Feldzerstörungen so darstellen, als ob damit der unkontrollierten Ausbreitung von GVO erst Vorschub geleistet wurde.'''<br />
<br />
Ein mehrfaches Nein und ein Darauf-kommt-es-nicht-an. Erstens nein, weil die ganzen Sicherungsmaßnahmen an diesen Feldern ohnehin derart schlampig sind, dass eine Zerstörung die Lage nicht verschlimmert, sondern zum Beispiel Blüte oder reife Samen verhindern kann. Seit Jahren fehlen, trotz Sicherheitsauflagen, überall die Mäuseschutzzäune, die Mantelsaaten haben Lücken bis zu 50 Meter oder werden viel zu spät gepflanzt. Die Behörden wissen das und es ist ihnen völlig egal. Zweitens nein, weil wir natürlich auch überlegen, wie wir vorgehen. Wir schmeißen das Zeug ja nicht in den nächsten Bach oder Wald. Drittens nein, weil die Hauptgefahren in Patenten, Kontrolle des Saatgutes und Zerschlagung der selbstbestimmten Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion liegen. Die erhöhen sich durch eine Feldbefreiung definitiv nicht. Außerdem kommt es darauf nicht an. Wenn wir Aktion machen, wollen wir auch Wirkung erzeugen. Der Mensch kann denken und abwägen. Es ist ja gerade eine unserer Forderungen, Gefahren und Nutzen immer zu prüfen. Bei der Agro-Gentechnik kommt von den Befürworter_INNEN immer nur ein Mix von Lügen, zum Beispiel mit dem Hunger, und ideologischem Geschwalle, zum Beispiel dass Deutschland den Anschluss verliert. Es gibt also offenbar keinen Nutzen, aber viele Gefahren. Bei Aktionen wägen wir das auch immer ab. Und finden: Unsere Bilanz ist eindeutig. Die Gentechnikmafia sagt ja selbst, dass es vor allem die Feldbefreiungen sind, die dazu führen, dass es kaum noch Felder gibt.<br />
<br />
'''Was denken Sie über die anderen Gentech-Kritiker_INNEN? Zum Beispiel: Wenn die gesamte Gentech-Szene in Gruppenhaft genommen wird. Ist das ein Problem für Sie?'''<br />
<br />
Jeder macht die für sich notwendige Arbeit. Mit dem Begriff der Gruppenhaft kann ich wenig anfangen. Wenn andere Gentechkritiker_INNEN sich nach den Feldbefreiungen in der politischen Debatte vorführen lassen - obwohl die mit den Vorfällen gar nichts zu tun haben - kann ich ihnen auch nicht helfen. Vermutlich aus Furcht vor der angesprochenen Gruppenhaft kam es zu den überstürzten, ungefragten Distanzierungen aus weiten Teilen der politischen Bewegung. Ich finde diese Reaktionen schlicht überflüssig und sie zeugt auch von deren eigener Ohnmacht.<br />
<br />
'''In dem „Bekenner_INNEN-Schreiben“ in Üplingen war davon die Rede, dass Sie Bäuer_INNEN sind. Welche Art von Landwirtschaft machen Sie?'''<br />
<br />
In dem Bekennerschreiben stand „ein paar vermummte landwirtINNEN und freundINNEN“. Wir haben also nie behauptet, nur Landwirt_INNEN gewesen zu sein. Unsere Idee von Landwirtschaft ist eine selbstbestimmte und vielfältige Form bäuerlicher Arbeit. Ich will für Menschen produzieren und nicht für einen anonymen Markt. Aus meiner Sicht ist die Agro-Gentechnik ein Baustein in einer Kette von Politikformen, die Bäuer_INNEN, Lebensmittelverarbeitung und Vermarktung dem Diktat des Profits unterwerfen soll. Dazu gehören alle Patente, der Landkauf in arm gemachten Ländern, die Vertreibung, eine üble Lobbyarbeit vieler Berufsverbände und etliches mehr. Ich empfinde viel geistige Nähe zu Landbesetzer_INNEN in Südamerika, zu wütenden Bäuer_INNEN, die ihre toten Tiere nach Zwangsimpfungen in die zuständigen Behörden kippen und so weiter. Menschen eben, die sich wehren und nicht nur Spenden sammeln, um das Unerträgliche zu begleiten. Mir persönlich ist außerdem wichtig, eine Landwirtschaft ohne die „Nutzung“ von Tieren zu betreiben. Ich glaube, dass eine leckere, gesunde Ernährung möglich ist, ohne dass Menschen und Tiere zur Produktion gezwungen, in Gefangenschaft gehalten und getötet werden. Wenn es in der Landwirtschaft nicht mehr um Profitmaximierung ginge, könnte plötzlich auch einiges mehr an Alternativen zum gewinnbringenden Übereinanderstapeln von Tieren zur „Fleisch-, Milch-, Eier- und Sonstwasproduktion“ ausprobiert werden.<br />
<br />
'''Wenn als Folge der direkten Aktionen die Standorte für Freisetzungsversuche nicht mehr veröffentlicht beziehungsweise auf Nachfrage nicht mehr weitergegeben werden - spielt das in Ihren Strategieplanungen eine Rolle?'''<br />
<br />
Die Frage ist doch falsch gestellt. Das Gen-ethische Netzwerk war doch eine der ersten und sehr wirksamen Selbsthilfe-Organisationen auch von Aktivist_INNEN, die Felder besetzten und befreiten. Damals entstanden im Netz eigene Karten und Übersichten. Der Rundbrief des GeN war immer wieder voller Tabellen, wo welche Versuche geplant waren. Klar - das ist nicht so einfach zu wiederholen, da sich die Bewegung geändert hat. Es herrschen abgehobene Verbandszentralen und hochmoderne, medial agierende Bewegungsagenturen, während vor Ort der Widerstand oft schwach geworden ist. Spenden und klicken ist die neue Spielart des Abwartens und Tee Trinkens. Aber dass es möglich ist, solche offiziellen Register durch eigene zu ersetzen, ist ja bereits bewiesen. Außerdem müssten die Feldbetreiber_INNEN dann auch überlegen, ob sie ihre Felder noch sichern oder nicht. Im ersten Fall fallen die dann auf, im zweiteren sind sie ganz einfach umzusensen. Wir kommen mit beidem klar.<br />
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'''Haben Sie auch den Eindruck, dass es gerade eine härtere Gangart in der Debatte gibt? Wie stehen Sie dazu?'''<br />
<br />
Damit könnte die Gentechnikmafia gemeint sein. Ich weiß nicht, ob die teils hysterischen Kommentare als Beitrag in der inhaltlichen Debatte gewertet werden können. In den peinlichen Geschichtsverzerrungen, wenn sie ihre Lage - millionengefüttert vom Staat, von Gerichten und Polizei beschützt - zum Beispiel mit der von Juden im Dritten Reich vergleichen, klingt eine Art Endzeitstimmung mit. Die merken, dass ihr Treiben an Grenzen der Durchsetzbarkeit kommt. Eine härtere Gangart könnte auch von der Polizei kommen. Das können wir nicht einschätzen. Aber was wir wissen, ist, dass auch unter Wachschützer_INNEN, Anwohner_INNEN, Polizist_INNEN und anderen die meisten diese ganzen Felder ablehnen. Die wissen genau, dass sie ihren Kopf hinhalten für die Geldbeutel anderer. Das sind viele zwar gewohnt, aber motiviert sind die dabei auch nicht immer. Ein bisschen mehr Courage wäre wünschenswert. Wir empfehlen Menschen, die heimliche Aktionen machen, sich auch zu Fragen von Spurenfreiheit, Fluchtweg und so weiter intensiv Gedanken zu machen. Außerdem gibt es ja Menschen, die jede Anklage zu einer politischen Demonstration umgestalten. Sand ins Getriebe ist ja auch hier nicht verkehrt.<br />
<br />
'''Gibt es sonst noch etwas von Ihrer Seite zu sagen?'''<br />
<br />
Das Spendenkonto natürlich. Nee, war ein Scherz...<br />
<br />
'''Wir bedanken uns für das Gespräch.'''<br />
<br />
<br />
<br />
[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Gentech]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Mensch_tier&diff=145852012-01:Mensch tier2011-11-24T10:29:13Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>Rezension<br />
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Mensch_tier<br />
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Mielod:Am Anfang des Buches werden die trostlosen Lebensläufe der verschiedenen Tierarten in kurzen, aber nicht an Information sparenden, Texten beschrieben und mit faszinierenden Bildern passend begleitet. Im nächsten Kapitel geht es um die negativen Auswirkungen der industriellen Tierausbeutung auf die Umwelt. Dies wird in Form von Tabellen anschaulich erklärt. Es wird auch kurz auf die gesundheitlichen Folgen des Verzehrs von tierlichen "Produkten" eingegangen.<br />
In den darauf folgenden Seiten wird sich mit der kultur- und ideengeschichtlichen Entwicklung der Mensch-Tier-Beziehung auseinandergesetzt.Dieses Kapitel finde ich besonders spannend, da von der Steinzeit bis in die Moderne nach-konstruiert wird, wie der Wandel dieser Beziehung von statten ging. Sehr anregend. Danach geht es um die Ansichten der prominentesten Vertreter der Tierechts/tierbefreiungsbwegegung. Manche Ansichten werden sehr kritisch durchleuchtet und einige werden auch zu recht abgelehnt, wie ich finde. Es ist interessant zu lesen, wie verschieden die Ansichten zu diesem Thema doch sein können.<br />
In dem letzten Abschnitt des Buches wird ein Plädoyer für einen anderen Umgang mit Tieren formuliert und der Glaube von Menschen "die einzigen Wesen mit einer Kultur zu sein", durch Beispiele der einzelnen Kulturen im Tierreich, zum wanken gebracht.<br />
Hartmut Kiewert legt noch einmal nahe, wie er zum Tierbefreiungsgedanken kam und was seine Motivation ist solche Bilder zu malen.<br />
Die Texte sind für Menschen die noch nicht mit dem Thema in Kontakt gekommen sind eine gute Einführung.<br />
Im Großen und Ganzen finde ich das Buch lohnenswert zu lesen, da es auch nach dem lesen nicht einfach im Bücherregal verstaubt, denn die Bilder können einem immer wieder auf ein neues verblüffen.<br />
<br />
* Hartmut Kiewert: Mensch_tier<br />
* 134 Seiten</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2012-01:Mensch_tier&diff=14584Diskussion:2012-01:Mensch tier2011-11-24T10:26:09Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>Benutz doch bitte wenigstens die Rechtschreibkontrolle deines Schreibprogramms! Es macht wirklich den Eindruck, als würdest du deine Texte hier völlig lieblos reinklatschen. --[[Benutzer:Vega|Vega]] 11:26, 24. Nov 2011 (CET)</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Mensch_tier&diff=145832012-01:Mensch tier2011-11-24T10:24:38Z<p>Vega: Rechtschreibung</p>
<hr />
<div>Rezension<br />
<br />
Mensch_tier<br />
<br />
Mielod:Am Anfang des Buches werden die trostlosen Lebensläufe der verschiedenen Tierarten in kurzen, aber nicht an Information sparenden, Texten beschrieben und mit faszinierenden Bildern passend begleitet. Im nächsten Kapitel geht es um die negativen Auswirkungen der industriellen Tierausbeutung auf die Umwelt. Dies wird in Form von Tabellen anschaulich erklärt. Es wird auch kurz auf die gesundheitlichen Folgen des Verzehrs von tierlichen "Produkten" eingegangen.<br />
In den darauf folgenden Seiten wird sich mit der Kultur und ideengeschichtlichen Entwicklung der Mensch-Tier_Beziehung auseinandergesetzt.Dieses Kapitel finde ich besonders spannend, da von der Steinzeit bis in die Moderne nach-konstruiert wird, wie der Wandel dieser Beziehung von statten ging. Sehr anregend. Danach geht es um die Ansichten der prominentesten Vertreter der Tierechts/tierbefreiungsbwegegung. Manche Ansichten werden sehr kritisch durchleuchtet und einige werden auch zu recht abgelehnt, wie ich finde. Es ist interessant zu lesen, wie verschieden die Ansichten zu diesem Thema doch sein können.<br />
In dem letzten Abschnitt des Buches wird ein Plädoyer für einen anderen Umgang mit Tieren formuliert und der Glaube von Menschen "die einzigen Wesen mit einer Kultur zu sein" durch Beispiele der einzelnen Kulturen im Tierreich zum wanken gebracht.<br />
Hartmut Kiewert legt noch einmal nahe, wie er zum Tierbefreiungsgedanken kam und was seine Motivation ist solche Bilder zu malen.<br />
Die Texte sind für Menschen die noch nicht mit dem Thema in Kontakt gekommen sind eine gute Einführung.<br />
Im Großen und Ganzen finde ich das Buch lohnenswert zu lesen, da es auch nach dem lesen nicht einfach im Bücherregal verstaubt, denn die Bilder können einem immer wieder auf ein neues verblüffen.<br />
<br />
* Hartmut Kiewert (HerausgeberInnen):Mensch_tier<br />
* 134 Seiten</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Benutzer:Vega&diff=14571Benutzer:Vega2011-11-17T10:28:31Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>Hey,<br />
ich finde wir sollten das Interview des GeN mit den Feldbefreiern nachdrucken: http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/208/interview-aktivistinnen/sand-getriebe<br />
Ich würde mich auch um Anfrage etc. kümmern, wollte aber vorher noch die Gelegenheit schaffen, Kritik zu äußern. Weil Nachdrucke ja eigentlich nicht so der Qualitätsjournalismus sind. Aber ich denke, das Interview passt inhaltlich gut ins Blatt, und ich finde wichtig, es zu verbreiten. --[[Benutzer:Vega|Vega]] 11:28, 17. Nov 2011 (CET)</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wietze_und_Widerstand&diff=145442012-01:Wietze und Widerstand2011-11-01T08:07:52Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>==Hat der Widerstand gegen Europas größten Geflügelschlachthof in Wietze nach seiner Eröffnung noch eine Perspektive?==<br />
'''Claudia''' Am 5. August eröffnete Rothkötters Schlachthof in Wietze, ohne viel trara und ohne Presse wurde von Seiten des Konzerns versucht, sich heimlich in die Normalität der Warenproduktion und scheinbar nicht verhinderbaren Dingen in der überschaubaren Ortschaft einzuschleichen. <br />
<br />
Beliefern lässt sich der Schlachthof, anstatt wie geplant und propagiert, von 400 Mastanlagen aus der Region, aus dem Emsland, den Niederlanden und Dänemark.<ref>Spiegel TV Sendung vom 16.10.2011</ref> Dazu was das für die ursprünglichen Geschäftsideen bedeutet, schweigt der Konzern und auch sonst zeigt er wenig Bereitschaft, auf Fragen der Presse zu reagieren. Warum „einer der Marktführer des Deutschen Geflügelmarktes“ keine Pressearbeit zu der Eröffnung seines einst gefeierten Zukunftsprojekts macht, lässt sich nur spekulieren. <br />
<br />
Laut einer kleinen Anfrage der Grünen beim Landtag, muss der Schlachthofkonzern Rothkötter bis Ende 2012 ausreichende Verträge mit über 400 Großmästern nachweisen – ansonsten müssten die 6,5 Millionen Euro schwere Landesförderung zurückgezahlt werden.<ref>Celler Heute 05.09.2011</ref><br />
<br />
Davon sind zur Zeit laut verschiedener Presseartikel gerade mal 20 in Planung und das obwohl Rothkötter versucht, mit erheblichen Aufwand verschiedene Landwirt_innen für seine Interessen zu knebeln. <br />
<br />
Bei der Kategorie Fragen und Antworten auf der Internet Plattform des Tochterunternehmens „Celler Frischgeflügel GmbH“ wird die Frage „Wie viele Landwirte haben Sie, die für Ihr Unternehmen Hähnchen mästen wollen?“ mehr oder weniger geschickt mit der Antwort „Wir befinden uns angesichts des allg. Planungsstandes grundsätzlich auf einem guten Weg. Die Resonanz/das Interesse ist durchaus gegeben und zufriedenstellend“ umgangen. <br />
<br />
Das Familienunternehmen hat laut eigenen Angaben über 60 Million € in den Schlachthof investiert, in diesem Verhältnis wirkt eine mögliche Rückzahlung von 6,5 Millionen € nicht ausschlaggebend. Aber welche weiteren Geldeinbußen (Abweichungen des ursprünglichen Geschäftsplans z.B. durch weite Transportwege, einen deutlich geringeren Absatzmarkt für Futtermittel und Küken, Imageschäden etc.) zustande kommen, ist mir zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels noch unbekannt. <br />
<br />
* „Meine Berufskollegen sind wütend und fassungslos. Da gibt es zurzeit wenig Motivation, neue Anlagen zu planen. Dem Risiko setzt sich keiner mehr aus“<br />
Wilfried Henties vom Peiner Landvolk im Interview zu den Brandanschlägen in der Peiner allgemeinen Zeitungam 13.10.11. <br />
<br />
Die Notwendigkeit des Widerstands gegen den Mega-Schlachthof in Wietze und den Konzern Rottköther hat also keineswegs an Bedeutung verloren und ist keineswegs perspektivlos in der Hinsicht, das Schlachthof-Projekt als profitmindernd zu degradieren und damit der Widerstandsbewegung gegen (Massen)Tierhaltung insgesamt eine Perspektive und Dynamik für noch viele bevorstehende Kämpfe und Auseinandersetzungen mit der Agrar- und Tierhaltungsindustrie zu verleihen. <br />
<br />
==Die Zulieferbetriebe entpuppten sich als Achillesverse des Schlachthofs.==<br />
Während die verschiedenen Bürgerinitiativen, die sich in der gesamten Region um den Schlachthof herum gründeten, mit Klagen, Petitionen und Öffentlichkeitsarbeit den Bau von so mancher Mastanlage verzögerten oder blockierten, gab es diesen Sommer auch wieder eine Vielzahl von Aktionen die direkt in den Bau von verschiedenen Mastanlagen eingriffen. So gab es insgesamt 3 Besetzungen von Bauflächen auf denen „Zulieferbetriebe“ gebaut werden (sollen)<ref>stopteplingen.blogsport.de , stopmunzelmast.blogsport.de , linksunten.indymedia.org/de/node/41369</ref> und 2 Brandanschläge auf Mastanlagen, die sich kurz vor der Inbetriebnahme befanden. Wobei eine Halle fast komplett ausbrannte und einen Schaden von ca. einer halben Million € verursachte. Bei dem zweiten Anschlag in Mehrum wurde der Brand leider frühzeitig von einen vorbeifahrenden Autofahrer entdeckt, so das er noch von den anrückenden Cops gelöscht werden konnte und nur einen geringen Schaden auslöste. <br />
<br />
==Die Sache mit der Vermittlung! „Gewalt ist kein Mittel, allerdings ...“==<br />
Inwieweit lassen sich Aktionsformen, die mit der Bürgerlichen Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit brechen, einer Bevölkerungsschicht, die versucht den Industriezweig Massentierhaltung ausschließlich mit einen relligionsartigen „legalen Protest“ zu bekämpfen, vermitteln?<br />
<br />
Antwort auf diese Frage könnte eine Analyse der von Sprecher_innen von Bürgerinitiativen und durch die Medien verbreiteten Diskurse der vergangenen durchgeführten militanten Aktionen geben. <br />
<br />
Bei dem Brandanschlag auf eine Mastanlage von Alvesse wurden noch deutliche Distanzierungen von seiten der Sprecherin der Bürgerinitiative Alvesse/Üffingen gegenüber der Lokalpresse abgedruckt:<ref>26.07.2011 Braunschweiger Zeitung</ref><br />
* „Ich finde es einfach nur entsetzlich. Das ist gegen unser Bestreben und gegen die Idee der Bürgerinitiative“, "Das ist Kriminell, und wir distanzieren uns davon. Wir sind in keinster Weise involviert“<br />
* "Ich hoffe, dass die Täter gefasst werden, damit die Verdächtigungen gegen uns aufhören."<br />
<br />
Aber auch in diesem Zusamenhang wurde das Bekenner_innen schreiben, welches laut lokaler Presse ihnen per Mail zugesandt wurde, unzensiert abgedruckt. <br />
<br />
"Bekenner_innen-Schreiben Mastanlagenbrand Alvesse:<br/><br />
Wir haben in der Nacht zum 16.07.11 eine Hähnchenmastanlage zwischen Alvesse und Üfingen in Brand gesetzt. Legaler Protest, sowie eine Besetzung der Baufläche konnten den Bau der Anlage nicht stoppen, weswegen wir uns für diese Aktionsform entschieden haben, um die Inbetriebnahme direkt zu verhindern.<br />
Diese Mastanlage ist nur eine von vielen Institutionen, zu deren Verhinderung Sachbeschädigung notwendig und legitim ist. Wir haben uns für dieses Ziel entschieden, weil die Haltung und Tötung von Individuen und die ökologischen und sozialen Folgen - von Gen-Soja-Anbau mit Totalherbiziden und Regenwaldabholzung über Grundwasserverseuchung zu subventionierten Hähnchenteil-Exporten - verhindert werden sollte.<br />
Es ist normal, dass die demokratisch legitimierten Stellvertreter_innen Entscheidungen so treffen, dass Privilegierte möglichst viel Geld verdienen können, anstatt dass die Betroffenen miteinander Individuallösungen koordinieren können.<br />
Wir finden direkte Aktionen wie z.B. die von uns durchgeführte auch an anderen Orten, die der Emanzipation im Wege stehen, z.B. wo Tiere (Mensch=Säugetier) verdinglicht werden, sehr zu begrüssen. Dabei sollte stets reflektiert werden, welche Aktionsform angemessen ist und wie Verletzungen von Lebewesen möglichst ausgeschlossen werden können.<br/><br />
Präzise gegen die Gesamtscheisse, widerständig voran!“ <ref>25.07.2011 Peiner Allgemeine Zeitung</ref><br />
<br />
<br />
Nach den versuchten Brandanschlag in Mehrum wozu sich „die“ ALF (Animal Liberation Front) bekannte, klangen die Distanzierungen der Sprecherinnen der lokalen Bürgerinitiativen deutlich differenzierter:<br />
<br />
Heike Kubow von der Bürgerinitiative Hähnchenmast Peine/Wendesse: <br />
* „Wir distanzieren uns ganz klar von Anschlägen auf Hähnchenmast-Anlagen. Das ist nicht unser Weg“<br />
oder <br />
* „Gewalt ist kein Mittel. Allerdings bedeutet Hähnchenmast die Missachtung der Schöpfung und somit wenden sich auch die Betreiber solcher Anlagen gegen die Schöpfung. Die Hähnchen die sie halten, sind keine Tiere, sondern Fressmonster, die so gezüchtet werden, dass sie 30 Tage bei Tageslicht nur fressen, bis sie fast tot umfallen und dann geschlachtet werden.“ So wird Helga Laue von der Bürgerinitiative Ilsede/Lahstedt von der Peine Allgemeinen Zeitung Zitiert.<ref>10.10.2011 Peiner Allgemeine Zeitung</ref><br />
<br />
Ein Tag später wurde ein Artikel in der Peiner Allgemeine Zeitung veröffentlicht, in dem niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann seine Besorgnis über Brandanschläge kundtut u.a. mit folgenden Zitat: <br />
* „Bei uns hat jeder das Recht zu demonstrieren oder seine Meinung über eine Bürger-Initiative zu äußern. Im Rechtsstaat gebe es aber Grenzen, an die sich alle zu halten haben.“<br />
<br />
Dem Artikel folgt der Versuch der Definition der A.L.F. <br />
* „ Sie wollen Tierversuche und Tötungen von Tieren verhindern und sind auch an Tierbefreiungsaktionen beteiligt. Die A.L.F. ist nicht organisiert, es gibt unabhängig voneinander agierende Kleingruppen. (…) Bei allen Aktionen sind alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, damit weder Mensch noch Tier Schaden nehmen.“<br />
<br />
Am interessantesten sind aber die Leser_innen Kommentare die auf der Internetseite zu diesem Artikel veröffentlicht wurden. In 5 Kommentaren gibt es keinen einzigen Negativbezug zu Brandstiftungen, sie sind viel mehr gezeichnet von einer deutlichen Wut über Massentierhaltung, die Aussichtslosigkeit legalen Protestes und den Landwirtschaftsminister . <br />
<br />
* „wenn ich das wieder lese, frage ich mich wirklich ob Herr Lindemann noch ganz bei Verstand ist ! Die Brandanschläge nimmt er sehr ernst, aber das Leid der Tiere ist ihm egal (…) Der Satz das jeder Bürger das Recht hat zu demonstrieren und eine Meinung zu äußern ist blanker Hohn, denn egal wie, viele, und wie oft demonstriert wird, es bringt meist eh nichts !! Siehe Mastanlagen und 380KV Leitung als Beispiel. (…) Sein Appell an die Bevölkerung, wachsam zu sein und Auffälligkeiten der Polizei zu melden würde ich umschreiben in: "Bürger, seid in solchen Fällen UNAUFMERKSAM und meldet es lieber nicht. Die Tiere danken es Euch :-)“ <br />
<br />
* „Der Mann glaubt scheinbar seine eigenen Lügen. Jeder hat das Recht für seine Meinung zu demonstrieren, oder in einer Bürger Initiative zu äußern. Und was das ganze bringt haben wir doch alle gesehen. Und das Recht wird so ausgelegt, wie es der Recht(s)staat gerade braucht.“<ref>11.11.2011 Peiner Allgemeine Zeitung</ref><br />
<br />
„bekenner_innenschreiben zum brandanschlag auf den maststall mehrum:<br/><br />
wir sind wütend! tiere werden ausgebeutet, eingesperrt, gequält und ermordet.deshalb haben wir in der nacht auf den 8.oktober feuer an dem im bau befindlichen hühnermaststall bei mehrum gelegt. dass massentierhaltung mit tierquälerei verbunden ist, wissen die meisten menschen. uns ist wichtig, dass die verwerflichkeit von nutztierhaltung an sich erkannt und gegen diese direkt vorgegangen wird. wir müssen uns aus der ohnmacht befreien, die uns durch legalitätsdenken auferlegt wird. aktiver widerstand ist wichtig, möglich und nötig. allen landwirt_innen raten wir: finger weg von mastanlagen! sie brennen leicht ab... für die befreiung aller tiere. alf (animal liberation front)“<ref>10.10. linksunten.indymedia.org</ref><br />
<br />
Bleibt zu hoffen das sich verschiedene Menschen weiterhin an den Widerstand gegen Europas größten „Geflügel“-Schlachthof beteiligen und sich nicht von staatlich konstruierten Gesetzen auf eine Aktionsform beschränken lassen. <br />
Das soll nicht heißen alles was legal ist, ist nicht hyp, nicht cool und kann per se nicht sinnvoll sein.<br />
Eine Überlegung welche Formen und Methoden ich anwende um Dinge die mich und andere stören und einschränken zu bekämpfen, sollte strategisch geführt werden und sich nicht von Dogmen beeinflussen lassen. <br />
<br />
<br />
<small>{{Fußnoten}}</small><br />
<br />
<br />
[[Kategorie: Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie: Artikel]]<br />
[[Kategorie: Aktionen]]<br />
[[Kategorie: Speziesismus]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wietze_und_Widerstand&diff=145432012-01:Wietze und Widerstand2011-11-01T08:06:58Z<p>Vega: Inhaltlich unvollständigen Satz erstmal gelöscht, kann ja ggf. später noch ergänzt werden</p>
<hr />
<div>==Hat der Widerstand gegen Europas größten Geflügelschlachthof in Wietze nach seiner Eröffnung noch eine Perspektive?==<br />
'''Claudia''' Am 5. August eröffnete Rothkötters Schlachthof in Wietze, ohne viel trara und ohne Presse wurde von Seiten des Konzerns versucht, sich heimlich in die Normalität der Warenproduktion und scheinbar nicht verhinderbaren Dingen in der überschaubaren Ortschaft einzuschleichen. <br />
<br />
Beliefern lässt sich der Schlachthof, anstatt wie geplant und propagiert, von 400 Mastanlagen aus der Region, aus dem Emsland, den Niederlanden und Dänemark.<ref>Spiegel TV Sendung vom 16.10.2011</ref> Dazu was das für die ursprünglichen Geschäftsideen bedeutet, schweigt der Konzern und auch sonst zeigt er wenig Bereitschaft, auf Fragen der Presse zu reagieren. Warum „einer der Marktführer des Deutschen Geflügelmarktes“ keine Pressearbeit zu der Eröffnung seines einst gefeierten Zukunftsprojekts macht, lässt sich nur spekulieren. <br />
<br />
Laut einer kleinen Anfrage der Grünen beim Landtag, muss der Schlachthofkonzern Rothkötter bis Ende 2012 ausreichende Verträge mit über 400 Großmästern nachweisen – ansonsten müssten die 6,5 Millionen Euro schwere Landesförderung zurückgezahlt werden.<ref>Celler Heute 05.09.2011</ref><br />
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Davon sind zur Zeit laut verschiedener Presseartikel gerade mal 20 in Planung und das obwohl Rothkötter versucht, mit erheblichen Aufwand verschiedene Landwirt_innen für seine Interessen zu knebeln. <br />
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Bei der Kategorie Fragen und Antworten auf der Internet Plattform des Tochterunternehmens „Celler Frischgeflügel GmbH“ wird die Frage „Wie viele Landwirte haben Sie, die für Ihr Unternehmen Hähnchen mästen wollen?“ mehr oder weniger geschickt mit der Antwort „Wir befinden uns angesichts des allg. Planungsstandes grundsätzlich auf einem guten Weg. Die Resonanz/das Interesse ist durchaus gegeben und zufriedenstellend“ umgangen. <br />
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Das Familienunternehmen hat laut eigenen Angaben über 60 Million € in den Schlachthof investiert, in diesem Verhältnis wirkt eine mögliche Rückzahlung von 6,5 Millionen € nicht ausschlaggebend. Aber welche weiteren Geldeinbußen (Abweichungen des ursprünglichen Geschäftsplans z.B. durch weite Transportwege, einen deutlich geringeren Absatzmarkt für Futtermittel und Küken, Imageschäden etc.) zustande kommen, ist mir zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels noch unbekannt. <br />
<br />
* „Meine Berufskollegen sind wütend und fassungslos. Da gibt es zurzeit wenig Motivation, neue Anlagen zu planen. Dem Risiko setzt sich keiner mehr aus“<br />
Wilfried Henties vom Peiner Landvolk im Interview zu den Brandanschlägen in der Peiner allgemeinen Zeitungam 13.10.11. <br />
<br />
Die Notwendigkeit des Widerstands gegen den Mega-Schlachthof in Wietze und den Konzern Rottköther hat also keineswegs an Bedeutung verloren und ist keineswegs perspektivlos in der Hinsicht, das Schlachthof-Projekt als profitmindernd zu degradieren und damit der Widerstandsbewegung gegen (Massen)Tierhaltung insgesamt eine Perspektive und Dynamik für noch viele bevorstehende Kämpfe und Auseinandersetzungen mit der Agrar- und Tierhaltungsindustrie zu verleihen. <br />
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==Die Zulieferbetriebe entpuppten sich als Achillesverse des Schlachthofs.==<br />
Während die verschiedenen Bürgerinitiativen, die sich in der gesamten Region um den Schlachthof herum gründeten, mit Klagen, Petitionen und Öffentlichkeitsarbeit den Bau von so mancher Mastanlage verzögerten oder blockierten, gab es diesen Sommer auch wieder eine Vielzahl von Aktionen die direkt in den Bau von verschiedenen Mastanlagen eingriffen. So gab es insgesamt 3 Besetzungen von Bauflächen auf denen „Zulieferbetriebe“ gebaut werden (sollen)<ref>stopteplingen.blogsport.de , stopmunzelmast.blogsport.de , linksunten.indymedia.org/de/node/41369</ref> und 2 Brandanschläge auf Mastanlagen, die sich kurz vor der Inbetriebnahme befanden. Wobei eine Halle fast komplett ausbrannte und einen Schaden von ca. einer halben Million € verursachte. Bei dem zweiten Anschlag in Mehrum wurde der Brand leider frühzeitig von einen vorbeifahrenden Autofahrer entdeckt, so das er noch von den anrückenden Cops gelöscht werden konnte und nur einen geringen Schaden auslöste. <br />
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==Die Sache mit der Vermittlung! „Gewalt ist kein Mittel, allerdings ...“==<br />
Inwieweit lassen sich Aktionsformen, die mit der Bürgerlichen Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit brechen, einer Bevölkerungsschicht, die versucht den Industriezweig Massentierhaltung ausschließlich mit einen relligionsartigen „legalen Protest“ zu bekämpfen, vermitteln?<br />
<br />
Antwort auf diese Frage könnte eine Analyse der von Sprecher_innen von Bürgerinitiativen und durch die Medien verbreiteten Diskurse der vergangenen durchgeführten militanten Aktionen geben. <br />
<br />
Bei dem Brandanschlag auf eine Mastanlage von Alvesse wurden noch deutliche Distanzierungen von seiten der Sprecherin der Bürgerinitiative Alvesse/Üffingen gegenüber der Lokalpresse abgedruckt:<ref>26.07.2011 Braunschweiger Zeitung</ref><br />
* „Ich finde es einfach nur entsetzlich. Das ist gegen unser Bestreben und gegen die Idee der Bürgerinitiative“, "Das ist Kriminell, und wir distanzieren uns davon. Wir sind in keinster Weise involviert“<br />
* "Ich hoffe, dass die Täter gefasst werden, damit die Verdächtigungen gegen uns aufhören."<br />
<br />
Aber auch in diesem Zusamenhang wurde das Bekenner_innen schreiben, welches laut lokaler Presse ihnen per Mail zugesandt wurde, unzensiert abgedruckt. <br />
<br />
"Bekenner_innen-Schreiben Mastanlagenbrand Alvesse:<ref>25.07.2011 Peiner Allgemeine Zeitung</ref><br />
Wir haben in der Nacht zum 16.07.11 eine Hähnchenmastanlage zwischen Alvesse und Üfingen in Brand gesetzt. Legaler Protest, sowie eine Besetzung der Baufläche konnten den Bau der Anlage nicht stoppen, weswegen wir uns für diese Aktionsform entschieden haben, um die Inbetriebnahme direkt zu verhindern.<br />
Diese Mastanlage ist nur eine von vielen Institutionen, zu deren Verhinderung Sachbeschädigung notwendig und legitim ist. Wir haben uns für dieses Ziel entschieden, weil die Haltung und Tötung von Individuen und die ökologischen und sozialen Folgen - von Gen-Soja-Anbau mit Totalherbiziden und Regenwaldabholzung über Grundwasserverseuchung zu subventionierten Hähnchenteil-Exporten - verhindert werden sollte.<br />
Es ist normal, dass die demokratisch legitimierten Stellvertreter_innen Entscheidungen so treffen, dass Privilegierte möglichst viel Geld verdienen können, anstatt dass die Betroffenen miteinander Individuallösungen koordinieren können.<br />
Wir finden direkte Aktionen wie z.B. die von uns durchgeführte auch an anderen Orten, die der Emanzipation im Wege stehen, z.B. wo Tiere (Mensch=Säugetier) verdinglicht werden, sehr zu begrüssen. Dabei sollte stets reflektiert werden, welche Aktionsform angemessen ist und wie Verletzungen von Lebewesen möglichst ausgeschlossen werden können.<br/><br />
Präzise gegen die Gesamtscheisse, widerständig voran!“<br />
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<br />
Nach den versuchten Brandanschlag in Mehrum wozu sich „die“ ALF (Animal Liberation Front) bekannte, klangen die Distanzierungen der Sprecherinnen der lokalen Bürgerinitiativen deutlich differenzierter:<br />
<br />
Heike Kubow von der Bürgerinitiative Hähnchenmast Peine/Wendesse: <br />
* „Wir distanzieren uns ganz klar von Anschlägen auf Hähnchenmast-Anlagen. Das ist nicht unser Weg“<br />
oder <br />
* „Gewalt ist kein Mittel. Allerdings bedeutet Hähnchenmast die Missachtung der Schöpfung und somit wenden sich auch die Betreiber solcher Anlagen gegen die Schöpfung. Die Hähnchen die sie halten, sind keine Tiere, sondern Fressmonster, die so gezüchtet werden, dass sie 30 Tage bei Tageslicht nur fressen, bis sie fast tot umfallen und dann geschlachtet werden.“ So wird Helga Laue von der Bürgerinitiative Ilsede/Lahstedt von der Peine Allgemeinen Zeitung Zitiert.<ref>10.10.2011 Peiner Allgemeine Zeitung</ref><br />
<br />
Ein Tag später wurde ein Artikel in der Peiner Allgemeine Zeitung veröffentlicht, in dem niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann seine Besorgnis über Brandanschläge kundtut u.a. mit folgenden Zitat: <br />
* „Bei uns hat jeder das Recht zu demonstrieren oder seine Meinung über eine Bürger-Initiative zu äußern. Im Rechtsstaat gebe es aber Grenzen, an die sich alle zu halten haben.“<br />
<br />
Dem Artikel folgt der Versuch der Definition der A.L.F. <br />
* „ Sie wollen Tierversuche und Tötungen von Tieren verhindern und sind auch an Tierbefreiungsaktionen beteiligt. Die A.L.F. ist nicht organisiert, es gibt unabhängig voneinander agierende Kleingruppen. (…) Bei allen Aktionen sind alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, damit weder Mensch noch Tier Schaden nehmen.“<br />
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Am interessantesten sind aber die Leser_innen Kommentare die auf der Internetseite zu diesem Artikel veröffentlicht wurden. In 5 Kommentaren gibt es keinen einzigen Negativbezug zu Brandstiftungen, sie sind viel mehr gezeichnet von einer deutlichen Wut über Massentierhaltung, die Aussichtslosigkeit legalen Protestes und den Landwirtschaftsminister . <br />
<br />
* „wenn ich das wieder lese, frage ich mich wirklich ob Herr Lindemann noch ganz bei Verstand ist ! Die Brandanschläge nimmt er sehr ernst, aber das Leid der Tiere ist ihm egal (…) Der Satz das jeder Bürger das Recht hat zu demonstrieren und eine Meinung zu äußern ist blanker Hohn, denn egal wie, viele, und wie oft demonstriert wird, es bringt meist eh nichts !! Siehe Mastanlagen und 380KV Leitung als Beispiel. (…) Sein Appell an die Bevölkerung, wachsam zu sein und Auffälligkeiten der Polizei zu melden würde ich umschreiben in: "Bürger, seid in solchen Fällen UNAUFMERKSAM und meldet es lieber nicht. Die Tiere danken es Euch :-)“ <br />
<br />
* „Der Mann glaubt scheinbar seine eigenen Lügen. Jeder hat das Recht für seine Meinung zu demonstrieren, oder in einer Bürger Initiative zu äußern. Und was das ganze bringt haben wir doch alle gesehen. Und das Recht wird so ausgelegt, wie es der Recht(s)staat gerade braucht.“<ref>11.11.2011 Peiner Allgemeine Zeitung</ref><br />
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„bekenner_innenschreiben zum brandanschlag auf den maststall mehrum:<br />
wir sind wütend! tiere werden ausgebeutet, eingesperrt, gequält und ermordet.deshalb haben wir in der nacht auf den 8.oktober feuer an dem im bau befindlichen hühnermaststall bei mehrum gelegt. dass massentierhaltung mit tierquälerei verbunden ist, wissen die meisten menschen. uns ist wichtig, dass die verwerflichkeit von nutztierhaltung an sich erkannt und gegen diese direkt vorgegangen wird. wir müssen uns aus der ohnmacht befreien, die uns durch legalitätsdenken auferlegt wird. aktiver widerstand ist wichtig, möglich und nötig. allen landwirt_innen raten wir: finger weg von mastanlagen! sie brennen leicht ab... für die befreiung aller tiere. alf (animal liberation front)“<ref>10.10. linksunten.indymedia.org</ref><br />
<br />
Bleibt zu hoffen das sich verschiedene Menschen weiterhin an den Widerstand gegen Europas größten „Geflügel“-Schlachthof beteiligen und sich nicht von staatlich konstruierten Gesetzen auf eine Aktionsform beschränken lassen. <br />
Das soll nicht heißen alles was legal ist, ist nicht hyp, nicht cool und kann per se nicht sinnvoll sein.<br />
Eine Überlegung welche Formen und Methoden ich anwende um Dinge die mich und andere stören und einschränken zu bekämpfen, sollte strategisch geführt werden und sich nicht von Dogmen beeinflussen lassen. <br />
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<small>{{Fußnoten}}</small><br />
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[[Kategorie: Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie: Artikel]]<br />
[[Kategorie: Aktionen]]<br />
[[Kategorie: Speziesismus]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wer_die_falsche_Frage_stellt,_kann_keine_richtige_Antwort_bekommen&diff=145382012-01:Wer die falsche Frage stellt, kann keine richtige Antwort bekommen2011-10-30T19:52:36Z<p>Vega: Formulierungsfehler</p>
<hr />
<div>== (K)ein Beitrag zur Konsumfrage ==<br />
=== 1. Das Problem ist immer der Kapitalismus – niemals einzelne Konzerne oder Produkte ===<br />
'''vega''' Genauso wenig wie „den Menschen“ „die Gesellschaft“und „die Wirtschaft“ gibt es „den Konsum“. Es gibt immer nur Menschen mit einer bestimmten Sozialisierung in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten, es gibt unterschiedliche Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme. Praktisch überall auf der Welt ist es derzeit der Kapitalismus der herrscht, daher ist „der Konsum“ zurzeit immer der Konsum von kapitalistisch Produziertem.<br />
<br />
Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel<ref>Also Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Fabrikhallen, Büros.....</ref> Privateigentum Weniger, Viele müssen ihnen ihre Arbeitskraft verkaufen um zu überleben<ref>Trotz aller nicht nur zwischen sondern auch innerhalb der Klassen bestehenden Interessenunterschiede kann mensch die erste Gruppe als „KapitalistInnen“ und die zweite als „ArbeiterInnen“ bezeichnen.</ref>. Die Produktion ist warenförmig, d.h. es wird ausschließlich produziert um zu verkaufen. Menschliche Bedürfnisse spielen keine Rolle, solange sie nicht zahlungskräftig sind. Auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Lebensqualität von AnwohnerInnen sowie Umwelt- und Klimaschutz spielen für den einzelnen Kapitalisten keine Rolle. Er kann durch Kämpfe von unten, von staatlichen Vorgaben von oben oder durch den Konsum seiner Zielgruppe dazu gezwungen werden, diese Kriterien zu beachten – aber immer nur in engen Grenzen. Dem Konsum sind hierbei besonders enge Grenzen gesetzt, weil seine Möglichkeiten von dem Einkommen der Arbeitenden abhängen. Für alle drei genannten Formen der Veränderung gilt außerdem: Werden zu strenge Maßstäbe an zu vielen Orten der Welt an zu viele Kapitalisten angelegt, werden also wirklich menschenwürdige Verhältnisse statt kleinen Trostpflästerchen eingefordert, dann stürzt das den Kapitalismus (aber eben nicht „die Wirtschaft“) in schwerste Existenzkrisen.<br />
<br />
Im Kapitalismus werden sich immer manche fremdbestimmt zu Tode schuften während andere ohne Zugang zu Produktionsmitteln Existenzkrisen schieben – obwohl eine Gesellschaft „alle nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen“ machbar ist. Im Kapitalismus werden immer Mensch und Umwelt durch Technologien belastet werden, zu denen es längst umweltschonendere Alternativen gibt. Im Kapitalismus werden immer Menschen verhungern, obwohl es problemlos möglich wäre, eine weitaus größere Weltbevölkerung ausgewogen zu ernähren. Trotz aller Unterschiede steht jede Spielart des Kapitalismus und jeder Kapitalist immer einem guten, selbstbestimmten Leben für alle entgegen.<br />
<br />
Natürlich wird es immer besonders destruktive Exzesse geben, die besondere Beachtung erfahren. Wenn sich die Praxis zur Theorie gesellt, ist das unvermeidlich und auch nicht weiter schlimm. Schlimm (und allgemein üblich) ist es, wenn diese Aspekte kapitalistischer Produktionsweise als isolierte Erscheinungen betrachtet und bekämpft werden. Wer diese Exzesse bekämpft, ohne deutlich zu machen, dass es eben kapitalistische sind und ohne den Kontakt zu anderen Kämpfen zu suchen, der wird den Kapitalismus stärken. Er wird ihm die schlimmsten und provokantesten Spitzen nehmen, ohne sein Wesen, die Produktions- und Besitzverhältnisse, anzutasten. Und wird daher noch nicht einmal neuerliche Exzesse des Kapitals verhindern können, dass sich nach jeder Niederlage andere Betätigungsfelder und Absatzmärkte suchen muss. (Natürlich: Wer gar keine kämpferische Praxis entwickelt, wird auch gar nichts verändern.)<br />
<br />
Ebenso stärkt den Kapitalismus, wer das große Kapital gegen das kleine ausspielen will. Die Gesetze der kapitalistischen Produktion sind universell, und werden durch die Konkurrenz auf dem Markt und das immer begrenzte Budget der KonsumentInnen (die ja eben überwiegend ArbeiterInnen sind) gegenüber allen großen und kleinen KapitalistInnen gleichermaßen durchgesetzt. Handlungsspielräume sind vorhanden, aber minimal. Wenn es für das Kapital profitabel und machbar ist, GewerkschafterInnen und UmweltschützerInnen ermorden zu lassen, dann wird das passieren. Ob die Gewinne dann an Coca-Cola, an fritz-kola oder an Bionade fließen, ändert daran überhaupt nichts. Genauso wird Fair Trade immer ein Nischenprodukt für die Besserverdienenden innerhalb der global gesehen ohnehin privilegierten Gesellschaften bleiben müssen. Wer in einer Zeit sinkender Löhne und gekürzter Sozialleistungen etwas anderes glaubt, ist naiv.<ref>Unabhängig davon ging es beim Fairen Handel immer nur darum, Löhne und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Das ist nicht unbedingt falsch, aber eben nichts was über einen reformierten Kapitalismus hinaus Wege in eine konkret an Mensch und Umwelt und nicht mehr an Verwertung orientierte Gesellschaft aufweisen kann. Das gilt übrigens auch für den Handel mit selbstverwalteten Kollektiven, die die Herrschaft des Chefs abgeschafft haben, sich aber der Herrschaft der abstrakten Sachzwänge des Marktes nicht entziehen können.</ref><br />
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Daher denke ich, dass es im Kapitalismus einen „guten Konsum“ genauso wenig wie einen grundsätzlich „besseren Konsum“ geben kann. <br />
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=== 2. Statt Verzichtsideologie und Konsumchauvinismus: Umgestaltung ===<br />
Die logische Konsequenz daraus sollte heißen, den Kapitalismus abzuschaffen, und an seine Stelle eine Gesellschaft zu setzen, in der Produktionsmittel und Güter allen zugänglich sind, in der ausschließlich produziert wird um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen und auch das nur dann, wenn die Produktion sozial und ökologisch verträglich gestaltet werden kann<ref>Und weil das alles so leicht und schnell gehen wird, sollten nebenbei auch noch andere Herrschaftsverhältnisse aufgehoben werden, die ja auch ohne den Kapitalismus existieren können.</ref>. Das wird nicht morgen und auch nicht in den nächsten Jahren passieren. Daher ist es natürlich keine befriedigende Antwort auf die Frage, wie (oder eben auch wie nicht) denn im Hier und Jetzt konsumiert werden soll. Ich werde in diesem Text keine Antwort geben, und ich glaube auch nicht, dass jemensch anderes das kann. Jeder Versuch innerhalb des Status Quo eines falschen Wirtschaftssystems einen richtigen Konsum zu entwickeln, muss widersprüchlich und ungenügend bleiben. <br />
<br />
Allerdings gibt es zwei sehr gängige Muster mit der Konsumfrage umzugehen, die ich beide für besonders kritikwürdig halte. <br />
<br />
Das erste ist eine Ideologie des Konsumverzichts. Sie drückt sich in der Vorstellung aus, innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft außerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise stehen zu können. Das soll gehen, indem kein oder möglichst wenig Geld für Waren ausgegeben wird. Gängige Ausdrucksformen sind eine Glorifizierung des Containerns und das Vorrechnen von vermeintlich legitimen und illegitimen Bedürfnissen.<br />
<br />
Kritisch ist einerseits ein Verständnis von Kapitalismus als etwas, woran mensch sich nur mittels Lohnarbeit und Warenkonsum beteiligt. Wie jedes Produktionssystem strahlt auch das kapitalistische in alle Bereiche des menschlichen Lebens aus. Es gibt nichts was außerhalb des Kapitalismus steht. Er kann daher nicht einfach boykottiert werden.<br />
<br />
Die Produkte im Container sind kapitalistisch produziert worden, und würden wohl in keinem anderen Gesellschaftssystem in so einer Menge weggeworfen werden. Containern ist eine begrenzte, kapitalismusimmanente Nische. Das ist als eine Kritik an dem Verständnis von Containern als vermeintlich politischer Praxis zu lesen, nicht am Containern an sich. Natürlich macht es Sinn diese Nische zu nutzen. Einerseits um die individuellen Konsummöglichkeiten zu erweitern. Andererseits ist ja schon ein alter Hut, dass die Zeit die Mensch so nicht mit Lohnarbeiten verbringen muss, beispielsweise auch für emanzipatorisch-radikales politisches Engagement genutzt werden kann.<br />
<br />
Kritisch ist weiterhin das Definieren legitimer und illegitimer Konsum-Bedürfnisse. Solange dies auf einer rein individuellen Ebene passiert, kann es noch als Privatsache gelten. Wenn diese Überlegungen aber auf andere Menschen übertragen werden, hat das nichts mehr mit emanzipatorischen Grundsätzen zu tun. Verzicht ist weder etwas womit sich größere gesellschaftliche Gruppen ansprechen lassen, noch ist er ein emanzipatorisches Prinzip. Verzicht war und ist immer das, was die Besitzenden von den Nicht-Besitzenden einfordern, um ihre Privilegien aufrecht zu erhalten. Das Ziel einer vernünftig organisierten Gesellschaft sollte sein, die Befriedigung aller materiellen Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder so zu organisieren, dass weder andere Menschen noch die Umwelt in einer für sie nicht zumutbaren Weise belastet werden. Soziale Organisierung und ein an den menschlichen Bedürfnissen und nicht mehr am Kapital orientierter Einsatz von Wissenschaft und Technik würden Möglichkeiten eröffnen, die heute kaum vorstellbar sind. <br />
<br />
Vermutlich würde es ein paar Extremfälle geben, die tatsächlich nicht mehr realisiert werden könnten (z.B. Shoppingwochenenden in New York für relevante Teile der europäischen Bevölkerung). Das wären dann aber keine falschen Bedürfnisse, sondern solche, die sich in einem konkreten Stadium menschlicher Entwicklung nicht vernünftig realisieren lassen. Materielle Bedürfnisse anderer Mensch als falsch zu verwerfen, ist nichts weiter als ein herrschaftsförmiger Übergriff.<br />
<br />
Ein ebenso weit verbreitetes Argumentationsmuster würde ich als „Konsumchauvinismus“ bezeichnen und kritisieren. Es geht ungefähr so: Weil jedes Konsumbedürfnis legitim ist, ist es progressiv, dass der Kapitalismus so viel Konsum ermöglicht. Emanzipation heißt hier nur noch, den Konsum auszukosten und noch allgemein verfügbarer zu machen. Aus emanzipatorischer Perspektive würde ich den Konsumchauvinisten genau den selben Fehler wie den Verzichtsprediger_innen ankreiden: Sie analysieren die Gesellschaft nur gutbürgerlich durch die Brille der Warenkonsumenten. Sie reden von dem Wie der Verteilung, aber nicht von dem Ob und Wie der Produktion. Und sie sehen nur die fertigen Waren, und nicht die Folgen, die ihre Produktion für Mensch und Umwelt hat. Wenn Ivo Bozic in der Jungle World erklärt, ''„Gerade Linke müssten die Billigfliegerei also als Herzensangelegenheit betrachten“'' weil sie einer privilegierten Minderheit der Menschheit globale Mobilität auf Kosten von Anwohner_innen der Flughäfen, dem Klima und den durch Klimawandel Geschädigten ermöglicht, dann ist das Konsumchauvinismus pur<ref>Ivo Bozic: „Nur billig fliegen ist schöner“ in der Jungle World Nr. 24/2010;<br/>http://jungle-world.com/artikel/2010/24/41126.html<br/>Eine Kritik findet sich unter: http://vega.blogsport.de/2010/06/25/wer-fliegt-auf-wessen-und-zu-welchen-kosten/</ref>. <br />
<br />
Kein Konsumchauvinismus ist es in meinen Augen, wenn die Redaktion der „Straßen aus Zucker“ zu dem Ergebnis kommt, der kapitalistische Konsum sei derzeit alternativlos, weil nur die Umwälzung der Produktionsverhältnisse Abhilfe schaffen kann<ref>Es geht um den wirklich lesenswerten Artikel zum Thema Konsum „Fang bei dir selber an!?“ in der „Straßen aus Zucker“ Nr. 5;<br/>http://strassenauszucker.blogsport.de/2011/05/19/fang-bei-dir-selber-an/</ref>. Ich sehe das anders als Floh, der in der letzten Ausgabe schrieb: ''„Anstatt die falsche, bürgerliche Konsumkritik zu entlarven und sie um die Erkenntnis zu ergänzen dass es innerhalb kapitalistischer Logik keine korrekte Produktion geben kann und deshalb Konsum auf dem kapitalistischen Markt so weit wie möglich durch selbstorganisierte Lösungen zu ersetzen ist, wird der kritiklose Konsum kapitalistisch produzierter Güter zur unverkürzten Praxis verklärt.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Und nächstes Mal... Die Konsumfrage“</ref>. Mal davon abgesehen, dass der kritisierte Text sehr wohl herausarbeitet, dass es innerhalb kapitalistischer Logiken keine korrekte Produktion geben kann, gehen unsere Einschätzungen wohl vor allem an einem anderen Punkt auseinander: Der Frage, inwieweit schon im Hier und Jetzt echte Alternativen zum kapitalistischen Markt geschaffen werden können. Ich sehe das skeptisch.<br />
<br />
<br />
=== 3. Wirtschaftliche Befreiung lässt sich nicht vorwegnehmen ===<br />
Floh hat das in einem anderen Artikel in der letzten Ausgabe so skizziert: ''„Ziel einer emanzipatorischen Umweltbewegung müsste es also sein, konkrete Konzepte, die nicht bloß neuer Aufguss alter Verwertungslogik sind, umzusetzen und in den Kontext emanzipatorischer Ansätze gegen Wachstumszwang und Umweltzerstörung zu setzten. Seien es Umsonstläden, Gemeinschaftsgärten, offene Räume, jede Form offen zugänglicher Infrastruktur oder Wissens. Und zwar nicht nur für ein Nischendasein für die lokale oder reproduktive Ebene, sondern als gesellschaftliches Konzept.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Bloß weniger Wirtschaften, oder vor allem „ganz anders“?“. Der Artikel ist eine Kritik an der Schrumpftum- und Transition-Town-Bewegung</ref><br />
<br />
Ich hole kurz aus bevor ich auf das Zitat zurückkomme. Es ist eine in Teilen der Szene weit verbreitete Unsitte, alles was als schlecht empfunden wird, mit der Endung -ismus zu versehen, und sich selbst mit den entsprechenden Anti-. Das führt häufig dazu, dass der kritisierte Gegenstand nicht mehr richtig analysiert, sondern höchstens kurz definiert wird. Unterschiede werden so verwischt. Gesellschaftlicher Sexismus und Rassismus können beispielsweise recht effektiv von der Ebene des individuellen Verhaltens aus angegangen werden (auch wenn das allein sicherlich nicht ausreichend ist). Der Kapitalismus ist aber ein Produktionssystem. Das heißt: Wer Alternativen aufbauen will, braucht dafür Produktionsmittel. Und wer Alternativen zu einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft aufbauen will, muss dafür im großen Stil Produktionsmittel aneignen<ref>Es ist auch möglich, die gesellschaftliche Arbeitsteilung zu reduzieren. In einem gewissen Rahmen mag das noch sinnvoll sein. Wird es aber zu weit geführt, würde es zu einem drastischen und unnötigen Abfall des Lebensstandards führen. Hier greift im wesentlichen die selbe Kritik wie bei den Verzichtsprediger_innen.</ref>. Solange das nicht passiert ist, geht es diesen Produktions-Alternativen ähnlich wie den Konsum-Alternativen: Sie bleiben widersprüchlich, ungenügend und zeigen auch nur bedingt auf, wie eine befreite Gesellschaft aussehen kann.<br />
<br />
Im Detail: Umsonstläden ändern nichts an der Art und Weise wie produziert wird, sondern nur an der Verteilung. Offenes Wissen ist sicherlich ein gutes Prinzip, aber keins das für sich genommen zur Überwindung der herrschenden Verhältnisse führt. Linux z.B. könnte so oder so ähnlich auch in einer herrschaftsfreien Gesellschaft existieren, ist aber auch in die kapitalistische Ökonomie gut integriert worden. Offene Räume in der Form wie sie heute existieren, geben auch nicht unbedingt die Antwort darauf, wie die gesellschaftliche Produktion vernünftig zu organisieren wäre. Schon die Frage ob von ihnen überhaupt Impulse zur Veränderung der Gesellschaft ausgehen, ist ja meist Gegenstand von Auseinandersetzungen vor Ort. Genauso gut können sie schließlich als Nischen zum autistischen Austoben dienen oder sogar sozialarbeiterische Funktionen für die bestehende Gesellschaft erfüllen. Auch durch Gemeinschaftsgärten lässt sich wirtschaftliche Befreiung nicht vorwegnehmen. Ein positiver Aspekt an ihnen ist die vorgenommene Aneignung von Produktionsmittel. Das passiert aber in einem so kleinen Ausschnitt der Ökonomie, dass sie doch eher Spielwiese statt Avantgarde sind. Auch für den Gartenbau sind eine Vielzahl von Produkten nötig, die ein einzelnes oder eine Handvoll von selbstverwalteten Projekten nicht herstellen können. Wo kommen z.B. die Werkzeuge her? Aus der eigenen Schmiede? Und wo kommen die Metalle her? Und wie kommen sie zur Schmiede? Ein wenig Gartenbau zu betreiben ist nichts, was der Organisierung der gesellschaftlich notwendigen Produktion nahe kommt. Passend dazu die Wildcat-Redaktion: ''„In Pausengesprächen auf linken Kongressen erzählen alle mit Begeisterung von ihrem Schrebergarten und dem selbst angebauten Gemüse. Zu einem Workshop über Tomatenanbau kommen mehr Leute aus der linken Szene als zu einem Seminar zur Weltkrise. […] Mit „Landwirtschaft“ hat all das wenig zu tun. Die bedeutet nämlich harte körperliche Arbeit und ein mäßiges Auskommen, auch heute noch und vor allem im biologischen Landbau. Dieser Arbeit entfliehen die Leute weltweit, um ihren Lebensunterhalt auf leichtere Art zu verdienen. An den Fließbändern der Welt sind sie gefragt, denn sie sind an harte Arbeit gewöhnt, die getan werden muss, weil sonst die Tiere sterben oder die Ernte vertrocknet.“''<ref>Wildcat Nr. 89 vom Frühjahr 2011, S.32</ref><br />
<br />
Ich behaupte nicht, dass die angesprochenen Ansätze sinnlos sind. Eine politische Bewegung braucht Zugang zu materiellen Ressourcen, politisch Aktive brauchen Zeit die nicht nur für Lohnarbeit und Co draufgeht. (Außerdem ist es ja auch ganz nett, sein Leben nicht nur mit fremdbestimmten Tätigkeiten zu verbringen). Sicherlich lassen sich in solchen Projekten auch soziale und organisatorische Kompetenzen erwerben, die für das Funktionieren einer herrschaftsfreien Gesellschaft notwendig sind. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal solcher Projekte, sondern trifft potenziell auf jede Art von selbstorganisierten politischen Kampf zu.<br />
<br />
Das ist aber gar nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass diese Ansätze keineswegs den Keim einer anderen Produktionsweise in sich tragen. Sie sind ohne eine soziale und politische Umwälzung die ihre Anzahl drastisch erhöht (und dadurch auch ihre Form ändern würde), keine nennenswerte Alternative zur herrschenden kapitalistischen Produktionsweise. In der Regel sind sie nicht einmal unabhängig von ihr. Und je unabhängiger sie sein sollen, desto mehr Arbeitszeit muss in sie hineingesteckt werden. Zeit die nicht mehr für den politischen Kampf verwendet werden kann.<br />
<br />
Vieles von diesen Ansätzen mag als politisches Projekt sinnvoll sein. Da sie aber für sich genommen keineswegs zu einer Umwälzung der Produktionsverhältnisse führen, geben sie auch keine befriedigende Konsumalternative ab. Alles andere wäre Selbstbetrug.<br />
<br />
Wer einen ethisch wirklich vertretbaren Konsum will, wird nicht drum herum kommen, die Produktionsverhältnisse als Ganzes umzuwerfen und vernünftig zu gestalten. Es geht hier aber nicht darum, die notwendigen materiellen Veränderungen in das Jahr 3000 zu verlegen und sich in das bequeme Reich der Theorie zurückzuziehen. Im Gegenteil: Gerade weil es in dieser Gesellschaft kein korrektes Konsumieren, kein korrektes Leben geben kann, ist es so dringlich, sie zu revolutionieren. Und sich keine falschen Alternativen vor zumachen. In diesem Sinne: '''Für eine ganz andere K-Frage!'''<br />
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<small>{{Fußnoten}}</small><br />
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[[Kategorie:Artikel]]<br />
[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Theorie]]<br />
[[Kategorie:Kapitalismus]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wietze_und_Widerstand&diff=145332012-01:Wietze und Widerstand2011-10-30T09:07:13Z<p>Vega: Überschriften</p>
<hr />
<div>==Hat der Widerstand gegen Europas größten Geflügelschlachthof in Wietze nach seiner Eröffnung noch eine Perspektive?==<br />
<br />
'''Claudia''' Am 5. August eröffnete Rothkötters Schlachthof in Wietze, ohne viel trara und ohne Presse wurde von Seiten des Konzerns versucht, sich heimlich in die Normalität der Warenproduktion und scheinbar nicht verhinderbaren Dingen in der überschaubaren Ortschaft einzuschleichen. <br />
<br />
Beliefern lässt sich der Schlachthof, anstatt wie geplant und propagiert, von 400 Mastanlagen aus der Region, aus dem Emsland, den Niederlanden und Dänemark.(1) Dazu was das für die ursprünglichen Geschäftsideen bedeutet, schweigt der Konzern und auch sonst zeigt er wenig Bereitschaft auf Fragen der Presse zu reagieren. Warum „einer der Marktführer des Deutschen Geflügelmarktes“ keine Pressearbeit zu der Eröffnung seines einst gefeierten Zukunftsprojekts macht, lässt sich nur spekulieren. <br />
<br />
Laut einer kleinen Anfrage der Grünen beim Landtag, muss der Schlachthofkonzern Rothkötter bis Ende 2012 ausreichende Verträge mit über 400 Großmästern nachweisen – ansonsten müssten die 6,5 Millionen Euro schwere Landesförderung zurückgezahlt werden. (2)<br />
<br />
Davon sind zur Zeit laut verschiedener Presseartikel gerade mal 20 in Planung und das obwohl Rothkötter versucht, mit erheblichen Aufwand verschiedene Landwirt_innen für seine Interessen zu knebeln. So hat er beispielsweise wie ein Landwirt der es vorzieht vor der Kamera Anonym zu bleiben in einen NDR Beitrag vom … geschildert. <br />
<br />
Bei der Kategorie Fragen und Antworten auf der Internet Plattform des Tochterunternehmens „Celler Frischgeflügel GmbH“ wird die Frage „Wie viele Landwirte haben Sie, die für Ihr Unternehmen Hähnchen mästen wollen?“ mehr oder weniger geschickt mit der Antwort „Wir befinden uns angesichts des allg. Planungsstandes grundsätzlich auf einem guten Weg. Die Resonanz/das Interesse ist durchaus gegeben und zufriedenstellend“ umgangen. <br />
<br />
Das Familienunternehmen hat laut eigenen Angaben über 60 Million € in den Schlachthof investiert, in diesem Verhältnis wirkt eine mögliche Rückzahlung von 6,5 Millionen € nicht ausschlaggebend, aber welche weiteren Geldeinbußen, Abweichungen des ursprünglichen Geschäftsplans z.B. durch weite Transportwege, einen deutlich geringeren Absatzmarkt für Futtermittel und Küken, Imageschäden etc. sind mir zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels noch Unbekannt. <br />
<br />
„Meine Berufskollegen sind wütend und fassungslos. Da gibt es zurzeit wenig Motivation, neue Anlagen zu planen. Dem Risiko setzt sich keiner mehr aus“<br />
Wilfried Henties vom Peiner Landvolk im Interview zu den Brandanschlägen in der Peiner allgemeinen Zeitungam 13.10.11. <br />
<br />
Die Notwendigkeit des Widerstands gegen den Mega-Schlachthof in Wietze und den Konzern Rottköther hat also keineswegs an Bedeutung verloren und ist keineswegs perspektivlos in der Hinsicht, das Schlachthof Projekt als profitmindernd zu degradieren und damit der Widerstandsbewegung gegen (Massen)Tierhaltung insgesamt eine Perspektive und Dynamik für noch viele bevorstehende Kämpfe und Auseinandersetzungen mit der Agrar- und Tierhaltungsindustrie zu verleihen. <br />
<br />
==Die Zulieferbetriebe entpuppten sich als Achillesverse des Schlachthofs.==<br />
<br />
Während die verschiedenen Bürgerinitiativen, die sich in der gesamten Region um den Schlachthof herum gründeten, mit Klagen, Petitionen und Öffentlichkeitsarbeit den Bau von so mancher Mastanlage verzögerten oder blockierten, gab es diesen Sommer auch wieder eine Vielzahl von Aktionen die direkt in den Bau von verschiedenen Mastanlagen eingriffen. So gab es insgesamt 3 Besetzungen von Bauflächen auf denen „Zulieferbetriebe“ gebaut werden (sollen) (3) und 2 Brandanschläge auf Mastanlagen die sich kurz vor der Inbetriebnahme befanden. Wobei eine Halle fast komplett ausbrannte und einen Schaden von ca. einer halben Million € verursachte. Bei den zweiten Anschlag in Mehrum wurde der Brand leider frühzeitig von einen vorbeifahrenden Autofahrer entdeckt, so das er noch von den anrückenden Cops gelöscht werden konnte und nur einen geringen Schaden auslöste. <br />
<br />
==Die Sache mit der Vermittlung! „Gewalt ist kein Mittel, allerdings ...“==<br />
<br />
Inwieweit lassen sich Aktionsformen die mit der Bürgerlichen Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit brechen, einer Bevölkerungsschicht die versucht den Industriezweig Massentierhaltung ausschließlich mit einen relligionsartigen „legalen Protest“ zu bekämpfen, vermitteln?<br />
<br />
Antwort auf diese Frage könnte eine Analyse der von Sprecher_innen von Bürgerinitiativen und durch die Medien verbreiteten Diskurse der vergangenen durchgeführten Militanten Aktionen geben. <br />
<br />
Während bei den Brandanschlag auf eine Mastanlage von Alvesse noch deutliche Distanzierungen von seiten der Sprecherin der Bürgerinitiative Alvesse/Üffingen gegenüber der Lokalpresse abgedruckt wurden: <br />
„Ich finde es einfach nur entsetzlich. Das ist gegen unser Bestreben und gegen die Idee der Bürgerinitiative“ Das ist Kriminell, und wir distanzieren uns davon. Wir sind in keinster Weise involviert“<br />
<br />
"Ich hoffe, dass die Täter gefasst werden, damit die Verdächtigungen gegen uns aufhören." <br />
(4)<br />
<br />
<br />
Aber auch in diesem Zusamenhang wurde das Bekenner_innen schreiben was laut lokaler Presse ihnen per Mail zugesandt wurde unzensiert abgedruckt. <br />
<br />
„ Bekenner_innen-Schreiben Mastanlagenbrand Alvesse<br />
Wir haben in der Nacht zum 16.07.11 eine Hähnchenmastanlage zwischen Alvesse und Üfingen in Brand gesetzt. Legaler Protest, sowie eine Besetzung der Baufläche konnten den Bau der Anlage nicht stoppen, weswegen wir uns für diese Aktionsform entschieden haben, um die Inbetriebnahme direkt zu verhindern.<br />
Diese Mastanlage ist nur eine von vielen Institutionen, zu deren Verhinderung Sachbeschädigung notwendig und legitim ist. Wir haben uns für dieses Ziel entschieden, weil die Haltung und Tötung von Individuen und die ökologischen und sozialen Folgen - von Gen-Soja-Anbau mit Totalherbiziden und Regenwaldabholzung über Grundwasserverseuchung zu subventionierten Hähnchenteil-Exporten - verhindert werden sollte.<br />
Es ist normal, dass die demokratisch legitimierten Stellvertreter_innen Entscheidungen so treffen, dass Privilegierte möglichst viel Geld verdienen können, anstatt dass die Betroffenen miteinander Individuallösungen koordinieren können.<br />
Wir finden direkte Aktionen wie z.B. die von uns durchgeführte auch an anderen Orten, die der Emanzipation im Wege stehen, z.B. wo Tiere (Mensch=Säugetier) verdinglicht werden, sehr zu begrüssen. Dabei sollte stets reflektiert werden, welche Aktionsform angemessen ist und wie Verletzungen von Lebewesen möglichst ausgeschlossen werden können.<br />
Präzise gegen die Gesamtscheisse, widerständig voran!“ (5)<br />
<br />
<br />
Nach den versuchten Brandanschlag wozu sich „die“ ALF (Animal Liberation Front) bekannte, klangen die Distanzierungen der Sprecherinnen der Lokalen Bürgerinitiativen deutlich differenzierter:<br />
<br />
Heike Kubow von der Bürgerinitiative Hähnchenmast Peine/Wendesse „Wir distanzieren uns ganz klar von Anschlägen auf Hähnchenmast – Anlagen. Das ist nicht unser Weg“<br />
<br />
oder „Gewalt ist kein Mittel. Allerdings bedeutet Hähnchenmast die Missachtung der Schöpfung und somit wenden sich auch die Betreiber solcher Anlagen gegen die Schöpfung. Die Hähnchen die sie halten, sind keine Tiere, sondern Fressmonster, die so gezüchtet werden, dass sie 30 Tage bei Tageslicht nur fressen, bis sie fast tot umfallen und dann geschlachtet werden.“ So wird Helga Laue von der Bürgerinitiative Ilsede/Lahstedt von der Peine Allgemeinen Zeitung Zitiert. (6)<br />
<br />
Ein Tag später wurde ein Artikel in der Peiner Allgemeine Zeitung veröffentlicht, in dem niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann seine Besorgnis über Brandanschläge kundtut u.a. mit folgenden Zitat: „Bei uns hat jeder das Recht zu demonstrieren oder seine Meinung über eine Bürger-Initiative zu äußern. Im Rechtsstaat gebe es aber Grenzen, an die sich alle zu halten haben.“<br />
<br />
Dem Artikel folgt der Versuch der definition der A.L.F. <br />
„ Sie wollen Tierversuche und Tötungen von Tieren verhindern und sind auch an Tierbefreiungsaktionen beteiligt. Die A.L.F. ist nicht organisiert, es gibt unabhängig voneinander agierende Kleingruppen. (…) Bei allen Aktionen sind alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, damit weder Mensch noch Tier Schaden nehmen.“<br />
<br />
Am interessantesten sind aber die Leser_innen Kommentare die auf der Internetseite zu diesem Artikel veröffentlicht wurden. In 5 Kommentaren gibt es keinen einzigen Negativbezug zu Brandstiftungen, sie sind viel mehr gezeichnet von einer deutlichen Wut über Massentierhaltung, die Aussichtslosigkeit legalen Protestes und den Landwirtschaftsminister . <br />
<br />
„wenn ich das wieder lese, frage ich mich wirklich ob Herr Lindemann noch ganz bei Verstand ist ! Die Brandanschläge nimmt er sehr ernst, aber das Leid der Tiere ist ihm egal (…) Der Satz das jeder Bürger das Recht hat zu demonstrieren und eine Meinung zu äußern ist blanker Hohn, denn egal wie, viele, und wie oft demonstriert wird, es bringt meist eh nichts !! Siehe Mastanlagen und 380KV Leitung als Beispiel. (…) Sein Appell an die Bevölkerung, wachsam zu sein und Auffälligkeiten der Polizei zu melden würde ich umschreiben in: "Bürger, seid in solchen Fällen UNAUFMERKSAM und meldet es lieber nicht. Die Tiere danken es Euch :-)“ <br />
<br />
„Der Mann glaubt scheinbar seine eigenen Lügen. Jeder hat das Recht für seine Meinung zu demonstrieren, oder in einer Bürger Initiative zu äußern. Und was das ganze bringt haben wir doch alle gesehen. Und das Recht wird so ausgelegt, wie es der Recht(s)staat gerade braucht.“ (7)<br />
<br />
„bekenner_innenschreiben zum brandanschlag auf den maststall mehrum<br />
wir sind wütend! tiere werden ausgebeutet, eingesperrt, gequält und ermordet.deshalb haben wir in der nacht auf den 8.oktober feuer an dem im bau befindlichen hühnermaststall bei mehrum gelegt. dass massentierhaltung mit tierquälerei verbunden ist, wissen die meisten menschen. uns ist wichtig, dass die verwerflichkeit von nutztierhaltung an sich erkannt und gegen diese direkt vorgegangen wird. wir müssen uns aus der ohnmacht befreien, die uns durch legalitätsdenken auferlegt wird. aktiver widerstand ist wichtig, möglich und nötig. allen landwirt_innen raten wir: finger weg von mastanlagen! sie brennen leicht ab... für die befreiung aller tiere. alf (animal liberation front)“ ( 8)<br />
<br />
Bleibt zu hoffen das sich verschiedene Menschen weiterhin an den Widerstand gegen Europas größten „Geflügel“ Schlachthof beteiligen und sich nicht von staatlich konstruierten Gesetzen auf eine Aktionsform beschränken lassen. <br />
Das soll nicht heißen alles was legal ist, ist nicht hyp, nicht cool und kann per se nicht sinnvoll sein.<br />
Eine Überlegung welche Formen und Methoden ich anwende um Dinge die mich und andere stören und einschränken zu bekämpfen, sollte strategisch geführt werden und sich nicht von Dogmen beeinflussen lassen. <br />
<br />
(1) Spiegel TV Sendung vom 16.10.2011<br />
(2) Celler Heute 05.09.2011<br />
(3) stopteplingen.blogsport.de, <br />
stopmunzelmast.blogsport.de <br />
linksunten.indymedia.org/de/node/41369<br />
(4) 26.07.2011 Braunschweiger Zeitung<br />
(5) 25.07.2011 Peiner Allgemeine Zeitung<br />
(6) 10.10.2011 Peiner Allgemeine Zeitung<br />
(7) 11.11.2011 Peiner Allgemeine Zeitung<br />
(8) 10.10. linksunten.indymedia.org</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wietze_und_Widerstand&diff=145322012-01:Wietze und Widerstand2011-10-29T19:55:50Z<p>Vega: Grauenhafte Rechtschreibung, Fußnoten sind nicht als Fußnoten und Überschriften nicht als Überschriften formatiert, manche Sätze ergeben keinen Sinn bzw. sind erkennbar nicht zu ende formuliert worden</p>
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<div>'''Claudia'''<br />
Hat der Widerstand gegen Europas größten Geflügelschlachthof in Wietze nach seiner Eröffnung noch eine Perspektive?<br />
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Am 5. August eröffnete Rothkötters Schlachthof in Wietze, ohne viel trara und ohne Presse wurde von Seiten des Konzerns versucht, sich heimlich in die Normalität der Warenproduktion und scheinbar nicht verhinderbaren Dingen in der überschaubaren Ortschaft einzuschleichen. <br />
<br />
Beliefern lässt sich der Schlachthof, anstatt wie geplant und propagiert, von 400 Mastanlagen aus der Region, aus dem Emsland, den Niederlanden und Dänemark.(1) Dazu was das für die ursprünglichen Geschäftsideen bedeutet, schweigt der Konzern und auch sonst zeigt er wenig Bereitschaft auf Fragen der Presse zu reagieren. Warum „einer der Marktführer des Deutschen Geflügelmarktes“ keine Pressearbeit zu der Eröffnung seines einst gefeierten Zukunftsprojekts macht, lässt sich nur spekulieren. <br />
<br />
Laut einer kleinen Anfrage der Grünen beim Landtag, muss der Schlachthofkonzern Rothkötter bis Ende 2012 ausreichende Verträge mit über 400 Großmästern nachweisen – ansonsten müssten die 6,5 Millionen Euro schwere Landesförderung zurückgezahlt werden. (2)<br />
<br />
Davon sind zur Zeit laut verschiedener Presseartikel gerade mal 20 in Planung und das obwohl Rothkötter versucht, mit erheblichen Aufwand verschiedene Landwirt_innen für seine Interessen zu knebeln. So hat er beispielsweise wie ein Landwirt der es vorzieht vor der Kamera Anonym zu bleiben in einen NDR Beitrag vom … geschildert. <br />
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Bei der Kategorie Fragen und Antworten auf der Internet Plattform des Tochterunternehmens „Celler Frischgeflügel GmbH“ wird die Frage „Wie viele Landwirte haben Sie, die für Ihr Unternehmen Hähnchen mästen wollen?“ mehr oder weniger geschickt mit der Antwort „Wir befinden uns angesichts des allg. Planungsstandes grundsätzlich auf einem guten Weg. Die Resonanz/das Interesse ist durchaus gegeben und zufriedenstellend“ umgangen. <br />
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Das Familienunternehmen hat laut eigenen Angaben über 60 Million € in den Schlachthof investiert, in diesem Verhältnis wirkt eine mögliche Rückzahlung von 6,5 Millionen € nicht ausschlaggebend, aber welche weiteren Geldeinbußen, Abweichungen des ursprünglichen Geschäftsplans z.B. durch weite Transportwege, einen deutlich geringeren Absatzmarkt für Futtermittel und Küken, Imageschäden etc. sind mir zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Artikels noch Unbekannt. <br />
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„Meine Berufskollegen sind wütend und fassungslos. Da gibt es zurzeit wenig Motivation, neue Anlagen zu planen. Dem Risiko setzt sich keiner mehr aus“<br />
Wilfried Henties vom Peiner Landvolk im Interview zu den Brandanschlägen in der Peiner allgemeinen Zeitungam 13.10.11. <br />
<br />
Die Notwendigkeit des Widerstands gegen den Mega-Schlachthof in Wietze und den Konzern Rottköther hat also keineswegs an Bedeutung verloren und ist keineswegs perspektivlos in der Hinsicht, das Schlachthof Projekt als profitmindernd zu degradieren und damit der Widerstandsbewegung gegen (Massen)Tierhaltung insgesamt eine Perspektive und Dynamik für noch viele bevorstehende Kämpfe und Auseinandersetzungen mit der Agrar- und Tierhaltungsindustrie zu verleihen. <br />
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Die Zulieferbetriebe entpuppten sich als Achillesverse des Schlachthofs. <br />
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Während die verschiedenen Bürgerinitiativen, die sich in der gesamten Region um den Schlachthof herum gründeten, mit Klagen, Petitionen und Öffentlichkeitsarbeit den Bau von so mancher Mastanlage verzögerten oder blockierten, gab es diesen Sommer auch wieder eine Vielzahl von Aktionen die direkt in den Bau von verschiedenen Mastanlagen eingriffen. So gab es insgesamt 3 Besetzungen von Bauflächen auf denen „Zulieferbetriebe“ gebaut werden (sollen) (3) und 2 Brandanschläge auf Mastanlagen die sich kurz vor der Inbetriebnahme befanden. Wobei eine Halle fast komplett ausbrannte und einen Schaden von ca. einer halben Million € verursachte. Bei den zweiten Anschlag in Mehrum wurde der Brand leider frühzeitig von einen vorbeifahrenden Autofahrer entdeckt, so das er noch von den anrückenden Cops gelöscht werden konnte und nur einen geringen Schaden auslöste. <br />
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Die Sache mit der Vermittlung! „Gewalt ist kein Mittel, allerdings ...“<br />
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Inwieweit lassen sich Aktionsformen die mit der Bürgerlichen Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit brechen, einer Bevölkerungsschicht die versucht den Industriezweig Massentierhaltung ausschließlich mit einen relligionsartigen „legalen Protest“ zu bekämpfen, vermitteln?<br />
<br />
Antwort auf diese Frage könnte eine Analyse der von Sprecher_innen von Bürgerinitiativen und durch die Medien verbreiteten Diskurse der vergangenen durchgeführten Militanten Aktionen geben. <br />
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Während bei den Brandanschlag auf eine Mastanlage von Alvesse noch deutliche Distanzierungen von seiten der Sprecherin der Bürgerinitiative Alvesse/Üffingen gegenüber der Lokalpresse abgedruckt wurden: <br />
„Ich finde es einfach nur entsetzlich. Das ist gegen unser Bestreben und gegen die Idee der Bürgerinitiative“ Das ist Kriminell, und wir distanzieren uns davon. Wir sind in keinster Weise involviert“<br />
<br />
"Ich hoffe, dass die Täter gefasst werden, damit die Verdächtigungen gegen uns aufhören." <br />
(4)<br />
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<br />
Aber auch in diesem Zusamenhang wurde das Bekenner_innen schreiben was laut lokaler Presse ihnen per Mail zugesandt wurde unzensiert abgedruckt. <br />
<br />
„ Bekenner_innen-Schreiben Mastanlagenbrand Alvesse<br />
Wir haben in der Nacht zum 16.07.11 eine Hähnchenmastanlage zwischen Alvesse und Üfingen in Brand gesetzt. Legaler Protest, sowie eine Besetzung der Baufläche konnten den Bau der Anlage nicht stoppen, weswegen wir uns für diese Aktionsform entschieden haben, um die Inbetriebnahme direkt zu verhindern.<br />
Diese Mastanlage ist nur eine von vielen Institutionen, zu deren Verhinderung Sachbeschädigung notwendig und legitim ist. Wir haben uns für dieses Ziel entschieden, weil die Haltung und Tötung von Individuen und die ökologischen und sozialen Folgen - von Gen-Soja-Anbau mit Totalherbiziden und Regenwaldabholzung über Grundwasserverseuchung zu subventionierten Hähnchenteil-Exporten - verhindert werden sollte.<br />
Es ist normal, dass die demokratisch legitimierten Stellvertreter_innen Entscheidungen so treffen, dass Privilegierte möglichst viel Geld verdienen können, anstatt dass die Betroffenen miteinander Individuallösungen koordinieren können.<br />
Wir finden direkte Aktionen wie z.B. die von uns durchgeführte auch an anderen Orten, die der Emanzipation im Wege stehen, z.B. wo Tiere (Mensch=Säugetier) verdinglicht werden, sehr zu begrüssen. Dabei sollte stets reflektiert werden, welche Aktionsform angemessen ist und wie Verletzungen von Lebewesen möglichst ausgeschlossen werden können.<br />
Präzise gegen die Gesamtscheisse, widerständig voran!“ (5)<br />
<br />
<br />
Nach den versuchten Brandanschlag wozu sich „die“ ALF (Animal Liberation Front) bekannte, klangen die Distanzierungen der Sprecherinnen der Lokalen Bürgerinitiativen deutlich differenzierter:<br />
<br />
Heike Kubow von der Bürgerinitiative Hähnchenmast Peine/Wendesse „Wir distanzieren uns ganz klar von Anschlägen auf Hähnchenmast – Anlagen. Das ist nicht unser Weg“<br />
<br />
oder „Gewalt ist kein Mittel. Allerdings bedeutet Hähnchenmast die Missachtung der Schöpfung und somit wenden sich auch die Betreiber solcher Anlagen gegen die Schöpfung. Die Hähnchen die sie halten, sind keine Tiere, sondern Fressmonster, die so gezüchtet werden, dass sie 30 Tage bei Tageslicht nur fressen, bis sie fast tot umfallen und dann geschlachtet werden.“ So wird Helga Laue von der Bürgerinitiative Ilsede/Lahstedt von der Peine Allgemeinen Zeitung Zitiert. (6)<br />
<br />
Ein Tag später wurde ein Artikel in der Peiner Allgemeine Zeitung veröffentlicht, in dem niedersachsens Landwirtschaftsminister Gert Lindemann seine Besorgnis über Brandanschläge kundtut u.a. mit folgenden Zitat: „Bei uns hat jeder das Recht zu demonstrieren oder seine Meinung über eine Bürger-Initiative zu äußern. Im Rechtsstaat gebe es aber Grenzen, an die sich alle zu halten haben.“<br />
<br />
Dem Artikel folgt der Versuch der definition der A.L.F. <br />
„ Sie wollen Tierversuche und Tötungen von Tieren verhindern und sind auch an Tierbefreiungsaktionen beteiligt. Die A.L.F. ist nicht organisiert, es gibt unabhängig voneinander agierende Kleingruppen. (…) Bei allen Aktionen sind alle notwendigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, damit weder Mensch noch Tier Schaden nehmen.“<br />
<br />
Am interessantesten sind aber die Leser_innen Kommentare die auf der Internetseite zu diesem Artikel veröffentlicht wurden. In 5 Kommentaren gibt es keinen einzigen Negativbezug zu Brandstiftungen, sie sind viel mehr gezeichnet von einer deutlichen Wut über Massentierhaltung, die Aussichtslosigkeit legalen Protestes und den Landwirtschaftsminister . <br />
<br />
„wenn ich das wieder lese, frage ich mich wirklich ob Herr Lindemann noch ganz bei Verstand ist ! Die Brandanschläge nimmt er sehr ernst, aber das Leid der Tiere ist ihm egal (…) Der Satz das jeder Bürger das Recht hat zu demonstrieren und eine Meinung zu äußern ist blanker Hohn, denn egal wie, viele, und wie oft demonstriert wird, es bringt meist eh nichts !! Siehe Mastanlagen und 380KV Leitung als Beispiel. (…) Sein Appell an die Bevölkerung, wachsam zu sein und Auffälligkeiten der Polizei zu melden würde ich umschreiben in: "Bürger, seid in solchen Fällen UNAUFMERKSAM und meldet es lieber nicht. Die Tiere danken es Euch :-)“ <br />
<br />
„Der Mann glaubt scheinbar seine eigenen Lügen. Jeder hat das Recht für seine Meinung zu demonstrieren, oder in einer Bürger Initiative zu äußern. Und was das ganze bringt haben wir doch alle gesehen. Und das Recht wird so ausgelegt, wie es der Recht(s)staat gerade braucht.“ (7)<br />
<br />
„bekenner_innenschreiben zum brandanschlag auf den maststall mehrum<br />
wir sind wütend! tiere werden ausgebeutet, eingesperrt, gequält und ermordet.deshalb haben wir in der nacht auf den 8.oktober feuer an dem im bau befindlichen hühnermaststall bei mehrum gelegt. dass massentierhaltung mit tierquälerei verbunden ist, wissen die meisten menschen. uns ist wichtig, dass die verwerflichkeit von nutztierhaltung an sich erkannt und gegen diese direkt vorgegangen wird. wir müssen uns aus der ohnmacht befreien, die uns durch legalitätsdenken auferlegt wird. aktiver widerstand ist wichtig, möglich und nötig. allen landwirt_innen raten wir: finger weg von mastanlagen! sie brennen leicht ab... für die befreiung aller tiere. alf (animal liberation front)“ ( 8)<br />
<br />
Bleibt zu hoffen das sich verschiedene Menschen weiterhin an den Widerstand gegen Europas größten „Geflügel“ Schlachthof beteiligen und sich nicht von staatlich konstruierten Gesetzen auf eine Aktionsform beschränken lassen. <br />
Das soll nicht heißen alles was legal ist, ist nicht hyp, nicht cool und kann per se nicht sinnvoll sein.<br />
Eine Überlegung welche Formen und Methoden ich anwende um Dinge die mich und andere stören und einschränken zu bekämpfen, sollte strategisch geführt werden und sich nicht von Dogmen beeinflussen lassen. <br />
<br />
(1) Spiegel TV Sendung vom 16.10.2011<br />
(2) Celler Heute 05.09.2011<br />
(3) stopteplingen.blogsport.de, <br />
stopmunzelmast.blogsport.de <br />
linksunten.indymedia.org/de/node/41369<br />
(4) 26.07.2011 Braunschweiger Zeitung<br />
(5) 25.07.2011 Peiner Allgemeine Zeitung<br />
(6) 10.10.2011 Peiner Allgemeine Zeitung<br />
(7) 11.11.2011 Peiner Allgemeine Zeitung<br />
(8) 10.10. linksunten.indymedia.org</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wer_die_falsche_Frage_stellt,_kann_keine_richtige_Antwort_bekommen&diff=144982012-01:Wer die falsche Frage stellt, kann keine richtige Antwort bekommen2011-10-18T09:39:27Z<p>Vega: nochmal Formulierung geändert</p>
<hr />
<div>== (K)ein Beitrag zur Konsumfrage ==<br />
=== 1. Das Problem ist immer der Kapitalismus – niemals einzelne Konzerne oder Produkte ===<br />
'''vega''' Genauso wenig wie „den Menschen“ „die Gesellschaft“und „die Wirtschaft“ gibt es „den Konsum“. Es gibt immer nur Menschen mit einer bestimmten Sozialisierung in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten, es gibt unterschiedliche Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme. Praktisch überall auf der Welt ist es derzeit der Kapitalismus der herrscht, daher ist „der Konsum“ zurzeit immer der Konsum von kapitalistisch Produziertem.<br />
<br />
Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel<ref>Also Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Fabrikhallen, Büros.....</ref> Privateigentum Weniger, Viele müssen ihnen ihre Arbeitskraft verkaufen um zu überleben<ref>Trotz aller nicht nur zwischen sondern auch innerhalb der Klassen bestehenden Interessenunterschiede kann mensch die erste Gruppe als „KapitalistInnen“ und die zweite als „ArbeiterInnen“ bezeichnen.</ref>. Die Produktion ist warenförmig, d.h. es wird ausschließlich produziert um zu verkaufen. Menschliche Bedürfnisse spielen keine Rolle, solange sie nicht zahlungskräftig sind. Auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Lebensqualität von AnwohnerInnen sowie Umwelt- und Klimaschutz spielen für den einzelnen Kapitalisten keine Rolle. Er kann durch Kämpfe von unten, von staatlichen Vorgaben von oben oder durch den Konsum seiner Zielgruppe dazu gezwungen werden, diese Kriterien zu beachten – aber immer nur in engen Grenzen. Dem Konsum sind hierbei besonders enge Grenzen gesetzt, weil seine Möglichkeiten von dem Einkommen der Arbeitenden abhängen. Für alle drei genannten Formen der Veränderung gilt außerdem: Werden zu strenge Maßstäbe an zu vielen Orten der Welt an zu viele Kapitalisten angelegt, werden also wirklich menschenwürdige Verhältnisse statt kleinen Trostpflästerchen eingefordert, dann stürzt das den Kapitalismus (aber eben nicht „die Wirtschaft“) in schwerste Existenzkrisen.<br />
<br />
Im Kapitalismus werden sich immer manche fremdbestimmt zu Tode schuften während andere ohne Zugang zu Produktionsmitteln Existenzkrisen schieben – obwohl eine Gesellschaft „alle nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen“ machbar ist. Im Kapitalismus werden immer Mensch und Umwelt durch Technologien belastet werden, zu denen es längst umweltschonendere Alternativen gibt. Im Kapitalismus werden immer Menschen verhungern, obwohl es problemlos möglich wäre, eine weitaus größere Weltbevölkerung ausgewogen zu ernähren. Trotz aller Unterschiede steht jede Spielart des Kapitalismus und jeder Kapitalist immer einem guten, selbstbestimmten Leben für alle entgegen.<br />
<br />
Natürlich wird es immer besonders destruktive Exzesse geben, die besondere Beachtung erfahren. Wenn sich die Praxis zur Theorie gesellt, ist das unvermeidlich und auch nicht weiter schlimm. Schlimm (und allgemein üblich) ist es, wenn diese Aspekte kapitalistischer Produktionsweise als isolierte Erscheinungen betrachtet und bekämpft werden. Wer diese Exzesse bekämpft, ohne deutlich zu machen, dass es eben kapitalistische sind und ohne den Kontakt zu anderen Kämpfen zu suchen, der wird den Kapitalismus stärken. Er wird ihm die schlimmsten und provokantesten Spitzen nehmen, ohne sein Wesen, die Produktions- und Besitzverhältnisse, anzutasten. Und wird daher noch nicht einmal neuerliche Exzesse des Kapitals verhindern können, dass sich nach jeder Niederlage andere Betätigungsfelder und Absatzmärkte suchen muss. (Natürlich: Wer gar keine kämpferische Praxis entwickelt, wird auch gar nichts verändern.)<br />
<br />
Ebenso stärkt den Kapitalismus, wer das große Kapital gegen das kleine ausspielen will. Die Gesetze der kapitalistischen Produktion sind universell, und werden durch die Konkurrenz auf dem Markt und das immer begrenzte Budget der KonsumentInnen (die ja eben überwiegend ArbeiterInnen sind) gegenüber allen großen und kleinen KapitalistInnen gleichermaßen durchgesetzt. Handlungsspielräume sind vorhanden, aber minimal. Wenn es für das Kapital profitabel und machbar ist, GewerkschafterInnen und UmweltschützerInnen ermorden zu lassen, dann wird das passieren. Ob die Gewinne dann an Coca-Cola, an fritz-kola oder an Bionade fließen, ändert daran überhaupt nichts. Genauso wird Fair Trade immer ein Nischenprodukt für die Besserverdienenden innerhalb der global gesehen ohnehin privilegierten Gesellschaften bleiben müssen. Wer in einer Zeit sinkender Löhne und gekürzter Sozialleistungen etwas anderes glaubt, ist naiv.<ref>Unabhängig davon ging es beim Fairen Handel immer nur darum, Löhne und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Das ist nicht unbedingt falsch, aber eben nichts was über einen reformierten Kapitalismus hinaus Wege in eine konkret an Mensch und Umwelt und nicht mehr an Verwertung orientierte Gesellschaft aufweisen kann. Das gilt übrigens auch für den Handel mit selbstverwalteten Kollektiven, die die Herrschaft des Chefs abgeschafft haben, sich aber der Herrschaft der abstrakten Sachzwänge des Marktes nicht entziehen können.</ref><br />
<br />
Daher denke ich, dass es im Kapitalismus einen „guten Konsum“ genauso wenig wie einen grundsätzlich „besseren Konsum“ geben kann. <br />
<br />
<br />
=== 2. Statt Verzichtsideologie und Konsumchauvinismus: Umgestaltung ===<br />
Die logische Konsequenz daraus sollte heißen, den Kapitalismus abzuschaffen, und an seine Stelle eine Gesellschaft zu setzen, in der Produktionsmittel und Güter allen zugänglich sind, in der ausschließlich produziert wird um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen und auch das nur dann, wenn die Produktion sozial und ökologisch verträglich gestaltet werden kann<ref>Und weil das alles so leicht und schnell gehen wird, sollten nebenbei auch noch andere Herrschaftsverhältnisse aufgehoben werden, die ja auch ohne den Kapitalismus existieren können.</ref>. Das wird nicht morgen und auch nicht in den nächsten Jahren passieren. Daher ist es natürlich keine befriedigende Antwort auf die Frage, wie (oder eben auch wie nicht) denn im Hier und Jetzt konsumiert werden soll. Ich werde in diesem Text keine Antwort geben, und ich glaube auch nicht, dass es jemensch anderes das kann. Jeder Versuch innerhalb des Status Quo eines falschen Wirtschaftssystems einen richtigen Konsum zu entwickeln, muss widersprüchlich und ungenügend bleiben. <br />
<br />
Allerdings gibt es zwei sehr gängige Muster mit der Konsumfrage umzugehen, die ich beide für besonders kritikwürdig halte. <br />
<br />
Das erste ist eine Ideologie des Konsumverzichts. Sie drückt sich in der Vorstellung aus, innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft außerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise stehen zu können. Das soll gehen, indem kein oder möglichst wenig Geld für Waren ausgegeben wird. Gängige Ausdrucksformen sind eine Glorifizierung des Containerns und das Vorrechnen von vermeintlich legitimen und illegitimen Bedürfnissen.<br />
<br />
Kritisch ist einerseits ein Verständnis von Kapitalismus als etwas, woran mensch sich nur mittels Lohnarbeit und Warenkonsum beteiligt. Wie jedes Produktionssystem strahlt auch das kapitalistische in alle Bereiche des menschlichen Lebens aus. Es gibt nichts was außerhalb des Kapitalismus steht. Er kann daher nicht einfach boykottiert werden.<br />
<br />
Die Produkte im Container sind kapitalistisch produziert worden, und würden wohl in keinem anderen Gesellschaftssystem in so einer Menge weggeworfen werden. Containern ist eine begrenzte, kapitalismusimmanente Nische. Das ist als eine Kritik an dem Verständnis von Containern als vermeintlich politischer Praxis zu lesen, nicht am Containern an sich. Natürlich macht es Sinn diese Nische zu nutzen. Einerseits um die individuellen Konsummöglichkeiten zu erweitern. Andererseits ist ja schon ein alter Hut, dass die Zeit die Mensch so nicht mit Lohnarbeiten verbringen muss, beispielsweise auch für emanzipatorisch-radikales politisches Engagement genutzt werden kann.<br />
<br />
Kritisch ist weiterhin das Definieren legitimer und illegitimer Konsum-Bedürfnisse. Solange dies auf einer rein individuellen Ebene passiert, kann es noch als Privatsache gelten. Wenn diese Überlegungen aber auf andere Menschen übertragen werden, hat das nichts mehr mit emanzipatorischen Grundsätzen zu tun. Verzicht ist weder etwas womit sich größere gesellschaftliche Gruppen ansprechen lassen, noch ist er ein emanzipatorisches Prinzip. Verzicht war und ist immer das, was die Besitzenden von den Nicht-Besitzenden einfordern, um ihre Privilegien aufrecht zu erhalten. Das Ziel einer vernünftig organisierten Gesellschaft sollte sein, die Befriedigung aller materiellen Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder so zu organisieren, dass weder andere Menschen noch die Umwelt in einer für sie nicht zumutbaren Weise belastet werden. Soziale Organisierung und ein an den menschlichen Bedürfnissen und nicht mehr am Kapital orientierter Einsatz von Wissenschaft und Technik würden Möglichkeiten eröffnen, die heute kaum vorstellbar sind. <br />
<br />
Vermutlich würde es ein paar Extremfälle geben, die tatsächlich nicht mehr realisiert werden könnten (z.B. Shoppingwochenenden in New York für relevante Teile der europäischen Bevölkerung). Das wären dann aber keine falschen Bedürfnisse, sondern solche, die sich in einem konkreten Stadium menschlicher Entwicklung nicht vernünftig realisieren lassen. Materielle Bedürfnisse anderer Mensch als falsch zu verwerfen, ist nichts weiter als ein herrschaftsförmiger Übergriff.<br />
<br />
Ein ebenso weit verbreitetes Argumentationsmuster würde ich als „Konsumchauvinismus“ bezeichnen und kritisieren. Es geht ungefähr so: Weil jedes Konsumbedürfnis legitim ist, ist es progressiv, dass der Kapitalismus so viel Konsum ermöglicht. Emanzipation heißt hier nur noch, den Konsum auszukosten und noch allgemein verfügbarer zu machen. Aus emanzipatorischer Perspektive würde ich den Konsumchauvinisten genau den selben Fehler wie den Verzichtsprediger_innen ankreiden: Sie analysieren die Gesellschaft nur gutbürgerlich durch die Brille der Warenkonsumenten. Sie reden von dem Wie der Verteilung, aber nicht von dem Ob und Wie der Produktion. Und sie sehen nur die fertigen Waren, und nicht die Folgen, die ihre Produktion für Mensch und Umwelt hat. Wenn Ivo Bozic in der Jungle World erklärt, ''„Gerade Linke müssten die Billigfliegerei also als Herzensangelegenheit betrachten“'' weil sie einer privilegierten Minderheit der Menschheit globale Mobilität auf Kosten von Anwohner_innen der Flughäfen, dem Klima und den durch Klimawandel Geschädigten ermöglicht, dann ist das Konsumchauvinismus pur<ref>Ivo Bozic: „Nur billig fliegen ist schöner“ in der Jungle World Nr. 24/2010;<br/>http://jungle-world.com/artikel/2010/24/41126.html<br/>Eine Kritik findet sich unter: http://vega.blogsport.de/2010/06/25/wer-fliegt-auf-wessen-und-zu-welchen-kosten/</ref>. <br />
<br />
Kein Konsumchauvinismus ist es in meinen Augen, wenn die Redaktion der „Straßen aus Zucker“ zu dem Ergebnis kommt, der kapitalistische Konsum sei derzeit alternativlos, weil nur die Umwälzung der Produktionsverhältnisse Abhilfe schaffen kann<ref>Es geht um den wirklich lesenswerten Artikel zum Thema Konsum „Fang bei dir selber an!?“ in der „Straßen aus Zucker“ Nr. 5;<br/>http://strassenauszucker.blogsport.de/2011/05/19/fang-bei-dir-selber-an/</ref>. Ich sehe das anders als Floh, der in der letzten Ausgabe schrieb: ''„Anstatt die falsche, bürgerliche Konsumkritik zu entlarven und sie um die Erkenntnis zu ergänzen dass es innerhalb kapitalistischer Logik keine korrekte Produktion geben kann und deshalb Konsum auf dem kapitalistischen Markt so weit wie möglich durch selbstorganisierte Lösungen zu ersetzen ist, wird der kritiklose Konsum kapitalistisch produzierter Güter zur unverkürzten Praxis verklärt.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Und nächstes Mal... Die Konsumfrage“</ref>. Mal davon abgesehen, dass der kritisierte Text sehr wohl herausarbeitet, dass es innerhalb kapitalistischer Logiken keine korrekte Produktion geben kann, gehen unsere Einschätzungen wohl vor allem an einem anderen Punkt auseinander: Der Frage, inwieweit schon im Hier und Jetzt echte Alternativen zum kapitalistischen Markt geschaffen werden können. Ich sehe das skeptisch.<br />
<br />
<br />
=== 3. Wirtschaftliche Befreiung lässt sich nicht vorwegnehmen ===<br />
Floh hat das in einem anderen Artikel in der letzten Ausgabe so skizziert: ''„Ziel einer emanzipatorischen Umweltbewegung müsste es also sein, konkrete Konzepte, die nicht bloß neuer Aufguss alter Verwertungslogik sind, umzusetzen und in den Kontext emanzipatorischer Ansätze gegen Wachstumszwang und Umweltzerstörung zu setzten. Seien es Umsonstläden, Gemeinschaftsgärten, offene Räume, jede Form offen zugänglicher Infrastruktur oder Wissens. Und zwar nicht nur für ein Nischendasein für die lokale oder reproduktive Ebene, sondern als gesellschaftliches Konzept.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Bloß weniger Wirtschaften, oder vor allem „ganz anders“?“. Der Artikel ist eine Kritik an der Schrumpftum- und Transition-Town-Bewegung</ref><br />
<br />
Ich hole kurz aus bevor ich auf das Zitat zurückkomme. Es ist eine in Teilen der Szene weit verbreitete Unsitte, alles was als schlecht empfunden wird, mit der Endung -ismus zu versehen, und sich selbst mit den entsprechenden Anti-. Das führt häufig dazu, dass der kritisierte Gegenstand nicht mehr richtig analysiert, sondern höchstens kurz definiert wird. Unterschiede werden so verwischt. Gesellschaftlicher Sexismus und Rassismus können beispielsweise recht effektiv von der Ebene des individuellen Verhaltens aus angegangen werden (auch wenn das allein sicherlich nicht ausreichend ist). Der Kapitalismus ist aber ein Produktionssystem. Das heißt: Wer Alternativen aufbauen will, braucht dafür Produktionsmittel. Und wer Alternativen zu einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft aufbauen will, muss dafür im großen Stil Produktionsmittel aneignen<ref>Es ist auch möglich, die gesellschaftliche Arbeitsteilung zu reduzieren. In einem gewissen Rahmen mag das noch sinnvoll sein. Wird es aber zu weit geführt, würde es zu einem drastischen und unnötigen Abfall des Lebensstandards führen. Hier greift im wesentlichen die selbe Kritik wie bei den Verzichtsprediger_innen.</ref>. Solange das nicht passiert ist, geht es diesen Produktions-Alternativen ähnlich wie den Konsum-Alternativen: Sie bleiben widersprüchlich, ungenügend und zeigen auch nur bedingt auf, wie eine befreite Gesellschaft aussehen kann.<br />
<br />
Im Detail: Umsonstläden ändern nichts an der Art und Weise wie produziert wird, sondern nur an der Verteilung. Offenes Wissen ist sicherlich ein gutes Prinzip, aber keins das für sich genommen zur Überwindung der herrschenden Verhältnisse führt. Linux z.B. könnte so oder so ähnlich auch in einer herrschaftsfreien Gesellschaft existieren, ist aber auch in die kapitalistische Ökonomie gut integriert worden. Offene Räume in der Form wie sie heute existieren, geben auch nicht unbedingt die Antwort darauf, wie die gesellschaftliche Produktion vernünftig zu organisieren wäre. Schon die Frage ob von ihnen überhaupt Impulse zur Veränderung der Gesellschaft ausgehen, ist ja meist Gegenstand von Auseinandersetzungen vor Ort. Genauso gut können sie schließlich als Nischen zum autistischen Austoben dienen oder sogar sozialarbeiterische Funktionen für die bestehende Gesellschaft erfüllen. Auch durch Gemeinschaftsgärten lässt sich wirtschaftliche Befreiung nicht vorwegnehmen. Ein positiver Aspekt an ihnen ist die vorgenommene Aneignung von Produktionsmittel. Das passiert aber in einem so kleinen Ausschnitt der Ökonomie, dass sie doch eher Spielwiese statt Avantgarde sind. Auch für den Gartenbau sind eine Vielzahl von Produkten nötig, die ein einzelnes oder eine Handvoll von selbstverwalteten Projekten nicht herstellen können. Wo kommen z.B. die Werkzeuge her? Aus der eigenen Schmiede? Und wo kommen die Metalle her? Und wie kommen sie zur Schmiede? Ein wenig Gartenbau zu betreiben ist nichts, was der Organisierung der gesellschaftlich notwendigen Produktion nahe kommt. Passend dazu die Wildcat-Redaktion: ''„In Pausengesprächen auf linken Kongressen erzählen alle mit Begeisterung von ihrem Schrebergarten und dem selbst angebauten Gemüse. Zu einem Workshop über Tomatenanbau kommen mehr Leute aus der linken Szene als zu einem Seminar zur Weltkrise. […] Mit „Landwirtschaft“ hat all das wenig zu tun. Die bedeutet nämlich harte körperliche Arbeit und ein mäßiges Auskommen, auch heute noch und vor allem im biologischen Landbau. Dieser Arbeit entfliehen die Leute weltweit, um ihren Lebensunterhalt auf leichtere Art zu verdienen. An den Fließbändern der Welt sind sie gefragt, denn sie sind an harte Arbeit gewöhnt, die getan werden muss, weil sonst die Tiere sterben oder die Ernte vertrocknet.“''<ref>Wildcat Nr. 89 vom Frühjahr 2011, S.32</ref><br />
<br />
Ich behaupte nicht, dass die angesprochenen Ansätze sinnlos sind. Eine politische Bewegung braucht Zugang zu materiellen Ressourcen, politisch Aktive brauchen Zeit die nicht nur für Lohnarbeit und Co draufgeht. (Außerdem ist es ja auch ganz nett, sein Leben nicht nur mit fremdbestimmten Tätigkeiten zu verbringen). Sicherlich lassen sich in solchen Projekten auch soziale und organisatorische Kompetenzen erwerben, die für das Funktionieren einer herrschaftsfreien Gesellschaft notwendig sind. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal solcher Projekte, sondern trifft potenziell auf jede Art von selbstorganisierten politischen Kampf zu.<br />
<br />
Das ist aber gar nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass diese Ansätze keineswegs den Keim einer anderen Produktionsweise in sich tragen. Sie sind ohne eine soziale und politische Umwälzung die ihre Anzahl drastisch erhöht (und dadurch auch ihre Form ändern würde), keine nennenswerte Alternative zur herrschenden kapitalistischen Produktionsweise. In der Regel sind sie nicht einmal unabhängig von ihr. Und je unabhängiger sie sein sollen, desto mehr Arbeitszeit muss in sie hineingesteckt werden. Zeit die nicht mehr für den politischen Kampf verwendet werden kann.<br />
<br />
Vieles von diesen Ansätzen mag als politisches Projekt sinnvoll sein. Da sie aber für sich genommen keineswegs zu einer Umwälzung der Produktionsverhältnisse führen, geben sie auch keine befriedigende Konsumalternative ab. Alles andere wäre Selbstbetrug.<br />
<br />
Wer einen ethisch wirklich vertretbaren Konsum will, wird nicht drum herum kommen, die Produktionsverhältnisse als Ganzes umzuwerfen und vernünftig zu gestalten. Es geht hier aber nicht darum, die notwendigen materiellen Veränderungen in das Jahr 3000 zu verlegen und sich in das bequeme Reich der Theorie zurückzuziehen. Im Gegenteil: Gerade weil es in dieser Gesellschaft kein korrektes Konsumieren, kein korrektes Leben geben kann, ist es so dringlich, sie zu revolutionieren. Und sich keine falschen Alternativen vor zumachen. In diesem Sinne: '''Für eine ganz andere K-Frage!'''<br />
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<br />
<small>{{Fußnoten}}</small><br />
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[[Kategorie:Artikel]]<br />
[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Theorie]]<br />
[[Kategorie:Kapitalismus]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wer_die_falsche_Frage_stellt,_kann_keine_richtige_Antwort_bekommen&diff=144962012-01:Wer die falsche Frage stellt, kann keine richtige Antwort bekommen2011-10-18T07:12:49Z<p>Vega: Formulierungen geändert</p>
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<div>== (K)ein Beitrag zur Konsumfrage ==<br />
=== 1. Das Problem ist immer der Kapitalismus – niemals einzelne Konzerne oder Produkte ===<br />
'''vega''' Genauso wenig wie „den Menschen“ „die Gesellschaft“und „die Wirtschaft“ gibt es „den Konsum“. Es gibt immer nur Menschen mit einer bestimmten Sozialisierung in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten, es gibt unterschiedliche Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme. Praktisch überall auf der Welt ist es derzeit der Kapitalismus der herrscht, daher ist „der Konsum“ zurzeit immer der Konsum von kapitalistisch Produziertem.<br />
<br />
Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel<ref>Also Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Fabrikhallen, Büros.....</ref> Privateigentum Weniger, Viele müssen ihnen ihre Arbeitskraft verkaufen um zu überleben<ref>Trotz aller nicht nur zwischen sondern auch innerhalb der Klassen bestehenden Interessenunterschiede kann mensch die erste Gruppe als „KapitalistInnen“ und die zweite als „ArbeiterInnen“ bezeichnen.</ref>. Die Produktion ist warenförmig, d.h. es wird ausschließlich produziert um zu verkaufen. Menschliche Bedürfnisse spielen keine Rolle, solange sie nicht zahlungskräftig sind. Auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Lebensqualität von AnwohnerInnen sowie Umwelt- und Klimaschutz spielen für den einzelnen Kapitalisten keine Rolle. Er kann durch Kämpfe von unten, von staatlichen Vorgaben von oben oder durch den Konsum seiner Zielgruppe dazu gezwungen werden, diese Kriterien zu beachten – aber immer nur in engen Grenzen. Dem Konsum sind hierbei besonders enge Grenzen gesetzt, weil seine Möglichkeiten von dem Einkommen der Arbeitenden abhängen. Für alle drei genannten Formen der Veränderung gilt außerdem: Werden zu strenge Maßstäbe an zu vielen Orten der Welt an zu viele Kapitalisten angelegt, werden also wirklich menschenwürdige Verhältnisse statt kleinen Trostpflästerchen eingefordert, dann stürzt das den Kapitalismus (aber eben nicht „die Wirtschaft“) in schwerste Existenzkrisen.<br />
<br />
Im Kapitalismus werden sich immer manche fremdbestimmt zu Tode schuften während andere ohne Zugang zu Produktionsmitteln Existenzkrisen schieben – obwohl eine Gesellschaft „alle nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen“ machbar ist. Im Kapitalismus werden immer Mensch und Umwelt durch Technologien belastet werden, zu denen es längst umweltschonendere Alternativen gibt. Im Kapitalismus werden immer Menschen verhungern, obwohl es problemlos möglich wäre, eine weitaus größere Weltbevölkerung ausgewogen zu ernähren. Trotz aller Unterschiede steht jede Spielart des Kapitalismus und jeder Kapitalist immer einem guten, selbstbestimmten Leben für alle entgegen.<br />
<br />
Natürlich wird es immer besonders destruktive Exzesse geben, die besondere Beachtung erfahren. Wenn sich die Praxis zur Theorie gesellt, ist das unvermeidlich und auch nicht weiter schlimm. Schlimm (und allgemein üblich) ist es, wenn diese Aspekte kapitalistischer Produktionsweise als isolierte Erscheinungen betrachtet und bekämpft werden. Wer diese Exzesse bekämpft, ohne deutlich zu machen, dass es eben kapitalistische sind und ohne den Kontakt zu anderen Kämpfen zu suchen, der wird den Kapitalismus stärken. Er wird ihm die schlimmsten und provokantesten Spitzen nehmen, ohne sein Wesen, die Produktions- und Besitzverhältnisse, anzutasten. Und wird daher noch nicht einmal neuerliche Exzesse des Kapitals verhindern können, dass sich nach jeder Niederlage andere Betätigungsfelder und Absatzmärkte suchen muss. (Natürlich: Wer gar keine kämpferische Praxis entwickelt, wird auch gar nichts verändern.)<br />
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Ebenso stärkt den Kapitalismus, wer das große Kapital gegen das kleine ausspielen will. Die Gesetze der kapitalistischen Produktion sind universell, und werden durch die Konkurrenz auf dem Markt und das immer begrenzte Budget der KonsumentInnen (die ja eben überwiegend ArbeiterInnen sind) gegenüber allen großen und kleinen KapitalistInnen gleichermaßen durchgesetzt. Handlungsspielräume sind vorhanden, aber minimal. Wenn es für das Kapital profitabel und machbar ist, GewerkschafterInnen und UmweltschützerInnen ermorden zu lassen, dann wird das passieren. Ob die Gewinne dann an Coca-Cola, an fritz-kola oder an Bionade fließen, ändert daran überhaupt nichts. Genauso wird Fair Trade immer ein Nischenprodukt für die Besserverdienenden innerhalb der global gesehen ohnehin privilegierten Gesellschaften bleiben müssen. Wer in einer Zeit sinkender Löhne und gekürzter Sozialleistungen etwas anderes glaubt, ist naiv.<ref>Unabhängig davon ging es beim Fairen Handel immer nur darum, Löhne und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Das ist nicht unbedingt falsch, aber eben nichts was über einen reformierten Kapitalismus hinaus Wege in eine konkret an Mensch und Umwelt und nicht mehr an Verwertung orientierte Gesellschaft aufweisen kann. Das gilt übrigens auch für den Handel mit selbstverwalteten Kollektiven, die die Herrschaft des Chefs abgeschafft haben, sich aber der Herrschaft der abstrakten Sachzwänge des Marktes nicht entziehen können.</ref><br />
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Daher denke ich, dass es im Kapitalismus einen „guten Konsum“ genauso wenig wie einen grundsätzlich „besseren Konsum“ geben kann. <br />
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=== 2. Statt Verzichtsideologie und Konsumchauvinismus: Umgestaltung ===<br />
Die logische Konsequenz daraus sollte heißen, den Kapitalismus abzuschaffen, und an seine Stelle eine Gesellschaft zu setzen, in der Produktionsmittel und Güter allen zugänglich sind, in der ausschließlich produziert wird um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen und auch das nur dann, wenn die Produktion sozial und ökologisch verträglich gestaltet werden kann<ref>Und weil das alles so leicht und schnell gehen wird, sollten nebenbei auch noch andere Herrschaftsverhältnisse aufgehoben werden, die ja auch ohne den Kapitalismus existieren können.</ref>. Das wird nicht morgen und auch nicht in den nächsten Jahren passieren. Daher ist es natürlich keine befriedigende Antwort auf die Frage, wie (oder eben auch wie nicht) denn im Hier und Jetzt konsumiert werden soll. Ich werde in diesem Text keine Antwort geben, und ich glaube auch nicht, dass es jemensch anderes das kann. Jeder Versuch innerhalb des Status Quo eines falschen Wirtschaftssystems einen richtigen Konsum zu entwickeln, muss widersprüchlich und ungenügend bleiben. <br />
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Allerdings gibt es zwei sehr gängige Muster mit der Konsumfrage umzugehen, die ich beide für besonders kritikwürdig halte. <br />
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Das erste ist eine Ideologie des Konsumverzichts. Sie drückt sich in der Vorstellung aus, innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft außerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise stehen zu können. Das soll gehen, indem kein oder möglichst wenig Geld für Waren ausgegeben wird. Gängige Ausdrucksformen sind eine Glorifizierung des Containerns und das Vorrechnen von vermeintlich legitimen und illegitimen Bedürfnissen. <br/><br />
Kritisch ist einerseits ein Verständnis von Kapitalismus als etwas, woran mensch sich nur mittels Lohnarbeit und Warenkonsum beteiligt. Wie jedes Produktionssystem strahlt auch das kapitalistische in alle Bereiche des menschlichen Lebens aus. Es gibt nichts was außerhalb des Kapitalismus steht. Er kann daher nicht einfach boykottiert werden.<br/><br />
Die Produkte im Container sind kapitalistisch produziert worden, und würden wohl in keinem anderen Gesellschaftssystem in so einer Menge weggeworfen werden. Containern ist eine begrenzte, kapitalismusimmanente Nische. Das ist als eine Kritik an dem Verständnis von Containern als vermeintlich politischer Praxis zu lesen, nicht am Containern an sich. Natürlich macht es Sinn diese Nische zu nutzen. Einerseits um die individuellen Konsummöglichkeiten zu erweitern. Andererseits ist ja schon ein alter Hut, dass die Zeit die Mensch so nicht mit Lohnarbeiten verbringen muss, beispielsweise auch für emanzipatorisch-radikales politisches Engagement genutzt werden kann.<br/><br />
Kritisch ist weiterhin das Definieren legitimer und illegitimer Konsum-Bedürfnisse. Solange dies auf einer rein individuellen Ebene passiert, kann es noch als Privatsache gelten. Wenn diese Überlegungen aber auf andere Menschen übertragen werden, hat das nichts mehr mit emanzipatorischen Grundsätzen zu tun. Verzicht ist weder etwas womit sich größere gesellschaftliche Gruppen ansprechen lassen, noch ist er ein emanzipatorisches Prinzip. Verzicht war und ist immer das, was die Besitzenden von den Nicht-Besitzenden einfordern, um ihre Privilegien aufrecht zu erhalten. Das Ziel einer vernünftig organisierten Gesellschaft sollte sein, die Befriedigung aller materiellen Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder so zu organisieren, dass weder andere Menschen noch die Umwelt in einer für sie nicht zumutbaren Weise belastet werden. Soziale Organisierung und ein an den menschlichen Bedürfnissen und nicht mehr am Kapital orientierter Einsatz von Wissenschaft und Technik würden Möglichkeiten eröffnen, die heute kaum vorstellbar sind. <br/> Vermutlich würde es ein paar Extremfälle geben, die tatsächlich nicht mehr realisiert werden könnten (z.B. Shoppingwochenenden in New York für relevante Teile der europäischen Bevölkerung). Das wären dann aber keine falschen Bedürfnisse, sondern solche, die sich in einem konkreten Stadium menschlicher Entwicklung nicht vernünftig realisieren lassen. Materielle Bedürfnisse anderer Mensch als falsch zu verwerfen, ist nichts weiter als ein herrschaftsförmiger Übergriff.<br />
<br />
Ein ebenso weit verbreitetes Argumentationsmuster würde ich als „Konsumchauvinismus“ bezeichnen und kritisieren. Es geht ungefähr so: Weil jedes Konsumbedürfnis legitim ist, ist es progressiv, dass der Kapitalismus so viel Konsum ermöglicht. Emanzipation heißt hier nur noch, den Konsum auszukosten und noch allgemein verfügbarer zu machen. Aus emanzipatorischer Perspektive würde ich den Konsumchauvinisten zwei Fehler ankreiden: Zum einen analysieren sie genau wie die Verzichtsprediger_innen die Gesellschaft gutbürgerlich nur durch die Brille der Warenkonsumenten. Sie reden von dem Wie der Verteilung, aber nicht von dem Ob und Wie der Produktion. Und sie sehen nur die fertigen Waren, und nicht die Folgen, die ihre Produktion für Mensch und Umwelt hat. Wenn Ivo Bozic in der Jungle World erklärt, ''„Gerade Linke müssten die Billigfliegerei also als Herzensangelegenheit betrachten“'' weil sie einer privilegierten Minderheit der Menschheit globale Mobilität auf Kosten von Anwohner_innen der Flughäfen, dem Klima und den durch Klimawandel Geschädigten ermöglicht, dann ist das Konsumchauvinismus pur<ref>Ivo Bozic: „Nur billig fliegen ist schöner“ in der Jungle World Nr. 24/2010;<br/>http://jungle-world.com/artikel/2010/24/41126.html<br/>Eine Kritik findet sich unter: http://vega.blogsport.de/2010/06/25/wer-fliegt-auf-wessen-und-zu-welchen-kosten/</ref>. <br />
<br />
Kein Konsumchauvinismus ist es in meinen Augen, wenn die Redaktion der „Straßen aus Zucker“ zu dem Ergebnis kommt, der kapitalistische Konsum sei derzeit alternativlos, weil nur die Umwälzung der Produktionsverhältnisse Abhilfe schaffen kann<ref>Es geht um den wirklich lesenswerten Artikel zum Thema Konsum „Fang bei dir selber an!?“ in der „Straßen aus Zucker“ Nr. 5;<br/>http://strassenauszucker.blogsport.de/2011/05/19/fang-bei-dir-selber-an/</ref>. Ich sehe das anders als Floh, der in der letzten Ausgabe schrieb: ''„Anstatt die falsche, bürgerliche Konsumkritik zu entlarven und sie um die Erkenntnis zu ergänzen dass es innerhalb kapitalistischer Logik keine korrekte Produktion geben kann und deshalb Konsum auf dem kapitalistischen Markt so weit wie möglich durch selbstorganisierte Lösungen zu ersetzen ist, wird der kritiklose Konsum kapitalistisch produzierter Güter zur unverkürzten Praxis verklärt.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Und nächstes Mal... Die Konsumfrage“</ref>. Mal davon abgesehen, dass der kritisierte Text sehr wohl herausarbeitet, dass es innerhalb kapitalistischer Logiken keine korrekte Produktion geben kann, gehen unsere Einschätzungen wohl vor allem an einem anderen Punkt auseinander: Der Frage, inwieweit schon im Hier und Jetzt echte Alternativen zum kapitalistischen Markt geschaffen werden können. Ich sehe das skeptisch.<br />
<br />
<br />
=== 3. Wirtschaftliche Befreiung lässt sich nicht vorwegnehmen ===<br />
Floh hat das in einem anderen Artikel in der letzten Ausgabe so skizziert: ''„Ziel einer emanzipatorischen Umweltbewegung müsste es also sein, konkrete Konzepte, die nicht bloß neuer Aufguss alter Verwertungslogik sind, umzusetzen und in den Kontext emanzipatorischer Ansätze gegen Wachstumszwang und Umweltzerstörung zu setzten. Seien es Umsonstläden, Gemeinschaftsgärten, offene Räume, jede Form offen zugänglicher Infrastruktur oder Wissens. Und zwar nicht nur für ein Nischendasein für die lokale oder reproduktive Ebene, sondern als gesellschaftliches Konzept.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Bloß weniger Wirtschaften, oder vor allem „ganz anders“?“. Der Artikel ist eine Kritik an der Schrumpftum- und Transition-Town-Bewegung</ref><br />
<br />
Ich hole kurz aus bevor ich auf das Zitat zurückkomme. Es ist eine in Teilen der Szene weit verbreitete Unsitte, alles was als schlecht empfunden wird, mit der Endung -ismus zu versehen, und sich selbst mit den entsprechenden Anti-. Das führt häufig dazu, dass der kritisierte Gegenstand nicht mehr richtig analysiert, sondern höchstens kurz definiert wird. Unterschiede werden so verwischt. Gesellschaftlicher Sexismus und Rassismus können beispielsweise recht effektiv von der Ebene des individuellen Verhaltens aus angegangen werden (auch wenn das allein sicherlich nicht ausreichend ist). Der Kapitalismus ist aber ein Produktionssystem. Das heißt: Wer Alternativen aufbauen will, braucht dafür Produktionsmittel. Und wer Alternativen zu einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft aufbauen will, muss dafür im großen Stil Produktionsmittel aneignen<ref>Es ist auch möglich, die gesellschaftliche Arbeitsteilung zu reduzieren. In einem gewissen Rahmen mag das noch sinnvoll sein. Wird es aber zu weit geführt, würde es zu einem drastischen und unnötigen Abfall des Lebensstandards führen. Hier greift im wesentlichen die selbe Kritik wie bei den Verzichtsprediger_innen.</ref>. Solange das nicht passiert ist, geht es diesen Produktions-Alternativen ähnlich wie den Konsum-Alternativen: Sie bleiben widersprüchlich, ungenügend und zeigen auch nur bedingt auf, wie eine befreite Gesellschaft aussehen kann.<br />
<br />
Im Detail: Umsonstläden ändern nichts an der Art und Weise wie produziert wird, sondern nur an der Verteilung. Offenes Wissen ist sicherlich ein gutes Prinzip, aber keins das für sich genommen zur Überwindung der herrschenden Verhältnisse führt. Linux z.B. könnte so oder so ähnlich auch in einer herrschaftsfreien Gesellschaft existieren, ist aber auch in die kapitalistische Ökonomie gut integriert worden. Offene Räume in der Form wie sie heute existieren, geben auch nicht unbedingt die Antwort darauf, wie die gesellschaftliche Produktion vernünftig zu organisieren wäre. Schon die Frage ob von ihnen überhaupt Impulse zur Veränderung der Gesellschaft ausgehen, ist ja meist Gegenstand von Auseinandersetzungen vor Ort. Genauso gut können sie schließlich als Nischen zum autistischen Austoben dienen oder sogar sozialarbeiterische Funktionen für die bestehende Gesellschaft erfüllen. Auch durch Gemeinschaftsgärten lässt sich wirtschaftliche Befreiung nicht vorwegnehmen. Ein positiver Aspekt an ihnen ist die vorgenommene Aneignung von Produktionsmittel. Das passiert aber in einem so kleinen Ausschnitt der Ökonomie, dass sie doch eher Spielwiese statt Avantgarde sind. Auch für den Gartenbau sind eine Vielzahl von Produkten nötig, die ein einzelnes oder eine Handvoll von selbstverwalteten Projekten nicht herstellen können. Wo kommen z.B. die Werkzeuge her? Aus der eigenen Schmiede? Und wo kommen die Metalle her? Und wie kommen sie zur Schmiede? Ein wenig Gartenbau zu betreiben ist nichts, was der Organisierung der gesellschaftlich notwendigen Produktion nahe kommt. Passend dazu die Wildcat-Redaktion: ''„In Pausengesprächen auf linken Kongressen erzählen alle mit Begeisterung von ihrem Schrebergarten und dem selbst angebauten Gemüse. Zu einem Workshop über Tomatenanbau kommen mehr Leute aus der linken Szene als zu einem Seminar zur Weltkrise. […] Mit „Landwirtschaft“ hat all das wenig zu tun. Die bedeutet nämlich harte körperliche Arbeit und ein mäßiges Auskommen, auch heute noch und vor allem im biologischen Landbau. Dieser Arbeit entfliehen die Leute weltweit, um ihren Lebensunterhalt auf leichtere Art zu verdienen. An den Fließbändern der Welt sind sie gefragt, denn sie sind an harte Arbeit gewöhnt, die getan werden muss, weil sonst die Tiere sterben oder die Ernte vertrocknet.“''<ref>Wildcat Nr. 89 vom Frühjahr 2011, S.32</ref><br />
<br />
Ich behaupte nicht, dass die angesprochenen Ansätze sinnlos sind. Eine politische Bewegung braucht Zugang zu materiellen Ressourcen, politisch Aktive brauchen Zeit die nicht nur für Lohnarbeit und Co draufgeht. (Außerdem ist es ja auch ganz nett, sein Leben nicht nur mit fremdbestimmten Tätigkeiten zu verbringen). Sicherlich lassen sich in solchen Projekten auch soziale und organisatorische Kompetenzen erwerben, die für das Funktionieren einer herrschaftsfreien Gesellschaft notwendig sind. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal solcher Projekte, sondern trifft potenziell auf jede Art von selbstorganisierten politischen Kampf zu.<br />
<br />
Das ist aber gar nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass diese Ansätze keineswegs den Keim einer anderen Produktionsweise in sich tragen. Sie sind ohne eine soziale und politische Umwälzung die ihre Anzahl drastisch erhöht (und dadurch auch ihre Form ändern würde), keine nennenswerte Alternative zur herrschenden kapitalistischen Produktionsweise. In der Regel sind sie nicht einmal unabhängig von ihr. Und je unabhängiger sie sein sollen, desto mehr Arbeitszeit muss in sie hineingesteckt werden. Zeit die nicht mehr für den politischen Kampf verwendet werden kann.<br />
<br />
Vieles von diesen Ansätzen mag als politisches Projekt sinnvoll sein. Da sie aber für sich genommen keineswegs zu einer Umwälzung der Produktionsverhältnisse führen, geben sie auch keine befriedigende Konsumalternative ab. Alles andere wäre Selbstbetrug.<br />
<br />
Wer einen ethisch wirklich vertretbaren Konsum will, wird nicht drum herum kommen, die Produktionsverhältnisse als Ganzes umzuwerfen und vernünftig zu gestalten. Es geht hier aber nicht darum, die notwendigen materiellen Veränderungen in das Jahr 3000 zu verlegen und sich in das bequeme Reich der Theorie zurückzuziehen. Im Gegenteil: Gerade weil es in dieser Gesellschaft kein korrektes Konsumieren, kein korrektes Leben geben kann, ist es so dringlich, sie zu revolutionieren. Und sich keine falschen Alternativen vor zumachen. In diesem Sinne: '''Für eine ganz andere K-Frage!'''<br />
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<small>{{Fußnoten}}</small><br />
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[[Kategorie:Artikel]]<br />
[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Theorie]]<br />
[[Kategorie:Kapitalismus]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Tatort_Auskreuzung&diff=144922012-01:Tatort Auskreuzung2011-10-15T08:16:20Z<p>Vega: Rechtschreibung</p>
<hr />
<div>'''vega''' Das Erste hat am 25. September einen Tatort ausgestrahlt, der sehenswert war. Er war nicht sehenswert, weil er (wie jeder Tatort) die Arbeit der Polizei legitimiert. Er war auch nicht sehenswert, weil ein Teil der Nebenrollen mit schlechten Schauspieler_innen besetzt war, oder wegen den manchmal unrealistisch wirkenden Dialogen (gerade dort wo es ins Politische ging). Politischer Tiefgang und Unterhaltungswert waren eigentlich eher mäßig. <br />
<br />
Doch spätestens als die Feldbesetzung auftauchte, war ich bereit darüber hinwegzusehen. Ja, richtig gelesen: Die Fernsehleute haben tatsächlich (wahrscheinlich nach Studium diverser Fotografien) die Besetzung eines Gentechnik-Feldversuchs nachgebaut. Das ganze wirkte auf den ersten Blick sogar recht realistisch, auch wenn es eine Reihe Schönheitsfehler gab (wacklige Tripods, Hochglanzflyer, Theaterscheinwerfer, ein sauberer Hippie-Bus, saubere Feldbesetzis...).<br />
<br />
Wie schon angedeutet, ging es in dem Tatort um die Agro-Gentechnik (nebenbei sind natürlich auch ein paar Leute gestorben...). Aber keineswegs nur um ein bloßes Monsanto-Bashing. Vielmehr haben Themen wie Fördermittelbetrug durch Agro-Gentechniker, Gentechnik-Versuchsfelder in Deutschland und der (direkte) Widerstand dagegen eine wichtige Rolle gespielt.<br/><br />
Die politische Argumentation war dabei auf einem sehr niedrigen Niveau. Es fand nur eine reine Debatte um das Risiko statt, ohne den Nutzen in Fragen zu stellen, das Meiste nur als Schlagworte vorgetragen. Letztlich kamen beide Seiten nicht immer glaubhaft rüber, auch wenn die Sympathie des Drehbuchs eher bei den Gegnern lag.<br/><br />
Viel entscheidender find ich aber etwas anderes: Mit den drei oben genannten Themen wurden wichtige Aspekte der Gentechnik aufgegriffen, die von den großen Umweltschutzorganisationen gar nicht, von der radikalen Umweltbewegung aber um so intensiver thematisiert werden. Das es soweit kam, zeigt wie erfolgreich manche Interventionen in den letzten Jahren waren.<br />
<br />
''Tatort „Auskreuzung“, eine WDR-Produktion von 2010'' <br />
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[[Kategorie:Rezensionen]]<br />
[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Gentech]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wer_die_falsche_Frage_stellt,_kann_keine_richtige_Antwort_bekommen&diff=144912012-01:Wer die falsche Frage stellt, kann keine richtige Antwort bekommen2011-10-14T15:52:06Z<p>Vega: Rechtschreibung</p>
<hr />
<div>== (K)ein Beitrag zur Konsumfrage ==<br />
=== 1. Das Problem ist immer der Kapitalismus – niemals einzelne Konzerne oder Produkte ===<br />
'''vega''' Genauso wenig wie „den Menschen“ „die Gesellschaft“und „die Wirtschaft“ gibt es „den Konsum“. Es gibt immer nur Menschen mit einer bestimmten Sozialisierung in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten, es gibt unterschiedliche Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme. Praktisch überall auf der Welt ist es derzeit der Kapitalismus der herrscht, daher ist „der Konsum“ zurzeit immer der Konsum von kapitalistisch Produziertem.<br />
<br />
Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel<ref>Also Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Fabrikhallen, Büros.....</ref> Privateigentum Weniger, Viele müssen ihnen ihre Arbeitskraft verkaufen um zu überleben<ref>Trotz aller nicht nur zwischen sondern auch innerhalb der Klassen bestehenden Interessenunterschiede kann mensch die erste Gruppe als „KapitalistInnen“ und die zweite als „ArbeiterInnen“ bezeichnen.</ref>. Die Produktion ist warenförmig, d.h. es wird ausschließlich produziert um zu verkaufen. Menschliche Bedürfnisse spielen keine Rolle, solange sie nicht zahlungskräftig sind. Auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Lebensqualität von AnwohnerInnen sowie Umwelt- und Klimaschutz spielen für den einzelnen Kapitalisten keine Rolle. Er kann durch Kämpfe von unten, von staatlichen Vorgaben von oben oder durch den Konsum seiner Zielgruppe dazu gezwungen werden, diese Kriterien zu beachten – aber immer nur in engen Grenzen. Dem Konsum sind hierbei besonders enge Grenzen gesetzt, weil seine Möglichkeiten von dem Einkommen der Arbeitenden abhängen. Für alle drei genannten Formen der Veränderung gilt außerdem: Werden zu strenge Maßstäbe an zu vielen Orten der Welt an zu viele Kapitalisten angelegt, werden also wirklich menschenwürdige Verhältnisse statt kleinen Trostpflästerchen eingefordert, dann stürzt das den Kapitalismus (aber eben nicht „die Wirtschaft“) in schwerste Existenzkrisen.<br />
<br />
Im Kapitalismus werden sich immer manche fremdbestimmt zu Tode schuften während andere ohne Zugang zu Produktionsmitteln Existenzkrisen schieben – obwohl eine Gesellschaft „alle nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen“ machbar ist. Im Kapitalismus werden immer Mensch und Umwelt durch Technologien belastet werden, zu denen es längst umweltschonendere Alternativen gibt. Im Kapitalismus werden immer Menschen verhungern, obwohl es problemlos möglich wäre, eine weitaus größere Weltbevölkerung ausgewogen zu ernähren. Trotz aller Unterschiede steht jede Spielart des Kapitalismus und jeder Kapitalist immer einem guten, selbstbestimmten Leben für alle entgegen.<br />
<br />
Natürlich wird es immer besonders destruktive Exzesse geben, die besondere Beachtung erfahren. Wenn sich die Praxis zur Theorie gesellt, ist das unvermeidlich und auch nicht weiter schlimm. Schlimm (und allgemein üblich) ist es, wenn diese Aspekte kapitalistischer Produktionsweise als isolierte Erscheinungen betrachtet und bekämpft werden. Wer diese Exzesse bekämpft, ohne deutlich zu machen, dass es eben kapitalistische sind und ohne den Kontakt zu anderen Kämpfen zu suchen, der wird den Kapitalismus stärken. Er wird ihm die schlimmsten und provokantesten Spitzen nehmen, ohne sein Wesen, die Produktions- und Besitzverhältnisse, anzutasten. Und wird daher noch nicht einmal neuerliche Exzesse des Kapitals verhindern können, dass sich nach jeder Niederlage andere Betätigungsfelder und Absatzmärkte suchen muss. (Natürlich: Wer gar keine kämpferische Praxis entwickelt, wird auch gar nichts verändern.)<br />
<br />
Ebenso stärkt den Kapitalismus, wer das große Kapital gegen das kleine ausspielen will. Die Gesetze der kapitalistischen Produktion sind universell, und werden durch die Konkurrenz auf dem Markt und das immer begrenzte Budget der KonsumentInnen (die ja eben überwiegend ArbeiterInnen sind) gegenüber allen großen und kleinen KapitalistInnen gleichermaßen durchgesetzt. Handlungsspielräume sind vorhanden, aber minimal. Wenn es für das Kapital profitabel und machbar ist, GewerkschafterInnen und UmweltschützerInnen ermorden zu lassen, dann wird das passieren. Ob die Gewinne dann an Coca-Cola, an fritz-kola oder an Bionade fließen, ändert daran überhaupt nichts. Genauso wird Fair Trade immer ein Nischenprodukt für die Besserverdienenden innerhalb der global gesehen ohnehin privilegierten Gesellschaften bleiben müssen. Wer in einer Zeit sinkender Löhne und gekürzter Sozialleistungen etwas anderes glaubt, ist naiv.<ref>Unabhängig davon ging es beim Fairen Handel immer nur darum, Löhne und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Das ist nicht unbedingt falsch, aber eben nichts was über einen reformierten Kapitalismus hinaus Wege in eine konkret an Mensch und Umwelt und nicht mehr an Verwertung orientierte Gesellschaft aufweisen kann. Das gilt übrigens auch für den Handel mit selbstverwalteten Kollektiven, die die Herrschaft des Chefs abgeschafft haben, sich aber der Herrschaft der abstrakten Sachzwänge des Marktes nicht entziehen können.</ref><br />
<br />
Daher denke ich, dass es im Kapitalismus einen „guten Konsum“ genauso wenig wie einen grundsätzlich „besseren Konsum“ geben kann. <br />
<br />
<br />
=== 2. Statt Verzichtsideologie und Konsumchauvinismus: Umgestaltung ===<br />
Die logische Konsequenz daraus sollte heißen, den Kapitalismus abzuschaffen, und an seine Stelle eine Gesellschaft zu setzen, in der Produktionsmittel und Güter allen zugänglich sind, in der ausschließlich produziert wird um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen und auch das nur dann, wenn die Produktion sozial und ökologisch verträglich gestaltet werden kann<ref>Und weil das alles so leicht und schnell gehen wird, sollten nebenbei auch noch andere Herrschaftsverhältnisse aufgehoben werden, die ja auch ohne den Kapitalismus existieren können.</ref>. Das wird nicht morgen und auch nicht in den nächsten Jahren passieren. Daher ist es natürlich keine befriedigende Antwort auf die Frage, wie (oder eben auch wie nicht) denn im Hier und Jetzt konsumiert werden soll. Ich werde in diesem Text keine Antwort geben, und ich glaube auch nicht, dass es jemensch anderes das kann. Jeder Versuch innerhalb des Status Quo eines falschen Wirtschaftssystems einen richtigen Konsum zu entwickeln, muss widersprüchlich und ungenügend bleiben. <br />
<br />
Allerdings gibt es zwei sehr gängige Muster mit der Konsumfrage umzugehen, die ich beide für besonders kritikwürdig halte. <br />
<br />
Das erste ist eine Ideologie des Konsumverzichts. Sie drückt sich in der Vorstellung aus, innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft außerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise stehen zu können. Das soll gehen, indem kein oder möglichst wenig Geld für Waren ausgegeben wird. Gängige Ausdrucksformen sind eine Glorifizierung des Containerns und das Vorrechnen von vermeintlich legitimen und illegitimen Bedürfnissen. <br />
<br />
Kritisch ist einerseits ein Verständnis von Kapitalismus als etwas, woran mensch sich nur mittels Lohnarbeit und Warenkonsum beteiligt. Wie jedes Produktionssystem strahlt auch das kapitalistische in alle Bereiche des menschlichen Lebens aus. Es gibt nichts was außerhalb des Kapitalismus steht. Er kann daher nicht einfach boykottiert werden.<br />
<br />
Die Produkte im Container sind kapitalistisch produziert worden, und würden wohl in keinem anderen Gesellschaftssystem in so einer Menge weggeworfen werden. Containern ist eine begrenzte, kapitalismusimmanente Nische. Das ist als eine Kritik an dem Verständnis von Containern als vermeintlich politischer Praxis zu lesen, nicht am Containern an sich. Natürlich macht es Sinn diese Nische zu nutzen. Einerseits um die individuellen Konsummöglichkeiten zu erweitern. Andererseits ist ja schon ein alter Hut, dass die Zeit die Mensch so nicht mit Lohnarbeiten verbringen muss, beispielsweise auch für emanzipatorisch-radikales politisches Engagement genutzt werden kann.<br />
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Kritisch ist weiterhin das Definieren legitimer und illegitimer Konsum-Bedürfnisse. Solange dies auf einer rein individuellen Ebene passiert, kann es noch als Privatsache gelten. Wenn diese Überlegungen aber auf andere Menschen übertragen werden, hat das nichts mehr mit emanzipatorischen Grundsätzen zu tun. Verzicht ist weder etwas womit sich größere gesellschaftliche Gruppen ansprechen lassen, noch ist er ein emanzipatorisches Prinzip. Verzicht war und ist immer das, was die Besitzenden von den Nicht-Besitzenden einfordern, um ihre Privilegien aufrecht zu erhalten. Das Ziel einer vernünftig organisierten Gesellschaft sollte sein, die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse ihrer Mitglieder so zu organisieren, dass weder andere Menschen noch die Umwelt in einer für sie nicht zumutbaren Weise belastet werden. Soziale Organisierung und ein an den menschlichen Bedürfnissen und nicht mehr am Kapital orientierter Einsatz von Wissenschaft und Technik würden Möglichkeiten eröffnen, die heute kaum vorstellbar sind. Vermutlich würde es ein paar Extremfälle geben, die tatsächlich nicht mehr realisiert werden könnten (z.B. Shoppingwochenenden in New York für relevante Teile der europäischen Bevölkerung). Das wären dann aber keine falschen Bedürfnisse, sondern solche, die sich in einem konkreten Stadium menschlicher Entwicklung nicht vernünftig realisieren lassen. Materielle Bedürfnisse anderer Mensch als falsch zu verwerfen, ist nichts weiter als ein herrschaftsförmiger Übergriff.<br />
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Ein ebenso weit verbreitetes Argumentationsmuster würde ich als „Konsumchauvinismus“ bezeichnen und kritisieren. Es geht ungefähr so: Weil jedes Konsumbedürfnis legitim ist, ist es progressiv, dass der Kapitalismus so viel Konsum ermöglicht. Emanzipation heißt hier nur noch, den Konsum auszukosten und noch allgemein verfügbarer zu machen. Aus emanzipatorischer Perspektive würde ich den Konsumchauvinisten zwei Fehler ankreiden: Zum einen analysieren sie genau wie die Verzichtsprediger_innen die Gesellschaft gutbürgerlich nur durch die Brille der Warenkonsumenten. Sie reden von dem Wie der Verteilung, aber nicht von dem Ob und Wie der Produktion. Und sie sehen nur die fertigen Waren, und nicht die Folgen, die ihre Produktion für Mensch und Umwelt hat. Wenn Ivo Bozic in der Jungle World erklärt, ''„Gerade Linke müssten die Billigfliegerei also als Herzensangelegenheit betrachten“'' weil sie einer privilegierten Minderheit der Menschheit globale Mobilität auf Kosten von Anwohner_innen der Flughäfen, dem Klima und den durch Klimawandel Geschädigten ermöglicht, dann ist das Konsumchauvinismus pur<ref>Ivo Bozic: „Nur billig fliegen ist schöner“ in der Jungle World Nr. 24/2010;<br/>http://jungle-world.com/artikel/2010/24/41126.html<br/>Eine Kritik findet sich unter: http://vega.blogsport.de/2010/06/25/wer-fliegt-auf-wessen-und-zu-welchen-kosten/</ref>. <br />
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Kein Konsumchauvinismus ist es in meinen Augen, wenn die Redaktion der „Straßen aus Zucker“ zu dem Ergebnis kommt, der kapitalistische Konsum sei derzeit alternativlos, weil nur die Umwälzung der Produktionsverhältnisse Abhilfe schaffen kann<ref>Es geht um den wirklich lesenswerten Artikel zum Thema Konsum „Fang bei dir selber an!?“ in der „Straßen aus Zucker“ Nr. 5;<br/>http://strassenauszucker.blogsport.de/2011/05/19/fang-bei-dir-selber-an/</ref>. Ich sehe das anders als Floh, der in der letzten Ausgabe schrieb: ''„Anstatt die falsche, bürgerliche Konsumkritik zu entlarven und sie um die Erkenntnis zu ergänzen dass es innerhalb kapitalistischer Logik keine korrekte Produktion geben kann und deshalb Konsum auf dem kapitalistischen Markt so weit wie möglich durch selbstorganisierte Lösungen zu ersetzen ist, wird der kritiklose Konsum kapitalistisch produzierter Güter zur unverkürzten Praxis verklärt.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Und nächstes Mal... Die Konsumfrage“</ref>. Mal davon abgesehen, dass der kritisierte Text sehr wohl herausarbeitet, dass es innerhalb kapitalistischer Logiken keine korrekte Produktion geben kann, gehen unsere Einschätzungen wohl vor allem an einem anderen Punkt auseinander: Der Frage, inwieweit schon im Hier und Jetzt echte Alternativen zum kapitalistischen Markt geschaffen werden können. Ich sehe das skeptisch.<br />
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=== 3. Wirtschaftliche Befreiung lässt sich nicht vorwegnehmen ===<br />
Floh hat das in einem anderen Artikel in der letzten Ausgabe so skizziert: ''„Ziel einer emanzipatorischen Umweltbewegung müsste es also sein, konkrete Konzepte, die nicht bloß neuer Aufguss alter Verwertungslogik sind, umzusetzen und in den Kontext emanzipatorischer Ansätze gegen Wachstumszwang und Umweltzerstörung zu setzten. Seien es Umsonstläden, Gemeinschaftsgärten, offene Räume, jede Form offen zugänglicher Infrastruktur oder Wissens. Und zwar nicht nur für ein Nischendasein für die lokale oder reproduktive Ebene, sondern als gesellschaftliches Konzept.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Bloß weniger Wirtschaften, oder vor allem „ganz anders“?“. Der Artikel ist eine Kritik an der Schrumpftum- und Transition-Town-Bewegung</ref><br />
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Ich hole kurz aus bevor ich auf das Zitat zurückkomme. Es ist eine in Teilen der Szene weit verbreitete Unsitte, alles was als schlecht empfunden wird, mit der Endung -ismus zu versehen, und sich selbst mit den entsprechenden Anti-. Das führt häufig dazu, dass der kritisierte Gegenstand nicht mehr richtig analysiert, sondern höchstens kurz definiert wird. Unterschiede werden so verwischt. Gesellschaftlicher Sexismus und Rassismus können beispielsweise recht effektiv von der Ebene des individuellen Verhaltens aus angegangen werden (auch wenn das allein sicherlich nicht ausreichend ist). Der Kapitalismus ist aber ein Produktionssystem. Das heißt: Wer Alternativen aufbauen will, braucht dafür Produktionsmittel. Und wer Alternativen zu einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft aufbauen will, muss dafür im großen Stil Produktionsmittel aneignen<ref>Es ist auch möglich, die gesellschaftliche Arbeitsteilung zu reduzieren. In einem gewissen Rahmen mag das noch sinnvoll sein. Wird es aber zu weit geführt, würde es zu einem drastischen und unnötigen Abfall des Lebensstandards führen. Hier greift im wesentlichen die selbe Kritik wie bei den Verzichtsprediger_innen.</ref>. Solange das nicht passiert ist, geht es diesen Produktions-Alternativen ähnlich wie den Konsum-Alternativen: Sie bleiben widersprüchlich, ungenügend und zeigen auch nur bedingt auf, wie eine befreite Gesellschaft aussehen kann.<br />
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Im Detail: Umsonstläden ändern nichts an der Art und Weise wie produziert wird, sondern nur an der Verteilung. Offenes Wissen ist sicherlich ein gutes Prinzip, aber keins das für sich genommen zur Überwindung der herrschenden Verhältnisse führt. Linux z.B. könnte so oder so ähnlich auch in einer herrschaftsfreien Gesellschaft existieren, ist aber auch in die kapitalistische Ökonomie gut integriert worden. Offene Räume in der Form wie sie heute existieren, geben auch nicht unbedingt die Antwort darauf, wie die gesellschaftliche Produktion vernünftig zu organisieren wäre. Schon die Frage ob von ihnen überhaupt Impulse zur Veränderung der Gesellschaft ausgehen, ist ja meist Gegenstand von Auseinandersetzungen vor Ort. Genauso gut können sie schließlich als Nischen zum autistischen Austoben dienen oder sogar sozialarbeiterische Funktionen für die bestehende Gesellschaft erfüllen. Auch durch Gemeinschaftsgärten lässt sich wirtschaftliche Befreiung nicht vorwegnehmen. Ein positiver Aspekt an ihnen ist die vorgenommene Aneignung von Produktionsmittel. Das passiert aber in einem so kleinen Ausschnitt der Ökonomie, dass sie doch eher Spielwiese statt Avantgarde sind. Auch für den Gartenbau sind eine Vielzahl von Produkten nötig, die ein einzelnes oder eine Handvoll von selbstverwalteten Projekten nicht herstellen können. Wo kommen z.B. die Werkzeuge her? Aus der eigenen Schmiede? Und wo kommen die Metalle her? Und wie kommen sie zur Schmiede? Ein wenig Gartenbau zu betreiben ist nichts, was der Organisierung der gesellschaftlich notwendigen Produktion nahe kommt. Passend dazu die Wildcat-Redaktion: ''„In Pausengesprächen auf linken Kongressen erzählen alle mit Begeisterung von ihrem Schrebergarten und dem selbst angebauten Gemüse. Zu einem Workshop über Tomatenanbau kommen mehr Leute aus der linken Szene als zu einem Seminar zur Weltkrise. […] Mit „Landwirtschaft“ hat all das wenig zu tun. Die bedeutet nämlich harte körperliche Arbeit und ein mäßiges Auskommen, auch heute noch und vor allem im biologischen Landbau. Dieser Arbeit entfliehen die Leute weltweit, um ihren Lebensunterhalt auf leichtere Art zu verdienen. An den Fließbändern der Welt sind sie gefragt, denn sie sind an harte Arbeit gewöhnt, die getan werden muss, weil sonst die Tiere sterben oder die Ernte vertrocknet.“''<ref>Wildcat Nr. 89 vom Frühjahr 2011, S.32</ref><br />
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Ich behaupte nicht, dass die angesprochenen Ansätze sinnlos sind. Eine politische Bewegung braucht Zugang zu materiellen Ressourcen, politisch Aktive brauchen Zeit die nicht nur für Lohnarbeit und Co draufgeht. (Außerdem ist es ja auch ganz nett, sein Leben nicht nur mit fremdbestimmten Tätigkeiten zu verbringen). Sicherlich lassen sich in solchen Projekten auch soziale und organisatorische Kompetenzen erwerben, die für das Funktionieren einer herrschaftsfreien Gesellschaft notwendig sind. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal solcher Projekte, sondern trifft potenziell auf jede Art von selbstorganisierten politischen Kampf zu.<br />
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Das ist aber gar nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass diese Ansätze keine Alternative zur kapitalistischen Produktion sind. Sie sind ohne eine soziale und politische Umwälzung die ihre Anzahl drastisch erhöht, keine nennenswerte Alternative zur herrschenden Produktionsweise. In der Regel sind sie auch nicht unabhängig von der kapitalistischen Ökonomie. Und je unabhängiger sie sein sollen, desto mehr Arbeitszeit muss in sie hineingesteckt werden. Zeit die nicht mehr für den politischen Kampf verwendet werden kann.<br />
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Vieles von diesen Ansätzen mag als politisches Projekt sinnvoll sein. Da sie aber für sich genommen keineswegs zu einer Umwälzung der Produktionsverhältnisse führen, geben sie auch keine befriedigende Konsumalternative ab. Alles andere wäre Selbstbetrug.<br />
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Wer einen ethisch wirklich vertretbaren Konsum will, wird nicht drum herum kommen, die Produktionsverhältnisse als Ganzes umzuwerfen und vernünftig zu gestalten. Es geht hier aber nicht darum, die notwendigen materiellen Veränderungen in das Jahr 3000 zu verlegen und sich in das bequeme Reich der Theorie zurückzuziehen. Im Gegenteil: Gerade weil es in dieser Gesellschaft kein korrektes Konsumieren, kein korrektes Leben geben kann, ist es so dringlich, sie zu revolutionieren. Und sich keine falschen Alternativen vor zumachen. In diesem Sinne: '''Für eine ganz andere K-Frage!'''<br />
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<small>{{Fußnoten}}</small><br />
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[[Kategorie:Artikel]]<br />
[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Theorie]]<br />
[[Kategorie:Kapitalismus]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Wer_die_falsche_Frage_stellt,_kann_keine_richtige_Antwort_bekommen&diff=144602012-01:Wer die falsche Frage stellt, kann keine richtige Antwort bekommen2011-09-27T11:48:42Z<p>Vega: </p>
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<div>= (K)ein Beitrag zur Konsumfrage =<br />
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== 1. Das Problem ist immer der Kapitalismus – niemals einzelne Konzerne oder Produkte ==<br />
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Genauso wenig wie „den Menschen“ „die Gesellschaft“und „die Wirtschaft“ gibt es „den Konsum“. Es gibt immer nur Menschen mit einer bestimmten Sozialisierung in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten, es gibt unterschiedliche Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme. Praktisch überall auf der Welt ist es derzeit der Kapitalismus der herrscht, daher ist „der Konsum“ zurzeit immer der Konsum von kapitalistisch Produziertem.<br />
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Im Kapitalismus sind die Produktionsmittel<ref>Also Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Fabrikhallen, Büros.....</ref> Privateigentum weniger, viele müssen ihnen ihre Arbeitskraft verkaufen um zu überleben<ref>Trotz aller nicht nur zwischen sondern auch innerhalb der Klassen bestehenden Interessenunterschiede kann mensch die erste Gruppe als „KapitalistInnen“ und die zweite als „ArbeiterInnen“ bezeichnen.</ref>. Die Produktion ist warenförmig, .d.h. es wird ausschließlich produziert um zu verkaufen. Menschliche Bedürfnisse spielen keine Rolle, solange sie nicht zahlungskräftig sind. Auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen, die Lebensqualität von AnwohnerInnen sowie Umwelt- und Klimaschutz spielen für den einzelnen Kapitalisten keine Rolle. Er kann durch Kämpfe von Unten, von staatlichen Vorgaben von Oben oder durch den Konsum seiner Zielgruppe dazu gezwungen werden, diese Kriterien zu beachten – aber immer nur in engen Grenzen. Dem Konsum sind hierbei besonders enge Grenzen gesetzt, weil seine Möglichkeiten von dem Einkommen der Arbeitenden abhängen. Für alle drei genannten Formen der Veränderung gilt außerdem: Werden zu strenge Maßstäbe an zu vielen Orten der Welt an zu viele Kapitalisten angelegt, werden also wirklich menschenwürdige Verhältnisse statt kleinen Trostpflästerchen eingefordert, dann stürzt das den Kapitalismus (aber eben nicht „die Wirtschaft“) in schwerste Existenzkrisen.<br/> <br />
Im Kapitalismus werden sich immer manche fremdbestimmt zu Tode schuften während andere ohne Zugang zu Produktionsmitteln Existenzkrisen schieben – obwohl eine Gesellschaft „alle nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen“ machbar ist. Im Kapitalismus werden immer Mensch und Umwelt durch Technologien belastet werden, zu denen es längst umweltschonendere Alternativen gibt. Im Kapitalismus werden immer Menschen verhungern, obwohl es problemlos möglich wäre, eine weitaus größere Weltbevölkerung ausgewogen zu ernähren. Trotz aller Unterschiede steht jede Spielart des Kapitalismus und jeder Kapitalist immer einem guten, selbstbestimmten Leben für alle entgegen.<br />
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Natürlich wird es immer besonders destruktive Exzesse geben, die besondere Beachtung erfahren. Wenn sich die Praxis zur Theorie gesellt, ist das unvermeidlich und auch nicht weiter schlimm. Schlimm (und allgemein üblich) ist es, wenn diese Aspekte kapitalistischer Produktionsweise als isolierte Erscheinungen betrachtet und bekämpft werden. Wer diese Exzesse bekämpft, ohne deutlich zu machen, dass es eben kapitalistische sind und ohne den Kontakt zu anderen Kämpfen zu suchen, der wird den Kapitalismus stärken. Er wird ihm die schlimmsten und provokantesten Spitzen nehmen, ohne sein Wesen, die Produktions- und Besitzverhältnisse, anzutasten. Und wird daher noch nicht einmal neuerliche Exzesse des Kapitals verhindern können, dass sich nach jeder Niederlage andere Betätigungsfelder und Absatzmärkte suchen muss. (Natürlich: Wer gar keine kämpferische Praxis entwickelt, wird auch gar nichts verändern.)<br />
<br />
Ebenso stärkt den Kapitalismus, wer das große Kapital gegen das kleine ausspielen will. Die Gesetze der kapitalistischen Produktion sind universell, und werden durch die Konkurrenz auf dem Markt und das immer begrenzte Budget der KonsumentInnen (die ja eben überwiegend ArbeiterInnen sind) gegenüber allen großen und kleinen KapitalistInnen gleichermaßen durchgesetzt. Handlungsspielräume sind vorhanden, aber minimal. Wenn es für das Kapital profitabel und machbar ist, GewerkschafterInnen und UmweltschützerInnen ermorden zu lassen, dann wird das passieren. Ob die Gewinne dann an Coca Cola, an Fritz Cola oder an Bionade fließen, ändert daran überhaupt nichts. Genauso wird Fair Trade immer ein Nischenprodukt für die Besserverdienenden innerhalb der global gesehen ohnehin privilegierten Gesellschaften bleiben müssen. Wer in einer Zeit sinkender Löhne und gekürzter Sozialleitsungen etwas anderes glaubt, ist naiv.<ref>Unabhängig davon ging es beim Fairen Handel immer nur darum, Löhne und Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Das ist nicht unbedingt falsch, aber eben nichts was über einen reformierten Kapitalismus hinaus Wege in eine konkret an Mensch und Umwelt und nicht mehr an Verwertung orientierte Gesellschaft aufweisen kann. Das gilt übrigens auch für den Handel mit selbstverwalteten Kollektiven, die die Herrschaft des Chefs abgeschafft haben, sich aber der Herrschaft der abstrakten Sachzwänge des Marktes nicht entziehen können.</ref><br />
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Daher denke ich, dass es im Kapitalismus einen „guten Konsum“ genauso wenig wie einen grundsätzlich „besseren Konsum“ geben kann. <br />
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== 2. Statt Verzichtsideologie und Konsumchauvinismus: Umgestaltung ==<br />
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Die logische Konsequenz daraus sollte heißen, den Kapitalismus abzuschaffen, und an seine Stelle eine Gesellschaft zu setzen, in der Produktionsmittel und Güter allen zugänglich sind, in der ausschließlich produziert wird um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen und auch das nur dann, wenn die Produktion sozial und ökologisch verträglich gestaltet werden kann<ref>Und weil das alles so leicht und schnell gehen wird, sollten nebenbei auch noch andere Herrschaftsverhältnisse aufgehoben werden, die ja auch ohne den Kapitalismus existieren können.</ref>. Das wird nicht morgen und auch nicht in den nächsten Jahren passieren. Daher ist es natürlich keine befriedigende Antwort auf die Frage, wie (oder eben auch wie nicht) denn im Hier und Jetzt konsumiert werden soll. Ich werde in diesem Text keine Antwort geben, und ich glaube auch nicht, dass es jemensch anderes das kann. Jeder Versuch innerhalb des Status Quo eines falschen Wirtschaftssystems einen richtigen Konsum zu entwickeln muss widersprüchlich und ungenügend bleiben. <br />
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Allerdings gibt es zwei sehr gängige Muster mit der Konsumfrage umzugehen, die ich beide für besonders kritikwürdig halte. <br />
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Das erste ist eine Ideologie des Konsumverzichts. Sie drückt sich in der Vorstellung aus, innerhalb einer kapitalistischen Gesellschaft außerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise stehen zu können. Das soll gehen, indem kein oder möglichst wenig Geld für Waren ausgegeben wird. Gängige Ausdrucksformen sind eine Glorifizierung des Containerns und das Vorrechnen von vermeintlich legitimen und illegitimen Bedürfnissen. <br />
Kritisch ist einerseits ein Verständnis von Kapitalismus als etwas, woran mensch sich nur mittels Lohnarbeit und Warenkonsum beteiligt. Wie jedes Produktionssystem strahlt auch das kapitalistische in alle Bereiche des menschlichen Lebens aus. Es gibt nichts was außerhalb des Kapitalismus steht. Er kann daher nicht einfach boykottiert werden. <br/><br />
Die Produkte im Container sind kapitalistisch produziert worden, und würden wohl in keinem anderen Gesellschaftssystem in so einer Menge weggeworfen werden. Containern ist eine begrenzte, kapitalismusimmanente Nische. Das ist als eine Kritik an dem Verständnis von Containern als vermeintlich politischer Praxis zu lesen, nicht am Containern an sich. Natürlich macht es Sinn diese Nische zu nutzen. Einerseits um die individuellen Konsummöglichkeiten zu erweitern. Andererseits ist ja schon ein alter Hut, dass die Zeit die Mensch so nicht mit Lohnarbeiten verbringen muss, beispielsweise auch für emanzipatorisch-radikales politisches Engagement genutzt werden kann. <br/><br />
Kritisch ist weiterhin das Definieren legitimer und illegitimer Konsum-Bedürfnisse. Solange dies auf einer rein individuellen Ebene passiert, kann es noch als Privatsache gelten. Wenn diese Überlegungen aber auf andere Menschen übertragen werden, hat das nichts mehr mit emanzipatorischen Grundsätzen zu tun. Verzicht ist weder etwas womit sich größere gesellschaftliche Gruppen ansprechen lassen, noch ist er ein emanzipatorisches Prinzip. Verzicht war und ist immer das, was die Besitzenden von den Nicht-Besitzenden einfordern, um ihre Privilegien aufrecht zu erhalten. Das Ziel einer vernünftig organisierten Gesellschaft sollte sein, die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse ihrer Mitglieder so zu organisieren, dass weder andere Menschen noch die Umwelt in einer für sie nicht zumutbaren Weise belastet werden. Soziale Organisierung und ein an den menschlichen Bedürfnissen und nicht mehr am Kapital orientierter Einsatz von Wissenschaft und Technik würden Möglichkeiten eröffnen, die heute kaum vorstellbar sind. Vermutlich würde es ein paar Extremfälle geben, die tatsächlich nicht mehr realisiert werden könnten (z.B. Shoppingwochenenden in New York für relevante Teile der europäischen Bevölkerung). Das wären dann aber keine falschen Bedürfnisse, sondern solche, die sich in einem konkreten Stadium menschlicher Entwicklung nicht vernünftig realisieren lassen. Materielle Bedürfnisse anderer Mensch als falsch zu verwerfen, ist nichts weiter als ein herrschaftsförmiger Übergriff.<br />
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Ein ebenso weit verbreitetes Argumentationsmuster würde ich als „Konsumchauvinismus“ bezeichnen und kritisieren. Es geht ungefähr so: Weil jedes Konsumbedürfnis legitim ist, ist es progressiv das der Kapitalismus so viel Konsum ermöglicht. Emanzipation heißt hier nur noch, den Konsum auszukosten und noch allgemein verfügbarer zu machen. Aus emanzipatorischer Perspektive würde ich den Konsumchauvinisten zwei Fehler ankreiden: Zum einen analysieren sie genau wie die Verzichtsprediger_innen die Gesellschaft gutbürgerlich nur durch die Brille der Warenkonsumenten. Sie reden von dem Wie der Verteilung, aber nicht von dem Ob und Wie der Produktion. Und sie sehen nur die fertigen Waren, und nicht die Folgen, die ihre Produktion für Mensch und Umwelt hat. Wenn Ivo Bozic in der Jungle World erklärt, ''„Gerade Linke müssten die Billigfliegerei also als Herzensangelegenheit betrachten“'' weil sie einer privilegierten Minderheit der Menschheit globale Mobilität auf Kosten von Anwohner_innen der Flughäfen, dem Klima und den durch Klimawandel Geschädigten ermöglicht, dann ist das Konsumchauvinismus pur<ref>Ivo Bozic: „Nur billig fliegen ist schöner“ in der Jungle World Nr. 24/2010;<br />
http://jungle-world.com/artikel/2010/24/41126.html<br />
Eine Kritik findet sich unter: http://vega.blogsport.de/2010/06/25/wer-fliegt-auf-wessen-und-zu-welchen-kosten/</ref>. <br />
Kein Konsumchauvinismus ist es in meinen Augen, wenn die Redaktion der „Straßen aus Zucker“ zu dem Ergebnis kommt, der kapitalistische Konsum sei derzeit alternativlos, weil nur die Umwälzung der Produktionsverhältnisse Abhilfe schaffen kann<ref>Es geht um den wirklich lesenswerten Artikel zum Thema Konsum „Fang bei dir selber an!?“ in der „Straßen aus Zucker“ Nr. 5; <br />
http://strassenauszucker.blogsport.de/2011/05/19/fang-bei-dir-selber-an/</ref>. Ich sehe das anders als Floh, der in der letzten Ausgabe schrieb: ''„Anstatt die falsche, bürgerliche Konsumkritik zu entlarven und sie um die Erkenntnis zu ergänzen dass es innerhalb kapitalistischer Logik keine korrekte Produktion geben kann und deshalb Konsum auf dem kapitalistischen Markt so weit wie möglich durch selbstorganisierte Lösungen zu ersetzen ist, wird der kritiklose Konsum kapitalistisch produzierter Güter zur unverkürzten Praxis verklärt.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Und nächstes Mal... Die Konsumfrage“</ref>. Mal davon abgesehen, dass der kritisierte Text sehr wohl herausarbeitet, dass innerhalb kapitalistischer Logiken keine korrekte Produktion geben kann, gehen unsere Einschätzungen wohl vor allem an einem anderen Punkt auseinander: Der Frage, inwieweit schon im Hier und Jetzt echte Alternativen zum kapitalistischen Markt geschaffen werden können. Ich sehe das skeptisch.<br />
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== 3. Wirtschaftliche Befreiung lässt sich nicht vorwegnehmen ==<br />
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Floh hat das in einem anderen Artikel in der letzten Ausgabe so skizziert: ''„Ziel einer emanzipatorischen Umweltbewegung müsste es also sein, konkrete Konzepte, die nicht bloß neuer Aufguss alter Verwertungslogik sind, umzusetzen und in den Kontext emanzipatorischer Ansätze gegen Wachstumszwang und Umweltzerstörung zu setzten. Seien es Umsonstläden, Gemeinschaftsgärten, offene Räume, jede Form offen zugänglicher Infrastruktur oder Wissens. Und zwar nicht nur für ein Nischendasein für die lokale oder reproduktive Ebene, sondern als gesellschaftliches Konzept.“''<ref>Grünes Blatt 2011-02: „Bloß weniger Wirtschaften, oder vor allem „ganz anders“?“. Der Artikel ist eine Kritik an der Schrumpftum- und Transition-Town-Bewegung</ref><br/><br />
Ich hole kurz aus bevor ich auf das Zitat zurückkomme. Es ist eine in Teilen der Szene weit verbreitete Unsitte, alles was als schlecht empfunden wird, mit der Endung -ismus zu versehen, und sich selbst mit den entsprechenden Anti-. Das führt häufig dazu, dass der kritisierte Gegenstand nicht mehr richtig analysiert, sondern höchstens kurz definiert, wird. Unterschiede werden so verwischt. Gesellschaftlicher Sexismus und Rassismus können beispielsweise recht effektiv von der Ebene des individuellen Verhaltens aus angegangen werden (auch wenn das allein sicherlich nicht ausreichend ist). Der Kapitalismus ist aber ein Produktionssystem. Das heißt: Wer Alternativen aufbauen will, braucht dafür Produktionsmittel. Und wer Alternativen zu einer hochgradig arbeitsteiligen Gesellschaft aufbauen will, muss dafür im großen Stil Produktionsmittel aneignen<ref>Es ist auch möglich, die gesellschaftliche Arbeitsteilung zu reduzieren. In einem gewissen Rahmen mag das noch sinnvoll sein. Wird es aber zu weit geführt, würde es zu einem drastischen und unnötigen Abfall des Lebensstandards führen. Hier greift im wesentlichen die selbe Kritik wie bei den Verzichtsprediger_innen.</ref>. Solange das nicht passiert ist, geht es diesen Produktions-Alternativen ähnlich wie den Konsum-Alternativen: Sie bleiben widersprüchlich, ungenügend und zeigen auch nur bedingt auf, wie eine befreite Gesellschaft aussehen kann.<br/><br />
Im Detail: Umsonstläden ändern nichts an der Art und Weise wie produziert wird, sondern nur an der Verteilung. Offenes Wissen ist sicherlich ein gutes Prinzip, aber keins das für sich genommen zur Überwindung der herrschenden Verhältnisse führt. Linux z.B. könnte so oder so ähnlich auch in einer herrschaftsfreien Gesellschaft existieren, ist aber auch in die kapitalistische Ökonomie gut integriert worden. Offene Räume in der Form wie sie heute existieren, geben auch nicht unbedingt die Antwort darauf, wie die gesellschaftliche Produktion vernünftig zu organisieren wäre. Schon die Frage ob von ihnen überhaupt Impulse zur Veränderung der Gesellschaft ausgehen, ist ja meist Gegenstand von Auseinandersetzungen vor Ort. Genauso gut können sie schließlich als Nischen zum autistischen Austoben dienen oder sogar sozialarbeiterische Funktionen für die bestehende Gesellschaft erfüllen. Auch durch Gemeinschaftsgärten lässt sich wirtschaftliche Befreiung nicht vorwegnehmen. Ein positiver Aspekt an ihnen ist die vorgenommene Aneignung von Produktionsmittel. Das passiert aber in einem so kleinen Ausschnitt der Ökonomie, dass sie doch eher Spielwiese statt Avantgarde sind. Auch für den Gartenbau sind eine Vielzahl von Produkten nötig, die ein einzelnes oder eine Handvoll von selbstverwalteten Projekten nicht herstellen können. Wo kommen z.B. die Werkzeuge her? Aus der eigenen Schmiede? Und wo kommen die Metalle her? Und wie kommen sie zur Schmiede? Ein wenig Gartenbau zu betreiben ist nichts, was der Organisierung der gesellschaftlich notwendigen Produktion nahe kommt. Passend dazu die Wildcat-Readaktion: ''„In Pausengesprächen auf linken Kongressen erzählen alle mit Begeisterung von ihrem Schrebergarten und dem selbst angebauten Gemüse. Zu einem Workshop über Tomatenanbau kommen mehr Leute aus der lnken Szene als zu einem Seminar zur Weltkrise. […] Mit „Landwirtschaft“ hat all das wenig zu tun. Die bedeutet nämlich harte körperliche Arbeit und ein mäßiges Auskommen, auch heute noch und vor allem im biologischen Landbau. Dieser Arbeit entfliehen die Leute weltweit, um ihren Lebensunterhalt auf leichtere Art zu verdienen. An den Fließbändern der Welt sind sie gefragt, denn sie sind an harte Arbeit gewöhnt, die getan werden muss, weil sonst die Tiere sterben oder die Ernte vertrocknet.“''<ref>Wildcat Nr. 89 vom Frühjahr 2011, S.32</ref><br />
<br />
Ich behaupte nicht, dass die angesprochenen Ansätze sinnlos sind. Eine politische Bewegung braucht Zugang zu materiellen Ressourcen, politisch Aktive brauchen Zeit die nicht nur für Lohnarbeit und Co draufgeht. (Außerdem ist es ja auch ganz nett, sein Leben nicht nur mit fremdbestimmten Tätigkeiten zu verbringen). Sicherlich lassen sich in solchen Projekten auch soziale und organisatorische Kompetenzen erwerben, die für das Funktionieren einer herrschaftsfreien Gesellschaft notwendig sind. Das ist aber kein Alleinstellungsmerkmal solcher Projekte, sondern trifft potenziell auf jede Art von selbstorganisierten politischen Kampf zu.<br />
<br />
Das ist aber gar nicht mein Punkt. Mein Punkt ist, dass diese Ansätze keine Alternative zur kapitalistischen Produktion sind. Sie sind ohne eine soziale und politische Umwälzung die ihre Anzahl drastisch erhöht, keine nennenswerte Alternative zur herrschenden Produktionsweise. In der Regel sind sie auch nicht unabhängig von der kapitalistischen Ökonomie. Und je unabhängiger sie sein sollen, desto mehr Arbeitszeit muss in sie hineingesteckt werden. Zeit die nicht mehr für den politischen Kampf verwendet werden kann. <br/><br />
Vieles von diesen Ansätzen mag als politisches Projekt sinnvoll sein. Da sie aber für sich genommen keineswegs zu einer Umwälzung der Produktionsverhältnisse führen, geben sie auch keine befriedigende Konsumalternative ab. Alles andere wäre Selbstbetrug.<br />
<br />
Wer einen ethisch wirklich vertretbaren Konsum will, wird nicht drum herum kommen, die Produktionsverhältnisse als Ganzes umzuwerfen und vernünftig zu gestalten. Es geht hier aber nicht darum, die notwendigen materiellen Veränderungen in das Jahr 3000 zu verlegen, und sich in das bequeme Reich der Theorie zurückzuziehen. Im Gegenteil: Gerade weil es in dieser Gesellschaft kein korrektes Konsumieren, kein korrektes Leben geben kann, ist es so dringlich, sie zu revolutionieren. Und sich keine falschen Alternativen vor zumachen. In diesem Sinne: '''Für eine ganz andere K-Frage!'''<br />
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{{Fußnoten}}<br />
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[[Kategorie:Artikel]]<br />
[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Theorie]]<br />
[[Kategorie:Kapitalismus]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2011-03:_%C3%83%C5%93ber_Wahrheit_und_Ideologie&diff=14426Diskussion:2011-03: Ãœber Wahrheit und Ideologie2011-09-27T10:56:53Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>== Artikel direkt zum Ausgangstext verschieben? ==<br />
Ich schlage vor diesen Artikel auf die Diskussionseite des Artikels [[2011-03:Rechthaben|Rechthaben]], auf den er sich bezieht, zu verschieben. Zum einen kann dann einfach und gut erkenntlich im Ausgangstext auf die Kritik hingewiesen werden, weil dann die [http://www.gruenes-blatt.de/wiki/index.php/Vorlage:Kommentar Kommentar-Vorlage] verwendet werden kann, zum anderen scheint der Artikel wirklich seinen Schwerpunkt in der Gegenreaktion auf [[Benutzer:Dä|Dä]]s Text zu haben... --[[Benutzer:Falk|Falk]] 17:30, 26. Sep 2011 (CEST)<br />
<br />
Ich hab damit kein Problem, fänd es aber gut wenn mein Artikel trotzdem abgedruckt wird. Sonst ist das Ganze ja doch so eine Einbahnstraßengeschichte... --[[Benutzer:Vega|Vega]] 12:56, 27. Sep 2011 (CEST)</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Tatort_Auskreuzung&diff=144132012-01:Tatort Auskreuzung2011-09-26T08:03:48Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>'''vega''' Das Erste hat am 25. September einen Tatort ausgestrahlt, der sehenswert war. Er war nicht sehenswert, weil er (wie jeder Tatort) die Arbeit der Polizei legitimiert. Er war auch nicht sehenswert, weil ein Teil der Nebenrollen mit schlechten Schauspieler_innen besetzt war, oder wegen den manchmal unrealistisch wirkenden Dialogen (gerade dort wo es ins Politische ging). Politischer Tiefgang und Unterhaltungswert waren eigentlich eher mäßig. <br />
<br />
Doch spätestens als die Feldbesetzung auftauchte, war ich bereit darüber hinwegzusehen. Ja, richtig gelesen: Die Fernsehleute haben tatsächlich (wahrscheinlich nach Studium diverser Fotografien) die Besetzung eines Gentechnik-Feldversuchs nachgebaut. Das ganze wirkte auf den ersten Blick sogar recht realistisch, auch wenn es eine Reihe Schönheitsfehler gab (wacklige Tripods, Hochglanzflyer, Theaterscheinwerfer, ein sauberer Hippi-Bus, saubere Feldbesetzis...).<br />
<br />
Wie schon angedeutet, ging es in dem Tatort um die Agro-Gentechnik (nebenbei sind natürlich auch ein paar Leute gestorben...). Aber keineswegs nur um ein bloßes Monsanto-Bashing. Vielmehr haben Themen wie Fördermittelbetrug durch Agro-Gentechniker, Gentechnik-Versuchsfelder in Deutschland und der (direkte) Widerstand dagegen eine wichtige Rolle gespielt.<br/><br />
Die politische Argumentation war dabei auf einem sehr niedrigen Niveau. Es fand nur eine reine Debatte um das Risiko statt, ohne den Nutzen in Fragen zu stellen, das meiste nur als Schlagworte vorgetragen. Letztlich kamen beide Seiten nicht immer glaubhaft rüber, auch wenn die Sympathie des Drehbuchs eher bei den Gegnern lag.<br/><br />
Viel entscheidender find ich aber etwas anderes: Mit den drei oben genannten Themen wurden wichtige Aspekte der Gentechnik aufgegriffen, die von den großen Umweltschutzorganisationen gar nicht, von der radikalen Umweltbewegung aber um so intensiver thematisiert werden. Das es soweit kam, zeigt wie erfolgreich manche Interventionen in den letzten Jahren waren.<br />
<br />
''Tatort „Auskreuzung“, eine WDR-Produktion von 2010'' <br />
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[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Rezensionen]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2012-01:Tatort_Auskreuzung&diff=14412Diskussion:2012-01:Tatort Auskreuzung2011-09-26T08:03:24Z<p>Vega: </p>
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<div>Derzeit kann der Tatort noch unter http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/602916_tatort/8303642_tatort--auskreuzung angeschaut werden, wahrscheinlich wird ihm das Erste bald wieder offline stellen. --[[Benutzer:Vega|Vega]] 10:03, 26. Sep 2011 (CEST)</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2012-01:Tatort_Auskreuzung&diff=144112012-01:Tatort Auskreuzung2011-09-26T08:01:53Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>Das Erste hat am 25. September einen Tatort ausgestrahlt, der sehenswert war. Er war nicht sehenswert, weil er (wie jeder Tatort) die Arbeit der Polizei legitimiert. Er war auch nicht sehenswert, weil ein Teil der Nebenrollen mit schlechten Schauspieler_innen besetzt war, oder wegen den manchmal unrealistisch wirkenden Dialogen (gerade dort wo es ins Politische ging). Politischer Tiefgang und Unterhaltungswert waren eigentlich eher mäßig. <br />
<br />
Doch spätestens als die Feldbesetzung auftauchte, war ich bereit darüber hinwegzusehen. Ja, richtig gelesen: Die Fernsehleute haben tatsächlich (wahrscheinlich nach Studium diverser Fotografien) die Besetzung eines Gentechnik-Feldversuchs nachgebaut. Das ganze wirkte auf den ersten Blick sogar recht realistisch, auch wenn es eine Reihe Schönheitsfehler gab (wacklige Tripods, Hochglanzflyer, Theaterscheinwerfer, ein sauberer Hippi-Bus, saubere Feldbesetzis...).<br />
<br />
Wie schon angedeutet, ging es in dem Tatort um die Agro-Gentechnik (nebenbei sind natürlich auch ein paar Leute gestorben...). Aber keineswegs nur um ein bloßes Monsanto-Bashing. Vielmehr haben Themen wie Fördermittelbetrug durch Agro-Gentechniker, Gentechnik-Versuchsfelder in Deutschland und der (direkte) Widerstand dagegen eine wichtige Rolle gespielt.<br/><br />
Die politische Argumentation war dabei auf einem sehr niedrigen Niveau. Es fand nur eine reine Debatte um das Risiko statt, ohne den Nutzen in Fragen zu stellen, das meiste nur als Schlagworte vorgetragen. Letztlich kamen beide Seiten nicht immer glaubhaft rüber, auch wenn die Sympathie des Drehbuchs eher bei den Gegnern lag.<br/><br />
Viel entscheidender find ich aber etwas anderes: Mit den drei oben genannten Themen wurden wichtige Aspekte der Gentechnik aufgegriffen, die von den großen Umweltschutzorganisationen gar nicht, von der radikalen Umweltbewegung aber um so intensiver thematisiert werden. Das es soweit kam, zeigt wie erfolgreich manche Interventionen in den letzten Jahren waren.<br />
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''Tatort „Auskreuzung“, eine WDR-Produktion von 2010'' <br />
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[[Kategorie:Herbst 2011]]<br />
[[Kategorie:Rezensionen]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Termine_und_Veranstaltungen&diff=142572011-02:Termine und Veranstaltungen2011-07-17T15:35:29Z<p>Vega: </p>
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<div>'''23.–26.06.2011''': Schachen, Münsingen-Buttenhausen: Aufstand, Sommercamp der NaJu, http://aufstand.naju-bw.de<br />
<br />
'''22.–29.07.2011''': Luleå, Sweden: action camp against Europe's largest military training area (NEAT) http://warstartshere.com/en<br />
<br />
'''24.–31.07.2011''': "Wer lebt mit wem". Ein Camp für kritische Freiheit(en) und lebendige Alternativen, für radikale Traumverwirklichende jeden Alters auf der Burg Lutter. http://wlmw.blogsport.de<br />
<br />
'''29.07.–07.08.2011''': Klimacamp in der Schweiz: http://www.klimacamp.ch<br />
<br />
'''03.–07.08.2011''': Antifa-Sommercamp in Obernhausen, http://antifacamp.blogsport.de<br />
<br />
'''07.–14.08.2011''': Klimacamp im Braunkohlerevier Lausitz, www.lausitzcamp.info<br />
<br />
'''13.08.2011''': Veggie Street Day in Dortmund: http://veggie-street-day.de<br />
<br />
'''ab 14.08.2011''': Gorleben 365. Für ein Jahr lang soll Gorleben an möglichst vielen Tagen blockiert werden. Gruppen sind aufgerufen, einzelne Tage zu übernehmen. http://www.gorleben365.de<br />
<br />
'''14.–26.08.2011''': Klimaradtour von Klimacamp zu Klimacamp, http://klimaradtour.blogsport.de<br />
<br />
'''21.–30.08''': Reclaim the Fields Camp 2011, Rumänien, Rosia Montana. Austausch, Vernetzung und Wissensweitergabe über die Wi(e)deraneignung von Land und dessen Bewirtschaftung. http://www.reclaimthefields.org<br />
<br />
'''26.08.–04.09.2011''': Klimacamp im rheinischen Braunkohlerevier. http://www.klimacamp2011.de<br />
<br />
'''Ab September''': Eröffnung der WAA (Werkstatt für Alternativen und Aktionen) im rheinischen Braunkohlerevier. Dauerhaftes Programm für Weiterbildung und Austausch für klimaneutrales Leben und Aktionen gegen Klimazerstörung. http://waa.blogsport.de<br />
<br />
'''26.–29.08.2011''': Outdoor Skillsharing Camp in South Lanarkshire, Schottland von Coal Action Scotland<br />
<br />
'''05.–06.09.2011''': Innoplantaforum. Seilschaftentreffen der deutschen Gentechniklobby in Üplingen. Wie die letzten Jahre auch mit geplantem Gegenprogramm.<br />
<br />
'''09.–11.09.2011''': Rebellisches Zusammentreffen auf der Burg Lutter. Vom Ya Basta Netzwerk organisiertes Treffen, mit dem Ziel emanzipatorische Bewegungen und Ansätze zusammenzubringen und zu vernetzen. http://rebellisches.noblogs.org<br />
<br />
<br />
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<br />
<br />
[[Kategorie:Sommer 2011]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=142522011-02:Was tun wenn's grünt?2011-07-16T17:28:05Z<p>Vega: Sorry, ich bin der Autor...</p>
<hr />
<div>{{Kommentar}}<br />
== ''Der Kapitalistenstaat will kein Atomstaat bleiben und färbt sich grün. Was heißt das für die radikale Umweltbewegung?'' ==<br />
'''vega''' Die menschgemachte Tragödie von Fukushima ist bei weitem nicht zu der Wende geworden, die sie hätte sein müssen. Aber sie hat in Deutschland zu Entwicklungen geführt, auf die wir als emanzipatorische<ref>Emanzipation: Befreiung des Menschen von Herrschaft</ref> und antagonistische<ref>Antagonismus: Grundsätzlicher Widerspruch zu etwas</ref> Umweltbewegung eingehen sollten. Dieser Artikel zielt nicht auf die rege Tätigkeit an der Basis der Anti-AKW-Proteste (die ja mal wieder ein neues Level an Aktivität erreicht hat und eine Untersuchung durchaus wert wäre), sondern auf das, was auf staatsoffizieler Seite passiert. Hier sind zwei parallel zueinander laufende Entwicklungen zu beobachten. <br />
<br />
Zum einen der fortgesetzte Höhenflug der Grünen. Trotz federführender Beteiligung an der vorletzten Verlängerung der AKW-Laufzeiten, trotz weiterreichender Anti-Atomposition der Linkspartei, haben sie ganz maßgeblich von den Ereignissen profitiert – der „Markenkern“ der Parteien war wichtiger als ihre Politik. Die Grünen verzeichnen nicht nur bundesweit steigende Umfragewerte, sondern auch Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen, bis hin zum ersten grünen Ministerpräsidenten in BaWü. Der provoziert die Debatte über Schwarz-Grün auf Bundesebene, und auch wenn noch beide Seiten entsetzt dementieren, ist fraglich, wie lange das noch so sein wird. ''„Zahlreiche unüberwindlich scheinende Hürden für eine Zusammenarbeit mit der Union haben die einstigen Ökopaxe längst beiseite geräumt, indem sie während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten ihre Skrupel gegenüber deutschen Kriegsbeteiligungen, sozialem Kahlschlag und dem Abbau von Bürgerrechten überwanden. Wer Schröder, Clement und Scharping überlebt hat, hält es auch mit Merkel, Schäuble und de Maizière aus.“'' (Pascal Beucker, Jungle World 25/2011). Es wird immer klarer, wohin die Reise der Grünen geht: Von der Allianz der konservativen mit den linken/linksradikalen Umweltschützern, über die Entledigung von allen radikalen Strömungen, zu der Partei die den Kapitalismus mitgestalten darf bis hin zur Impulsgeberin und Vordenkerin des nächsten Kapitalisierungsschubes.<br/><br />
Die Grünen sind dabei nicht nur die Partei des mittelständischen Bürgertums, welches jenseits von Sozialer Frage und ernstgemeinter Kapitalismuskritik einen vermeintlich nachhaltigen Lebensstil praktizieren will (und sich das auch was kosten lässt). Wichtiger noch ist, wen die Grünen ökonomisch repräsentieren: Die Eigenheimbesitzer_innen mit Solaranlage auf dem Dach, die Biobäuer_innen, die Hersteller, Installateure und Betreiber von Solaranlagen und Windrädern – sie alle verdienen als Kapitalist_innen durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Vernutzung der Natur gutes Geld, und sie wollen eine Partei, die eine für sie günstige Politik macht. Der gleichzeitige Niedergang der FPD ist kein Zufall, sondern Symptom dafür, dass die Grünen inzwischen besser im Bedienen von Kapitalinteressen sind.<br />
<br />
Bei weitem nicht gegen alle Kapitalinteressen gerichtet ist auch die zweite Entwicklung, die „Energiewende“, ein Begriff der weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Die Kapitalist_innen, die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen (und deshalb von manchen in der Bewegung regelrecht beworben werden) haben schon immer ein wirtschaftliches Interesse die AKWs zurückzudrängen. Auch die vier großen Energieriesen pumpen große Mengen an Kapital in erneuerbare Energien. Die Frage war immer nur, wie lange sie noch mit den AKWs Geld drucken dürfen, auf das danach sind sie gut vorbereitet. Außerdem werden selbst am aufwändigen Abbau der AKWs noch andere Leute Geld verdienen (und das erworbene Know-How vielleicht eins Tages sogar exportieren können).<br/><br />
Der Atomausstieg passt also sehr gut zu der Form des Kapitalismus die wir gerade erleben. Trotzdem: Vor einen halben Jahr war ein derartig weitreichender Ausstiegsbeschluss kaum vorstellbar. Das bezieht sich weniger auf das konkrete Ausstiegsjahr 2021, als auf die Tatsache, dass 8 AKWs (fast die Hälfte!) auf einen Schlag ausgeschaltet werden und der Rest in Etappen. Sicherlich, die Forderung nach dem sofortigen weltweiten Atomausstieg hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die Verschiebung der realpolitischen Koordinaten ist dennoch erstaunlich. Das wird auch für radikale Politik Konsequenzen haben. Es ist durchaus denkbar, dass der Zulauf zu den Anti-Atomaktionen jetzt wieder abnehmen wird, auch eine stärkere Delegitimierung im bürgerlichen Diskurs ist möglich.<br/><br />
Wichtiger noch als das Ende der AKWs ist der beschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bisher erstaunlicher Weise selten kritisiert, sind diese Pläne alles andere als emanzipatorisch. Vorgesehen sind große, zentralisierte Anlagen vor allem im Norden des Landes (die Energieerzeugung würde zentralisierter erfolgen als durch die AKWs) und ein massiver Ausbau der Hochspannungsleitungen quer durchs Land. Dargestellt wird dies als die einzige mögliche Form der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier ist ein energischer Widerspruch in Theorie und Praxis nötig!<br />
<br />
Zunächst einmal war und ist die Diskussion, wie viele AKWs oder auch Windparks und Hochspannungsleitungen es brauche um „die“ Gesellschaft mit Strom zu versorgen schon immer absurd, weil nie die Frage gestellt wurde, was für eine Gesellschaft da mit Strom versorgt wird. Rüstungsindustrie, Massentierhaltung, Werbeapparate, Gefängnisse, Polizei und Militär sind nur ein paar Beispiele für Dinge, die in der bürgerlichen Gesellschaft Strom verbrauchen, nach einer Revolution aber vom Netz gehen würden ohne das sie jemand vermisst. ''"Die Versorgung von Bayer, BMW und BASF mit (bezahlbarem) Strom soll also ab sofort gemeinsames Ziel aller „Deutschen“ sein und besonders das von Atomkraftgegner_innen."''<ref>Zitiert aus "Ökostrom - zentralisiert oder selbstverwaltet?" von Floh, in der letzten Ausgabe des Grünen Blatts erschienen. Ein Artikel auf den ich später noch zu sprechen komme.</ref> Aber welches Interesse haben wir daran, dass mit Ökostrom von der Nordsee in Süddeutschland Panzer gebaut werden? <br/><br />
Auch die konkrete Produktion und Verteilung dieses Stromes wird hochgradig unsozial und unökologisch abgewickelt werden. Um das Land mit Hochspannungsmasten zuzupflastern, wird nicht nur einiges an Fläche verbraucht werden, es muss auch Eisenerz gefördert und zu Stahl geschmolzen werden – Szenen die dem deutschen Biobürgertum sicher nicht gefallen dürften, sich aber auch nicht unter ihrer Nase abspielen. Oberirdische Hochstromtrassen (die unterirdische Alternative wird aus Kostengründen kaum genutzt) führen sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z.B. erhöhten Raten von Kinderleukämie; von Geräuschbelästigung einmal abgesehen. Windräder können (je nach Standort) eine ökologische Beeinträchtigung für Vögel sein und durch Schlagschatten und Geräuschentwicklung der menschlichen Lebensqualität abträglich sein. Es gibt immer mehr unterstützenswerte Initiativen von Betroffenen, die sich gegen solche Projekte wehren. In der Diskussion um die „Energiewende“ kamen sie kaum vor, und wenn, dann um sie lächerlich zu machen. <br/><br />
Das passt gut, denn die zentralisierte Stromversorgung bedeutet zudem immer eine Zentralisierung von Macht und begünstigt dadurch eine herrschaftsförmige Organisation der Stromerzeugung. Dass früher mal um eine dezentrale regenerative Stromerzeugung gestritten wurde, erscheint heute kaum noch vorstellbar. Der Begriff des Atomstaates soll auf den Punkt bringen, dass das Kapital die AKWs nur betreiben kann, solange ihnen der Staat den Rücken freiprügelt. Über die „Energiewende“ lässt sich aber letztlich das Selbe sagen. Sie ist eben kein Programm mit dem vorrangigen Ziel, das Leben der Menschen zu verbessern (solche Programme kann es im Kapitalismus nicht geben), sie schafft vor allem dem ewig zur Suche nach Absatzmärkten verdammten Kapital neue Investitionsmöglichkeiten. <br/><br />
Unsere Kritik sollte daher nicht bei Zentralisierung stehenbleiben oder sich nur auf die Forderung nach unterirdischen Hochspannungsleitungen beschränken. Kapitalismus funktioniert auch dezentral gut, schon allein deshalb kann Dezentralisierung kein Wert für Sich sein. Genauso unsinnig erscheint mir die in der letzten Ausgabe aufgewärmte Debatte, die Öko-Stromkapitalist_innen davon überzeugen zu wollen, dass es viel besser für sie sei, nicht mehr als Kapital zu agieren, sondern zu einer Sektion der Anti-AKW-Bewegung zu werden. Hier scheint mir eine Fiktion vorzuliegen, wonach, wer sein Geld mit Erneuerbaren verdiene, eine besonders hohe Moral hätte und deshalb keinE richtiger Kapitalist_in sein könne. Es ist ein historischer und ökonomischer Fakt, dass die Vertreter_innen des Kapitals immer alles tun, um ihr Kapital zu erhalten. Die Vorstellung, dass in einer Gesellschaft die durch die abstrakt vermittelten Zwänge des Marktes strukturiert wird, mit Kapitalist_innen sachlich diskutiert werden kann, dass Kapitalist_in sein sich gar nicht für sie lohnt, erscheint mir weltfremd. Das Risiko des Scheiterns auf dem Markt gehen Kapitalist_innen notgedrungen ein, denn dafür verfügen sie über Privateigentum an Produktionsmitteln, die Arbeit anderer Menschen und die Möglichkeiten zu weitreichenden Eingriffen in die Natur. Das Kapital (auch das kleine) ist nicht Opfer des Kapitalismus, und die Profiteure des Status Quo werden sich nicht auf die Seite seiner Gegner_innen stellen. Gerade jetzt, wo eine historisch aus der Umweltbewegung hervorgegangene Partei zu einem der angesehensten Repräsentanten des Kapitals geworden ist, müssen wir grundsätzlich betonen: Der Kapitalismus in all seinen Spielarten ist das Problem, weil er auf der endlosen Anhäufung von Kapital durch Ausbeutug basiert, weil er in einer endlichen Welt endlos wachsen muss und menschliches Glück und der Schutz unserer Umwelt nicht im Mittelpunkt von Produktion und Verteilung stehen können. Wir dürfen deshalb nicht nur fragen, welche Technologie benutzt wird um Strom zu erzeugen (womit nicht geleugnet werden soll, dass auch im Kapitalismus das destruktive Potential von Windrädern kleiner ist als von AKWs). Anstatt immer nur von unbestimmt von der Zukunft der „Erneuerbaren“ zu sprechen, gehören weitere Fragen auf die Tagesordnung: Wem gehören die Anlagen? Welche Ziele haben die Betreiber_innen? Wo wird die Energie erzeugt? Wie wird sie transportiert? Welchen Einfluss haben die Betroffenen? Wofür wird der Strom produziert? Wer hat Zugang zu ihm und zu welchem Preis?<br/><br />
Wer diese Fragen herrschaftskritisch beantwortet, dürfte von allein in Opposition zu der Energiewende der Herrschenden geraten. Opposition heißt hier für mich nicht nur, sich vereinzelt Energieanlagen legal anzueignen und gegen bestimmte Formen der Energieerzeugung Widerstand zu leisten. Ziel muss sein, diese Kämpfe zuzuspitzen auf die Frage nach dem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das hinter diesen konkreten Projekten (und vielen anderen) steht, zu stellen. Egal ob Atomstaat oder Grüner Staat - wir haben es immer mit Staat und Kapital zu tun, die niemals die Verbündeten einer emanzipatorischen Bewegung werden können.<br />
<br />
<br />
{{Fußnoten}}<br />
<br />
<br />
[[Kategorie: Sommer 2011]]<br />
[[Kategorie: Artikel]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:_Offensive_Prozessf%C3%83%C2%BChrung_und_Vermittlung&diff=142472011-02: Offensive Prozessführung und Vermittlung2011-07-16T14:47:25Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>''Der folgende Text entstand bei dem ersten Laienverteidigungstreffen in der Projektwerkstatt Saasen, ausgehend von einem kollektiven Diskussionsprozess.''<br />
<br />
In den letzten Jahren wurden erfreulicherweise die Methoden der offensiven/kreativen Prozessführung in Strafverfahren zunehmend verbreitert und verbessert. Während immer mehr Menschen diese Methoden anwenden, können sie häufig nicht überzeugend nach Außen vermitteln, warum sie das tun. Wir denken, da muss sich was ändern, und wollen mit diesem Papier Denk- und Diskussionsanstöße dafür liefern. Alles was hier steht ist als These gemeint – es soll und kann keine einfache Linie vorgeben, durch deren Einhaltung alles gut wird.<br />
<br />
Auffällig sind konkret 3 Probleme, die oft zu einer Vermittlungsschwäche unserer Zusammenhänge führen:<br />
<br />
'''1. Geringes Bewusstsein der Anwender_innen offensiver Methoden warum sie diese benutzen''' <br />
In unseren kleinen Kreisen ist offensive Prozessführung inzwischen regelrecht hip. Die Entscheidung für die Methodik fällt dann gerne mal sehr schnell. Dadurch fehlt dann aber auch oft eine persönliche Reflektion über Sinn und Unsinn dieser Strategie. Die Fähigkeit, diesen Punkt dann Anderen weiter zu vermitteln, ist dementsprechend. <br/><br />
Das gilt insbesondere auch für eine eigene, grundsätzliche politische Analyse über Rolle und Charakter der Justiz, die (wenn überhaupt vorhanden) oft auf dem Niveau von gegenseitig übernommenen Schlagworten und Versatzstücken liberal-bürgerlicher Ideologie bleibt.<br />
<br />
'''2. Zu häufig reiner Konsum der Methodik statt Vorbereitung und Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall''' <br />
Es ist nicht grundsätzlich schlecht, dass die offensive Prozessführung konsumierbar ist. Damit ist z.B. gemeint, dass es inzwischen manchmal reicht, sich die fertigen Anträge von anderen auszudrucken und zu stellen, um einen Verhandlungstag platzen zu lassen. So lässt sich Zeit und Energie sparen, was durchaus sinnvoll sein kann. Aber eben gerne mal auf Kosten der Vermittelbarkeit geht.<br/><br />
Wer die Anträge die er/sie stellt nur vom flüchtigen Durchlesen am Tag davor kennt, wird ihre Inhalte oft nicht überzeugend rüberbringen können. Wer sich seine Strategie anderswo zusammenklaubt statt sie selbst zu entwickeln, wird sie häufig nicht gut begründen können. Neben dem Problem der Außenvermittlung ist dieser Aspekt selbstverständlich auch entscheidend für die Selbstsicherheit mit der Angeklagte auftreten.<br />
<br />
'''3. Abgrenzungsunschärfe ob juristisch/politische oder persönlich/emotionale Unterstützung benötigt wird'''<br />
Klingt vielleicht auf den ersten Blick nicht nach einem Problem der Vermittlung, ist es letztlich aber doch. Wenn es gut läuft (und das tut es nicht immer!) kriegen Angeklagte ein gewisses Maß und Rechtsberatung und politischer Solidarität aus unseren Zusammenhängen. Die psychologischen Seiten der Repression, der Zusammenhang der Verteidigung mit der Persönlichkeit der Angeklagten usw. bleibt dagegen oft auf der Strecke. Wer sich mit einem Verfahren einfach nur schlecht fühlt, aus psychologischen Gründen nicht richtig vorbereiten kann, etc. wird auch keine gute Öffentlichkeitsarbeit machen können.<br />
<br />
<br />
Letztlich ist es so, dass Personen die nicht zum engsten Szenekreis gehören (seien es bürgerliche Unterstützer_innen oder „Laufkundschaft“) nach einem offensiv geführten Prozess oft mit wenig Verständnis und vielen Fragen den Heimweg antreten. <br />
<br />
Unklar ist beispielsweise häufig/ immer wieder/ manchmal:<br />
<br />
Wozu die ganzen sinnlosen Anträge? Geht es wirklich um den Inhalt oder um das Nerven?<br />
Warum erzählt die Angeklagte so wahnsinnig viel, was zwar interessant ist, aber irgendwie komisch an dieser Stelle erscheint?<br />
Warum nervt das Publikum so? Bringt das was? Gefährdet das nicht die Angeklagte?<br />
Darf die Richterin / die Justizwachtmeister_innen das?<br />
Wie sollte das Verhältnis zwischen Polizei und Justiz sein? Also eigentlich? <br />
<br />
Was zur Hölle tun die da? Die reden ja mit Richtern! Machen die etwa Aussagen zum Vorwurf? Die benutzen ihre Rechte um einen Gerichtsablauf zu stören, dass kann ja nicht sein, dass die unsere Rechte so misshandeln. Die sollen mal froh sein, dass die sich in Deutschland verteidigen dürfen. In anderen Ländern ist ja alles viel schlimmer. Wohin soll das alles führen? Aber ihr habt doch Grundrechte, seid doch froh, dass wir so etwas haben. Ihr beschmutzt damit unser Rechtssystem.<br />
<br />
Auf diese Fragen wollen wir an dieser Stelle keine Antworten formulieren, dafür verweisen wir auf das Flugblatt „Hallo...? Geht’s noch? Zur Vermittlung möglicherweise unkonventioneller Prozesstrategien“.<br />
<br />
Soweit die Kritik am Ist-Zustand. Wir wollen im folgenden ein paar Lösungsansätze vorschlagen:<br />
<br />
'''Bessere Anträge'''<br />
Einiges was wir schreiben ist juristisch schon ziemlich gut. Dafür hat es keinen über Juristerei hinausgehenden Inhalt. Das führt dann häufig zu einer ziemlich langweiligen Dramaturgie, und ist für Viele die nicht eh schon von offensiver Prozessführung überzeugt sind, unverständlich. Verfahren sollten nicht nur juristisch, sondern auch politisch gewonnen werden. Anträge sollten daher auch über den formaljuristischen Rahmen hinausgehen. Unsere Inhalte sind dabei nicht nur der politische Kontext der kriminalisierten Aktionen, sondern auch die Begründung für unsere Strategie vor Gericht.<br />
<br />
'''Freies Reden verbessern / spontanes Agieren erlernen'''<br />
Naturgemäß fällt es unterschiedlichen Menschen unterschiedlich schwer, schlagfertig auf das Agieren der Gerichte zu reagieren. In jedem Fall ist es für die Vermittlung lohnend, sich diese Fähigkeiten so weit es eben geht anzueignen.<br />
<br />
'''Zwischenrufe aus dem Publikum'''<br />
Auch hier sollte reflektiert werden, was zu einer Vermittlung an Außenstehende beiträgt, und was nicht.<br />
<br />
'''Diskussionsverhalten''' <br />
Wir sollten da wo es notwendig erscheint, untereinander solidarische Kritik an der Art und Weise üben, wie (offensive) Prozesse von uns geführt werden.<br />
Wir brauchen eine Debatte über Sinn und Unsinn offensiver Prozessführung, über unsere Ziele und die unterschiedlichen Analyen von und Kritik am Justizapparat. <br />
Wir brauchen eine bessere Streitkultur und einen inhaltlichen Austausch untereinander.<br />
<br />
'''Materialen für die Außenarbeit erstellen''' <br />
Das gilt sowohl für den formalen Ablauf eines Gerichtsprozesses, als auch für die inhaltliche Begründung der Offensiv-Strategie. Denkbar wäre z.B. ein Flugblatt, was sich an die Beobachter_innen eines Gerichtsprozesses richtet. Anfänge hierfür wurden schon gemacht.<br />
<br />
'''Emotionalen Support verbessern''' <br />
<br />
'''Neue Rolle: Vermittler'''<br />
So wie es bei vielen Prozessen Menschen gibt, die sich z.B. für das Schreiben des Protokolls verantwortlich fühlen, sollte es routiniert Personen geben, die gezielt mit dem Publikum das Gespräch suchen und ihnen die Art und Weise der Prozessführung erklären.<br />
<br />
Der Vollständigkeit halber an dieser Stelle auch noch eine Aufzählung weiterer Rollen, die sich bereits bewährt haben: Pressekontakt, Ablaufprotokoll, Zitateprotokoll (um in Befangenheitsanträgen oder Pressearbeit wörtliche Zitate von Richter_innen und Staatsanwält_innen verwenden zu können), Zeugengespräche verhindern durch auf dem Gang sitzen, Rauswürfe beobachten (evtl. Justizwachtmeister/ Polizei fotografieren, dokumentieren), Zwischenrufe (Nerven, rauswerfen lassen, Pausen erzwingen, Gründe und Vorgänge produzieren mit denen Angeklagte weiterarbeiten können), Mahnwache vor dem Gericht.<br />
<br />
'''Publikumstraining''' <br />
Für Prozessinteressierte die keine Lust/Zeit auf ein komplettes Prozesstraining haben, können kurze, reine Publikumstrainings angeboten werden.<br />
<br />
<br />
Über das Nennen dieser formalen Ansätze hinaus sollten wir aber auch stärker diskutieren, welche Ziele und Analysen wir mit der offensiven Prozessführung verbinden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den konkreten Zielen einerseits, und andererseits den politischen Einschätzungen, die dazu führen, eine Strategie zu wählen, die in der Regel mit der Autorität des Gerichts in Konflikt gerät. <br />
Konkrete Ziele können z.B. sein:<br />
<br />
Einstellung des Verfahrens (des eigenen oder anderer)<br/><br />
Angst nehmen, Aktionsfähigkeit erhöhen<br/><br />
Lehren für künftige Aktionen ziehen<br/><br />
Unregierbar sein<br/><br />
Obrigkeit anzweifeln<br/><br />
Herrschaft enttarnen<br/><br />
Unruhe stiften<br/><br />
Normalität durchbrechen<br/><br />
Eigene Zurichtung überwinden <br/><br />
Konsequent handeln und Integrität wahren, letztlich widerständig bleiben<br/><br />
Motivation schöpfen<br/><br />
Geschehen lenken und inhaltlich gestalten<br/><br />
Utopien benennen<br/><br />
Die Möglichkeit der Verbindung von effektiver Einzelfallverteidigung und Gesellschaftskritik <br/><br />
Justizbetrieb ins Stocken bringen<br/><br />
<br />
Mögliche Elemente einer Kritik, vor deren Hintergrund eine offensive Prozesstrategie gewählt wird, können unter anderem sein:<br />
<br />
Steuergeldverschwendung durch Justiz<br/><br />
Permanenter Rechtsbruch<br/><br />
Urteilsfabrik <br/><br />
Kriminalisierung sozialer Bewegungen<br/><br />
Bejahung von staatlichen Gewaltverhältnissen / Staatslogik<br/><br />
Waffen- bzw. gewaltgestützter Apparat<br/><br />
Strafe als Konzept bekloppt<br/><br />
Zerstörung von Existenzen<br/><br />
Binäres Weltbild, schwarz-weiß-Logik<br/><br />
Schützt Eliten<br/><br />
Antiemanzipatorisch weil keine Konfliktlösung und keine Verbesserungen für die Zukunft<br/><br />
Gesetze sind doof weil Verregelung des gesellschaftlichen Lebens von Oben anstatt Freier Menschen in Freien Vereinbarungen<br/><br />
Teil des Machtapparates, Aufrechterhaltung des Status Quo / bestehender Herrschaftsverhältnisse<br/><br />
Schützt die Grundlagen des Kapitals wie z.B. das Privateigentum<br/><br />
Kapitalistische Gesellschaften sind grundsätzlich gewaltförmig (z.B. wegen Ausschluss Vieler vom gesellschaftlichen Reichtum, und erzwungener Konkurrenz), Gerichte wenden also gegen die Folgen des eigenen Handelns stumpf noch mehr Gewalt an<br/><br />
Doofe Klamotten<br />
<br />
<br />
Auch wenn es einigen in unseren Zusammenhängen wichtig ist, beinhaltet die Entscheidung für eine offensive Prozessführung nicht automatisch eine Ablehnung der Justiz an sich. Argumente wie das Verschwenden von Steuergeldern und die Kritik an den Fließbandbetrieb in den Gerichten mögen gut begründbar sein, stellen aber allein genommen nicht die Justiz an sich, sondern nur ihre konkrete Form in Frage sein. Auch die Kritik an Rechtsbrüchen durch Richter_innen und Kriminalisierung bedarf einer gewissen Zuspitzung, um wirklich in einer radikalen Gesellschaftskritik zu münden.<br/><br />
Zwischen dem Einfordern von Rechten sowie Verweisen auf demokratische Gepflogenheiten und tatsächlich radikaler Justiz-kritik und –ablehnung in Zusammenhang mit revolutionärer Politik liegt ein großer Unterschied, der oft von uns unterschätzt wird. Wer aber eine solche radikale Kritik vertritt, und sich vor Gericht (sinnvollerweise) dennoch auf die Gesetze des Staates beruft, bewegt sich in einem Widerspruch, der vielen betroffenen nicht bewusst ist. Der Umgang mit diesem Widerspruch ist daher häufig entsprechend unbefriedigend. <br/><br />
Die Schaffung von mehr Bewusstsein von uns und anderen in Bezug auf Inhalt und Notwendigkeit einer radikalen Kritik, erscheint dringend notwendig.</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=142442011-02:Was tun wenn's grünt?2011-07-16T13:06:02Z<p>Vega: Kommentarkasten</p>
<hr />
<div>{{Kommentar}}<br />
== ''Der Kapitalistenstaat will kein Atomstaat bleiben und färbt sich grün. Was heißt das für die radikale Umweltbewegung?'' ==<br />
<br />
<br />
Die menschgemachte Tragödie von Fukushima ist bei weitem nicht zu der Wende geworden, die sie hätte sein müssen. Aber sie hat in Deutschland zu Entwicklungen geführt, auf die wir als emanzipatorische<ref>Emanzipation: Befreiung des Menschen von Herrschaft</ref> und antagonistische<ref>Antagonismus: Grundsätzlicher Widerspruch zu etwas</ref> Umweltbewegung eingehen sollten. Dieser Artikel zielt nicht auf die rege Tätigkeit an der Basis der Anti-AKW-Proteste (die ja mal wieder ein neues Level an Aktivität erreicht hat und eine Untersuchung durchaus wert wäre), sondern auf das, was auf staatsoffizieler Seite passiert. Hier sind zwei parallel zueinander laufende Entwicklungen zu beobachten. <br />
<br />
Zum einen der fortgesetzte Höhenflug der Grünen. Trotz federführender Beteiligung an der vorletzten Verlängerung der AKW-Laufzeiten, trotz weiterreichender Anti-Atomposition der Linkspartei, haben sie ganz maßgeblich von den Ereignissen profitiert – der „Markenkern“ der Parteien war wichtiger als ihre Politik. Die Grünen verzeichnen nicht nur bundesweit steigende Umfragewerte, sondern auch Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen, bis hin zum ersten grünen Ministerpräsidenten in BaWü. Der provoziert die Debatte über Schwarz-Grün auf Bundesebene, und auch wenn noch beide Seiten entsetzt dementieren, ist fraglich, wie lange das noch so sein wird. ''„Zahlreiche unüberwindlich scheinende Hürden für eine Zusammenarbeit mit der Union haben die einstigen Ökopaxe längst beiseite geräumt, indem sie während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten ihre Skrupel gegenüber deutschen Kriegsbeteiligungen, sozialem Kahlschlag und dem Abbau von Bürgerrechten überwanden. Wer Schröder, Clement und Scharping überlebt hat, hält es auch mit Merkel, Schäuble und de Maizière aus.“'' (Pascal Beucker, Jungle World 25/2011). Es wird immer klarer, wohin die Reise der Grünen geht: Von der Allianz der konservativen mit den linken/linksradikalen Umweltschützern, über die Entledigung von allen radikalen Strömungen, zu der Partei die den Kapitalismus mitgestalten darf bis hin zur Impulsgeberin und Vordenkerin des nächsten Kapitalisierungsschubes.<br/><br />
Die Grünen sind dabei nicht nur die Partei des mittelständischen Bürgertums, welches jenseits von Sozialer Frage und ernstgemeinter Kapitalismuskritik einen vermeintlich nachhaltigen Lebensstil praktizieren will (und sich das auch was kosten lässt). Wichtiger noch ist, wen die Grünen ökonomisch repräsentieren: Die Eigenheimbesitzer_innen mit Solaranlage auf dem Dach, die Biobäuer_innen, die Hersteller, Installateure und Betreiber von Solaranlagen und Windrädern – sie alle verdienen als Kapitalist_innen durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Vernutzung der Natur gutes Geld, und sie wollen eine Partei, die eine für sie günstige Politik macht. Der gleichzeitige Niedergang der FPD ist kein Zufall, sondern Symptom dafür, dass die Grünen inzwischen besser im Bedienen von Kapitalinteressen sind.<br />
<br />
Bei weitem nicht gegen alle Kapitalinteressen gerichtet ist auch die zweite Entwicklung, die „Energiewende“, ein Begriff der weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Die Kapitalist_innen, die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen (und deshalb von manchen in der Bewegung regelrecht beworben werden) haben schon immer ein wirtschaftliches Interesse die AKWs zurückzudrängen. Auch die vier großen Energieriesen pumpen große Mengen an Kapital in erneuerbare Energien. Die Frage war immer nur, wie lange sie noch mit den AKWs Geld drucken dürfen, auf das danach sind sie gut vorbereitet. Außerdem werden selbst am aufwändigen Abbau der AKWs noch andere Leute Geld verdienen (und das erworbene Know-How vielleicht eins Tages sogar exportieren können).<br/><br />
Der Atomausstieg passt also sehr gut zu der Form des Kapitalismus die wir gerade erleben. Trotzdem: Vor einen halben Jahr war ein derartig weitreichender Ausstiegsbeschluss kaum vorstellbar. Das bezieht sich weniger auf das konkrete Ausstiegsjahr 2021, als auf die Tatsache, dass 8 AKWs (fast die Hälfte!) auf einen Schlag ausgeschaltet werden und der Rest in Etappen. Sicherlich, die Forderung nach dem sofortigen weltweiten Atomausstieg hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die Verschiebung der realpolitischen Koordinaten ist dennoch erstaunlich. Das wird auch für radikale Politik Konsequenzen haben. Es ist durchaus denkbar, dass der Zulauf zu den Anti-Atomaktionen jetzt wieder abnehmen wird, auch eine stärkere Delegitimierung im bürgerlichen Diskurs ist möglich.<br/><br />
Wichtiger noch als das Ende der AKWs ist der beschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bisher erstaunlicher Weise selten kritisiert, sind diese Pläne alles andere als emanzipatorisch. Vorgesehen sind große, zentralisierte Anlagen vor allem im Norden des Landes (die Energieerzeugung würde zentralisierter erfolgen als durch die AKWs) und ein massiver Ausbau der Hochspannungsleitungen quer durchs Land. Dargestellt wird dies als die einzige mögliche Form der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier ist ein energischer Widerspruch in Theorie und Praxis nötig!<br />
<br />
Zunächst einmal war und ist die Diskussion, wie viele AKWs oder auch Windparks und Hochspannungsleitungen es brauche um „die“ Gesellschaft mit Strom zu versorgen schon immer absurd, weil nie die Frage gestellt wurde, was für eine Gesellschaft da mit Strom versorgt wird. Rüstungsindustrie, Massentierhaltung, Werbeapparate, Gefängnisse, Polizei und Militär sind nur ein paar Beispiele für Dinge, die in der bürgerlichen Gesellschaft Strom verbrauchen, nach einer Revolution aber vom Netz gehen würden ohne das sie jemand vermisst. ''"Die Versorgung von Bayer, BMW und BASF mit (bezahlbarem) Strom soll also ab sofort gemeinsames Ziel aller „Deutschen“ sein und besonders das von Atomkraftgegner_innen."''<ref>Zitiert aus "Ökostrom - zentralisiert oder selbstverwaltet?" von Floh, in der letzten Ausgabe des Grünen Blatts erschienen. Ein Artikel auf den ich später noch zu sprechen komme.</ref> Aber welches Interesse haben wir daran, dass mit Ökostrom von der Nordsee in Süddeutschland Panzer gebaut werden? <br/><br />
Auch die konkrete Produktion und Verteilung dieses Stromes wird hochgradig unsozial und unökologisch abgewickelt werden. Um das Land mit Hochspannungsmasten zuzupflastern, wird nicht nur einiges an Fläche verbraucht werden, es muss auch Eisenerz gefördert und zu Stahl geschmolzen werden – Szenen die dem deutschen Biobürgertum sicher nicht gefallen dürften, sich aber auch nicht unter ihrer Nase abspielen. Oberirdische Hochstromtrassen (die unterirdische Alternative wird aus Kostengründen kaum genutzt) führen sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z.B. erhöhten Raten von Kinderleukämie; von Geräuschbelästigung einmal abgesehen. Windräder können (je nach Standort) eine ökologische Beeinträchtigung für Vögel sein und durch Schlagschatten und Geräuschentwicklung der menschlichen Lebensqualität abträglich sein. Es gibt immer mehr unterstützenswerte Initiativen von Betroffenen, die sich gegen solche Projekte wehren. In der Diskussion um die „Energiewende“ kamen sie kaum vor, und wenn, dann um sie lächerlich zu machen. <br/><br />
Das passt gut, denn die zentralisierte Stromversorgung bedeutet zudem immer eine Zentralisierung von Macht und begünstigt dadurch eine herrschaftsförmige Organisation der Stromerzeugung. Dass früher mal um eine dezentrale regenerative Stromerzeugung gestritten wurde, erscheint heute kaum noch vorstellbar. Der Begriff des Atomstaates soll auf den Punkt bringen, dass das Kapital die AKWs nur betreiben kann, solange ihnen der Staat den Rücken freiprügelt. Über die „Energiewende“ lässt sich aber letztlich das Selbe sagen. Sie ist eben kein Programm mit dem vorrangigen Ziel, das Leben der Menschen zu verbessern (solche Programme kann es im Kapitalismus nicht geben), sie schafft vor allem dem ewig zur Suche nach Absatzmärkten verdammten Kapital neue Investitionsmöglichkeiten. <br/><br />
Unsere Kritik sollte daher nicht bei Zentralisierung stehenbleiben oder sich nur auf die Forderung nach unterirdischen Hochspannungsleitungen beschränken. Kapitalismus funktioniert auch dezentral gut, schon allein deshalb kann Dezentralisierung kein Wert für Sich sein. Genauso unsinnig erscheint mir die in der letzten Ausgabe aufgewärmte Debatte, die Öko-Stromkapitalist_innen davon überzeugen zu wollen, dass es viel besser für sie sei, nicht mehr als Kapital zu agieren, sondern zu einer Sektion der Anti-AKW-Bewegung zu werden. Hier scheint mir eine Fiktion vorzuliegen, wonach, wer sein Geld mit Erneuerbaren verdiene, eine besonders hohe Moral hätte und deshalb keinE richtiger Kapitalist_in sein könne. Es ist ein historischer und ökonomischer Fakt, dass die Vertreter_innen des Kapitals immer alles tun, um ihr Kapital zu erhalten. Die Vorstellung, dass in einer Gesellschaft die durch die abstrakt vermittelten Zwänge des Marktes strukturiert wird, mit Kapitalist_innen sachlich diskutiert werden kann, dass Kapitalist_in sein sich gar nicht für sie lohnt, erscheint mir weltfremd. Das Risiko des Scheiterns auf dem Markt gehen Kapitalist_innen notgedrungen ein, denn dafür verfügen sie über Privateigentum an Produktionsmitteln, die Arbeit anderer Menschen und die Möglichkeiten zu weitreichenden Eingriffen in die Natur. Das Kapital (auch das kleine) ist nicht Opfer des Kapitalismus, und die Profiteure des Status Quo werden sich nicht auf die Seite seiner Gegner_innen stellen. Gerade jetzt, wo eine historisch aus der Umweltbewegung hervorgegangene Partei zu einem der angesehensten Repräsentanten des Kapitals geworden ist, müssen wir grundsätzlich betonen: Der Kapitalismus in all seinen Spielarten ist das Problem, weil er auf der endlosen Anhäufung von Kapital durch Ausbeutug basiert, weil er in einer endlichen Welt endlos wachsen muss und menschliches Glück und der Schutz unserer Umwelt nicht im Mittelpunkt von Produktion und Verteilung stehen können. Wir dürfen deshalb nicht nur fragen, welche Technologie benutzt wird um Strom zu erzeugen (womit nicht geleugnet werden soll, dass auch im Kapitalismus das destruktive Potential von Windrädern kleiner ist als von AKWs). Anstatt immer nur von unbestimmt von der Zukunft der „Erneuerbaren“ zu sprechen, gehören weitere Fragen auf die Tagesordnung: Wem gehören die Anlagen? Welche Ziele haben die Betreiber_innen? Wo wird die Energie erzeugt? Wie wird sie transportiert? Welchen Einfluss haben die Betroffenen? Wofür wird der Strom produziert? Wer hat Zugang zu ihm und zu welchem Preis?<br/><br />
Wer diese Fragen herrschaftskritisch beantwortet, dürfte von allein in Opposition zu der Energiewende der Herrschenden geraten. Opposition heißt hier für mich nicht nur, sich vereinzelt Energieanlagen legal anzueignen und gegen bestimmte Formen der Energieerzeugung Widerstand zu leisten. Ziel muss sein, diese Kämpfe zuzuspitzen auf die Frage nach dem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das hinter diesen konkreten Projekten (und vielen anderen) steht, zu stellen. Egal ob Atomstaat oder Grüner Staat - wir haben es immer mit Staat und Kapital zu tun, die niemals die Verbündeten einer emanzipatorischen Bewegung werden können.<br />
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{{Fußnoten}}<br />
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[[Kategorie: Sommer 2011]]<br />
[[Kategorie: Artikel]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=14218Diskussion:2011-02:Was tun wenn's grünt?2011-07-15T20:27:07Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>'''Kommentar zu "Was tun wenns grünt?"'''<br />
''Floh'' In meinem Artikel "Ökostrom, selbstverwaltet, oder zentralisiert" wollte ich genau aufzeigen, dass es genausowenig nur eine Dezentralisierung der Stromerzeugung ist, wie die bloße Nachhaltigkeit derselben, die das Ziel emanzipatorischer Bewegung sein sollte, sondern vor allem die Rahmenbedingungen in Frage zu stellen. Also die Fragen: Wofür wird Strom erzeugt, und wer entscheidet das. Um die kapitalistischen Wirtschaftsbedingungen und einer Kritik an ihnen kommt mensch bei diesen Fragestellungen sicher nicht herum. Da bin ich einer Meinung mit "Vega" und schrieb deshalb in dem oben genannten Artikel: "Utopischer Ökostrom von unten - Möglich nur innerhalb Strukturen die nicht auf Wert- und Privatbesitzlogiken beruhen". Darlegen wollte ich warum ich glaube, dass es aber AUCH um eine Dezentralisierung geht, worin ich die praktische Vorraussetzung (zumindest aber Erleichterung) von Entscheidungsfindungen von unten sehe. Der zitierte Text aus der Ö-Punkte der kritisiert wurde, wurde meiner Meinung nach falsch aufgefasst. Den Vorschlag verstehe ich nicht als das Ziel kapitalistische Aktuer_innen zu überzeugen, sich freiwillig aus der Marktkonkurenz zu verabschieden, sondern relativ selbstorganisierte Initiativen, die in erster Linie aus idealistischen und nicht aus wirtschaftlichen Motivationen die Produktion von Ökostrom organisierten (beispielsweise die Stromrebellen Schönau), davon zu überzeugen sich gar nicht erst auf die Marktlogiken einzulassen, genau weil diese Logiken zu den von Vega beschriebenen Mechanismen führen.<br />
<br />
Eine interessante Debatte hingegen finde ich, wie weit der Ansatz verfolgt werden sollte, im Hier und Jetzt, rechtliche Rahmenbedingungen zu suchen, innerhalb derer eine nicht auf Wertvermehrung ausgerichtete Stromproduktion möglich ist. Auf der einen Seite ist klar, dass es auch hier im Falschen das Richtige nicht gibt. So müssen die Anlagen vom kapitalistischen Markt erworben werden, und diese Kosten müssen irgendwie von den Verbraucher_innen oder den Organisator_innen aufgebracht werden. Die Gefahr besteht, dass im organisieren solcher Konzepte, die Frage der Rahmenbedingungen und der Besitzverhältnisse aus dem Auge verloren werden.<br />
<br />
Vergleichbar wären solche Konzepte, in verschiedenen Varianten, mit dem Mietshäusersyndikat, oder der Stiftung Freiräume. Dass diese legalistischen Lösungen (vor allem das Mietshäusersyndikat) teilweise der Hausbesetzer_innenbewegung den Wind aus den Segeln nahm, und so die Frage nach den Eigentumsverhältnissen abschwächte ist eine berechtigte Kritik. Dass durch die Konzepte aber langfristig kapitalistische Sachzwänge abgemindert werden, und offener Raum für eine kontinuierliche politische Organisierung geschaffen wird (vor allem bei Projekten mit dem Konzept der Stiftung Freiräume) hat langfristig auch einen hohen Nutzen. <br />
<br />
In diesem Konflikt müssen solche Konzepte also gesehen werden. Rechtliche Rahmen für selbstorganisierte Stromerzeugung würden beispielsweise den Sachzwang aufheben für die Nutzung von Strom Geld in den kapitalistischen Markt zu pumpen.<br />
<br />
<br />
'''Antwort''' <br />
''Vega'' Trotz Übereinstimmung mit Floh in fast allen Punkten, zeigt mir gerade die obenstehende Antwort, dass meine Kritik an dem Ö-Punkte-Konzept nicht Resultat eines Mißverständnisses war, sondern mit jedem Satz die Sache trifft. Es kann kein Außen zu kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Strukturen geben, solange nicht im großen Stil Produktionsmittel vergesellschaftet wurden. Einfach nur die Binnenstruktur von Kapital zu ändern, verändert seine Funktionsweise als Kapital nicht. Konkretes Beispiel: Meine finanzielle Situation ist gerade beschißen. Wenn ich deshalb aber die EWS nicht bezahle, werden sie mir den Strom abdrehen. In einem Einzelfall könnten sie vielleicht drauf verzichten, aber ich bin kein Einzelfall (in Deutschland sinken die Löhne aktuell...). Würde die EWS alle mit Strom beliefern die nicht zahlen können, müssten sie irgendwann den Laden dichtmachen, weil sie laufende Kosten (Löhne, Errichtungs- und Instandhaltungskosten für Anlagen,...) nicht zahlen können. Wenn die EWS jetzt ein Plenum mit allen Beschäftigten machen würde, könnten sie dann dort 5 mal durchdiskutieren ob sie lieber Strom abdrehen oder den Laden dichtmachen - andere Optionen gewinnen sie dadurch nicht. Sie können sich auch nochmal mit allen Produzenten und Konsumenten (also auch mir) zusammensetzen und diskutieren ob mensch lieber Strom abdreht oder den Laden dichtmacht - auch dadurch ändert sich nichts. Ändern tut sich an dieser Situation erst etwas, wenn alle Industrien zur Herrstellung und Wartung der Anlagen und Lebensmittel ihre Produkte der Allgemeinheit zur Verfügung stellen - was erst nach einer Revolutionierung der gesamten Gesellschaft möglich sein wird. <br />
<br />
Es ist dennoch sinnvoll, sich Anlagen zur Stromerzeugung legal anzueignen. Aber nicht um eine befreite Gesellschaft vorwegzunehmen, sondern um die Strukturen zu stärken, von denen aus eine emanzipatorisch-revolutionäre Bewegung operiert. Die Widersprüche hierbei hat Floh richtig benannt.</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:_Offensive_Prozessf%C3%83%C2%BChrung_und_Vermittlung&diff=140402011-02: Offensive Prozessführung und Vermittlung2011-07-02T16:01:50Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>''Der folgende Text entstand bei dem ersten Laienverteidigungstreffen in der Projektwerkstatt Saasen, ausgehend von einem kollektiven Diskussionsprozess.''<br />
<br />
In den letzten Jahren wurden erfreulicherweise die Methoden der offensiven/kreativen Prozessführung in Strafverfahren zunehmend verbreitert und verbessert. Während immer mehr Menschen diese Methoden anwenden, können sie häufig nicht überzeugend nach Außen vermitteln, warum sie das tun. Wir denken, da muss sich was ändern, und wollen mit diesem Papier Denk- und Diskussionsanstöße dafür liefern. Alles was hier steht ist als These gemeint – es soll und kann keine einfache Linie vorgeben, durch deren Einhaltung alles gut wird.<br />
<br />
Auffällig sind konkret 3 Probleme, die oft zu einer Vermittlungsschwäche unserer Zusammenhänge führen:<br />
<br />
'''1. Geringes Bewusstsein der Anwender_innen offensiver Methoden warum sie diese benutzen''' <br />
In unseren kleinen Kreisen ist offensive Prozessführung inzwischen regelrecht hip. Die Entscheidung für die Methodik fällt dann gerne mal sehr schnell. Dadurch fehlt dann aber auch oft eine persönliche Reflektion über Sinn und Unsinn dieser Strategie. Die Fähigkeit, diesen Punkt dann Anderen weiter zu vermitteln, ist dementsprechend. <br/><br />
Das gilt insbesondere auch für eine eigene, grundsätzliche politische Analyse über Rolle und Charakter der Justiz, die (wenn überhaupt vorhanden) oft auf dem Niveau von gegenseitig übernommenen Schlagworten und Versatzstücken liberal-bürgerlicher Ideologie bleibt.<br />
<br />
'''2. Zu häufig reiner Konsum der Methodik statt Vorbereitung und Auseinandersetzung mit dem konkreten Fall''' <br />
Es ist nicht grundsätzlich schlecht, dass die offensive Prozessführung konsumierbar ist. Damit ist z.B. gemeint, dass es inzwischen manchmal reicht, sich die fertigen Anträge von anderen auszudrucken und zu stellen, um einen Verhandlungstag platzen zu lassen. So lässt sich Zeit und Energie sparen, was durchaus sinnvoll sein kann. Aber eben gerne mal auf Kosten der Vermittelbarkeit geht.<br/><br />
Wer die Anträge die er/sie stellt nur vom flüchtigen Durchlesen am Tag davor kennt, wird ihre Inhalte oft nicht überzeugend rüberbringen können. Wer sich seine Strategie anderswo zusammenklaubt statt sie selbst zu entwickeln, wird sie häufig nicht gut begründen können. Neben dem Problem der Außenvermittlung ist dieser Aspekt selbstverständlich auch entscheidend für die Selbstsicherheit mit der Angeklagte auftreten.<br />
<br />
'''3. Abgrenzungsunschärfe ob juristisch/politische oder persönlich/emotionale Unterstützung benötigt wird'''<br />
Klingt vielleicht auf den ersten Blick nicht nach einem Problem der Vermittlung, ist es letztlich aber doch. Wenn es gut läuft (und das tut es nicht immer!) kriegen Angeklagte ein gewisses Maß und Rechtsberatung und politischer Solidarität aus unseren Zusammenhängen. Die psychologischen Seiten der Repression, der Zusammenhang der Verteidigung mit der Persönlichkeit der Angeklagten usw. bleibt dagegen oft auf der Strecke. Wer sich mit einem Verfahren einfach nur schlecht fühlt, aus psychologischen Gründen nicht richtig vorbereiten kann, etc. wird auch keine gute Öffentlichkeitsarbeit machen können.<br />
<br />
<br />
Letztlich ist es so, dass Personen die nicht zum engsten Szenekreis gehören (seien es bürgerliche Unterstützer_innen oder „Laufkundschaft“) nach einem offensiv geführten Prozess oft mit wenig Verständnis und vielen Fragen den Heimweg antreten. <br />
<br />
Unklar ist beispielsweise häufig/ immer wieder/ manchmal:<br />
<br />
Wozu die ganzen sinnlosen Anträge? Geht es wirklich um den Inhalt oder um das Nerven?<br />
Warum erzählt die Angeklagte so wahnsinnig viel, was zwar interessant ist, aber irgendwie komisch an dieser Stelle erscheint?<br />
Warum nervt das Publikum so? Bringt das was? Gefährdet das nicht die Angeklagte?<br />
Darf die Richterin / die Justizwachtmeister_innen das?<br />
Wie sollte das Verhältnis zwischen Polizei und Justiz sein? Also eigentlich? <br />
<br />
Was zur Hölle tun die da? Die reden ja mit Richtern! Machen die etwa Aussagen zum Vorwurf? Die benutzen ihre Rechte um einen Gerichtsablauf zu stören, dass kann ja nicht sein, dass die unsere Rechte so misshandeln. Die sollen mal froh sein, dass die sich in Deutschland verteidigen dürfen. In anderen Ländern ist ja alles viel schlimmer. Wohin soll das alles führen? Aber ihr habt doch Grundrechte, seid doch froh, dass wir so etwas haben. ihr beschmutzt damit unser Rechtssystem.<br />
<br />
Auf diese Fragen wollen wir an dieser Stelle keine Antworten formulieren, dafür verweisen wir auf das Flugblatt „Hallo...? Geht’s noch? Zur Vermittlung möglicherweise unkonventioneller Prozesstrategien“.<br />
<br />
Soweit die Kritik am Ist-Zustand. Wir wollen im folgenden ein paar Lösungsansätze vorschlagen:<br />
<br />
'''Bessere Anträge'''<br />
Einiges was wir schreiben ist juristisch schon ziemlich gut. Dafür hat es keinen über Juristerei hinausgehenden Inhalt. Das führt dann häufig zu einer ziemlich langweiligen Dramaturgie, und ist für Viele die nicht eh schon von offensiver Prozessführung überzeugt sind, unverständlich. Verfahren sollten nicht nur juristisch, sondern auch politisch gewonnen werden. Anträge sollten daher auch über den formaljuristischen Rahmen hinausgehen. Unsere Inhalte sind dabei nicht nur der politische Kontext der kriminalisierten Aktionen, sondern auch die Begründung für unsere Strategie vor Gericht.<br />
<br />
'''Freies Reden verbessern / spontanes Agieren erlernen'''<br />
Naturgemäß fällt es unterschiedlichen Menschen unterschiedlich schwer, schlagfertig auf das Agieren der Gerichte zu reagieren. In jedem Fall ist es für die Vermittlung lohnend, sich diese Fähigkeiten so weit es eben geht anzueignen.<br />
<br />
'''Zwischenrufe aus dem Publikum'''<br />
Auch hier sollte reflektiert werden, was zu einer Vermittlung an Außenstehende beiträgt, und was nicht.<br />
<br />
'''Diskussionsverhalten''' <br />
Wir sollten da wo es notwendig erscheint, untereinander solidarische Kritik an der Art und Weise üben, wie (offensive) Prozesse von uns geführt werden.<br />
Wir brauchen eine Debatte über Sinn und Unsinn offensiver Prozessführung, über unsere Ziele und die unterschiedlichen Analyen von und Kritik am Justizapparat. <br />
Wir brauchen eine bessere Streitkultur und einen inhaltlichen Austausch untereinander.<br />
<br />
'''Materialen für die Außenarbeit erstellen''' <br />
Das gilt sowohl für den formalen Ablauf eines Gerichtsprozesses, als auch für die inhaltliche Begründung der Offensiv-Strategie. Denkbar wäre z.B. ein Flugblatt, was sich an die Beobachter_innen eines Gerichtsprozesses richtet. Anfänge hierfür wurden schon gemacht.<br />
<br />
'''Emotionalen Support verbessern''' <br />
<br />
'''<br />
Neue Rolle: Vermittler'''<br />
So wie es bei vielen Prozessen Menschen gibt, die sich z.B. für das Schreiben des Protokolls verantwortlich fühlen, sollte es routiniert Personen geben, die gezielt mit dem Publikum das Gespräch suchen und ihnen die Art und Weise der Prozessführung erklären.<br />
<br />
Der Vollständigkeit halber an dieser Stelle auch noch eine Aufzählung weiterer Rollen, die sich bereits bewährt haben: Pressekontakt, Ablaufprotokoll, Zitateprotokoll (um in Befangenheitsanträgen oder Pressearbeit wörtliche Zitate von Richter_innen und Staatsanwält_innen verwenden zu können), Zeugengespräche verhindern durch auf dem Gang sitzen, Rauswürfe beobachten (evtl. Justizwachtmeister/ Polizei fotografieren, dokumentieren), Zwischenrufe (Nerven, rauswerfen lassen, Pausen erzwingen, Gründe und Vorgänge produzieren mit denen Angeklagte weiterarbeiten können), Mahnwache vor dem Gericht.<br />
<br />
'''Publikumstraining''' <br />
Für Prozessinteressierte die keine Lust/Zeit auf ein komplettes Prozesstraining haben, können kurze, reine Publikumstrainings angeboten werden.<br />
<br />
<br />
Über das Nennen dieser formalen Ansätze hinaus sollten wir aber auch stärker diskutieren, welche Ziele und Analysen wir mit der offensiven Prozessführung verbinden. Hierbei ist zu unterscheiden zwischen den konkreten Zielen einerseits, und andererseits den politischen Einschätzungen, die dazu führen, eine Strategie zu wählen, die in der Regel mit der Autorität des Gerichts in Konflikt gerät. <br />
Konkrete Ziele können z.B. sein:<br />
<br />
Einstellung des Verfahrens (des eigenen oder anderer)<br/><br />
Angst nehmen, Aktionsfähigkeit erhöhen<br/><br />
Lehren für künftige Aktionen ziehen<br/><br />
Unregierbar sein<br/><br />
Obrigkeit anzweifeln<br/><br />
Herrschaft enttarnen<br/><br />
Unruhe stiften<br/><br />
Normalität durchbrechen<br/><br />
Eigene Zurichtung überwinden <br/><br />
Konsequent handeln und Integrität wahren, letztlich widerständig bleiben<br/><br />
Motivation schöpfen<br/><br />
Geschehen lenken und inhaltlich gestalten<br/><br />
Utopien benennen<br/><br />
Die Möglichkeit der Verbindung von effektiver Einzelfallverteidigung und Gesellschaftskritik <br/><br />
Justizbetrieb ins Stocken bringen<br/><br />
<br />
Mögliche Elemente einer Kritik, vor deren Hintergrund eine offensive Prozesstrategie gewählt wird, können unter anderem sein:<br />
<br />
Steuergeldverschwendung durch Justiz<br/><br />
Permanenter Rechtsbruch<br/><br />
Urteilsfabrik <br/><br />
Kriminalisierung sozialer Bewegungen<br/><br />
Bejahung von staatlichen Gewaltverhältnissen / Staatslogik<br/><br />
Waffen- bzw. gewaltgestützter Apparat<br/><br />
Strafe als Konzept bekloppt<br/><br />
Zerstörung von Existenzen<br/><br />
Binäres Weltbild, schwarz-weiß-Logik<br/><br />
Schützt Eliten<br/><br />
Antiemanzipatorisch weil keine Konfliktlösung und keine Verbesserungen für die Zukunft<br/><br />
Gesetze sind doof weil Verregelung des gesellschaftlichen Lebens von Oben anstatt Freier Menschen in Freien Vereinbarungen<br/><br />
Teil des Machtapparates, Aufrechterhaltung des Status Quo / bestehender Herrschaftsverhältnisse<br/><br />
Schützt die Grundlagen des Kapitals wie z.B. das Privateigentum<br/><br />
Kapitalistische Gesellschaften sind grundsätzlich gewaltförmig (z.B. wegen Ausschluss Vieler vom gesellschaftlichen Reichtum, und erzwungener Konkurrenz), Gerichte wenden also gegen die Folgen des eigenen Handelns stumpf noch mehr Gewalt an<br />
Doofe Klamotten<br />
<br />
<br />
Auch wenn es einigen in unseren Zusammenhängen wichtig ist, beinhaltet die Entscheidung für eine offensive Prozessführung nicht automatisch eine Ablehnung der Justiz an sich. Argumente wie das Verschwenden von Steuergeldern und die Kritik an den Fließbandbetrieb in den Gerichten mögen gut begründbar sein, stellen aber allein genommen nicht die Justiz an sich, sondern nur ihre konkrete Form in Frage sein. Auch die Kritik an Rechtsbrüchen durch Richter_innen und Kriminalisierung bedarf einer gewissen Zuspitzung, um wirklich in einer radikalen Gesellschaftskritik zu münden.<br/><br />
Zwischen dem Einfordern von Rechten sowie Verweisen auf demokratische Gepflogenheiten und tatsächlich radikaler Justiz-kritik und –ablehnung in Zusammenhang mit revolutionärer Politik liegt ein großer Unterschied, der oft von uns unterschätzt wird. Wer aber eine solche radikale Kritik vertritt, und sich vor Gericht (sinnvollerweise) dennoch auf die Gesetze des Staates beruft, bewegt sich in einem Widerspruch, der vielen betroffenen nicht bewusst ist. Der Umgang mit diesem Widerspruch ist daher häufig entsprechend unbefriedigend. <br/><br />
Die Schaffung von mehr Bewusstsein von uns und anderen in Bezug auf Inhalt und Notwendigkeit einer radikalen Kritik, erscheint dringend notwendig.</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=140392011-02:Was tun wenn's grünt?2011-07-01T09:19:03Z<p>Vega: +Kat</p>
<hr />
<div>== ''Der Kapitalistenstaat will kein Atomstaat bleiben und färbt sich grün. Was heißt das für die radikale Umweltbewegung?'' ==<br />
<br />
<br />
Die menschgemachte Tragödie von Fukushima ist bei weitem nicht zu der Wende geworden, die sie hätte sein müssen. Aber sie hat in Deutschland zu Entwicklungen geführt, auf die wir als emanzipatorische<ref>Emanzipation: Befreiung des Menschen von Herrschaft</ref> und antagonistische<ref>Antagonismus: Grundsätzlicher Widerspruch zu etwas</ref> Umweltbewegung eingehen sollten. Dieser Artikel zielt nicht auf die rege Tätigkeit an der Basis der Anti-AKW-Proteste (die ja mal wieder ein neues Level an Aktivität erreicht hat und eine Untersuchung durchaus wert wäre), sondern auf das, was auf staatsoffizieler Seite passiert. Hier sind zwei parallel zueinander laufende Entwicklungen zu beobachten. <br />
<br />
Zum einen der fortgesetzte Höhenflug der Grünen. Trotz federführender Beteiligung an der vorletzten Verlängerung der AKW-Laufzeiten, trotz weiterreichender Anti-Atomposition der Linkspartei, haben sie ganz maßgeblich von den Ereignissen profitiert – der „Markenkern“ der Parteien war wichtiger als ihre Politik. Die Grünen verzeichnen nicht nur bundesweit steigende Umfragewerte, sondern auch Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen, bis hin zum ersten grünen Ministerpräsidenten in BaWü. Der provoziert die Debatte über Schwarz-Grün auf Bundesebene, und auch wenn noch beide Seiten entsetzt dementieren, ist fraglich, wie lange das noch so sein wird. ''„Zahlreiche unüberwindlich scheinende Hürden für eine Zusammenarbeit mit der Union haben die einstigen Ökopaxe längst beiseite geräumt, indem sie während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten ihre Skrupel gegenüber deutschen Kriegsbeteiligungen, sozialem Kahlschlag und dem Abbau von Bürgerrechten überwanden. Wer Schröder, Clement und Scharping überlebt hat, hält es auch mit Merkel, Schäuble und de Maizière aus.“'' (Pascal Beucker, Jungle World 25/2011). Es wird immer klarer wohin die Reise der Grünen geht: Von der Allianz der konservativen mit den linken/linksradikalen Umweltschützern, über die Entledigung von allen radikalen Strömungen, zu der Partei die den Kapitalismus mitgestalten darf bis hin zur Impulsgeberin und Vordenkerin des nächsten Kapitalisierungsschubes.<br/><br />
Die Grünen sind dabei nicht nur die Partei des mittelständischen Bürgertums, dass jenseits von Sozialer Frage und ernstgemeinter Kapitalismuskritik einen vermeintlich nachhaltigen Lebensstil praktizieren will (und sich das auch was kosten lässt). Wichtiger noch ist wen die Grünen ökonomisch repräsentieren: Die Eigenheimbesitzer_innen mit Solaranlage auf dem Dach, die Biobäuer_innen, die Hersteller, Installateure und Betreiber von Solaranlagen und Windrädern – sie alle verdienen als Kapitalist_innen durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Vernutzung der Natur gutes Geld, und sie wollen eine Partei die eine für sie günstige Politik macht. Der gleichzeitige Niedergang der FPD ist kein Zufall, sondern Symptom dafür, dass die Grünen inzwischen besser im Bedienen von Kapitalinteressen sind.<br />
<br />
Bei weitem nicht gegen alle Kapitalinteressen gerichtet ist auch die zweite Entwicklung,, die „Energiewende“, ein Begriff der weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Die Kapitalist_innen die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen (und deshalb von manchen in der Bewegung regelrecht beworben werden) haben schon immer ein wirtschaftliches Interesse die AKWs zurückzudrängen. Auch die vier großen Energieriesen pumpen große Mengen an Kapital in erneuerbare Energien. Die Frage war immer nur, wie lange sie noch mit den AKWs Geld drucken dürfen, auf das danach sind sie gut vorbereitet. Außerdem werden selbst am aufwändigen Abbau der AKWs noch andere Leute Geld verdienen (und das erworbene Know-How vielleicht eins Tages sogar exportieren können).<br/><br />
Der Atomausstieg passt also sehr gut zu der Form des Kapitalismus die wir gerade erleben. Trotzdem: Vor einen halben Jahr war ein derartig weitreichender Ausstiegsbeschluss kaum vorstellbar. Das bezieht sich weniger auf das konkrete Ausstiegsjahr 2021, als auf die Tatsache, dass 8 AKWs (fast die Hälfte!) auf einen Schlag ausgeschaltet werden und der Rest in Etappen. Sicherlich, die Forderung nach dem sofortigen weltweiten Atomausstieg hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die Verschiebung der realpolitischen Koordinaten ist dennoch erstaunlich. Das wird auch für radikale Politik Konsequenzen haben. Es ist durchaus denkbar, dass der Zulauf zu den Anti-Atomaktionen jetzt wieder abnehmen wird, auch eine stärkere Delegitimierung im bürgerlichen Diskurs ist möglich.<br/><br />
Wichtiger noch als das Ende der AKWs ist der beschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bisher erstaunlicher Weise selten kritisiert, sind diese Pläne alles andere als emanzipatorisch. Vorgesehen sind große, zentralisierte Anlagen vor allem im Norden des Landes (die Energieerzeugung würde zentralisierter erfolgen als durch die AKWs) und ein massiver Ausbau der Hochspannungsleitungen quer durchs Land. Dargestellt wird dies als die einzige mögliche Form der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier ist ein energischer Widerspruch in Theorie und Praxis nötig!<br />
<br />
Zunächst einmal war und ist die Diskussion wie viele AKWs oder auch Windparks und Hochspannungsleitungen es brauche um „die“ Gesellschaft mit Strom zu versorgen schon immer absurd, weil nie die Frage gestellt wurde, was für eine Gesellschaft da mit Strom versorgt wird. Rüstungsindustrie, Massentierhaltung, Werbeapparate, Gefängnisse, Polizei und Militär sind nur ein paar Beispiele für Dinge, die in der bürgerlichen Gesellschaft Strom verbrauchen, nach einer Revolution aber vom Netz gehen würden ohne das sie jemand vermisst. ''"Die Versorgung von Bayer, BMW und BASF mit (bezahlbarem) Strom soll also ab sofort gemeinsames Ziel aller „Deutschen“ sein und besonders das von Atomkraftgegner_innen."''<ref>Zitiert aus "Ökostrom - zentralisiert oder selbstverwaltet?" von Floh, in der letzten Ausgabe des Grünen Blatts erschienen. Ein Artikel auf den ich später noch zu sprechen komme.</ref> Aber welches Interesse haben wir daran, dass mit Ökostrom von der Nordsee in Süddeutschland Panzer gebaut werden? <br/><br />
Auch die konkrete Produktion und Verteilung dieses Stromes wird hochgradig unsozial und unökologisch abgewickelt werden. Um das Land mit Hochspannungsmasten zuzupflastern wird nicht nur einiges an Fläche verbraucht werden, es muss auch Eisenerz gefördert und zu Stahl geschmolzen werden – Szenen die dem deutschen Biobürgertum sicher nicht gefallen dürften, sich aber auch nicht unter ihrer Nase abspielen. Oberirdische Hochstromtrassen (die unterirdische Alternative wird aus Kostengründen kaum genutzt) führen sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z.B. erhöhten Raten von Kinderleukämie; von Geräuschbelästigung einmal abgesehen. Windräder können (je nach Standort) eine ökologische Beeinträchtigung für Vögel sein und durch Schlagschatten und Geräuschentwicklung der menschlichen Lebensqualität abträglich sein. Es gibt immer mehr unterstützenswerte Initiativen von Betroffenen, die sich gegen solche Projekte wehren. In der Diskussion um die „Energiewende“ kamen sie kaum vor, und wenn, dann um sie lächerlich zu machen. <br/><br />
Das passt gut, denn die zentralisierte Stromversorgung bedeutet zudem immer eine Zentralisierung von Macht und begünstigt dadurch eine herrschaftsförmige Organisation der Stromerzeugung. Das früher mal um eine dezentrale regenerative Stromerzeugung gestritten wurde, erscheint heute kaum noch vorstellbar. Der Begriff des Atomstaates soll auf den Punkt bringen, dass das Kapital die AKWs nur betreiben kann, solange ihnen der Staat den Rücken freiprügelt. Über die „Energiewende“ lässt sich aber letztlich das Selbe sagen. Sie ist eben kein Programm mit dem vorrangigen Ziel das Leben der Menschen zu verbessern (solche Programme kann es im Kapitalismus nicht geben), sie schafft vor allem dem ewig zur Suche nach Absatzmärkten verdammten Kapital neue Investitionsmöglichkeiten. <br/><br />
Unsere Kritik sollte daher nicht bei Zentralisierung stehenbleiben oder sich nur auf die Forderung nach unterirdischen Hochspannungsleitungen beschränken. Kapitalismus funktioniert auch dezentral gut, schon allein deshalb kann Dezentralisierung kein Wert für Sich sein. Genauso unsinnig erscheint mir die in der letzten Ausgabe aufgewärmte Debatte, die Öko-Stromkapitalist_innen davon überzeugen zu wollen, dass es viel besser für sie sei, nicht mehr als Kapital zu agieren, sondern zu einer Sektion der Anti-AKW-Bewegung zu werden. Hier scheint mir eine Fiktion vorzuliegen, wonach wer sein Geld mit Erneuerbaren verdiene eine besonders hohe Moral hätte und deshalb keinE richtiger Kapitalist_in sein könne. Es ist ein historischer und ökonomischer Fakt, dass die Vertreter_innen des Kapitals immer alles tun, um ihr Kapital zu erhalten. Die Vorstellung, dass in einer Gesellschaft die durch die abstrakt vermittelten Zwänge des Marktes strukturiert wird, mit Kapitalist_innen sachlich diskutiert werden kann, dass Kapitalist_in sein sich gar nicht für sie lohnt, erscheint mir weltfremd. Das Risiko des Scheiterns auf dem Markt gehen Kapitalist_innen notgedrungen ein, denn dafür verfügen sie über Privateigentum an Produktionsmitteln, die Arbeit anderer Menschen und die Möglichkeiten zu weitreichenden Eingriffen in die Natur. Das Kapital (auch das kleine) ist nicht Opfer des Kapitalismus, und die Profiteure des Status Quo werden sich nicht auf die Seite seiner Gegner_innen stellen. Gerade jetzt, wo eine historisch aus der Umweltbewegung hervorgegangene Partei zu einem der angesehensten Repräsentanten des Kapitals geworden ist, müssen wir grundsätzlich betonen: Der Kapitalismus in all seinen Spielarten ist das Problem, weil er auf der endlosen Anhäufung von Kapital durch Ausbeutug basiert, weil er in einer endlichen Welt endlos wachsen muss und menschliches Glück und der Schutz unserer Umwelt nicht im Mittelpunkt von Produktion und Verteilung stehen können. Wir dürfen deshalb nicht nur fragen, welche Technologie benutzt wird um Strom zu erzeugen (womit nicht geleugnet werden soll, dass auch im Kapitalismus das destruktive Potential von Windrädern kleiner ist als von AKWs). Anstatt immer nur von unbestimmt von der Zukunft der „Erneuerbaren“ zu sprechen, gehören weitere Fragen auf die Tagesordnung: Wem gehören die Anlagen? Welche Ziele haben die Betreiber_innen? Wo wird die Energie erzeugt? Wie wird sie transportiert? Welchen Einfluss haben die Betroffenen? Wofür wird der Strom produziert? Wer hat Zugang zu ihm und zu welchem Preis?<br/><br />
Wer diese Fragen herrschaftskritisch beantwortet, dürfte von allein in Opposition zu der Energiewende der Herrschenden geraten. Opposition heißt hier für mich nicht nur, sich vereinzelt Energieanlagen legal anzueignen und gegen bestimmte Formen der Energieerzeugung Widerstand zu leisten. Ziel muss sein, diese Kämpfe zuzuspitzen auf die Frage nach dem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem das hinter diesen konkreten Projekten (und vielen anderen) steht zu stellen. Egal ob Atomstaat oder Grüner Staat - wir haben es immer mit Staat und Kapital zu tun, die niemals die Verbündeten einer emanzipatorischen Bewegung werden können.<br />
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{{Fußnoten}}<br />
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[[Kategorie: Sommer 2011]]<br />
[[Kategorie: Artikel]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=140382011-02:Was tun wenn's grünt?2011-07-01T09:16:44Z<p>Vega: Formulierungen</p>
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<div>== ''Der Kapitalistenstaat will kein Atomstaat bleiben und färbt sich grün. Was heißt das für die radikale Umweltbewegung?'' ==<br />
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Die menschgemachte Tragödie von Fukushima ist bei weitem nicht zu der Wende geworden, die sie hätte sein müssen. Aber sie hat in Deutschland zu Entwicklungen geführt, auf die wir als emanzipatorische<ref>Emanzipation: Befreiung des Menschen von Herrschaft</ref> und antagonistische<ref>Antagonismus: Grundsätzlicher Widerspruch zu etwas</ref> Umweltbewegung eingehen sollten. Dieser Artikel zielt nicht auf die rege Tätigkeit an der Basis der Anti-AKW-Proteste (die ja mal wieder ein neues Level an Aktivität erreicht hat und eine Untersuchung durchaus wert wäre), sondern auf das, was auf staatsoffizieler Seite passiert. Hier sind zwei parallel zueinander laufende Entwicklungen zu beobachten. <br />
<br />
Zum einen der fortgesetzte Höhenflug der Grünen. Trotz federführender Beteiligung an der vorletzten Verlängerung der AKW-Laufzeiten, trotz weiterreichender Anti-Atomposition der Linkspartei, haben sie ganz maßgeblich von den Ereignissen profitiert – der „Markenkern“ der Parteien war wichtiger als ihre Politik. Die Grünen verzeichnen nicht nur bundesweit steigende Umfragewerte, sondern auch Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen, bis hin zum ersten grünen Ministerpräsidenten in BaWü. Der provoziert die Debatte über Schwarz-Grün auf Bundesebene, und auch wenn noch beide Seiten entsetzt dementieren, ist fraglich, wie lange das noch so sein wird. ''„Zahlreiche unüberwindlich scheinende Hürden für eine Zusammenarbeit mit der Union haben die einstigen Ökopaxe längst beiseite geräumt, indem sie während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten ihre Skrupel gegenüber deutschen Kriegsbeteiligungen, sozialem Kahlschlag und dem Abbau von Bürgerrechten überwanden. Wer Schröder, Clement und Scharping überlebt hat, hält es auch mit Merkel, Schäuble und de Maizière aus.“'' (Pascal Beucker, Jungle World 25/2011). Es wird immer klarer wohin die Reise der Grünen geht: Von der Allianz der konservativen mit den linken/linksradikalen Umweltschützern, über die Entledigung von allen radikalen Strömungen, zu der Partei die den Kapitalismus mitgestalten darf bis hin zur Impulsgeberin und Vordenkerin des nächsten Kapitalisierungsschubes.<br/><br />
Die Grünen sind dabei nicht nur die Partei des mittelständischen Bürgertums, dass jenseits von Sozialer Frage und ernstgemeinter Kapitalismuskritik einen vermeintlich nachhaltigen Lebensstil praktizieren will (und sich das auch was kosten lässt). Wichtiger noch ist wen die Grünen ökonomisch repräsentieren: Die Eigenheimbesitzer_innen mit Solaranlage auf dem Dach, die Biobäuer_innen, die Hersteller, Installateure und Betreiber von Solaranlagen und Windrädern – sie alle verdienen als Kapitalist_innen durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Vernutzung der Natur gutes Geld, und sie wollen eine Partei die eine für sie günstige Politik macht. Der gleichzeitige Niedergang der FPD ist kein Zufall, sondern Symptom dafür, dass die Grünen inzwischen besser im Bedienen von Kapitalinteressen sind.<br />
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Bei weitem nicht gegen alle Kapitalinteressen gerichtet ist auch die zweite Entwicklung,, die „Energiewende“, ein Begriff der weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Die Kapitalist_innen die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen (und deshalb von manchen in der Bewegung regelrecht beworben werden) haben schon immer ein wirtschaftliches Interesse die AKWs zurückzudrängen. Auch die vier großen Energieriesen pumpen große Mengen an Kapital in erneuerbare Energien. Die Frage war immer nur, wie lange sie noch mit den AKWs Geld drucken dürfen, auf das danach sind sie gut vorbereitet. Außerdem werden selbst am aufwändigen Abbau der AKWs noch andere Leute Geld verdienen (und das erworbene Know-How vielleicht eins Tages sogar exportieren können).<br/><br />
Der Atomausstieg passt also sehr gut zu der Form des Kapitalismus die wir gerade erleben. Trotzdem: Vor einen halben Jahr war ein derartig weitreichender Ausstiegsbeschluss kaum vorstellbar. Das bezieht sich weniger auf das konkrete Ausstiegsjahr 2021, als auf die Tatsache, dass 8 AKWs (fast die Hälfte!) auf einen Schlag ausgeschaltet werden und der Rest in Etappen. Sicherlich, die Forderung nach dem sofortigen weltweiten Atomausstieg hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die Verschiebung der realpolitischen Koordinaten ist dennoch erstaunlich. Das wird auch für radikale Politik Konsequenzen haben. Es ist durchaus denkbar, dass der Zulauf zu den Anti-Atomaktionen jetzt wieder abnehmen wird, auch eine stärkere Delegitimierung im bürgerlichen Diskurs ist möglich.<br/><br />
Wichtiger noch als das Ende der AKWs ist der beschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bisher erstaunlicher Weise selten kritisiert, sind diese Pläne alles andere als emanzipatorisch. Vorgesehen sind große, zentralisierte Anlagen vor allem im Norden des Landes (die Energieerzeugung würde zentralisierter erfolgen als durch die AKWs) und ein massiver Ausbau der Hochspannungsleitungen quer durchs Land. Dargestellt wird dies als die einzige mögliche Form der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier ist ein energischer Widerspruch in Theorie und Praxis nötig!<br />
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Zunächst einmal war und ist die Diskussion wie viele AKWs oder auch Windparks und Hochspannungsleitungen es brauche um „die“ Gesellschaft mit Strom zu versorgen schon immer absurd, weil nie die Frage gestellt wurde, was für eine Gesellschaft da mit Strom versorgt wird. Rüstungsindustrie, Massentierhaltung, Werbeapparate, Gefängnisse, Polizei und Militär sind nur ein paar Beispiele für Dinge, die in der bürgerlichen Gesellschaft Strom verbrauchen, nach einer Revolution aber vom Netz gehen würden ohne das sie jemand vermisst. ''"Die Versorgung von Bayer, BMW und BASF mit (bezahlbarem) Strom soll also ab sofort gemeinsames Ziel aller „Deutschen“ sein und besonders das von Atomkraftgegner_innen."''<ref>Zitiert aus "Ökostrom - zentralisiert oder selbstverwaltet?" von Floh, in der letzten Ausgabe des Grünen Blatts erschienen. Ein Artikel auf den ich später noch zu sprechen komme.</ref> Aber welches Interesse haben wir daran, dass mit Ökostrom von der Nordsee in Süddeutschland Panzer gebaut werden? <br/><br />
Auch die konkrete Produktion und Verteilung dieses Stromes wird hochgradig unsozial und unökologisch abgewickelt werden. Um das Land mit Hochspannungsmasten zuzupflastern wird nicht nur einiges an Fläche verbraucht werden, es muss auch Eisenerz gefördert und zu Stahl geschmolzen werden – Szenen die dem deutschen Biobürgertum sicher nicht gefallen dürften, sich aber auch nicht unter ihrer Nase abspielen. Oberirdische Hochstromtrassen (die unterirdische Alternative wird aus Kostengründen kaum genutzt) führen sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z.B. erhöhten Raten von Kinderleukämie; von Geräuschbelästigung einmal abgesehen. Windräder können (je nach Standort) eine ökologische Beeinträchtigung für Vögel sein und durch Schlagschatten und Geräuschentwicklung der menschlichen Lebensqualität abträglich sein. Es gibt immer mehr unterstützenswerte Initiativen von Betroffenen, die sich gegen solche Projekte wehren. In der Diskussion um die „Energiewende“ kamen sie kaum vor, und wenn, dann um sie lächerlich zu machen. <br/><br />
Das passt gut, denn die zentralisierte Stromversorgung bedeutet zudem immer eine Zentralisierung von Macht und begünstigt dadurch eine herrschaftsförmige Organisation der Stromerzeugung. Das früher mal um eine dezentrale regenerative Stromerzeugung gestritten wurde, erscheint heute kaum noch vorstellbar. Der Begriff des Atomstaates soll auf den Punkt bringen, dass das Kapital die AKWs nur betreiben kann, solange ihnen der Staat den Rücken freiprügelt. Über die „Energiewende“ lässt sich aber letztlich das Selbe sagen. Sie ist eben kein Programm mit dem vorrangigen Ziel das Leben der Menschen zu verbessern (solche Programme kann es im Kapitalismus nicht geben), sie schafft vor allem dem ewig zur Suche nach Absatzmärkten verdammten Kapital neue Investitionsmöglichkeiten. <br/><br />
Unsere Kritik sollte daher nicht bei Zentralisierung stehenbleiben oder sich nur auf die Forderung nach unterirdischen Hochspannungsleitungen beschränken. Kapitalismus funktioniert auch dezentral gut, schon allein deshalb kann Dezentralisierung kein Wert für Sich sein. Genauso unsinnig erscheint mir die in der letzten Ausgabe aufgewärmte Debatte, die Öko-Stromkapitalist_innen davon überzeugen zu wollen, dass es viel besser für sie sei, nicht mehr als Kapital zu agieren, sondern zu einer Sektion der Anti-AKW-Bewegung zu werden. Hier scheint mir eine Fiktion vorzuliegen, wonach wer sein Geld mit Erneuerbaren verdiene eine besonders hohe Moral hätte und deshalb keinE richtiger Kapitalist_in sein könne. Es ist ein historischer und ökonomischer Fakt, dass die Vertreter_innen des Kapitals immer alles tun, um ihr Kapital zu erhalten. Die Vorstellung, dass in einer Gesellschaft die durch die abstrakt vermittelten Zwänge des Marktes strukturiert wird, mit Kapitalist_innen sachlich diskutiert werden kann, dass Kapitalist_in sein sich gar nicht für sie lohnt, erscheint mir weltfremd. Das Risiko des Scheiterns auf dem Markt gehen Kapitalist_innen notgedrungen ein, denn dafür verfügen sie über Privateigentum an Produktionsmitteln, die Arbeit anderer Menschen und die Möglichkeiten zu weitreichenden Eingriffen in die Natur. Das Kapital (auch das kleine) ist nicht Opfer des Kapitalismus, und die Profiteure des Status Quo werden sich nicht auf die Seite seiner Gegner_innen stellen. Gerade jetzt, wo eine historisch aus der Umweltbewegung hervorgegangene Partei zu einem der angesehensten Repräsentanten des Kapitals geworden ist, müssen wir grundsätzlich betonen: Der Kapitalismus in all seinen Spielarten ist das Problem, weil er auf der endlosen Anhäufung von Kapital durch Ausbeutug basiert, weil er in einer endlichen Welt endlos wachsen muss und menschliches Glück und der Schutz unserer Umwelt nicht im Mittelpunkt von Produktion und Verteilung stehen können. Wir dürfen deshalb nicht nur fragen, welche Technologie benutzt wird um Strom zu erzeugen (womit nicht geleugnet werden soll, dass auch im Kapitalismus das destruktive Potential von Windrädern kleiner ist als von AKWs). Anstatt immer nur von unbestimmt von der Zukunft der „Erneuerbaren“ zu sprechen, gehören weitere Fragen auf die Tagesordnung: Wem gehören die Anlagen? Welche Ziele haben die Betreiber_innen? Wo wird die Energie erzeugt? Wie wird sie transportiert? Welchen Einfluss haben die Betroffenen? Wofür wird der Strom produziert? Wer hat Zugang zu ihm und zu welchem Preis?<br/><br />
Wer diese Fragen herrschaftskritisch beantwortet, dürfte von allein in Opposition zu der Energiewende der Herrschenden geraten. Opposition heißt hier für mich nicht nur, sich vereinzelt Energieanlagen legal anzueignen und gegen bestimmte Formen der Energieerzeugung Widerstand zu leisten. Ziel muss sein, diese Kämpfe zuzuspitzen auf die Frage nach dem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem das hinter diesen konkreten Projekten (und vielen anderen) steht zu stellen. Egal ob Atomstaat oder Grüner Staat - wir haben es immer mit Staat und Kapital zu tun, die niemals die Verbündeten einer emanzipatorischen Bewegung werden können.<br />
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{{Fußnoten}}</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=140372011-02:Was tun wenn's grünt?2011-07-01T08:45:11Z<p>Vega: Bezüge zu 2011-01</p>
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<div>== ''Der Kapitalistenstaat will kein Atomstaat bleiben und färbt sich grün. Was heißt das für die radikale Umweltbewegung?'' ==<br />
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<br />
Die menschgemachte Tragödie von Fukushima ist bei weitem nicht zu der Wende geworden, die sie hätte sein müssen. Aber sie hat in Deutschland zu Entwicklungen geführt, auf die wir als emanzipatorische<ref>Emanzipation: Befreiung des Menschen von Herrschaft</ref> und antagonistische<ref>Antagonismus: Grundsätzlicher Widerspruch zu etwas</ref> Umweltbewegung eingehen sollten. Dieser Artikel zielt nicht auf die rege Tätigkeit an der Basis der Anti-AKW-Proteste (die ja mal wieder ein neues Level an Aktivität erreicht hat und eine Untersuchung durchaus wert wäre), sondern auf das, was auf staatsoffizieler Seite passiert. Hier sind zwei parallel zueinander laufende Entwicklungen zu beobachten. <br />
<br />
Zum einen der fortgesetzte Höhenflug der Grünen. Trotz federführender Beteiligung an der vorletzten Verlängerung der AKW-Laufzeiten, trotz weiterreichender Anti-Atomposition der Linkspartei, haben sie ganz maßgeblich von den Ereignissen profitiert – der „Markenkern“ der Parteien war wichtiger als ihre Politik. Die Grünen verzeichnen nicht nur bundesweit steigende Umfragewerte, sondern auch Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen, bis hin zum ersten grünen Ministerpräsidenten in BaWü. Der provoziert die Debatte über Schwarz-Grün auf Bundesebene, und auch wenn noch beide Seiten entsetzt dementieren, ist fraglich, wie lange das noch so sein wird. ''„Zahlreiche unüberwindlich scheinende Hürden für eine Zusammenarbeit mit der Union haben die einstigen Ökopaxe längst beiseite geräumt, indem sie während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten ihre Skrupel gegenüber deutschen Kriegsbeteiligungen, sozialem Kahlschlag und dem Abbau von Bürgerrechten überwanden. Wer Schröder, Clement und Scharping überlebt hat, hält es auch mit Merkel, Schäuble und de Maizière aus.“'' (Pascal Beucker, Jungle World 25/2011). Es wird immer klarer wohin die Reise der Grünen geht: Von der Allianz der konservativen mit den linken/linksradikalen Umweltschützern, über die Entledigung von allen radikalen Strömungen, zu der Partei die den Kapitalismus mitgestalten darf bis hin zur Impulsgeberin und Vordenkerin des nächsten Kapitalisierungsschubes.<br/><br />
Die Grünen sind dabei nicht nur die Partei des mittelständischen Bürgertums, dass jenseits von Sozialer Frage und ernstgemeinter Kapitalismuskritik einen vermeintlich nachhaltigen Lebensstil praktizieren will (und sich das auch was kosten lässt). Wichtiger noch ist wen die Grünen ökonomisch repräsentieren: Die Eigenheimbesitzer_innen mit Solaranlage auf dem Dach, die Biobäuer_innen, die Hersteller, Installateure und Betreiber von Solaranlagen und Windrädern – sie alle verdienen als Kapitalist_innen durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Vernutzung der Natur gutes Geld, und sie wollen eine Partei die eine für sie günstige Politik macht. Der gleichzeitige Niedergang der FPD ist kein Zufall, sondern Symptom dafür, dass die Grünen inzwischen besser im Bedienen von Kapitalinteressen sind.<br />
<br />
Bei weitem nicht gegen alle Kapitalinteressen gerichtet ist auch die zweite Entwicklung,, die „Energiewende“, ein Begriff der weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Die Kapitalist_innen die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen (und deshalb von manchen in der Bewegung regelrecht beworben werden) haben schon immer ein wirtschaftliches Interesse die AKWs zurückzudrängen. Auch die vier großen Energieriesen pumpen große Mengen an Kapital in erneuerbare Energien. Die Frage war immer nur, wie lange sie noch mit den AKWs Geld drucken dürfen, auf das danach sind sie gut vorbereitet. Außerdem werden selbst am aufwändigen Abbau der AKWs noch andere Leute Geld verdienen (und das erworbene Know-How vielleicht eins Tages sogar exportieren können).<br/><br />
Der Atomausstieg passt also sehr gut zu der Form des Kapitalismus die wir gerade erleben. Trotzdem: Vor einen halben Jahr war ein derartig weitreichender Ausstiegsbeschluss kaum vorstellbar. Das bezieht sich weniger auf das konkrete Ausstiegsjahr 2021, als auf die Tatsache, dass 8 AKWs (fast die Hälfte!) auf einen Schlag ausgeschaltet werden und der Rest in Etappen. Sicherlich, die Forderung nach dem sofortigen weltweiten Atomausstieg hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die Verschiebung der realpolitischen Koordinaten ist dennoch erstaunlich. Das wird auch für radikale Politik Konsequenzen haben. Es ist durchaus denkbar, dass der Zulauf zu den Anti-Atomaktionen jetzt wieder abnehmen wird, auch eine stärkere Delegitimierung im bürgerlichen Diskurs ist möglich.<br/><br />
Wichtiger noch als das Ende der AKWs ist der beschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bisher erstaunlicher Weise selten kritisiert, sind diese Pläne alles andere als emanzipatorisch. Vorgesehen sind große, zentralisierte Anlagen vor allem im Norden des Landes (die Energieerzeugung würde zentralisierter erfolgen als durch die AKWs) und ein massiver Ausbau der Hochspannungsleitungen quer durchs Land. Dargestellt wird dies als die einzige mögliche Form der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier ist ein energischer Widerspruch in Theorie und Praxis nötig!<br />
<br />
Zunächst einmal war und ist die Diskussion wie viele AKWs oder auch Windparks und Hochspannungsleitungen es brauche um „die“ Gesellschaft mit Strom zu versorgen schon immer absurd, weil nie die Frage gestellt wurde, was für eine Gesellschaft da mit Strom versorgt wird. Rüstungsindustrie, Massentierhaltung, Werbeapparate, Gefängnisse, Polizei und Militär sind nur ein paar Beispiele für Dinge, die in der bürgerlichen Gesellschaft Strom verbrauchen, nach einer Revolution aber vom Netz gehen würden ohne das sie jemand vermisst. ''"Die Versorgung von Bayer, BMW und BASF mit (bezahlbarem) Strom soll also ab sofort gemeinsames Ziel aller „Deutschen“ sein und besonders das von Atomkraftgegner_innen."''<ref>Zitiert aus "Ökostrom - zentralisiert oder selbstverwaltet?" von Floh, in der letzten Ausgabe des Grünen Blatts erschienen. Ein Artikel auf den ich später noch zu sprechen komme.</ref> Aber welches Interesse haben wir daran, dass mit Ökostrom von der Nordsee in Süddeutschland Panzer gebaut werden? <br/><br />
Auch die konkrete Produktion und Verteilung dieses Stromes wird hochgradig unsozial und unökologisch abgewickelt werden. Um das Land mit Hochspannungsmasten zuzupflastern wird nicht nur einiges an Fläche verbraucht werden, es muss auch Eisenerz gefördert und zu Stahl geschmolzen werden – Szenen die dem deutschen Biobürgertum sicher nicht gefallen dürften, sich aber auch nicht unter ihrer Nase abspielen. Oberirdische Hochstromtrassen (die unterirdische Alternative wird aus Kostengründen kaum genutzt) führen sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z.B. erhöhten Raten von Kinderleukämie; von Geräuschbelästigung einmal abgesehen. Windräder können (je nach Standort) eine ökologische Beeinträchtigung für Vögel sein und durch Schlagschatten und Geräuschentwicklung der menschlichen Lebensqualität abträglich sein. Es gibt immer mehr unterstützenswerte Initiativen von Betroffenen, die sich gegen solche Projekte wehren. In der Diskussion um die „Energiewende“ kamen sie kaum vor, und wenn, dann um sie lächerlich zu machen. <br/><br />
Das passt gut, denn die zentralisierte Stromversorgung bedeutet zudem immer eine Zentralisierung von Macht und begünstigt dadurch eine herrschaftsförmige Organisation der Stromerzeugung. Das früher mal um eine dezentrale regenerative Stromerzeugung gestritten wurde, erscheint heute kaum noch vorstellbar. Der Begriff des Atomstaates soll auf den Punkt bringen, dass das Kapital die AKWs nur betreiben kann, solange ihnen der Staat den Rücken freiprügelt. Über die „Energiewende“ lässt sich aber letztlich das Selbe sagen. Sie ist eben kein Programm mit dem vorrangigen Ziel das Leben der Menschen zu verbessern (solche Programme kann es im Kapitalismus nicht geben), sie schafft vor allem dem ewig zur Suche nach Absatzmärkten verdammten Kapital neue Investitionsmöglichkeiten. <br/><br />
Unsere Kritik sollte daher nicht bei Zentralisierung stehenbleiben oder sich nur auf die Forderung nach unterirdischen Hochspannungsleitungen beschränken. Kapitalismus funktioniert auch dezentral gut, schon allein deshalb kann Dezentralisierung kein Wert für Sich sein. Genauso unsinnig erscheint mir die in der letzten Ausgabe aufgewärmte Debatte, die Öko-Stromkapitalist_innen davon überzeugen zu wollen, dass es viel besser für sie sei, nicht mehr als Kapital zu agieren, sondern zu einer Sektion der Anti-AKW-Bewegung zu werden. Hier scheint mir eine Fiktion vorzuliegen, wonach wer sein Geld mit Erneuerbaren verdiene eine besonders hohe Moral hätte und deshalb keinE richtiger Kapitalist_in sein könne. Es ist ein historischer und ökonomischer Fakt, dass die Vertreter_innen des Kapitals immer alles tun, um ihr Kapital zu erhalten. Die Vorstellung, dass in einer Gesellschaft die durch die abstrakt vermittelten Zwänge des Marktes strukturiert wird, mit Kapitalist_innen sachlich diskutiert werden kann, dass Kapitalist_in sein sich gar nicht für sie lohnt, erscheint mir weltfremd. Das Kapital (auch das kleine) ist nicht Opfer des Kapitalismus, und die Profiteure des Status Quo bringen keine positiven Veränderungen auf den Weg. Gerade jetzt, wo eine historisch aus der Umweltbewegung hervorgegangene Partei zu einem der angesehensten Repräsentanten des Kapitals geworden ist, müssen wir grundsätzlich betonen: Der Kapitalismus in all seinen Spielarten ist das Problem, weil er auf der endlosen Anhäufung von Kapital durch Ausbeutug basiert, weil er in einer endlichen Welt endlos wachsen muss und menschliches Glück und dem Schutz unserer Umwelt nicht im Mittelpunkt von Produktion und Verteilung stehen können. Wir dürfen deshalb nicht nur fragen, welche Technologie benutzt wird um Strom zu erzeugen (womit nicht geleugnet werden soll, dass auch im Kapitalismus das destruktive Potential von Windrädern kleiner ist als von AKWs). Anstatt immer nur von unbestimmt von der Zukunft der „Erneuerbaren“ zu sprechen, gehören weitere Fragen auf die Tagesordnung: Wem gehören die Anlagen? Welche Ziele haben die Betreiber_innen? Wo wird die Energie erzeugt? Wie wird sie transportiert? Welchen Einfluss haben die Betroffenen? Wofür wird der Strom produziert? Wer hat Zugang zu ihm und zu welchem Preis?<br/><br />
Wer diese Fragen herrschaftskritisch beantwortet, dürfte von allein in Opposition zu der Energiewende der Herrschenden geraten. Opposition heißt für mich nicht nur, sich vereinzelt Energieanlagen legal anzueignen und gegen bestimmte Formen der Energieerzeugung Widerstand zu leisten. Ziel muss sein, diese Kämpfe zuzuspitzen auf die Frage nach dem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem das hinter diesen konkreten Projekten (und vielen anderen) steht zu stellen . Egal ob Atomstaat oder Grüner Staat - wir haben es immer mit Staat und Kapital zu tun, die niemals die Verbündeten einer emanzipatorischen Bewegung werden können.<br />
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{{Fußnoten}}</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=140362011-02:Was tun wenn's grünt?2011-06-30T21:03:23Z<p>Vega: Fußnoten</p>
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<div>== ''Der Kapitalistenstaat will kein Atomstaat bleiben und färbt sich grün. Was heißt das für die radikale Umweltbewegung?'' ==<br />
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Die menschgemachte Tragödie von Fukushima ist bei weitem nicht zu der Wende geworden, die sie hätte sein müssen. Aber sie hat in Deutschland zu Entwicklungen geführt, auf die wir als emanzipatorische<ref>Emanzipation: Befreiung des Menschen von Herrschaft</ref> und antagonistische<ref>Antagonismus: Grundsätzlicher Widerspruch zu etwas</ref> Umweltbewegung eingehen sollten. Dieser Artikel zielt nicht auf die rege Tätigkeit an der Basis der Anti-AKW-Proteste (die ja mal wieder ein neues Level an Aktivität erreicht hat und eine Untersuchung durchaus wert wäre), sondern auf das, was auf staatsoffizieler Seite passiert. Hier sind zwei parallel zueinander laufende Entwicklungen zu beobachten. <br />
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Zum einen der fortgesetzte Höhenflug der Grünen. Trotz federführender Beteiligung an der vorletzten Verlängerung der AKW-Laufzeiten, trotz weiterreichender Anti-Atomposition der Linkspartei, haben sie ganz maßgeblich von den Ereignissen profitiert – der „Markenkern“ der Parteien war wichtiger als ihre Politik. Die Grünen verzeichnen nicht nur bundesweit steigende Umfragewerte, sondern auch Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen, bis hin zum ersten grünen Ministerpräsidenten in BaWü. Der provoziert die Debatte über Schwarz-Grün auf Bundesebene, und auch wenn noch beide Seiten entsetzt dementieren, ist fraglich, wie lange das noch so sein wird. ''„Zahlreiche unüberwindlich scheinende Hürden für eine Zusammenarbeit mit der Union haben die einstigen Ökopaxe längst beiseite geräumt, indem sie während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten ihre Skrupel gegenüber deutschen Kriegsbeteiligungen, sozialem Kahlschlag und dem Abbau von Bürgerrechten überwanden. Wer Schröder, Clement und Scharping überlebt hat, hält es auch mit Merkel, Schäuble und de Maizière aus.“'' (Pascal Beucker, Jungle World 25/2011). Es wird immer klarer wohin die Reise der Grünen geht: Von der Allianz der konservativen mit den linken/linksradikalen Umweltschützern, über die Entledigung von allen radikalen Strömungen, zu der Partei die den Kapitalismus mitgestalten darf bis hin zur Impulsgeberin und Vordenkerin des nächsten Kapitalisierungsschubes. <br />
Die Grünen sind dabei nicht nur die Partei des mittelständischen Bürgertums, dass jenseits von Sozialer Frage und ernstgemeinter Kapitalismuskritik einen vermeintlich nachhaltigen Lebensstil praktizieren will (und sich das auch was kosten lässt). Wichtiger noch ist wen die Grünen ökonomisch repräsentieren: Die Eigenheimbesitzer_innen mit Solaranlage auf dem Dach, die Biobäuer_innen, die Hersteller, Installateure und Betreiber von Solaranlagen und Windrädern – sie alle verdienen als Kapitalist_innen durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Vernutzung der Natur gutes Geld, und sie wollen eine Partei die eine für sie günstige Politik macht. Der gleichzeitige Niedergang der FPD ist kein Zufall, sondern Symptom dafür, dass die Grünen inzwischen besser im Bedienen von Kapitalinteressen sind.<br />
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Bei weitem nicht gegen alle Kapitalinteressen gerichtet ist auch die zweite Entwicklung,, die „Energiewende“, ein Begriff der weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Die Kapitalist_innen die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen (und deshalb von manchen in der Bewegung regelrecht beworben werden) haben schon immer ein wirtschaftliches Interesse die AKWs zurückzudrängen. Auch die vier großen Energieriesen pumpen große Mengen an Kapital in erneuerbare Energien. Die Frage war immer nur, wie lange sie noch mit den AKWs Geld drucken dürfen, auf das danach sind sie gut vorbereitet. Außerdem werden selbst am aufwändigen Abbau der AKWs noch andere Leute Geld verdienen (und das erworbene Know-How vielleicht eins Tages sogar exportieren können).<br />
Der Atomausstieg passt also sehr gut zu der Form des Kapitalismus die wir gerade erleben. Trotzdem: Vor einen halben Jahr war ein derartig weitreichender Ausstiegsbeschluss kaum vorstellbar. Das bezieht sich weniger auf das konkrete Ausstiegsjahr 2021, als auf die Tatsache, dass 8 AKWs (fast die Hälfte!) auf einen Schlag ausgeschaltet werden und der Rest in Etappen. Sicherlich, die Forderung nach dem sofortigen weltweiten Atomausstieg hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die Verschiebung der realpolitischen Koordinaten ist dennoch erstaunlich. Das wird auch für radikale Politik Konsequenzen haben. Es ist durchaus denkbar, dass der Zulauf zu den Anti-Atomaktionen jetzt wieder abnehmen wird, auch eine stärkere Delegitimierung im bürgerlichen Diskurs ist möglich. <br />
Wichtiger noch als das Ende der AKWs ist der beschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bisher erstaunlicher Weise selten kritisiert, sind diese Pläne alles andere als emanzipatorisch. Vorgesehen sind große, zentralisierte Anlagen vor allem im Norden des Landes (die Energieerzeugung würde zentralisierter erfolgen als durch die AKWs) und ein massiver Ausbau der Hochspannungsleitungen quer durchs Land. Dargestellt wird dies als die einzige mögliche Form der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier ist ein energischer Widerspruch in Theorie und Praxis nötig!<br />
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Zunächst einmal war und ist die Diskussion wie viele AKWs oder auch Windparks und Hochspannungsleitungen es brauche um „die“ Gesellschaft mit Strom zu versorgen schon immer absurd, weil nie die Frage gestellt wurde, was für eine Gesellschaft da mit Strom versorgt wird. Rüstungsindustrie, Massentierhaltung, Werbeapparate, Gefängnisse, Polizei und Militär sind nur ein paar Beispiele für Dinge, die in der bürgerlichen Gesellschaft Strom verbrauchen, nach einer Revolution aber vom Netz gehen würden ohne das sie jemand vermisst. Welches Interesse haben wir daran, dass mit Ökostrom von der Nordsee in Süddeutschland Panzer gebaut werden? <br />
Auch die konkrete Produktion und Verteilung dieses Stromes wird hochgradig unsozial und unökologisch abgewickelt werden. Um das Land mit Hochspannungsmasten zuzupflastern wird nicht nur einiges an Fläche verbraucht werden, es muss auch Eisenerz gefördert und zu Stahl geschmolzen werden – Szenen die dem deutschen Biobürgertum sicher nicht gefallen dürften, sich aber auch nicht unter ihrer Nase abspielen. Oberirdische Hochstromtrassen (die unterirdische Alternative wird aus Kostengründen kaum genutzt) führen sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z.B. erhöhten Raten von Kinderleukämie; von Geräuschbelästigung einmal abgesehen. Windräder können (je nach Standort) eine ökologische Beeinträchtigung für Vögel sein und durch Schlagschatten und Geräuschentwicklung der menschlichen Lebensqualität abträglich sein. Es gibt immer mehr unterstützenswerte Initiativen von Betroffenen, die sich gegen solche Projekte wehren. In der Diskussion um die „Energiewende“ kamen sie kaum vor, und wenn, dann um sie lächerlich zu machen. <br />
Das passt gut, denn die zentralisierte Stromversorgung bedeutet zudem immer eine Zentralisierung von Macht und begünstigt dadurch eine herrschaftsförmige Organisation der Stromerzeugung. Das früher mal um eine dezentrale regenerative Stromerzeugung gestritten wurde, erscheint heute kaum noch vorstellbar. Der Begriff des Atomstaates soll auf den Punkt bringen, dass das Kapital die AKWs nur betreiben kann, solange ihnen der Staat den Rücken freiprügelt. Über die „Energiewende“ lässt sich aber letztlich das Selbe sagen. Sie ist eben kein Programm mit dem vorrangigen Ziel das Leben der Menschen zu verbessern (solche Programme kann es im Kapitalismus nicht geben), sie schafft vor allem dem ewig zur Suche nach Absatzmärkten verdammten Kapital neue Investitionsmöglichkeiten. <br />
Unsere Kritik sollte daher nicht bei Zentralisierung stehenbleiben oder sich nur auf die Forderung nach unterirdischen Hochspannungsleitungen beschränken. Kapitalismus funktioniert auch dezentral gut, schon allein deshalb kann Dezentralisierung kein Wert für Sich sein. Gerade jetzt, wo eine historisch aus der Umweltbewegung hervorgegangene Partei zu einem der angesehensten Repräsentanten des Kapitals geworden ist, müssen wir betonen: Der Kapitalismus in all seinen Spielarten ist das Problem, weil er auf der endlosen Anhäufung von Kapital basiert, weil er endlos wachsen muss und menschliches Glück und dem Schutz unserer Umwelt nicht im Mittelpunkt von Produktion und Verteilung stehen.. Wir dürfen deshalb nicht nur fragen welche Technologie benutzt wird um Strom zu erzeugen (womit nicht geleugnet werden soll, dass auch im Kapitalismus das destruktive Potential von Windrädern kleiner ist als von AKWs). Anstatt immer nur von unbestimmt von der Zukunft der „Erneuerbaren“ zu sprechen, gehören weitere Fragen auf die Tagesordnung: Wem gehören die Anlagen? Welche Ziele haben die Betreiber_innen? Wo wird die Energie erzeugt? Wie wird sie transportiert? Welchen Einfluss haben die Betroffenen? Wofür wird der Strom produziert? Wer hat Zugang zu ihm und zu welchem Preis?<br />
Wer diese Fragen herrschaftskritisch beantwortet, dürfte von allein in Opposition zu der Energiewende des Kapitalistenstaates geraten.<br />
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{{Fußnoten}}</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2011-02:Was_tun_wenn%27s_gr%C3%83%C2%BCnt%3F&diff=140352011-02:Was tun wenn's grünt?2011-06-30T21:02:30Z<p>Vega: </p>
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<div>== ''Der Kapitalistenstaat will kein Atomstaat bleiben und färbt sich grün. Was heißt das für die radikale Umweltbewegung?'' ==<br />
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Die menschgemachte Tragödie von Fukushima ist bei weitem nicht zu der Wende geworden, die sie hätte sein müssen. Aber sie hat in Deutschland zu Entwicklungen geführt, auf die wir als emanzipatorische<ref>Emanzipation: Befreiung des Menschen von Herrschaft</ref> und antagonistische<ref>Antagonismus: Grundsätzlicher Widerspruch zu etwas</ref> Umweltbewegung eingehen sollten. Dieser Artikel zielt nicht auf die rege Tätigkeit an der Basis der Anti-AKW-Proteste (die ja mal wieder ein neues Level an Aktivität erreicht hat und eine Untersuchung durchaus wert wäre), sondern auf das, was auf staatsoffizieler Seite passiert. Hier sind zwei parallel zueinander laufende Entwicklungen zu beobachten. <br />
<br />
Zum einen der fortgesetzte Höhenflug der Grünen. Trotz federführender Beteiligung an der vorletzten Verlängerung der AKW-Laufzeiten, trotz weiterreichender Anti-Atomposition der Linkspartei, haben sie ganz maßgeblich von den Ereignissen profitiert – der „Markenkern“ der Parteien war wichtiger als ihre Politik. Die Grünen verzeichnen nicht nur bundesweit steigende Umfragewerte, sondern auch Erfolge bei Kommunal- und Landtagswahlen, bis hin zum ersten grünen Ministerpräsidenten in BaWü. Der provoziert die Debatte über Schwarz-Grün auf Bundesebene, und auch wenn noch beide Seiten entsetzt dementieren, ist fraglich, wie lange das noch so sein wird. ''„Zahlreiche unüberwindlich scheinende Hürden für eine Zusammenarbeit mit der Union haben die einstigen Ökopaxe längst beiseite geräumt, indem sie während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten ihre Skrupel gegenüber deutschen Kriegsbeteiligungen, sozialem Kahlschlag und dem Abbau von Bürgerrechten überwanden. Wer Schröder, Clement und Scharping überlebt hat, hält es auch mit Merkel, Schäuble und de Maizière aus.“'' (Pascal Beucker, Jungle World 25/2011). Es wird immer klarer wohin die Reise der Grünen geht: Von der Allianz der konservativen mit den linken/linksradikalen Umweltschützern, über die Entledigung von allen radikalen Strömungen, zu der Partei die den Kapitalismus mitgestalten darf bis hin zur Impulsgeberin und Vordenkerin des nächsten Kapitalisierungsschubes. <br />
Die Grünen sind dabei nicht nur die Partei des mittelständischen Bürgertums, dass jenseits von Sozialer Frage und ernstgemeinter Kapitalismuskritik einen vermeintlich nachhaltigen Lebensstil praktizieren will (und sich das auch was kosten lässt). Wichtiger noch ist wen die Grünen ökonomisch repräsentieren: Die Eigenheimbesitzer_innen mit Solaranlage auf dem Dach, die Biobäuer_innen, die Hersteller, Installateure und Betreiber von Solaranlagen und Windrädern – sie alle verdienen als Kapitalist_innen durch Ausbeutung von Arbeitskraft und Vernutzung der Natur gutes Geld, und sie wollen eine Partei die eine für sie günstige Politik macht. Der gleichzeitige Niedergang der FPD ist kein Zufall, sondern Symptom dafür, dass die Grünen inzwischen besser im Bedienen von Kapitalinteressen sind.<br />
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Bei weitem nicht gegen alle Kapitalinteressen gerichtet ist auch die zweite Entwicklung,, die „Energiewende“, ein Begriff der weder ganz richtig noch ganz falsch ist. Die Kapitalist_innen die ihr Geld mit erneuerbaren Energien verdienen (und deshalb von manchen in der Bewegung regelrecht beworben werden) haben schon immer ein wirtschaftliches Interesse die AKWs zurückzudrängen. Auch die vier großen Energieriesen pumpen große Mengen an Kapital in erneuerbare Energien. Die Frage war immer nur, wie lange sie noch mit den AKWs Geld drucken dürfen, auf das danach sind sie gut vorbereitet. Außerdem werden selbst am aufwändigen Abbau der AKWs noch andere Leute Geld verdienen (und das erworbene Know-How vielleicht eins Tages sogar exportieren können).<br />
Der Atomausstieg passt also sehr gut zu der Form des Kapitalismus die wir gerade erleben. Trotzdem: Vor einen halben Jahr war ein derartig weitreichender Ausstiegsbeschluss kaum vorstellbar. Das bezieht sich weniger auf das konkrete Ausstiegsjahr 2021, als auf die Tatsache, dass 8 AKWs (fast die Hälfte!) auf einen Schlag ausgeschaltet werden und der Rest in Etappen. Sicherlich, die Forderung nach dem sofortigen weltweiten Atomausstieg hat nichts von ihrer Richtigkeit verloren. Die Verschiebung der realpolitischen Koordinaten ist dennoch erstaunlich. Das wird auch für radikale Politik Konsequenzen haben. Es ist durchaus denkbar, dass der Zulauf zu den Anti-Atomaktionen jetzt wieder abnehmen wird, auch eine stärkere Delegitimierung im bürgerlichen Diskurs ist möglich. <br />
Wichtiger noch als das Ende der AKWs ist der beschlossene Ausbau der Erneuerbaren Energien. Bisher erstaunlicher Weise selten kritisiert, sind diese Pläne alles andere als emanzipatorisch. Vorgesehen sind große, zentralisierte Anlagen vor allem im Norden des Landes (die Energieerzeugung würde zentralisierter erfolgen als durch die AKWs) und ein massiver Ausbau der Hochspannungsleitungen quer durchs Land. Dargestellt wird dies als die einzige mögliche Form der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier ist ein energischer Widerspruch in Theorie und Praxis nötig!<br />
<br />
Zunächst einmal war und ist die Diskussion wie viele AKWs oder auch Windparks und Hochspannungsleitungen es brauche um „die“ Gesellschaft mit Strom zu versorgen schon immer absurd, weil nie die Frage gestellt wurde, was für eine Gesellschaft da mit Strom versorgt wird. Rüstungsindustrie, Massentierhaltung, Werbeapparate, Gefängnisse, Polizei und Militär sind nur ein paar Beispiele für Dinge, die in der bürgerlichen Gesellschaft Strom verbrauchen, nach einer Revolution aber vom Netz gehen würden ohne das sie jemand vermisst. Welches Interesse haben wir daran, dass mit Ökostrom von der Nordsee in Süddeutschland Panzer gebaut werden? <br />
Auch die konkrete Produktion und Verteilung dieses Stromes wird hochgradig unsozial und unökologisch abgewickelt werden. Um das Land mit Hochspannungsmasten zuzupflastern wird nicht nur einiges an Fläche verbraucht werden, es muss auch Eisenerz gefördert und zu Stahl geschmolzen werden – Szenen die dem deutschen Biobürgertum sicher nicht gefallen dürften, sich aber auch nicht unter ihrer Nase abspielen. Oberirdische Hochstromtrassen (die unterirdische Alternative wird aus Kostengründen kaum genutzt) führen sehr wahrscheinlich zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie z.B. erhöhten Raten von Kinderleukämie; von Geräuschbelästigung einmal abgesehen. Windräder können (je nach Standort) eine ökologische Beeinträchtigung für Vögel sein und durch Schlagschatten und Geräuschentwicklung der menschlichen Lebensqualität abträglich sein. Es gibt immer mehr unterstützenswerte Initiativen von Betroffenen, die sich gegen solche Projekte wehren. In der Diskussion um die „Energiewende“ kamen sie kaum vor, und wenn, dann um sie lächerlich zu machen. <br />
Das passt gut, denn die zentralisierte Stromversorgung bedeutet zudem immer eine Zentralisierung von Macht und begünstigt dadurch eine herrschaftsförmige Organisation der Stromerzeugung. Das früher mal um eine dezentrale regenerative Stromerzeugung gestritten wurde, erscheint heute kaum noch vorstellbar. Der Begriff des Atomstaates soll auf den Punkt bringen, dass das Kapital die AKWs nur betreiben kann, solange ihnen der Staat den Rücken freiprügelt. Über die „Energiewende“ lässt sich aber letztlich das Selbe sagen. Sie ist eben kein Programm mit dem vorrangigen Ziel das Leben der Menschen zu verbessern (solche Programme kann es im Kapitalismus nicht geben), sie schafft vor allem dem ewig zur Suche nach Absatzmärkten verdammten Kapital neue Investitionsmöglichkeiten. <br />
Unsere Kritik sollte daher nicht bei Zentralisierung stehenbleiben oder sich nur auf die Forderung nach unterirdischen Hochspannungsleitungen beschränken. Kapitalismus funktioniert auch dezentral gut, schon allein deshalb kann Dezentralisierung kein Wert für Sich sein. Gerade jetzt, wo eine historisch aus der Umweltbewegung hervorgegangene Partei zu einem der angesehensten Repräsentanten des Kapitals geworden ist, müssen wir betonen: Der Kapitalismus in all seinen Spielarten ist das Problem, weil er auf der endlosen Anhäufung von Kapital basiert, weil er endlos wachsen muss und menschliches Glück und dem Schutz unserer Umwelt nicht im Mittelpunkt von Produktion und Verteilung stehen.. Wir dürfen deshalb nicht nur fragen welche Technologie benutzt wird um Strom zu erzeugen (womit nicht geleugnet werden soll, dass auch im Kapitalismus das destruktive Potential von Windrädern kleiner ist als von AKWs). Anstatt immer nur von unbestimmt von der Zukunft der „Erneuerbaren“ zu sprechen, gehören weitere Fragen auf die Tagesordnung: Wem gehören die Anlagen? Welche Ziele haben die Betreiber_innen? Wo wird die Energie erzeugt? Wie wird sie transportiert? Welchen Einfluss haben die Betroffenen? Wofür wird der Strom produziert? Wer hat Zugang zu ihm und zu welchem Preis?<br />
Wer diese Fragen herrschaftskritisch beantwortet, dürfte von allein in Opposition zu der Energiewende des Kapitalistenstaates geraten.</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2010-02:Eine_Torte_f%C3%BCr_Trittin&diff=134392010-02:Eine Torte für Trittin2010-09-28T10:52:21Z<p>Vega: </p>
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<div>=Über falsche Dialoge und warum es manchmal Joghurt sein muss=<br />
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Wir schreiben den 22. September 2010. Hannover. Republik freies Wendland. Oder so ähnlich jedenfalls. Ein Kunstprojekt des Staatstheaters stellt das „historische“ Hüttendorf<ref>Republik freies Wendland ist die Bezeichnung für ein Hüttendorf, welches 1980 in Gorleben als Widerstand gegen das dort geplante Atommüllendlager errichtet wurde. Es wurde von mehreren hundert Menschen konstant bewohnt. Bereits einen Monat nach der Errichtung wurde es durch einen brutalen Großeinsatz der Polizei geräumt. </ref> zusammen mit einer Schulklasse nach. Ein paar Exemplare der echten Anti-AKW-Bewegung werden angeheuert, geben Workshops. Am Abend des besagten 22. dann der Eklat: Während einer Podiums-Diskussion der Aktivistin und Autorin Hanna Poddig mit dem Grünen-Spitzenfunktionär Jürgen Trittin (Thema „Ideale vs. Realpolitik“) betritt ein Mensch im weißen Overall die Bühne von hinten, schmeißt Trittin eine Torte an dem Hinterkopf, und geht wieder. Fassungsloses Schweigen. Dann ergreift Poddig das Wort: „Ich finde die Aktion nicht schlecht. Ich glaube die Aktion ist eine angemessene Reaktion auf das, was die Grünen gerade versuchen, sich nämlich als Teil von Anti-Atom-Bewegung zu inszenieren. Das sind sie in meinen Augen überhaupt nicht. Deswegen kann ich das, wenn es sowas wie unser Kompromissangebot an die Grünen war, durchaus nachvollziehen.“ <br/><br />
Trittin bleibt ruhig: „Wenn das hier ernsthaft die Auffassung ist, dann ist man hier nicht auf der Basis, wo man sich gleichberechtigt, unter Gleichen, unterhält, und auch gegebenfalls unterschiedliche Meinungen ausdrückt. Wenn das ihre Auffassung ist, dann ist das so, aber dann ist da auch kein Raum für einen Diskurs, weil ich kann nicht diskutieren, wenn man gleichzeitig körperliche Gewalt gegen mich anwendet...“ Der Rest der Ansprache geht in kräftigen Applaus unter, während Trittin die Bühne verlässt – grinsend übrigens. Wie sich zeigen soll zurecht, denn wenn mensch in den folgenden Tagen die örtlichen Zeitungen verfolgt, wird schnell klar, dass er die Runde nach Punkten gewonnen hat: Die Medien fallen über Poddig her, das Theater distanziert sich und kündigt ihren Vertrag, auch die teilnehmende Schulklasse distanziert sich öffentlich von der Aktion, das örtliche CDU-Rechtsaußen will die Inszenierung gleich ganz dicht machen, „Es darf nicht sein, dass die Stadt Hannover eine Plattform für undemokratisches Handeln bietet“.<ref>HAZ vom 24.09., http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Torten-Attacke-auf-Trittin-schockiert-Ballhof-Akteure/Rats-CDU-Huettendorf-muss-weg</ref><br />
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Woher eine so geballte Welle der Aggression und Ausgrenzung– wegen einer Joghurttorte? Es muss einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden: Eigentlich kann Jürgen Trittin froh sein, dass ihm nicht mehr um den Kopf flog als ein bißchen Joghurt. Denn das wäre in jedem Fall gut, wichtig und angemessen gewesen.<br/><br />
Es gehört nicht viel dazu, sich die Stimmen vorzustellen, die sich an dieser Stelle zu Wort melden: Es könne doch niemals im Sinne einer emanzipatorischen Linken sein, Dialoge abzubrechen und an ihre Stelle Gewalt (auch in ihren weichen und symbolischen Formen) zu setzen. Denn schließlich ist dies doch das genaue Gegenteil der angestrebten Utopie, in der eben auf allen gesellschaftlichen Ebenen an die Stelle von Gewalt und Zwang der Dialog und die freie Vereinbarung tritt. War die Torte so gesehen nicht ein reaktionärer Akt, der an die Stelle emanzipatorischer Prinzipien blinde Gewalt setzte?<br/><br />
Diesen Überlegungen liegt ein völlig verdrehtes Bild von Dialog und Gewalt, und daraus resultierend ein genauso falsches Bild von den Kämpfen für eine Befreite Gesellschaft, zugrunde. Trittin hat dieses verdrehte Bild bei seinem Abgang ziemlich treffend auf den Punkt gebracht. Er imaginierte eine „Basis, wo man sich gleichberechtigt, unter Gleichen, unterhält, und auch gegebenfalls unterschiedliche Meinungen ausdrückt“, und das da „kein Raum für einen Diskurs,“ sei, weil er nicht diskutieren können wenn man gleichzeitig körperliche Gewalt gegen anwende. <br />
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Um klarzumachen wer das sagt, ein paar Worte zur Person: Trittin ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, von den Sitzen her die kleinste Oppositionspartei, in manchen Umfragen derzeit aber gleichauf mit der SPD. Mit der hat sie auf Bundesebene auch schon regiert, und zwar von '98 bis '05. Stellvertretend für einige Errungenschaften grüner Regierungspolitik seien hier genannt: Der Kosovo-Krieg 1999 (erster deutscher Angriffskrieg seit 1939, mit Bombardements auf zivile Ziele), die Hartz-Reformen ab 2002 (historischer Sozialkahlschlag gegen breiten Protest aus der Bevölkerung), und der Atomkonsens 2002 (also genau diese als Atomausstieg getarnten Regelungen, die es den AKW-Betreibern ermöglichten, sich per „Reststrommengen“ in den sicheren Hafen einer schwarz-gelben Administration hinüberzuretten). Die hohen Umfrageergebnisse der Grünen heute hängen auch damit zusammen, dass sie sich (dank ihrer eigenen Maßnahmen) inzwischen wieder ganz konsequenzlos als radikale AtomkraftgegnerInnen inszenieren können – bis zur nächsten Regierungsbeteiligung. Trittin war beim letzten Mal als Umweltminister dabei, gerade auch beim Atomkonsens war er federführend beteiligt.<br/><br />
Da setzt sich also jemand hin, der maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass heute noch die AKWs laufen (ohne das er die Menschen in und um den Uranminen, die AnwohnerInnen der Kernkraftwerke, oder die BewohnerInnen der Region mit projektierten „End“lagern gefragt hat – von künftigen Generationen ganz zu schweigen), jemand der an einer Regierung beteiligt war, die gegen den Willen und Widerstand der Betroffenen die Lebensverhältnisse von Millionen SozialleistungsempfängerInnen dramatisch verschlechtert hat; die Bombardements auf eine wehrlose Zivilbevölkerung mit Toten, Verletzten und Obdachlosen zu verantworten hat – und auf einmal fällt diesem Menschen ein, dass es eigentlich ganz nett ist, „sich gleichberechtigt unter Gleichen“ zu unterhalten! Na mensch, wenn ihm das schon mal eingefallen wären, bevor seine Regierung Bomben auf diverse Städte schmeißen ließ! Mehr noch, während die von ihm mitzuverantwortende Beteiligung der deutschen Bomber am Angriffskrieg in Serbien eine reine Friedensmission war, ist eine Joghurttorte gegen seinen Hinterkopf eine inakzeptable Anwendung „körperlicher Gewalt".<br/><br />
Mensch kann das verlogen finden. Mensch kann davon ausgehen, dass Trittin auf diesem Podium genau das vorhatte, was linke Oppositionspolitiker halt machen (und was ihm wohl leider gelungen ist): Sich als möglichst links und progressiv zu inszenieren, um mit Stimmen aus genau diesem Lager wieder an die Macht zu gelangen – und die Welt mit neuen Errungenschaften rot-grüner Regierungspolitik zu beglücken. Das ist zwar alles richtig – wäre das aber alles gewesen, was in Trittins Statement zum Ausdruck kam, er hätte wohl kaum dermaßen viel Applaus für seinen Abgang geerntet. <br />
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Trittins Statement bringt vielmehr die eiskalte Lüge zum Ausdruck, mit jemanden wie ihm ließe sich ein gleichberechtigter, gewaltfreier Dialog führen. Damit meine ich nicht den Menschen Jürgen Trittin, über den ich mir an dieser Stelle kein Bild machen möchte. Es geht mir um den Politiker Trittin, der, wie alle anderen Politiker auch, weitreichende Entscheidungen über das Leben (und den Tod) anderer Menschen trifft, ohne das die Betroffenen mit entscheiden können. <br/><br />
Das ist ein Merkmal dieser Gesellschaft als Ganzes und in allen Bereichen. Nicht nur bei soweit reichenden Fragen wie der nach Krieg und Frieden oder den Betrieb der AKWs, sondern auch im Alltäglichen: Wir werden nicht gefragt, ob wir von dem Zeug in den Supermärkten mehr haben wollen als wir bezahlen können, ob wir in diese oder jene leer stehende Wohnung einfach einziehen wollen, wie wir auf Demos herumlaufen wollen oder was wir gerne an das Werbeplakat vor unserer Haustür schreiben wollen. Darüber kann mensch zwar diskutieren oder auch schreiben (die Chancen, dass die Zeitschrift vom Staat beschlagnahmt wird, sind eher gering), aber diese Dinge sind dennoch vom Staat festgelegt und nicht verhandelbar. Wer sich nicht daran hält, läuft in Gefahr mit Gewalt (Polizei, Justiz, Knast) dazu gezwungen zu werden. Es ist vollkommen egal, was für gute Argumente mensch hat, das Werbeplakat vor der eigenen Haustür zu verschönern oder sich an die Castorstrecke anzuketten – wenn die Polizei vorbeikommt, dann gibt’s Ärger. Punkt.<br />
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Das hat sich natürlich weder Jürgen Trittin noch ein anderer Politiker ausgedacht. Er und seinesgleichen können zwar auf die konkrete Ausgestaltung dieser Gesellschaft Einfluss nehmen. Auf ihre Grundprinzipien<ref>Kapitalistische Wirtschaftsweise auf der Grundlage zwanghafter, rücksichtsloser Expansion und des gewaltsamen Ausschlusses der Bevölkerung vom größten Teil des in einer Gesellschaft existierenden Reichtums (aka Privateigentum) und Ignoranz gegenüber nicht-zahlungskräftigen menschlichen Bedürfnissen; Staat mit Gewaltmonopol um genau das und seinen eigenen Fortbestand abzusichern; Eliten die ihren Elitenstatus schützen wollen......</ref> hat auch er keinen Einfluss. Das erstaunliche daran ist: Niemand hat das. Es haben sich niemals alle Menschen in diesem Land zusammengefunden und gesagt: „So wir machen jetzt mal nen Staat, und dazu eine kapitalistische Ökonomie, und alle 5 Jahre gehen wir wählen“. Noch nicht einmal irgendwelche fiesen Oberverschwörer haben das je getan. So erscheint z.B. der Markt allen Akteuren als eine quasi höhere Macht, denn er ist zwar das Resultat menschlichen Handelns, aber an seinen grundlegenden Mechanismen könne die Menschen nichts ändern.<ref>Aber natürlich können sie sich entscheiden, ihn abzuschaffen.</ref> Tatsache ist: Wir leben nicht nur in einer Gesellschaft, in der den Individuen jeden Tag durch Gewaltandrohung<ref>Wobei in den meisten Fällen tatsächliche Gewalt erst dann zum Einsatz kommt, wenn diskursive Herrschaftsformen (z.B. Erziehung, Moral, Abschreckung) keine Wirkung zeigen.</ref> vorgeschrieben kriegen, welches Verhalten OK ist und welches nicht – sie werden noch nicht einmal gefragt, ob sie das Spiel überhaupt mitspielen wollen. Die von Trittin imaginierte „Basis, wo man sich gleichberechtigt, unter Gleichen, unterhält, und auch gegebenfalls unterschiedliche Meinungen ausdrückt“, sie ist nichts weiter als Begleitmusik zu den gewaltsamen Sachzwängen dieser Gesellschaftsordnung.<br />
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Wirft mensch einen Blick auf die in dieser Gesellschaft dominanten Diskurse, entsteht ein ganz anderes Bild. Dialoge und Diskussionen über gesellschaftliche Konflikte werden hier nicht nur als vermeintliche zentrale gesellschaftliche Prinzipien behandelt, sie stellen auch schon fast schon fast einen Wert für sich da. Beispielhaft sei hier auf die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 verwiesen: Das Thema ist immer nur dann dann bundesweit in der ARD-Tagesschau präsent, wenn es Neues von einem runden Tisch zwischen „Befürwortern“ (besser: Profiteuren) und Gegnern zu berichten gibt – und der gleichzeitig stattfindende Baufortschritt und Protest und Widerstand dagegen wird eher beiläufig abgehandelt. <br />
Dahinter steht eine Ideologie, die den Eindruck erwecken soll, was in dieser Gesellschaft passiert, sei das Resultat von Absprachen zwischen den Betroffenen.<ref>Historischer Vordenker dieser Ideologie ist Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778), der davon ausging, die Grundlage des modernen Staates sei ein sogenannter Gesellschaftsvertrag, d.h. eine freiwillige Vereinbarung aller Menschen in einer Gesellschaft.</ref> Im Gegensatz dazu hat wer Gewalt anwendet oder sich der Diskussion verweigert grundsätzlich keine Argumente, sonst würde er sie ja in der Debatte vorbringen. Das mag zwar eine schöne Utopie sein. Aber wie aufgezeigt geht dieser Diskurs in allen Punkten meilenweit an der heutigen Realität vorbei. Dafür hat er eine andere, herrschaftsstützende Funktion.<br/><br />
Den dort wo über die Verhältnisse nur geredet wird, da werden sie auch nicht verändert. Dort wo die herrschenden Verhältnisse mit (Staats)gewalt aufrecht erhalten werden, da reichen Diskussionen allein nicht aus, um etwas zu ändern, da braucht es Widerstand. Ob, wie und in welchem Ausmaß Formen von Gewalt gegen Personen oder Sachen (was auch immer mensch darunter versteht) Teil eines emanzipatorischen Widerstandes sein können, das muss im Einzelfall sorgfältig und verantwortungsvoll geprüft werden. Diese Option aber pauschal und ohne die Berücksichtigung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu verwerfen ist naiv (selbst die Bundesregierung schmeißt Kränze für Hitlerattentäter ab) und nützt letztendlich nur den Herrschenden, die vor Worten ohne Taten keine Angst zu haben brauchen. <br />
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Genau das soll aber die Lüge, die herrschenden Verhältnisse seien allein durch Diskussionen zu ändern, bezwecken. Und genau diese Lüge hat Trittin in seinem Abgangsstatement zum Ausdruck gebracht. Und genau diese Lüge muss in Wort und Tat widerlegt werden.<br/><br />
Ich möchte damit nicht sagen, dass es grundsätzlich falsch ist, mit den Funktionären dieser Gesellschaft zu diskutieren. Aber um deutlich zu machen, was von Diskussionen mit ihnen zu erwarten ist, ist es mindestens genauso wichtig, von Zeit zu Zeit ein wenig Joghurt auf ihrem Hinterkopf zu verteilen<br />
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<small>{{Fußnoten}}</small></div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2010-02:Zugespitzte_Atomspaltungen%3F&diff=134252010-02:Zugespitzte Atomspaltungen?2010-09-19T08:09:25Z<p>Vega: </p>
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<div>'''Überlegungen zu "Castor? Schottern!"'''<br />
<br />
Seit einiger Zeit hat die Anti-AKW-Bewegung enormen Zulauf. Das passt gut zu den absolut unzumutbaren Verlängerungen des AKW-Risikos, die der Gesetzgeber gerade in die Wege leitet. Festzustellen ist jedoch, dass sich die neuen Aktionsformen meist auf symbolische Massenaktionen beschränken (Menschenkette), wo die Einzelnen dann doch eher passiv agieren, während die aus den Bewegungseliten stammenden Organisatoren Prestige und Medienaufmerksamkeit en mase einstreichen.<br />
[http://castor2010.org/ Eine interessante neue Perspektive eröffnet hingegen der Aufruf "Castor? Schottern!" der vor einigen Tagen veröffentlicht wurde.]<br />
<br />
Interessant aus verschiedenen Gründen: Zunächst einmal, weil die Grenze vom Protest zum Widerstand überschritten wird ("Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht." - Ulrike Meinhof, 1968). Weil nicht mehr nur mit medienwirksamen Bildern appelliert (vielleicht auch aufgeklärt) wird, sondern weil tatsächlich die Gewaltverhältnisse (und etwas anderes war der Abbau von Uran, der Betrieb von AKWs und der Umgang mit dem Atommüll mit all ihren Risiken und tagtäglichen Gesundheitsschäden und ökologischen Desastern noch nie) jetzt auch wirklich physisch und unmittelbar angegangen werden. Hierbei werden die TeilnehmerInnen auch eher zu tatsächlichen AkteurInnen als bei der bloßen Formierung zu Bildmaterial für den Medienbetrieb. <br/><br />
Und schließlich: Es wird ernsthaft der Versuch unternommen, die Massenbasis die der außerparlamentarische Protest gegen die Atomkraft in den letzten zwei Jahren entwickelt hat (als eine von ganz, ganz wenigen Sozialen Bewegungen in Deutschland), auch auf das Gebiet des physischen Widerstandes zu übertragen. Das ist keine Selbstverständlichkeit! Denn während in den letzten Jahren die Menschenmassen eher bei den symbolischen Veranstaltungen auftauchten (Demo im Wendland bevor der Castor da ist, insbesondere aber Menschenketten, Umzingelungen, Großdemo in Berlin etc.) gab es zwar durchaus auch direkten Widerstand gegen die Atompolitik - dieser war zwar auch technisch oft hochqualitativ, jedoch ging er von recht überschaubaren Personenkreisen aus, und ist bei staatlichen Bedarf dementsprechend leicht zu kriminalisieren ([http://bloxberg.blogsport.de/ als ein Beispiel von vielen sei hier auf die Castor-Blockade bei Berg, vor 2 Jahren verwiesen]). Sollte es nun gelingen, diesen Widerstand auf eine Massenbasis zu übertragen, dann würde dies nicht nur seine Kriminalisierung sehr erschweren. Auch seine gesellschaftliche Relevanz würde sprunghaft zunehmen.<br />
<br />
Zu prüfen wird jedoch sein, inwieweit dies auf die Qualität der Inhalte der Anti-AKW-Bewegung auswirkt. Prinzipiell ist festzustellen, das hier nicht nur auf theoretischer Ebene einiges an Ent-radikaliserung stattgefunden hat. Das hat auch viel mit dem gesellschaftlichen Kontext zu tun. In den 70er und 80er Jahren war die Atomkraft ein wichtiges Programm, um große Mengen Kapital gewinnbringend loszuwerden. Wer sich der Atomkraft in den Weg stellte, der/die stand schon fast der Verwertung an sich im Weg. Dies mag auch ein Mitgrund gewesen sein, warum dieser Widerstand mancherorts bürgerkriegsähnliche Züge annahm. Und auch ein wichtiger Bezugspunkt für die radikale Linke war (während heute Linksradikale bei den AKW-Protesten durchaus vorhanden, aber doch eher Exoten sind).<br/><br />
Heute hat sich an der ökonomischen Bedeutung der Atomenergie einiges geändert. Die Sparte der erneuerbaren Energien wächst enorm schnell, und macht hohe Gewinne. Hier zeigt sich ein ganz anderes Bild als bei vielen anderen Einzelkämpfen: Das angegriffene Projekt ist nicht alternativlos für die erfolgreiche Kapitalverwertung. Das heißt aber nicht, dass die Alternativen des Kapitals zum Anliegen von emanzipatorische Bewegungen werden sollten! Denn auch die Durchsetzung der Erneuerbaren auf dem Markt ändert nichts daran, dass Produzierende und KonsumentInnen nicht die Produktionsmittel kontrollieren und dass der Strom nur für jene da ist, die ihn bezahlen können. Schließlich haben die, die mit Erneuerbaren Energien Geld verdienen zwar ein Interesse an der Durchsetzung der Erneuerbaren - aber nicht daran, den Klimawandel tatsächlich zu stoppen oder gegen die vielen sonstigen Zumutungen vorzugehen, die der Kapitalismus der Menschheit einbrockt - denn das macht sich nicht in ihrem Geldbeutel bemerkbar. Nicht zuletzt auch, dass es an einigen Orten lokale Proteste gegen Windkraftanlagen gibt, die so aufgestellt werden, dass sie die Lebensqualität der Anwohner_innen beeinträchtigen, und [http://www.robinwood.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Magazin/2010-3/106-28-31-ene-arbeit.pdf zunehmende Berichte über miserable Arbeitsbedingungen in den Firmen]<ref>Gemeint sind vor allem die ersten 2 Seiten, den größten Teil des Beitrags des IG-Metall-Funktionärs halte ich für totalen Quark.</ref> machen deutlich, dass die Gesetzmäßigkeiten des Marktes eben auch vor Ökos nicht haltmachen.<br/><br />
Angesichts der Auslastung der Stromnetze ist es jedoch Fakt, dass mit dem Ausbau/Neubau von AKWs und Kohlekraftwerken das weitere Wachstum der Erneuerbaren Energien ausgebremst wird - der Alptraum jedes, ganz egal wie gearteten Kapitals. Es handelt sich also längst um einen Konflikt zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen. Und naturgemäß hat keine von ihnen ein Interesse daran, dass der bürgerliche Staat bzw. der Kapitalismus an sich in Frage gestellt wird - denn mögen diese noch so destruktiv und unsozial sein, sie sind dennoch die Existenzbedingung jedes Kapitals. Dazu passend sind auch die neuen Aktionsformen: Sie sind legalisitisch, symbolisch und die Menschenkette war auch ein Fotoshooting für jene, die den kapitalistischen Normalvollzug gerne mitgestalten würden (SPD und Grüne), dass ein "Öko-Kapitalist" aus der Sparte der erneuerbaren Energien ein Bus sponserte, mag bis jetzt ein Extremfall gewesen sein, zeigt aber deutlich, wohin die Reise geht.<br />
<br />
Der Aufruf zu "Castor? Schottern!" grenzt sich auf dem ersten Blick angenehm hiervon ab: ''"Vielmehr entspricht es häufig gemachter Erfahrung, dass Appelle an die da oben wenig ausrichten - sind die doch treibende Räder in einem System, in dem Wachstum und Profit das gesellschaftliche Geschehen bestimmen. Die Interessen der Menschen treten in den Hintergrund."'' Auch wenn die gesellschaftlichen Strukturen nicht beim Namen genannt werden und eine gründliche Analyse unterbleibt (was dem Format des Textes und dem Ziel, für breite Kreise anschlussfähig zu bleiben geschuldet sein mag, reformistischen Auslegungen aber Tür und Tor öffnet), ist das dennoch inhaltlich radikaler als alles, was bisher bei den rein symbolischen Massenaktionen an Message rüberkam. <br/><br />
Die Frage ist, was daraus aus in Praxis werden wird. Bleibt die Aktion überschaubar und bedeutungslos weil die Aktionsform nicht zu den ökonomischen Verhältnissen passt, wird sie trotz ihres radikalen Gestus dennoch konstruktiv in die modernisierte Herrschaftsverhältnisse integriert (die große Anzahl an Linkspartei und Gewerkschaftsfunktionären die den Aufruf unterstützen macht dies durchaus denkbar), oder gelingt es ihr den Anti-AKW-Protest in Theorie und Praxis zuzuspitzen?<br/><br />
Diesbezüglich scheint sich inzwischen selbst die Gewerkschaft der Polizei ernsthaft Sorgen zu machen, [http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/ID/5CEA7E39DC14A5CCC12577960031D32B?Open mensch beachte diese Pressemitteilung]. Sicherlich sind die Ergüsse der GDP in der Regel nicht der Weisheit letzter Schluss. Dennoch ist es schon bemerkenswert, wenn selbst die Polizei der Auffassung ist, die ''"Neue Atompolitik wird Polizei unweigerlich an Belastungsgrenze bringen"'', und ganz offensichtlich von enormen kommenden außerparlamentarischen Auseinandersetzungen ausgeht.<br />
<br />
Bei der Frage, wie denn aber eine (durchaus auch zugespitzte) außerparlamentarische Auseinandersetzung um die Atompolitik im Konkreten aussehen wird, zeigen sich auch die Gefahren dieser Aktionsformen. Denn die Praxis in Deutschland hat gezeigt, dass Massenproteste aller Art, auch wenn sie nach innen meist basisdenmokratisch organisiert sind (wobei auch hier die Grenzen zwischen rate-ähnlichen Strukturen mit imperativen Mandat und repräsentativen Strukturen die über die Köpfe vieler AkteurInnen hinweg entscheiden, fließend sind), dass diese Aktionen nach außen hin meist instrumentalisiert werden. Instrumentalisert in dem Sinne, dass aus den Bewegungseliten stammende OrganisatorInnen meist allein für die Pressearbeit verantwortlich sind (Transparenz gibt es in diesen Bereich in der Regel nicht), und sich anmaßen, für alle AktionsteilnehmerInnen zu sprechen - ohne die je nach ihrer Meinung gefragt zu haben. Durch das Vorgehen dieser selbst ernannten "SprecherInnen" dient dann unterm Strich das Engagement von Vielen oft dazu, Einfluss und Macht, den einige Wenige und ihre Organisationen im Diskurs entfalten, zu erhöhen. Solche Strukturen waren z.B. bei den Aktionen von x-tausend mal quer zu beobachten, beim G8-Gipfel in Heiligendamm, beim Klimacamp 2008 in Hamburg und beim Klimagipfel in Kopenhagen. <br />
Bei einem Teil (!!) der Aufrufenden zum Schottern scheint es durchaus plausibel, dass sich solche Abläufe wiederholen. Neben einigen VertreterInnen der Linkspartei (die ja vielerorts die außerparlamentarischen Kämpfe nutzt, um sich zu profilieren und so eines Tages den kapitalistischen Normalbetrieb mitgestalten zu dürfen) springen mehrere Gruppen und Personen ins Auge, die sich im Zusammenhang mit G8/Klimacamp/Kopenhagen, vorsichtig gesagt, nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Stellvertretend für mehrere problematische Personalien, sei hier nur Monty Schädel (Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) genannt, der beim G8 2007, als die Protestierenden nach den Auseinandersetzungen vom 2. Juni von der bürgerlichen Presse in die Schmuddelecke gestellt wurden, versuchte die Ehre von sich und seiner Gruppe zu retten, indem er die militanten Auseinandersetzungen zwischen Linksradikalen und Polizei mit den Brandanschlägen von Faschisten auf Ausländerwohnheime in Rostock-Lichtenhagen gleichsetzte. [http://www.stern.de/politik/deutschland/monty-schaedel-organisator-der-rostocker-grossdemonstration-wir-haben-unser-ziel-verfehlt-590320.html <em>"Wir wollten, dass von Rostock diesmal andere Bilder ausgehen als jene Bilder, die die Pogrome von 1992 hervorbrachten. Dieses Ziel haben wir verfehlt. Das haben wir nicht geschafft. Das wurde uns von einigen kaputt gemacht."</em>] Zwar hat er sich später von der konkreten Aussage distanziert, aber nicht von dem Gedankengut dahinter (zur Gleichsetzung Rechts-Links und zu Spaltungen zwischen "guten" und "bösen" AktivistInnen hat er kein kritisches Wort verloren). Was er und andere über den Anti-AKW-Widerstand sagen werden, falls dieser im November auch stigmatisiert wird, bleibt abzuwarten. Und ob das tatsächlich schlimmer sein wird, als das was von solchen Leuten zu hören sein wird, wenn nichts derartiges passiert. <br/><br />
In jedem Fall würden derartige Kommunikationsstrukturen einem Widerstand mit tatsächlich mündigen AkteurInnen sehr schaden. Und so blicke ich (trotz aller Sympathie) insgesamt doch eher mit gemischten Gefühlen auf das Konzept "Castor? Schottern!".<br />
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<small>{{Fußnoten}}</small></div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=2010-02:Zugespitzte_Atomspaltungen%3F&diff=134242010-02:Zugespitzte Atomspaltungen?2010-09-19T08:03:24Z<p>Vega: </p>
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<div>'''Überlegungen zu "Castor? Schottern!"'''<br />
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Seit einiger Zeit hat die Anti-AKW-Bewegung enormen Zulauf. Das passt gut zu den absolut unzumutbaren Verlängerungen des AKW-Risikos, die der Gesetzgeber gerade in die Wege leitet. Festzustellen ist jedoch, dass sich die neuen Aktionsformen meist auf symbolische Massenaktionen beschränken (Menschenkette), wo die Einzelnen dann doch eher passiv agieren, während die aus den Bewegungseliten stammenden Organisatoren Prestige und Medienaufmerksamkeit en mase einstreichen.<br />
[http://castor2010.org/ Eine interessante neue Perspektive eröffnet hingegen der Aufruf "Castor? Schottern!" der vor einigen Tagen veröffentlicht wurde.]<br />
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Interessant aus verschiedenen Gründen: Zunächst einmal, weil die Grenze vom Protest zum Widerstand überschritten wird ("Protest ist, wenn ich sage, das und das passt mir nicht. Widerstand ist, wenn ich dafür sorge, dass das, was mir nicht passt, nicht länger geschieht." - Ulrike Meinhof, 1968). Weil nicht mehr nur mit medienwirksamen Bildern appelliert (vielleicht auch aufgeklärt) wird, sondern weil tatsächlich die Gewaltverhältnisse (und etwas anderes war der Abbau von Uran, der Betrieb von AKWs und der Umgang mit dem Atommüll mit all ihren Risiken und tagtäglichen Gesundheitsschäden und ökologischen Desastern noch nie) jetzt auch wirklich physisch und unmittelbar angegangen werden. Hierbei werden die TeilnehmerInnen auch eher zu tatsächlichen AkteurInnen als bei der bloßen Formierung zu Bildmaterial für den Medienbetrieb. <br />
Und schließlich: Es wird ernsthaft der Versuch unternommen, die Massenbasis die der außerparlamentarische Protest gegen die Atomkraft in den letzten zwei Jahren entwickelt hat (als eine von ganz, ganz wenigen Sozialen Bewegungen in Deutschland), auch auf das Gebiet des physischen Widerstandes zu übertragen. Das ist keine Selbstverständlichkeit! Denn während in den letzten Jahren die Menschenmassen eher bei den symbolischen Veranstaltungen auftauchten (Demo im Wendland bevor der Castor da ist, insbesondere aber Menschenketten, Umzingelungen, Großdemo in Berlin etc.) gab es zwar durchaus auch direkten Widerstand gegen die Atompolitik - dieser war zwar auch technisch oft hochqualitativ, jedoch ging er von recht überschaubaren Personenkreisen aus, und ist bei staatlichen Bedarf dementsprechend leicht zu kriminalisieren ([http://bloxberg.blogsport.de/ als ein Beispiel von vielen sei hier auf die Castor-Blockade bei Berg, vor 2 Jahren verwiesen]). Sollte es nun gelingen, diesen Widerstand auf eine Massenbasis zu übertragen, dann würde dies nicht nur seine Kriminalisierung sehr erschweren. Auch seine gesellschaftliche Relevanz würde sprunghaft zunehmen.<br />
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Zu prüfen wird jedoch sein, inwieweit dies auf die Qualität der Inhalte der Anti-AKW-Bewegung auswirkt. Prinzipiell ist festzustellen, das hier nicht nur auf theoretischer Ebene einiges an Ent-radikaliserung stattgefunden hat. Das hat auch viel mit dem gesellschaftlichen Kontext zu tun. In den 70er und 80er Jahren war die Atomkraft ein wichtiges Programm, um große Mengen Kapital gewinnbringend loszuwerden. Wer sich der Atomkraft in den Weg stellte, der/die stand schon fast der Verwertung an sich im Weg. Dies mag auch ein Mitgrund gewesen sein, warum dieser Widerstand mancherorts bürgerkriegsähnliche Züge annahm. Und auch ein wichtiger Bezugspunkt für die radikale Linke war (während heute Linksradikale bei den AKW-Protesten durchaus vorhanden, aber doch eher Exoten sind).<br />
Heute hat sich an der ökonomischen Bedeutung der Atomenergie einiges geändert. Die Sparte der erneuerbaren Energien wächst enorm schnell, und macht hohe Gewinne. Hier zeigt sich ein ganz anderes Bild als bei vielen anderen Einzelkämpfen: Das angegriffene Projekt ist nicht alternativlos für die erfolgreiche Kapitalverwertung. Das heißt aber nicht, dass die Alternativen des Kapitals zum Anliegen von emanzipatorische Bewegungen werden sollten! Denn auch die Durchsetzung der Erneuerbaren auf dem Markt ändert nichts daran, dass Produzierende und KonsumentInnen nicht die Produktionsmittel kontrollieren und dass der Strom nur für jene da ist, die ihn bezahlen können. Schließlich haben die, die mit Erneuerbaren Energien Geld verdienen zwar ein Interesse an der Durchsetzung der Erneuerbaren - aber nicht daran, den Klimawandel tatsächlich zu stoppen oder gegen die vielen sonstigen Zumutungen vorzugehen, die der Kapitalismus der Menschheit einbrockt - denn das macht sich nicht in ihrem Geldbeutel bemerkbar. Nicht zuletzt auch, dass es an einigen Orten lokale Proteste gegen Windkraftanlagen gibt, die so aufgestellt werden, dass sie die Lebensqualität der Anwohner_innen beeinträchtigen, und [http://www.robinwood.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Magazin/2010-3/106-28-31-ene-arbeit.pdf zunehmende Berichte über miserable Arbeitsbedingungen in den Firmen]<ref>Gemeint sind vor allem die ersten 2 Seiten, den größten Teil des Beitrags des IG-Metall-Funktionärs halte ich für totalen Quark.</ref> machen deutlich, dass die Gesetzmäßigkeiten des Marktes eben auch vor Ökos nicht haltmachen.<br />
Angesichts der Auslastung der Stromnetze ist es jedoch Fakt, dass mit dem Ausbau/Neubau von AKWs und Kohlekraftwerken das weitere Wachstum der Erneuerbaren Energien ausgebremst wird - der Alptraum jedes, ganz egal wie gearteten Kapitals. Es handelt sich also längst um einen Konflikt zwischen verschiedenen Kapitalfraktionen. Und naturgemäß hat keine von ihnen ein Interesse daran, dass der bürgerliche Staat bzw. der Kapitalismus an sich in Frage gestellt wird - denn mögen diese noch so destruktiv und unsozial sein, sie sind dennoch die Existenzbedingung jedes Kapitals. Dazu passend sind auch die neuen Aktionsformen: Sie sind legalisitisch, symbolisch und die Menschenkette war auch ein Fotoshooting für jene, die den kapitalistischen Normalvollzug gerne mitgestalten würden (SPD und Grüne), dass ein "Öko-Kapitalist" aus der Sparte der erneuerbaren Energien ein Bus sponserte, mag bis jetzt ein Extremfall gewesen sein, zeigt aber deutlich, wohin die Reise geht.<br />
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Der Aufruf zu "Castor? Schottern!" grenzt sich auf dem ersten Blick angenehm hiervon ab: ''"Vielmehr entspricht es häufig gemachter Erfahrung, dass Appelle an die da oben wenig ausrichten - sind die doch treibende Räder in einem System, in dem Wachstum und Profit das gesellschaftliche Geschehen bestimmen. Die Interessen der Menschen treten in den Hintergrund."'' Auch wenn die gesellschaftlichen Strukturen nicht beim Namen genannt werden und eine gründliche Analyse unterbleibt (was dem Format des Textes und dem Ziel, für breite Kreise anschlussfähig zu bleiben geschuldet sein mag, reformistischen Auslegungen aber Tür und Tor öffnet), ist das dennoch inhaltlich radikaler als alles, was bisher bei den rein symbolischen Massenaktionen an Message rüberkam. <br />
Die Frage ist, was daraus aus in Praxis werden wird. Bleibt die Aktion überschaubar und bedeutungslos weil die Aktionsform nicht zu den ökonomischen Verhältnissen passt, wird sie trotz ihres radikalen Gestus dennoch konstruktiv in die modernisierte Herrschaftsverhältnisse integriert (die große Anzahl an Linkspartei und Gewerkschaftsfunktionären die den Aufruf unterstützen macht dies durchaus denkbar), oder gelingt es ihr den Anti-AKW-Protest in Theorie und Praxis zuzuspitzen?<br />
Diesbezüglich scheint sich inzwischen selbst die Gewerkschaft der Polizei ernsthaft Sorgen zu machen, [http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/ID/5CEA7E39DC14A5CCC12577960031D32B?Open mensch beachte diese Pressemitteilung]. Sicherlich sind die Ergüsse der GDP in der Regel nicht der Weisheit letzter Schluss. Dennoch ist es schon bemerkenswert, wenn selbst die Polizei der Auffassung ist, die ''"Neue Atompolitik wird Polizei unweigerlich an Belastungsgrenze bringen"'', und ganz offensichtlich von enormen kommenden außerparlamentarischen Auseinandersetzungen ausgeht.<br />
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Bei der Frage, wie denn aber eine (durchaus auch zugespitzte) außerparlamentarische Auseinandersetzung um die Atompolitik im Konkreten aussehen wird, zeigen sich auch die Gefahren dieser Aktionsformen. Denn die Praxis in Deutschland hat gezeigt, dass Massenproteste aller Art, auch wenn sie nach innen meist basisdenmokratisch organisiert sind (wobei auch hier die Grenzen zwischen rate-ähnlichen Strukturen mit imperativen Mandat und repräsentativen Strukturen die über die Köpfe vieler AkteurInnen hinweg entscheiden, fließend sind), dass diese Aktionen nach außen hin meist instrumentalisiert werden. Instrumentalisert in dem Sinne, dass aus den Bewegungseliten stammende OrganisatorInnen meist allein für die Pressearbeit verantwortlich sind (Transparenz gibt es in diesen Bereich in der Regel nicht), und sich anmaßen, für alle AktionsteilnehmerInnen zu sprechen - ohne die je nach ihrer Meinung gefragt zu haben. Durch das Vorgehen dieser selbst ernannten "SprecherInnen" dient dann unterm Strich das Engagement von Vielen oft dazu, Einfluss und Macht, den einige Wenige und ihre Organisationen im Diskurs entfalten, zu erhöhen. Solche Strukturen waren z.B. bei den Aktionen von x-tausend mal quer zu beobachten, beim G8-Gipfel in Heiligendamm, beim Klimacamp 2008 in Hamburg und beim Klimagipfel in Kopenhagen. <br />
Bei einem Teil (!!) der Aufrufenden zum Schottern scheint es durchaus plausibel, dass sich solche Abläufe wiederholen. Neben einigen VertreterInnen der Linkspartei (die ja vielerorts die außerparlamentarischen Kämpfe nutzt, um sich zu profilieren und so eines Tages den kapitalistischen Normalbetrieb mitgestalten zu dürfen) springen mehrere Gruppen und Personen ins Auge, die sich im Zusammenhang mit G8/Klimacamp/Kopenhagen, vorsichtig gesagt, nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Stellvertretend für mehrere problematische Personalien, sei hier nur Monty Schädel (Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen) genannt, der beim G8 2007, als die Protestierenden nach den Auseinandersetzungen vom 2. Juni von der bürgerlichen Presse in die Schmuddelecke gestellt wurden, versuchte die Ehre von sich und seiner Gruppe zu retten, indem er die militanten Auseinandersetzungen zwischen Linksradikalen und Polizei mit den Brandanschlägen von Faschisten auf Ausländerwohnheime in Rostock-Lichtenhagen gleichsetzte. [http://www.stern.de/politik/deutschland/monty-schaedel-organisator-der-rostocker-grossdemonstration-wir-haben-unser-ziel-verfehlt-590320.html <em>"Wir wollten, dass von Rostock diesmal andere Bilder ausgehen als jene Bilder, die die Pogrome von 1992 hervorbrachten. Dieses Ziel haben wir verfehlt. Das haben wir nicht geschafft. Das wurde uns von einigen kaputt gemacht."</em>] Zwar hat er sich später von der konkreten Aussage distanziert, aber nicht von dem Gedankengut dahinter (zur Gleichsetzung Rechts-Links und zu Spaltungen zwischen "guten" und "bösen" AktivistInnen hat er kein kritisches Wort verloren). Was er und andere über den Anti-AKW-Widerstand sagen werden, falls dieser im November auch stigmatisiert wird, bleibt abzuwarten. Und ob das tatsächlich schlimmer sein wird, als das was von solchen Leuten zu hören sein wird, wenn nichts derartiges passiert. <br />
In jedem Fall würden derartige Kommunikationsstrukturen einem Widerstand mit tatsächlich mündigen AkteurInnen sehr schaden. Und so blicke ich (trotz aller Sympathie) insgesamt doch eher mit gemischten Gefühlen auf das Konzept "Castor? Schottern!".<br />
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<br />
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<small>{{Fußnoten}}</small></div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Kategorie_Diskussion:Winter_2009/2010/Personifizierungskritik_und_Aktionsunf%C3%83%C2%A4higkeit&diff=12728Kategorie Diskussion:Winter 2009/2010/Personifizierungskritik und Aktionsunfähigkeit2009-11-25T14:17:57Z<p>Vega: erwiederung</p>
<hr />
<div>==Widersprüche ahoi!==<br />
'''vega''' Die Analyse der anonymen Herrschaftsapparate und des Spannungsfeldes zwischen Verkürzung und Aktionsfähigkeit, in dem sich Politik mit emanzipatorischen Anspruch bewegt, ist sehr treffend. Andere Passagen sind in meinen Augen ziemlich widersprüchlich:<br />
<br />
''"Diese Sachzwänge sind auch real-existent für die meisten Menschen. Diese Allgegenwärtigkeit von herrschaftsförmigen Sachzwängen kann aber dadurch bekämpft werden, dass sie aus der Anonymität gerissen wird. Trotz Sachzwängen muss sich jeder Mensch entscheiden, welchen Scheiß sie/er mitmacht, und welchen nicht. Wer weiß dass sie/er für diesen Scheiß öffentlich verantwortlich gemacht wird, hat weniger Spaß dabei, und wird ihn mit einer höheren Wahrscheinlichkeit sein lassen."''<br />
<br />
Hier wird erst die Existenz von realen (Sach)Zwängen die auf die Menschen wirken untersucht, um anschließend die menschliche Entscheidungsfreiheit hochzuhalten - ich finde das widersprüchlich. Die Freiheit unterschiedliche Umgangsformen mit einem Zwangsverhältniss zu entwickeln ist letztlich eine Farce. Im Mittelpunkt emanzipatorischer Politik sollte immer die Aufhebung der Zwänge stehen. Die sehr ungenaue Formulierung "Scheiß mitmachen" erweckt bei mir den Eindruck, es ginge um unterschiedliche Umgangsformen mit dem Sachzwang, und nicht um seine Abschaffung. Sachzwänge werden in meinen Augen nicht dadurch bekämpft das sie thematisiert werden - sondern in dem sie aufgehoben werden (das Thematiseren ist hierbei zwar der erste Schritt, entfaltet für sich genommen aber noch keine befreiende Wirkung).<br />
<br />
''"Außerdem sind diese Sachzwänge ja nur Sachzwänge solange die Alternativen dazu unbekannt bleiben, sind also für die Menschen subjektiv."''<br />
<br />
Diese Aussage geht meiner Meinung nach an der Realität völlig vorbei. Von Neurosen und Konditionierung bis hin zum Ausschluß aus gesellschaftlicher Infrastruktur und offener Gewaltanwendung - fast jedes Zwangsverhältnis hat einen materiellen Kern, ist also auch objektiv vorhanden (übrigens sogar unabhängig davon, ob es von den Einzelnen subjektiv wahrgenommen wird). Sicherlich findet Herrschaft auch im Kopf statt - aber eben nicht nur. Das Denken von Alternativen ist zwar der richtige erste Schritt - aber für sich genommen noch nicht befreiend. Alternativen müssen materiell verwirklicht werden, um wirksam zu werden.<br />
<br />
''"Durch die Objektivierung dieser Sachzwänge von Antideutschen wird die Alternativlosigkeit des Kapitalismus’ zementiert, obwohl doch viele Beispiele von Projekten der „Selbstorganisation im Alltag“ zeigen, dass durch die verschiedensten Arten der „Umsonstökonomie“ die Härten des Kapitalismus abgewandt werden können, also eine Alternative zur Unterwerfung unter Kapitalistische Verhältnisse besteht."''<br />
<br />
Was du hier an Alternativen aufzeigst, stellt in meinen Augen nur eine Abschwächung von Zwängen da, beinhaltet aber nicht ihre Aufhebung. Wer gerne aufwendig asiatisch kocht oder Tage im vorraus den eigenen Speiseplan zusammenstellt, dessen Bedürfnisse werden weder durch 3 selbstverwaltete Bauernhöfe, noch durch Containern befriedigt. Mal ganz abgesehen davon, dass die 3 selbstverwalteten Höfe von zahlreichen (derzeit kapitalistischen) Zuliefererbetrieben abhängig sind, und das Containern auch nur das Ausnutzen einer müll- und warenproduzierenden Wirtschafstweise ist. Jetzt könnte mensch natürlich alle Bedürfnisse die sich so nicht befriedigen lassen als "bürgerliche Dekadenz" abtun und dem vermeintliche "proletarische Tugenden" wie z.B. Verzicht entgegenstellen. In diesem Fall würden wir nicht mehr über kompatible Utopien reden. "Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine Revolution" (E. Goldmann)<br />
<br />
Ich denke, in einer Gesellschaft die davon lebt Herrschaftsverhältnisse zu transformieren, und in den wenigen Fällen wo dies nicht funktioniert Gewalt anzuwenden, heißt der Weg zur Befreiten Gesellschaft nicht "Transformation" sondern "Umwälzung"!</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Kategorie:Winter_2009/2010/Personifizierungskritik_und_Aktionsunf%C3%83%C2%A4higkeit&diff=12727Kategorie:Winter 2009/2010/Personifizierungskritik und Aktionsunfähigkeit2009-11-25T13:23:51Z<p>Vega: Rechtschreibpolizei</p>
<hr />
<div>'''Dieser Artikel wurde eigentlich unabhängig des Artikels „Plädoyer für eine antikapitalistische Gentechnikkritik“ geschrieben, passt aber auch als Antwort auf die dort geäußerte Personifizierungskritik. Diese Kritik wird meist geübt aus einer antideutschen Ideologie heraus, die ich auch in diesem Artikel kritisieren möchte, was dann unabhängig des genannten Artikels von Vega ist.'''<br />
<br />
Die allgemeine Personifizierungskritik lautet so, dass die Personifizierung eines Problems das Augenmerk weg von „dem Spiel“ dem Kapitalismus (im Zusammenhang mit dem bürgerlich-demokratischen Staat), hin auf die Spieler (also die einzelnen Konzerne, Konzernchefs, Politiker, u.s.w.) richtet. Das Problem wird also schnell individualisiert. Die Eigenheiten der einzelnen PolitikerInnen oder Unternehmen werden angeprangert, was die dahinterstehenden Strukturen oft legitimiert. Wo einzelne Methoden und Vorgehensweißen als „abnormal“ kritisiert werden, wird der kapitalistische Alltag zur gewünschten „Norm“<br />
Die einzelnen Spieler müssen sich einfach an die geltenden Spielregeln halten, dann wird alles gut…<br />
<br />
Eine solche verkürzte Kapitalismus- oder Herrschaftskritik, ist zwar zu kritisieren, das Problem das sich ergibt, wenn mensch die Personifizierungskritik konsequent zu Ende denkt, ist aber, dass kaum noch konkrete Aktionen gemacht werden dürften, und kaum noch konkrete Konfliktpunkte aufgegriffen werden dürften. Alles müsste auf die Kapitalismuskritik reduziert werden. <br />
<br />
Natürlich ist es wichtig, Kapitalismuskritik immer mit zu thematisieren, denn natürlich gibt es in einer kapitalistischen Welt keine Konfliktpunkte, in die nicht kapitalistische Herrschaftsverhältnisse hineinspielen. Wo aber kapitalistische Funktionsweisen nicht mehr an konkreten Beispielen aufgezeigt und skandalisiert werden dürfen, bleibt Kapitalismuskritik unter sich, und vertut die Chance in andere Bewegungen hinein zu intervenieren.<br />
Und genau das ist die antideutsche Praxis, aus der dieser Kritik stammt: Lesezirkel und Diskussionsrunden, also „unter sich bleiben“.<br />
<br />
Heutige Herrschaftsverhältnisse sind vor allem durch eine hohe Anonymität erfolgreich. Wer gegenüber wem Herrschaft ausübt, bleibt verschwommen. Anonyme Sachzwänge, oder Herrschafts-Apparate in denen alle selber nur Sachzwänge und ihren „Job“ ausüben, sind es, die das Leben der Menschen bestimmen. Konzernbosse, Politiker, Soldaten und andere Arschlöcher können sich prima hinter dieser Anonymität verstecken, und auf Sachzwänge verweisen. <br />
Diese Sachzwänge sind auch real-existent für die meisten Menschen. Diese Allgegenwärtigkeit von herrschaftsförmigen Sachzwängen kann aber dadurch bekämpft werden, dass sie aus der Anonymität gerissen wird. Trotz Sachzwängen muss sich jeder Mensch entscheiden, welchen Scheiß sie/er mitmacht, und welchen nicht. Wer weiß dass sie/er für diesen Scheiß öffentlich verantwortlich gemacht wird, hat weniger Spaß dabei, und wird ihn mit einer höheren Wahrscheinlichkeit sein lassen. <br />
<br />
Außerdem sind diese Sachzwänge ja nur Sachzwänge solange die Alternativen dazu unbekannt bleiben, sind also für die Menschen subjektiv. Durch die Objektivierung dieser Sachzwänge von Antideutschen wird die Alternativlosigkeit des Kapitalismus’ zementiert, obwohl doch viele Beispiele von Projekten der „Selbstorganisation im Alltag“ zeigen, dass durch die verschiedensten Arten der „Umsonstökonomie“ die Härten des Kapitalismus abgewandt werden können, also eine Alternative zur Unterwerfung unter Kapitalistische Verhältnisse besteht.<br />
<br />
Zwar kann die Lösung nicht alleine in einer individuellen Lebensgestaltungskritik liegen, das Innenministerium wäre nicht besser ohne Schäuble, und die Deutsche Bank nicht besser ohne Ackermann. Wo die einen ihren Job wegen moralischen Bedenken hinwerfen (oder in den Phantasien vieler umgenietet werden) werden andere ihn weiterführen und nichts hat sich geändert. <br />
<br />
Aber wo nicht mehr Menschen verantwortlich sind für das was passiert, sondern nur noch anonyme Strukturen, da besteht halt auch keine Möglichkeit, dass Menschen zu Subjekten für gesellschaftliche Veränderungen werden, wenn sie zuvor zu Objekten der bestehenden Verhältnissen verdammt wurden.<br />
<br />
Denn die Kritik aus antideutscher Richtung geht oft insofern weiter, dass jeder Versuch, aus der kapitalistische Allgegenwärtigkeit auszubrechen, als „individuelle Lösung“ abgetan wird. „Es gibt nichts Richtiges im Falschen“. Das stimmt zwar, aber es gibt das Bessere im Falschen, und es gibt den Aufbau von Perspektiven für Veränderungen im Falschen. Und dabei kann das Aufbauen von Gegenstrukturen, in denen kapitalistische Herrschaftsverhältnisse weniger Allgegenwärtig sind, entscheidend sein.<br />
<br />
Es stellt sich sowieso die Frage wie sich Antideutsche TheoretikerInnen transformative Prozesse und die Überwindung des K. vorstellen. Wenn Aktionen, die Herrschaftsverhältnisse konkretisieren, sowie das Aufbauen von Gegenrealitäten abgelehnt wird, bleibt alleine die Diskussion und die Überzeugungskraft der besseren Argumente als Werkzeug für Veränderungen übrig. Damit fallen sie vor 68 zurück, wo erkannt wurde, dass die „besseren Argumente“ alleine nicht ausreichen, sondern dass unter anderem direkte, kreative, spektakuläre, öffentlichkeitswirksame Aktionen nötig sind, um Inhalte mehr zu verbreiten, und direkte Aktionen, als Selbstermächtigung Verhältnisse selber zu gestalten.<br />
<br />
Strategien, die die Transformation der herrschenden Verhältnisse zum Ziel haben, und nicht bloß die eigene Profilierung, müssen sich also immer im Spannungsfeld bewegen, zwischen nicht in verkürzte Kapitalismuskritik zu verfallen und trotzdem Aktionsfähig zu bleiben.</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12722Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-20T18:24:59Z<p>Vega: /* Verwertungszwang + X */</p>
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<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
<br />
Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
<br />
==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen und daraus resultierend die doppelt verschleiernde Funktion der Pro-Gentechnikargumente im Gentechnik- und Kapitalismusdiskurs aufzuzueigen. Des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine meiner Meinung nach beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt. In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es meiner Meinung nach bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidern würde, liefe das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher zu dem Thema geschrieben haben. Diese Vorwürfe wären dem Ego sehr förderlich, aber eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
<br />
<br />
== Danke für die Diskussion, aber ... ==<br />
Also erstmal: Das "Danke" ist ernst gemeint, denn oft sind Beiträge ja Abrechnungen und keine Diskussionsbeiträge. Da hast Du nun schon das Gegenteil durch Deine Antwort bewiesen - das ist gut. Nichtsdestotrotz bleibe ich der Meinung, dass Du mit Deinem Text ausgerechnet oder zumindest vermutbar die Runde von Leuten angreifst, innerhalb derer eine emanzipatorische Kritik der übliche Stand der Dinge ist. Das wird durch Deinen (richtigen) Hinweis, dass es auch viele gibt, die bei Aktionen mitmachen, aber keinen oder wenig Theoriehintergrund haben nicht entkräftet. Denn wer nicht erreicht werden will und sich nicht äußert, ist von mir auch nicht gemeint gewesen beim Bezug auf bestehende Positionen.<br />
<br />
Es ist ja letztlich der alte Streit um Hauptwiderspruch oder Herrschaft als alle Bereiche durchziehendes Etwas. Hier werden wir uns wohl kaum einigen. Deine Formulierung zeigt hier, wie ich finde, schon sehr deutlich, dass für Dich Gesellschaft = Ökonomie ist. Daher hier nochmal zitiert: "Wie weiter vorne beschrieben ist die Gentechnik erfolgreich, weil sie dem Kapital hilft seinem Interesse an immer mehr Verwertung gerecht zu werden. Das ist der einzige Grund für ihren Erfolg – nicht etwa Korruption, Filz oder Verschwörung. Würden die Interessen der Akteure des Gentechnik-Filzes denen des Kapitals widersprechen, hätten sie nicht einmal einen Bruchteil ihres gesellschaftlichen Einflusses." Und das sehe ich eben nicht so. Die hegemoniale Steuerung der Gesellschaft entspringt einem undurchdringlichen Geflecht verschiedener Sphären und Einflussformen. Die Reduzierung auf ökonomische Macht ist geradezu geeignet, eine Personalisierung oder zumindest eine Lokalisierung der Macht zu ermöglichen - z.B. in Form von Aussagen, die Finanzmärkte dominieren alles andere u.ä. Tatsächlich ist Macht eine Matrix ohne feste Orte, aber immer mit konkret Ausführenden. Wer wo welche Einflüsse ausübt und was welche Effekte hat, kann immer nur ansatzweise vorausbestimmt werden. Seilschaften sind dabei Rückversicherungsnetzwerke, die Prozesse steuerbarer machen und konkreten Personen herausgehobene Gestaltungsmöglichkeiten zu verschaffen. Natürlich ließe sich die Darstellung des Prinzips auch nach der Art "X sitzt gleichzeitig dort, agiert auch dort und entscheidet dort mit" machen. Aber ob nun "X" oder "Broer" da steht, ist unerheblich für die Analyse. "X" heißt nunmal grad "Schrader" oder "Schmidt" - morgen vielleicht anders. Dann wäre die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" zu aktualisieren - mehr nicht.<br />
<br />
<br />
==Verwertungszwang + X==<br />
'''vega''' Der Text richtet sich erstmal an alle, die ihn lesen. Beim Schreiben hatte ich vor allem (aber nicht nur!) die Leute im Kopf, die direkte Aktionen gegen Gentechnik machen oder mittragen. Innerhalb dieser Gruppe die mit wenig Theoriehintergrund mehr als die, die bereits einen relativ umfangreichen Theoriehintergrund haben. Ich finde, schon allein diese Diskussion zeigt aber, dass sich die Lektüre auch für Leute lohnt, die schon einen relativ fundierten Theoriehintergrund haben. <br />
Mir fällt auf, dass du mehrmals betonst, dass eine emanzipatorische Kritik schon besteht. Ich denke, eine emanzipatorische Kritik kann niemals komplett sein. Es sollte immer diskutiert werden, ob es Sinn macht einzelne Elemente zu überarbeiten oder Neues zu ergänzen. In diesem Sinne verstehe ich meinen Text als Ergänzung zu dem auf der ProWe-Seite.<br />
<br />
Was die Debatte um den Stellenwert der Ökonomie innerhalb einer Gesellschaft angeht, schlage ich die Begrenzung auf die Frage der Gentechnik vor.<br />
Mir sind hierbei zunächst folgende Aussagen wichtig (und ich denke, dass wir uns da gar nicht so uneinig sind):<br />
# Das Erschließen neuer Märkte ist ein Grundproblem des Kapitals. Dementsprechend ist der Verwertungszwang eines der zentralen Prinzipien unserer Gesellschaft.<br />
# Die Agro-Gentechnik bietet dem Kapital zahlreiche Möglichkeiten, neue Absatzmärkte zu erschließen. <br />
# Viele der Probleme die die Agro-Gentechnik angeblich lösen soll, sind Folgen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Daher verschleiert der Pro-Gentechnik-Diskurs gleich doppelt die negativen Folgen der kapitalistischen Wirtschaftsweise (als Grund für die Gentechnik und Verursacher vieler Probleme die sie lösen soll, aber nicht kann.)<br />
<br />
Daher finde ich, dass sich die Kritik am Verwertungszwang als Roter Faden bei der Kritik der Agro-Gentechnik anbietet. Ich würde noch weitergehen und sagen, dass der kapitalistische Verwertungszwang der Hauptgrund für die Notwendigkeit und den Erfolg der Agro-Gentechnik in diesem Gesellschaftssystem ist.<br />
<br />
Was ich damit nicht sagen will ist, dass ihr Erfolg und Notwendigkeit ausschließlich durch die kapitalistische Wirtschaftsweise erklärbar sind. Zum einen haben viele Pro-Gentechnik-Akteure kein vollständiges oder gar kein Verständnis des Verwertungszwanges. Ihre individuellen Motivationen sind oft andere, und auch diese sollten ebenfalls analysiert und kritisiert werden.<br />
Zum anderen sind bei der Gentechnik natürlich auch noch andere gesellschafts-immanente Zwänge und Herrschaftsmechanismen im Spiel, die selbstverständlich auch im Rahmen einer emanzipatorischen Kritik in den Fokus genommen werden sollten.<br />
Hier lohnt sich der Rückgriff auf den ProWe-Text und auf andere, die noch zu schreiben sind. <br />
<br />
[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12721Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-20T18:23:25Z<p>Vega: /* Verwertungszwang + X */</p>
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<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
<br />
Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
<br />
==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen und daraus resultierend die doppelt verschleiernde Funktion der Pro-Gentechnikargumente im Gentechnik- und Kapitalismusdiskurs aufzuzueigen. Des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine meiner Meinung nach beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt. In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es meiner Meinung nach bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidern würde, liefe das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher zu dem Thema geschrieben haben. Diese Vorwürfe wären dem Ego sehr förderlich, aber eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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== Danke für die Diskussion, aber ... ==<br />
Also erstmal: Das "Danke" ist ernst gemeint, denn oft sind Beiträge ja Abrechnungen und keine Diskussionsbeiträge. Da hast Du nun schon das Gegenteil durch Deine Antwort bewiesen - das ist gut. Nichtsdestotrotz bleibe ich der Meinung, dass Du mit Deinem Text ausgerechnet oder zumindest vermutbar die Runde von Leuten angreifst, innerhalb derer eine emanzipatorische Kritik der übliche Stand der Dinge ist. Das wird durch Deinen (richtigen) Hinweis, dass es auch viele gibt, die bei Aktionen mitmachen, aber keinen oder wenig Theoriehintergrund haben nicht entkräftet. Denn wer nicht erreicht werden will und sich nicht äußert, ist von mir auch nicht gemeint gewesen beim Bezug auf bestehende Positionen.<br />
<br />
Es ist ja letztlich der alte Streit um Hauptwiderspruch oder Herrschaft als alle Bereiche durchziehendes Etwas. Hier werden wir uns wohl kaum einigen. Deine Formulierung zeigt hier, wie ich finde, schon sehr deutlich, dass für Dich Gesellschaft = Ökonomie ist. Daher hier nochmal zitiert: "Wie weiter vorne beschrieben ist die Gentechnik erfolgreich, weil sie dem Kapital hilft seinem Interesse an immer mehr Verwertung gerecht zu werden. Das ist der einzige Grund für ihren Erfolg – nicht etwa Korruption, Filz oder Verschwörung. Würden die Interessen der Akteure des Gentechnik-Filzes denen des Kapitals widersprechen, hätten sie nicht einmal einen Bruchteil ihres gesellschaftlichen Einflusses." Und das sehe ich eben nicht so. Die hegemoniale Steuerung der Gesellschaft entspringt einem undurchdringlichen Geflecht verschiedener Sphären und Einflussformen. Die Reduzierung auf ökonomische Macht ist geradezu geeignet, eine Personalisierung oder zumindest eine Lokalisierung der Macht zu ermöglichen - z.B. in Form von Aussagen, die Finanzmärkte dominieren alles andere u.ä. Tatsächlich ist Macht eine Matrix ohne feste Orte, aber immer mit konkret Ausführenden. Wer wo welche Einflüsse ausübt und was welche Effekte hat, kann immer nur ansatzweise vorausbestimmt werden. Seilschaften sind dabei Rückversicherungsnetzwerke, die Prozesse steuerbarer machen und konkreten Personen herausgehobene Gestaltungsmöglichkeiten zu verschaffen. Natürlich ließe sich die Darstellung des Prinzips auch nach der Art "X sitzt gleichzeitig dort, agiert auch dort und entscheidet dort mit" machen. Aber ob nun "X" oder "Broer" da steht, ist unerheblich für die Analyse. "X" heißt nunmal grad "Schrader" oder "Schmidt" - morgen vielleicht anders. Dann wäre die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" zu aktualisieren - mehr nicht.<br />
<br />
<br />
==Verwertungszwang + X==<br />
'''vega''' Der Text richtet sich erstmal an alle, die ihn lesen. Beim Schreiben hatte ich vor allem (aber nicht nur!) die Leute im Kopf, die direkte Aktionen gegen Gentechnik machen oder mittragen. Innerhalb dieser Gruppe die mit wenig Theoriehintergrund mehr als die, die bereits einen relativ umfangreichen Theoriehintergrund haben. Ich finde, schon allein diese Diskussion zeigt aber, dass sich die Lektüre auch für Leute lohnt, die schon einen relativ fundierten Theoriehintergrund haben. <br />
Mir fällt auf, dass du mehrmals betonst, dass eine emanzipatorische Kritik schon besteht. Ich denke, eine emanzipatorische Kritik kann niemals komplett sein. Es sollte immer diskutiert werden, ob es Sinn macht einzelne Elemente zu überarbeiten oder Neues zu ergänzen. In diesem Sinne verstehe ich meinen Text als Ergänzung zu dem auf der ProWe-Seite.<br />
<br />
Was die Debatte um den Stellenwert der Ökonomie innerhalb einer Gesellschaft angeht, schlage ich die Begrenzung auf die Frage der Gentechnik vor.<br />
Mir sind hierbei zunächst folgende Aussagen wichtig (und ich denke, dass wir uns da gar nicht so uneinig sind):<br />
# Das Erschließen neuer Märkte ist ein Grundproblem des Kapitals. Dementsprechend ist der Verwertungszwang eines der zentralen Prinzipien unserer Gesellschaft.<br />
# Die Agro-Gentechnik bietet dem Kapital zahlreiche Möglichkeiten, neue Absatzmärkte zu erschließen. <br />
# Viele der Probleme die die Agro-Gentechnik angeblich lösen soll, sind Folgen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Daher verschleiert der Pro-Gentechnik-Diskurs gleich doppelt die negativen Folgen der kapitalistischen Wirtschaftsweise (als Grund für die Gentechnik und Verursacher vieler Probleme die sie lösen soll, aber nicht kann.)<br />
<br />
Daher finde ich, dass sich die Kritik am Verwertungszwang als Roter Faden bei der Kritik der Agro-Gentechnik anbietet. Ich würde noch weitergehen und sagen, dass der kapitalistische Verwertungszwang der Hauptgründe für die Notwendigkeit und den Erfolg der Agro-Gentechnik in diesem Gesellschaftssystem ist.<br />
<br />
Was ich damit nicht sagen will ist, dass ihr Erfolg und Notwendigkeit ausschließlich durch die kapitalistische Wirtschaftsweise erklärbar sind. Zum einen haben viele Pro-Gentechnik-Akteure kein vollständiges oder gar kein Verständnis des Verwertungszwanges. Ihre individuellen Motivationen sind oft andere, und auch diese sollten analysiert und kritisiert werden.<br />
Zum anderen sind bei der Gentechnik natürlich auch noch andere gesellschafts-immanente Zwänge und Herrschaftsmechanismen im Spiel, die natürlich auch im Rahmen einer emanzipatorischen Kritik in den Fokus genommen werden sollten.<br />
Hier lohnt sich der Rückgriff auf den ProWe-Text und auf andere, die noch zu schreiben sind. <br />
<br />
[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12720Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-20T18:20:40Z<p>Vega: </p>
<hr />
<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
<br />
Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
<br />
==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen und daraus resultierend die doppelt verschleiernde Funktion der Pro-Gentechnikargumente im Gentechnik- und Kapitalismusdiskurs aufzuzueigen. Des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine meiner Meinung nach beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt. In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es meiner Meinung nach bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidern würde, liefe das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher zu dem Thema geschrieben haben. Diese Vorwürfe wären dem Ego sehr förderlich, aber eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
<br />
<br />
== Danke für die Diskussion, aber ... ==<br />
Also erstmal: Das "Danke" ist ernst gemeint, denn oft sind Beiträge ja Abrechnungen und keine Diskussionsbeiträge. Da hast Du nun schon das Gegenteil durch Deine Antwort bewiesen - das ist gut. Nichtsdestotrotz bleibe ich der Meinung, dass Du mit Deinem Text ausgerechnet oder zumindest vermutbar die Runde von Leuten angreifst, innerhalb derer eine emanzipatorische Kritik der übliche Stand der Dinge ist. Das wird durch Deinen (richtigen) Hinweis, dass es auch viele gibt, die bei Aktionen mitmachen, aber keinen oder wenig Theoriehintergrund haben nicht entkräftet. Denn wer nicht erreicht werden will und sich nicht äußert, ist von mir auch nicht gemeint gewesen beim Bezug auf bestehende Positionen.<br />
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Es ist ja letztlich der alte Streit um Hauptwiderspruch oder Herrschaft als alle Bereiche durchziehendes Etwas. Hier werden wir uns wohl kaum einigen. Deine Formulierung zeigt hier, wie ich finde, schon sehr deutlich, dass für Dich Gesellschaft = Ökonomie ist. Daher hier nochmal zitiert: "Wie weiter vorne beschrieben ist die Gentechnik erfolgreich, weil sie dem Kapital hilft seinem Interesse an immer mehr Verwertung gerecht zu werden. Das ist der einzige Grund für ihren Erfolg – nicht etwa Korruption, Filz oder Verschwörung. Würden die Interessen der Akteure des Gentechnik-Filzes denen des Kapitals widersprechen, hätten sie nicht einmal einen Bruchteil ihres gesellschaftlichen Einflusses." Und das sehe ich eben nicht so. Die hegemoniale Steuerung der Gesellschaft entspringt einem undurchdringlichen Geflecht verschiedener Sphären und Einflussformen. Die Reduzierung auf ökonomische Macht ist geradezu geeignet, eine Personalisierung oder zumindest eine Lokalisierung der Macht zu ermöglichen - z.B. in Form von Aussagen, die Finanzmärkte dominieren alles andere u.ä. Tatsächlich ist Macht eine Matrix ohne feste Orte, aber immer mit konkret Ausführenden. Wer wo welche Einflüsse ausübt und was welche Effekte hat, kann immer nur ansatzweise vorausbestimmt werden. Seilschaften sind dabei Rückversicherungsnetzwerke, die Prozesse steuerbarer machen und konkreten Personen herausgehobene Gestaltungsmöglichkeiten zu verschaffen. Natürlich ließe sich die Darstellung des Prinzips auch nach der Art "X sitzt gleichzeitig dort, agiert auch dort und entscheidet dort mit" machen. Aber ob nun "X" oder "Broer" da steht, ist unerheblich für die Analyse. "X" heißt nunmal grad "Schrader" oder "Schmidt" - morgen vielleicht anders. Dann wäre die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" zu aktualisieren - mehr nicht.<br />
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==Verwertungszwang + X==<br />
'''vega''' Der Text richtet sich erstmal an alle, die ihn lesen. Beim Schreiben hatte ich vor allem (aber nicht nur!) die Leute im Kopf, die direkte Aktionen gegen Gentechnik machen oder mittragen. Innerhalb dieser Gruppe die mit wenig Theoriehintergrund mehr als die, die bereits einen relativ umfangreichen Theoriehintergrund haben. Ich finde, schon allein diese Diskussion zeigt aber, dass sich die Lektüre auch für Leute lohnt, die schon einen relativ fundierten Theoriehintergrund haben. <br />
Mir fällt auf, dass du mehrmals betonst, dass eine emanzipatorische Kritik schon besteht. Ich denke, eine emanzipatorische Kritik kann niemals komplett sein. Es sollte immer diskutiert werden, ob es Sinn macht einzelne Elemente zu überarbeiten oder Neues zu ergänzen. In diesem Sinne verstehe ich meinen Text als Ergänzung zu dem auf der ProWe-Seite.<br />
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Was die Debatte um den Stellenwert der Ökonomie innerhalb einer Gesellschaft angeht, schlage ich die Begrenzung auf die Frage der Gentechnik vor.<br />
Mir sind hierbei zunächst folgende Aussagen wichtig (und ich denke, dass wir uns da gar nicht so uneinig sind):<br />
# Das Erschließen neuer Märkte ist ein Grundproblem des Kapitals. Dementsprechend ist der Verwertungszwang eines der zentralen Prinzipien unserer Gesellschaft.<br />
# Die Agro-Gentechnik bietet dem Kapital zahlreiche Möglichkeiten, neue Absatzmärkte zu erschließen. <br />
# Viele der Probleme die die Agro-Gentechnik angeblich lösen soll, sind Folgen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Daher verschleiert der Pro-Gentechnik-Diskurs gleich doppelt die negativen Folgen der kapitalistischen Wirtschaftsweise (als Grund für die Gentechnik und Verursacher vieler Probleme die sie lösen soll, aber nicht kann.)<br />
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Daher finde ich, dass sich die Kritik am Verwertungszwang als Roter Faden bei der Kritik der Agro-Gentechnik anbietet. Ich würde noch weitergehen und sagen, dass der kapitalistische Verwertungszwang einer der Hauptgründe für die Notwendigkeit und den Erfolg der Agro-Gentechnik in diesem Gesellschaftssystem ist.<br />
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Was ich damit nicht sagen will ist, dass ihr Erfolg und Notwendigkeit ausschließlich durch die kapitalistische Wirtschaftsweise erklärbar sind. Zum einen haben viele Pro-Gentechnik-Akteure kein vollständiges oder gar kein Verständnis des Verwertungszwanges. Ihre individuellen Motivationen sind oft andere, und auch diese sollten analysiert und kritisiert werden.<br />
Zum anderen sind bei der Gentechnik natürlich auch noch andere gesellschafts-immanente Zwänge und Herrschaftsmechanismen im Spiel, die natürlich auch im Rahmen einer emanzipatorischen Kritik in den Fokus genommen werden sollten.<br />
Hier lohnt sich der Rückgriff auf den ProWe-Text und auf andere, die noch zu schreiben sind. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12719Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-20T18:18:37Z<p>Vega: </p>
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== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
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Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen und daraus resultierend die doppelt verschleiernde Funktion der Pro-Gentechnikargumente im Gentechnik- und Kapitalismusdiskurs aufzuzueigen. Des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine meiner Meinung nach beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt. In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es meiner Meinung nach bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidern würde, liefe das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher zu dem Thema geschrieben haben. Diese Vorwürfe wären dem Ego sehr förderlich, aber eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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== Danke für die Diskussion, aber ... ==<br />
Also erstmal: Das "Danke" ist ernst gemeint, denn oft sind Beiträge ja Abrechnungen und keine Diskussionsbeiträge. Da hast Du nun schon das Gegenteil durch Deine Antwort bewiesen - das ist gut. Nichtsdestotrotz bleibe ich der Meinung, dass Du mit Deinem Text ausgerechnet oder zumindest vermutbar die Runde von Leuten angreifst, innerhalb derer eine emanzipatorische Kritik der übliche Stand der Dinge ist. Das wird durch Deinen (richtigen) Hinweis, dass es auch viele gibt, die bei Aktionen mitmachen, aber keinen oder wenig Theoriehintergrund haben nicht entkräftet. Denn wer nicht erreicht werden will und sich nicht äußert, ist von mir auch nicht gemeint gewesen beim Bezug auf bestehende Positionen.<br />
<br />
Es ist ja letztlich der alte Streit um Hauptwiderspruch oder Herrschaft als alle Bereiche durchziehendes Etwas. Hier werden wir uns wohl kaum einigen. Deine Formulierung zeigt hier, wie ich finde, schon sehr deutlich, dass für Dich Gesellschaft = Ökonomie ist. Daher hier nochmal zitiert: "Wie weiter vorne beschrieben ist die Gentechnik erfolgreich, weil sie dem Kapital hilft seinem Interesse an immer mehr Verwertung gerecht zu werden. Das ist der einzige Grund für ihren Erfolg – nicht etwa Korruption, Filz oder Verschwörung. Würden die Interessen der Akteure des Gentechnik-Filzes denen des Kapitals widersprechen, hätten sie nicht einmal einen Bruchteil ihres gesellschaftlichen Einflusses." Und das sehe ich eben nicht so. Die hegemoniale Steuerung der Gesellschaft entspringt einem undurchdringlichen Geflecht verschiedener Sphären und Einflussformen. Die Reduzierung auf ökonomische Macht ist geradezu geeignet, eine Personalisierung oder zumindest eine Lokalisierung der Macht zu ermöglichen - z.B. in Form von Aussagen, die Finanzmärkte dominieren alles andere u.ä. Tatsächlich ist Macht eine Matrix ohne feste Orte, aber immer mit konkret Ausführenden. Wer wo welche Einflüsse ausübt und was welche Effekte hat, kann immer nur ansatzweise vorausbestimmt werden. Seilschaften sind dabei Rückversicherungsnetzwerke, die Prozesse steuerbarer machen und konkreten Personen herausgehobene Gestaltungsmöglichkeiten zu verschaffen. Natürlich ließe sich die Darstellung des Prinzips auch nach der Art "X sitzt gleichzeitig dort, agiert auch dort und entscheidet dort mit" machen. Aber ob nun "X" oder "Broer" da steht, ist unerheblich für die Analyse. "X" heißt nunmal grad "Schrader" oder "Schmidt" - morgen vielleicht anders. Dann wäre die Broschüre "Organisierte Unverantwortlichkeit" zu aktualisieren - mehr nicht.<br />
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==Verwertungszwang + X==<br />
Der Text richtet sich erstmal an alle, die ihn lesen. Beim Schreiben hatte ich vor allem (aber nicht nur!) die Leute im Kopf, die direkte Aktionen gegen Gentechnik machen oder mittragen. Innerhalb dieser Gruppe die mit wenig Theoriehintergrund mehr als die, die bereits einen relativ umfangreichen Theoriehintergrund haben. Ich finde, schon allein diese Diskussion zeigt aber, dass sich die Lektüre auch für Leute lohnt, die schon einen relativ fundierten Theoriehintergrund haben. <br />
Mir fällt auf, dass du mehrmals betonst, dass eine emanzipatorische Kritik schon besteht. Ich denke, eine emanzipatorische Kritik kann niemals komplett sein. Es sollte immer diskutiert werden, ob es Sinn macht einzelne Elemente zu überarbeiten oder Neues zu ergänzen. In diesem Sinne verstehe ich meinen Text als Ergänzung zu dem auf der ProWe-Seite.<br />
<br />
Was die Debatte um den Stellenwert der Ökonomie innerhalb einer Gesellschaft angeht, schlage ich die Begrenzung auf die Frage der Gentechnik vor.<br />
Mir sind hierbei zunächst folgende Aussagen wichtig (und ich denke, dass wir uns da gar nicht so uneinig sind):<br />
# Das Erschließen neuer Märkte ist ein Grundproblem des Kapitals. Dementsprechend ist der Verwertungszwang eines der zentralen Prinzipien unserer Gesellschaft.<br />
# Die Agro-Gentechnik bietet dem Kapital zahlreiche Möglichkeiten, neue Absatzmärkte zu erschließen. <br />
# Viele der Probleme die die Agro-Gentechnik angeblich lösen soll, sind Folgen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Daher verschleiert der Pro-Gentechnik-Diskurs gleich doppelt die negativen Folgen der kapitalistischen Wirtschaftsweise (als Grund für die Gentechnik und Verursacher vieler Probleme die sie lösen soll, aber nicht kann.)<br />
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Daher finde ich, dass sich die Kritik am Verwertungszwang als Roter Faden bei der Kritik der Agro-Gentechnik anbietet. Ich würde noch weitergehen und sagen, dass der kapitalistische Verwertungszwang einer der Hauptgründe für die Notwendigkeit und den Erfolg der Agro-Gentechnik in diesem Gesellschaftssystem ist.<br />
Was ich damit nicht sagen will ist, dass ihr Erfolg und Notwendigkeit ausschließlich durch die kapitalistische Wirtschaftsweise erklärbar ist. Zum einen haben viele Pro-Gentechnik-Akteure kein vollständiges oder gar kein Verständnis des Verwertungszwangs. Ihre individuellen Motivationen sind oft andere, und auch diese sollten analysiert und kritisiert werden.<br />
Zum anderen sind bei der Gentechnik natürlich auch noch andere gesellschafts-immanente Zwänge und Herrschaftsmechanismen im Spiel, die natürlich auch im Rahmen einer emanzipatorischen Kritik in den Fokus genommen werden sollten.<br />
Hier lohnt sich der Rückgriff auf den ProWe-Text und auf andere, die noch zu schreiben sind. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12715Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-15T12:22:19Z<p>Vega: /* Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus */</p>
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<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
<br />
Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
<br />
==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen und daraus resultierend die doppelt verschleiernde Funktion der Pro-Gentechnikargumente im Gentechnik- und Kapitalismusdiskurs aufzuzueigen. Des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine meiner Meinung nach beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt. In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es meiner Meinung nach bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidern würde, liefe das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher zu dem Thema geschrieben haben. Diese Vorwürfe wären dem Ego sehr förderlich, aber eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12714Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-15T12:19:05Z<p>Vega: /* Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus */</p>
<hr />
<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
<br />
Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen und daraus resultierend die doppelt verschleiernde Funktion der Pro-Gentechnikargumente im Gentechnik- und Kapitalismusdiskurs aufzuzueigen. Des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine meiner Meinung nach beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt. In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es meiner Meinung nach bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidern würde, liefe das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher zu dem Thema geschrieben haben. Diese Vorwürfe wären dem Ego sehr förderlich, aber eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
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== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
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Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen und daraus resultierend die doppelt verschleiernde Funktion der Pro-Gentechnikargumente im Gentechnik- und Kapitalismusdiskurs aufzuzueigen. Des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine (in meinen Augen) beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt.In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es in meinen Augen bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidere, läuft das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher geschrieben haben. Das mag dem Ego sehr förderlich sein, ist meiner Meinung nach aber trotzdem eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
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== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
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Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen, des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine (in meinen Augen) beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt.In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es in meinen Augen bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidere, läuft das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher geschrieben haben. Das mag dem Ego sehr förderlich sein, ist meiner Meinung nach aber trotzdem eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
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[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
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== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
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Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen, des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt.In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es in meinen Augen bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidere, läuft das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher geschrieben haben. Das mag dem Ego sehr förderlich sein, ist meiner Meinung nach aber trotzdem eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nicht viel hinzu. Allerdings finde ich es schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen Text reinzulesen weiß ich nicht) - ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
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[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12710Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-15T11:13:47Z<p>Vega: /* Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus */</p>
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<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
<br />
Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
<br />
==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen, des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine beschönigende Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt.In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es in meinen Augen bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidere, läuft das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher geschrieben haben. Das mag dem Ego sehr förderlich sein, ist meiner Meinung nach aber trotzdem eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nichts hinzu. Allerdings finde ich schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. Desweiteren behaupte ich an keiner einzigen Stelle, der Kapitalismus würde ohne Menschen funktionieren (wie jb es schafft, dass in meinen text reinzulesen weiß ich nicht)- ich beschreibe lediglich ihre Austauschbarkeit. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
<br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12709Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-15T11:07:51Z<p>Vega: /* Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus */</p>
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<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
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Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen, des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der GentechnikkritikerInnen nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt.In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es in meinen Augen bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier der größte Nachholbedarf besteht - nicht weil ich denke, Herrschaft ausschließlich auf wirtschaftliche Unterdrückungsverhältnisse reduzieren zu können. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidere, läuft das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher geschrieben haben. Das mag dem Ego sehr förderlich sein, ist meiner Meinung nach aber trotzdem eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nichts hinzu. Allerdings finde ich schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12708Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-15T11:02:23Z<p>Vega: </p>
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== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
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Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen, des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der Gentechnik nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt.In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es in meinen Augen bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier den größten Nachholbedarf gibt. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidere, läuft das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher geschrieben haben. Das mag dem Ego sehr förderlich sein, ist meiner Meinung nach aber trotzdem eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nichts hinzu. Allerdings finde ich schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. <br />
#FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
[[Kategorie: Herrschaftskritik]]<br />
[[Kategorie: Theorie]]</div>Vegahttp://www.gruenes-blatt.de/index.php?title=Diskussion:2009-03:Pl%C3%A4doyer_f%C3%BCr_eine_antikapitalistische_Kritik_der_Agro-Gentechnik&diff=12707Diskussion:2009-03:Plädoyer für eine antikapitalistische Kritik der Agro-Gentechnik2009-11-15T11:01:10Z<p>Vega: /* Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik */ - Erwiederung: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus</p>
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<div>'''''Entgegnung:'''''<br />
== Plädoyer für eine emanzipatorische Gentechnikkritik ==<br />
'''jb''' Das Plädoyer für antikapitalistische Gentechnikkritik klingt gut - wäre aber im Kontext der inhaltlichen Debatte in den meisten Kreisen von AktivistInnen gegen die Gentechnik ein Rückschritt. Denn die Reduzierung gesellschaftlicher Analyse auf ökonomische Aspekte blendet eine Vielzahl von weiteren Machtsphären aus. So ist Blödsinn, dass Menschen nur Marionetten ökonomischer Bedingungen sind. Tatsächlich wirken vielfältige Formen von Zwängen und Erwartungshaltungen auf sie ein. Aus Kreisen der FeldbefreierInnen und FeldbesetzerInnen besteht schon seit ca. drei Jahren eine Argumentation für eine umfassende herrschaftskritische und, positiv formuliert, emanzipatorische Gentechnikkritik - nachzulesen sowohl im Internet (www.projektwerkstatt.de/gen/emanz_kritik.htm) wie auch in dieser Zeitschrift (Ausgabe Frühjahr 2008). Es wäre nützlich gewesen, wenn diese Texte dem Text über antikapitalistische Gentechnikkritik zugrundegelegt worden wären. So aber erweist sich die/der AutorIn als KritikerIn tatsächlich vorhandener Position, aber gerade nicht der hier an dieser Stelle üblichen. Und die scheinbar progressive Position im Text ist das nur im Vergleich mit den reduzierten Kritiken bei Grünen, BUND & Co. - nicht aber der hier bereits entwickelten.<br />
<br />
Zu alledem frönt der Text einem klassischen Konstrukt, dass bei näherer Betrachtung vor allem dem einen dient: Eine gute Ausrede fürs Nichtstun zu haben. Die Kritik an der Nennung von Namen bei der Offenlegung von Seilschaften zwischen Behörden, Konzernen, sogenannter Forschung und Lobbyarbeit behauptet implizit, dass die Welt auch ohne die konkreten Menschen funktioniert. Das ist natürlich Unsinn. Menschen sind zwar austauschbar, aber sie sind da. Ohne die Sphäre der EntscheiderInnen und Eliten sowie die große Zahl williger VollstreckerInnen würden weder Kapitalismus noch andere Herrschaftsformen funktionieren. Wer aber auf das Konkrete nicht schauen will, wird auch keinen Weg mehr finden, Widerstand zu leisten. Denn gegen den abstrakten Verwertungszwang lässt sich ebenso wenig antreten wie gegen das Risiko der Auskreuzung. Widerstand findet gegen die konkreten Erscheidungsformen statt - oder er findet nicht statt. Richtig wäre die Forderung, mit dem konkreten Protest immer die weitgehendere Kritik und Forderung zu verbinden. Aber dass gerade FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen erzählen zu wollen, wäre wohl überflüssig. Den dort ständig benannten Positionen hinkt der vorstehende Text eher hinterher.<br />
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==Entgegnung dazu: Keine Emanzipation ohne Antikapitalismus==<br />
'''vega''' Ich als Autor des kritisierten Textes erwidere jb seinem hiermit folgendes:<br />
#1. Der Text auf der Seite der Projektwerkstatt (im folgenden ProWe-Text) war mir bekannt, bevor ich meinen Text verfasst habe. Ich finde vieles an dem ProWe Text gut und wichtig. Daher hab ich eine Reihe von Argumentationen von ihm übernommen, und verweise am Ende meines Textes noch einmal ausdrücklich auf dem ProWe-Text. Dies zu verschweigen hilft zwar möglichst polemisch zu reagieren, verhindert aber eine ausgewogene Kritik. <br />
#2. In meinen Augen wird im ProWe-Text der ökonomische Aspekt zu kurz behandelt. Ich finde das das Funktionieren kapitalistischer Ökonomie zu kurz dargestellt wird (trifft eingeschränkt auch auf meinen Text zu), ich fand es außerdem wichtig die tatsächlichen Gründe noch einmal rein durch die ökonomische Brille zu analysieren und so einen schlüssigen Zusammenhang mit den Scheinvorteilen herzustellen, des weiteren sehe ich (auch bei den radikalen) GentechnikkritikerInnen viele Argumentationen, die einer fundierten Kapitalismuskritik im Weg stehen. <br />
#3. Wenn jb behauptet die kritisierten Positionen würden von den radikalen Teilen der Gentechnik nicht oder nur marginalisiert geäußert werden ist das ein offener Widerspruch zu den Erfahrungen die ich in diesen Kreisen gemacht habe. Sicherlich hat ein Teil dieser Zusammenhänge mal den ProWe-Text verfasst, viele vertreten auch emanzipatorische Positionen. Das ändert aber nichts daran, dass es ebenfalls viele gibt, die keine oder nur wage Vorstellungen vom Funktionieren kapitalistischer Ökonomie haben, und die von mir kritisierten Positionen vertreten – dafür aber das Label antikapitalistisch irgendwie hipp finden. Dies schlägt sich nicht unbedingt in Texten in diesem Blatt nieder, denn Leute mit wagen politischen Ideen neigen nicht unbedingt zum Verfassen von Texten. Diese Sachverhalte zu leugnen ist in meinen Augen ein Hindernis auf dem Weg zu einer emanzipatorischen Bewegung. Den Vorwurf des tendenziellen Hinterherhinkens gebe ich zurück an jb, für seine Analyse der Verfasstheit unserer Zusammenhänge.<br />
#4. Ich habe einen Artikel geschrieben, kein 500-Seitiges Buch. Aufgrund dieser Tatsache war für manche Aspekte meiner Kritik an der Gentechnik kein Platz – die Verkürzung ist technisch bedingt.In meinen Augen verhällt es sich genauso mit dem ProWe-Text. Ich habe mich auf die ökonomische Seite beschränkt, weil es in meinen Augen bei den sich als emanzipatorisch verstehenden GentechnikkritikerInnen hier den größten Nachholbedarf gibt. Wenn jb mir vorwirft zu verkürzen und ich dasselbe erwidere, läuft das auf den Grundvorwurf hinaus das wir beide keine dicken Bücher geschrieben haben. Das mag dem Ego sehr förderlich sein, ist meiner Meinung nach aber trotzdem eine blödsinnige Basis für eine Diskussion.<br />
#5. Der Absatz von jb über die Kritik an konkreten Personen zielt in eine richtige Richtung, ich füge ihm an dieser Stelle nichts hinzu. Allerdings finde ich schade, dass hier ein weiteres Mal vor lauter Beißreflex mein Text nicht gründlich genug gelesen zu worden sein scheint. Ich schreibe, dass der Kritik am Filz ein Fortschritt im Vergleich zum Verschweigen desselben ist. Desweiteren schreibe ich, dass die Gefahr droht in vereinfachte Kriktmuster abzurutschen – nicht das die Zwangsläufigkeit besteht. <br />
#6. FeldbesetzerInnen und FeldbefreierInnen klar zu machen, dass für emanzipatorische Standpunkte die Kritik am Konkreten mit der Kritik am Abstrakten verbunden werden muss, erscheint mir nicht überflüssig, sondern notwendig – denn in unserer Praxis gibt es da genug blinde Flecken. <br />
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[[Kategorie: Winter 2009/2010]]<br />
[[Kategorie: LeserInnen]]<br />
[[Kategorie: Gentech]]<br />
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[[Kategorie: Theorie]]</div>Vega